Die Besetzung des Präsidentenamts fiel dem neugewählten StuPa im April nicht ganz leicht. Zunächst stand in der außerordentlichen Sitzung am 21. April ernsthaft zu befürchten, dass sich überhaupt kein Bewerber finden würde. Dann ging plötzlich alles ganz schnell und Korbinian Geiger, zuvor AStA-Co-Referent für Queer und Gleichstellung, stellte sich zur Wahl. Er wurde mit 25 von 25 Stimmen gewählt. Zwei Wochen danach sprach der webMoritz mit ihm über seine ersten Tage im Amt,  Erlebtes und Zukünftiges.

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(Foto: C. Fratzke)

webMoritz: Wie waren deine ersten beiden Wochen im Amt?
Korbinian: Die erste Woche nach der außerordentlichen Sitzung, auf der ich gewählt worden bin, enthielt eine recht große Arbeitsbelastung, weil ich bis zur darauffolgenden Sitzung allein im Präsidium saß und mehr Aufgaben anfielen, als üblich. Inzwischen hat sich die Lage aber normalisiert. Womit ich nicht gerechnet hätte, ist, dass man wirklich unter recht großer Beobachtung steht. Manchmal habe ich den Eindruck, dass es Leute gibt, die öfter auf der StuPa-Internetseite sind als ich und mir nach jedem Detail, das verändert wird, einen entsprechenden Hinweis zukommen lassen.

webMoritz: Der StuPa-Internetauftritt lässt ja auch zu wünschen übrig…
Korbinian
: Das ist richtig. Es liegt daran, dass zurzeit die technische Betreuung der Seite an den AStA ausgelagert ist. Demnächst werde ich mich aber mit den technischen Anforderungen vertraut machen, sodass ich notfalls selbst Beschlüsse und andere Dinge online stellen kann. Das Wichtigste, die Ausschreibungstexte für den neuen AStA, ist  allerdings schon online. Hier lohnt es sich für alle Interessierten, darauf zu schauen – am 12. Mai wird der gesamte AStA neu gewählt!

webMoritz: War die Entscheidung zu deiner Kandidatur so spontan, wie es auf der Sitzung aussah?
Korbinian
: Ja. Nach der konstituierenden Sitzung ist ja leider erst mal nichts passiert. Das war für mich sehr spannend, weil es keine Regel gab, wie es nun weitergehen sollte.  Nachdem in der darauffolgenden Sitzung der Wahlleiter kurz davor war, die Sitzung abzubrechen, gingen mir die verschiedensten Gedanken durch den Kopf. Grundsätzlich fühlte ich mich als StuPa-Mitglied natürlich für das Funktionieren des Parlaments mitverantwortlich. Da waren aber auch noch andere Namen, wie zum Beispiel Frederic Beeskow oder Thomas Schattschneider. Aber von den beiden konnte man das nicht mehr verlangen. Im Endeffekt fühlte ich mich selbst dann in der Verantwortung und stellte mich zur Wahl.

Keine “formalen Tricks” der erfahrenen Stupisten

webMoritz: Bei deiner Vorstellung auf der außerordentlichen Sitzung vor über 2 Wochen hast du gesagt, du möchtest das demokratische Bewusstsein stärken. Was meinst du damit?
Korbinian:
Viele Stupisten, grade die jüngeren und unerfahrenen, verlieren häufig den Anschluss an die Debatte und das macht es Erfahreneren möglich, mit formalen Tricks Abstimmungen in eine Richtung zu lenken, die gar nicht von der Mehrheit gewollt ist. Ich möchte erreichen, dass der Wille des Parlaments in den Abstimmungen Ausfluss findet und es keine konträren Abstimmungen gibt, wie zum Beispiel bei der Abstimmung über das Referat für Geschichte und regionale Versetzung.

webMoritz: Wo siehst du als StuPa-Präsident Möglichkeiten, konkret Einfluss zu nehmen?
Korbinian: Ich will jedenfalls keinen Einfluss auf das Abstimmungsverhalten der Stupisten nehmen. Wichtig ist mir, dass die Willensbildung im Parlament demokratisch abläuft und sobald Beschlüsse gefasst sind. liegt es an mir, diese gegenüber dem AStA oder der Uni durchzusetzen. Wenn ich in Kommissionen sitze, wird es meine Aufgabe sein, die Meinung der Studierenden zu vertreten und auf die jeweiligen Entscheidungen Einfluss zu nehmen.

webMoritz: Woran liegt es deiner Meinung nach, dass das StuPa bei den Studierenden kaum wahrgenommen wird? Wie erklärst du dir die niedrige Wahlbeteiligung?
Korbinian:
Bei der letzten Wahl hatten wir ja eine marginale Verbesserung der Wahlbeteiligung. Meiner Meinung nach liegt es daran, dass die Studenten merken, dass ja auch alles irgendwie funktioniert, ohne dass sie sich selbst engagieren oder wählen gehen. Viele wissen vor allem nicht, was der AStA und das StuPa überhaupt machen. Ich selbst hatte, bevor ich Mitglied des AStA wurde, außer in der Erstsemesterwoche auch nichts mit dem AStA zu tun. So geht es vielen.

Wahlbeteiligung: “StuPa tangiert nur studentische Lebensbereiche”

webMoritz: Und wie kann man diese geringe Wahrnehmung verändern?
Korbinian:
Ich weiß nicht, ob man da allzu viel ändern kann. Ich bin skeptisch, ob man die Wahlbeteiligung auf 50% anheben kann. Man darf das hier nicht mit politischen Wahlen vergleichen. Der Bundestag zum Beispiel hat die gesetzgebende Kompetenz für fast alle Lebensbereiche von uns. Das StuPa tangiert dagegen nur studentische Lebensbereiche, von denen wir auch nicht alle abdecken können.

webMoritz: Hat sich dein Verhältnis zu den anderen Asta-Referenten verändert, seitdem du Präsident bist?
Korbinian: Alle sind plötzlich noch netter zu mir! (lacht) Aber im Großen und Ganzen ist alles beim Alten geblieben. Außer, dass die anderen Referenten jetzt zu mir mit Sachen kommen, mit denen sie mich vorher in Ruhe gelassen haben.

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(Foto: A. Platzek)

webMoritz: Was hältst du von der neuen AStA-Struktur?
Korbinian:
Das, was jetzt herausgekommen ist, war nicht meine Traumvorstellung. Ich habe aber die Hoffnung, dass der AStA mit dieser Struktur arbeitsfähig ist. Die Vergangenheit hat auch gezeigt, dass sich nicht sofort alle Referate besetzen lassen. So bietet die jetzige Struktur doch mehr Flexibilität.

webMortiz: Zukünftig werden die Sitzungen mit bis zu 23 Berichten beginnen. Teilst du die Befürchtung, dass das für die sonstige Arbeit des StuPa sehr lähmend werden kann?
Korbinian: In der letzten Sitzung gingen die Berichte bis 22 Uhr, obwohl es nur 11 Referenten waren. Es gab aber auch schon Sitzungen, bei denen mehr Berichte viel weniger Zeit in Anspruch genommen haben. Woran genau das liegt, kann ich noch nicht sagen. In der nächsten Sitzung werde ich noch nichts ändern, aber sollten die Berichte ab jetzt jedes Mal den Rahmen sprengen, würde ich anregen, dass es außerhalb der Sitzung eine gesonderte Fragerunde an den AStA gibt, wo die Stupisten in persönlicherer Atmosphäre ihre Frage stellen können.

webMoritz: Du bist RCDS-Mitglied. Inwieweit stimmst du mit den aktuellen Positionen des RCDS überein?
Korbinian: Um vorher mal etwas klarzustellen: Oft wird behauptet, ich sei damals vom „schwarzen Block” in den AStA gewählt worden. Das ist nicht so; ich wurde nur von drei RCDS-Mitgliedern  gewählt und ich bin dem RCDS auch erst nach meiner Wahl beigetreten. Grundsätzlich bin ich gegen Studiengebühren und Verwaltungsgebühren. Ich bin mir aber auch bewusst, dass die Meinung in der CDU und auch im RCDS ist, dass Studiengebühren sinnvoll wären und bin über den Verwaltungskostenbeitrag deswegen nicht so enttäuscht wie ich es als SPD- bzw. Juso-Mitglied wäre.

webMoritz: Was hältst du von den hochschulpolitischen Gruppen?
Korbinian:
Ich finde es gut, wenn Studenten sich in hochschulpolitischen Gruppen organisieren, genauso wie ich es gut finde, wenn man sich in Parteien engagiert. Was ich nicht gut fände, wäre, wenn hochschulpolitische Gruppen ihre funktionalen Vorteile, zum Beispiel die Interessenaggregation im Vorfeld, auf Kosten der Willensbildung im Parlament und der freien Stupisten betreiben würden.

Rückblick auf die Referatstägigkeit für Queer und Gleichsstellung

webMoritz: Du warst jetzt ein knappes Jahr Referent für Queer und Gleichstellung. Auch damals war die Entscheidung sehr spontan – es heißt sogar, du habest eine Wette verloren. Stimmt das?
Korbinian:
Von einer Wette weiß ich nichts. Nur, dass ich mich damals durch einen Moritz-Artikel mit der AStA-Struktur beschäftigt habe und dann dieses Referat gesehen habe. Das fand ich sehr spannend, weil ich mich schon davor mit der Thematik befasst habe. Allerdings habe ich mir keine großen Chancen ausgerechnet, weil es noch viele Mitbewerber gab. So habe ich erst einmal versucht, das Referat für Ausländerfragen zu bekommen, was aber nicht geklappt hat. Da die anderen Bewerber für das Queer-Referat ebenfalls kein Glück hatten, war für mich der Weg dann doch noch offen und das hat dann ja auch geklappt.

webMoritz: Welche Erfahrungen hast du gemacht?
Korbinian:
Am schönsten war, dass ich so viele interessante Persönlichkeiten kennengelernt habe, die mir ohne das Referat nie begegnet wären. Ich kam in eine Struktur herein, die sogenannte Community, die vorher ja nicht im Zentrum meines Privatlebens lag. Ich konnte viel lernen, insbesondere über die unterschiedlichsten Theorien. Besonders die Queer-Theorie sagt mir inzwischen sehr zu, im Gegensatz zu anderen Bewegungen, wie zum Beispiel der von Alice Schwarzer. Auch in der Szene selber konnte ich viele tolle Erfahrungen machen.

webMortiz: Gibt es schon einen Nachfolgekandidaten?
Korbinian: In einigen persönlichen Gesprächen haben sich schon mehrere Möglichkeiten angedeutet. Bei einem ist es sogar schon ganz konkret. Grundsätzlich ist dieses Referat wohl sehr begehrt.

webMoritz: Vielen Dank für das Interview.

Das Gespräch führten Jan Faulbrück und Gabriel Kords.