DSC_0033-Gabriel-KordsFranziska Borges hat ein „1A“ Zimmer in Greifswald. Es liegt fast in der Innenstadt, nah an der Uni und kostet nur 170 Euro pro Monat. Es gibt nur einen Haken – das Zimmer befindet sich im Verbindungshaus der Burschenschaft Markomannia Aachen-Greifswald und die Mitbewohner dort sind nicht jedermanns Sache. Seitdem Franziska im Verbindungshaus eingezogen ist, gibt es Gerüchte, Markomannia würde Frauen in ihre Burschenschaft aufnehmen. Die meisten studentischen Verbindungen nehmen aber keine Frauen auf. Es gibt in Greifswald jedoch Frauen, die sich als Gegengewicht zu den rein männlichen Studentenvereinigungen zusammengeschlossen und die Schwesternschaften Athena und Gratia Aurora gegründet haben. Es bleibt die Frage, warum Frauen nicht aufgenommen werden und die weit verbreiteten Vorurteile, Verbindungen seien sexistisch und extrem konservativ.

Schlagende Verbindungen und Burschenschaften, wie zum Beispiel Markomannia, geben das Pflichtfechten, die so genannte Mensur, als einen der Gründe dagegen an. „Ich möchte nicht gegen eine Frau kämpfen“, sagt Markomanne Christoph Böhm, „nicht, dass ich Frauen das Fechten nicht zutrauen würde, ich kenne sogar Frauen, die es sehr gut können.“ Jedoch fragt man sich, warum es nicht wie bei allen anderen Sportarten geregelt werden kann, bei denen Frauen gegen Frauen und Männer gegen Männer antreten. Eine deutsche Frau, Britta Heidemann, wurde 2008 sogar zur Olympiasiegerin im Fechten.

Ganz nach dem Motto „Wahre Liebe gibt es nur unter Männern“ werden Frauen als Risikofaktor in den geschlossenen Männergemeinschaften von Verbindungen betrachtet. „Sobald eine Frau in eine rein männliche Gesellschaft kommt, kann der verkomplizierende Faktor einer Beziehung auftreten“, erzählt Carsten Schönebeck, Mitglied der einzigen Katholischen Studentenverbindung in Greifswald. Soll das etwa heißen, Frauen sind nicht gesellschaftstauglich? Oder wollen sich die Mitglieder von Studentenverbindungen das Leben einfacher machen, indem sie eine rein männliche Gesellschaft bilden?

Wir leben heutzutage nun mal in einer gemischten Gesellschaft. Es gibt auch keine Universitäten nur für Frauen oder Männer, so wie es kaum ein Berufsfeld gibt, in dem ausschließlich nur Männer oder Frauen tätig sind.

Die meisten Verbindungen wollen durch das Ausschließen eines Geschlechts eine gewisse Stabilität erreichen. Und zu guter Letzt pochen die meisten Verbindungen auf ihre Jahrhunderte langen Traditionen. Seit der Entstehung der Burschenschaften und studentischen Verbindungen im 19. Jahrhundert wurden die Grundprinzipien und Traditionen beibehalten. Kein Wunder, wenn sie uns in der modernen Zeit etwas merkwürdig vorkommen. Solche alten Traditionen werden nicht gebrochen, man „schraubt“ nicht an bewährten Prinzipien. „Verbindungen ziehen Menschen mit konservativem Bewusstsein an und es entsteht eine Mehrheit von Konservativen“, berichtet der Aussteiger aus dem Verein Deutscher Studenten (VDSt) Steffen Brager. Auch in Anbetracht der sinkenden Mitgliederzahlen würden die meisten Verbindungen keine Frauen aufnehmen. „Ich würde meine Prinzipien nie aufgeben. Wenn es nicht weiter geht, dann geht es auch nicht weiter“, sagt der Markomanne Christoph Böhm. Lieber gehen solche Verbindungen mit fliegenden Fahnen unter, als ihren Stolz aufzugeben.

Trotz der oben genannten Argumente kann man die meisten studentischen Zusammenschlüsse nicht direkt als chauvinistisch oder frauenfeindlich bezeichnen. Denn im so genannten Weltbild der Verbindungen gibt es keine klare Rollenverteilung zwischen Mann und Frau. Es herrscht viel mehr das konservative gentlemenhafte Verhältnis zu Frauen. Familie und traditionelle Werte spielen in der Verbindungsszene eine große Rolle und werden respektiert. Alle Korporationen versuchen generationsübergreifend zu arbeiten und das Gemeinschaftsgefühl zu vermitteln. Steffen Brager erzählt: „Das kollektive Bewusstsein entwickelt eine Art Angst vor Frauen, es war immer wieder etwas besonderes, wenn eine Frau zu uns aufs Haus kam, man benimmt sich automatisch irgendwie anders.“ Es ist nicht so, dass man keine Frauen dabei haben will, auf den bundesweiten Tagungen des „liberalen“ Kiffhäuserverbands kommt das Thema Frauenmitgliedschaft immer wieder hoch.

Jedoch als der Verein Deutscher Studenten zu Darmstadt sich 2007 entschieden hatte, Frauen aufzunehmen, wurde er aus seinem „liberalen“ Dachverband sofort ausgeschlossen. Die Moderne ist in den meisten Verbindungen noch nicht eingezogen, sie stecken im 19. Jahrhundert, mitten im Traditionalismus und Spießbürgertum fest. Man akzeptiert aber durchaus Frauen in der Politik und bei der Bundeswehr: „Es ist schön, dass es Frauen gibt, die ihr Land verteidigen wollen“, sagt der Markomanne Christoph Böhm.

Nun wohnt Franziska Borges fast seit einem halben Jahr im Haus der Markomannia. Sie fühle sich wohl unter Männern, weil sie ja viel unkomplizierter seien als Frauen, erzählt sie. Auch seit einem Übergriff der Antifa, bei dem ein Fenster in ihrem Zimmer eingeschlagen wurde, hat sie keine Angst und will trotzdem im Haus wohnen bleiben. „Es ist angenehm zur Abwechslung eine Frau da zu haben. Seitdem sie bei uns wohnt, ist es sauberer und reinlicher geworden“, sagt Christoph Böhm. Für Franziska selbst kam die Möglichkeit, der Burschenschaft beizutreten nie in Frage, weil sie eben kein Mann ist.

Ein Artikel von Anastasia Statsenko mit einem Foto von Gabriel Kords