StuPa-Präsident Frederic Beeskow begrüßt die Anwesenden und stellt das StuPa vor

Ist die Demokratie über die Jahre heiser geworden oder lag es am Geburtstag des Studentenclubs Kiste, der vielleicht potentielle Interessierte mit Freibier lockte, so dass so wenige Studierende zur Vollversammlung kamen? Denn dem Ruf des AStAs zur Vollversammlung aller Studierenden Mitte November folgten nur 170 Kommilitonen in die Mensa. Für die Beschlussfähigkeit wurden 607 Studierende benötigt.

Die angeführten Gründe für diesen Missstand waren vielfältiger Art. Martin Planert, Student der Ur- und Frühgeschichte, kritisiert, dass man sich zu viel mit Formsachen beschäftige. „Hochschulpolitik ist einfach zu abstrakt”, meint Maria-Friederike Schulz.

Wieder einmal fiel das Schlagwort „Politikverdrossenheit”. Die Kommilitonen sind einfach nicht an der studentischen Selbstverwaltung interessiert, schlimmer noch: Ihnen ist es egal, dass Studiengebühren und schlechte Wohnraumsituation anderen Studierenden das Leben schwer machen. So lautet ein fast schon legendärer Argumentationsstrang.

Eine andere Meinung sieht das mangelnde Interesse in der rechtlichen Stellung der Veranstaltung. Selbst wenn die Vollversammlung beschlussfähig ist, so sind die Beschlüsse immer noch nur eine Empfehlung an das Studierendenparlament und nicht bindend. Viele Studierende werden dadurch desillusioniert.

Dieser Problematik versuchten die Politikstudenten Peter Schulz und Eric Hartmann in zwei Anträgen Herr zu werden. Der schulzsche Antrag forderte das Parlament auf, die Empfehlungen der Vollversammlung zu respektieren und umzusetzen. Der Anstoß hierbei war eine Empfehlung aus dem Vorjahr in der es um ein Hinwirken der Umbenennung der Universität auf Grund des vorbelasteten Namenspatrons (siehe „Arndt des Monats” Seite eins) ging – die Empfehlung wurde damals vom Parlament abgelehnt.

Der zweite, tiefer greifende hartmannsche Antrag beinhaltet eine Satzungsänderung, die die Vollversammlung als höchstes Organ der Studierendenschaft festschreibt. Damit wären die Beschlüsse für das Parlament bindend.

Während der Antrag von Peter Schulz sich höchster Zustimmung erfreute, fiel die Zustimmung beim Antrag von Eric Hartmann deutlich knapper aus. Durch die Diskussion um Letzteren erreichte die Vollversammlung ihren späten Höhepunkt. Weiterhin wurden weitere Meinungsbilder zu vorbereiteten Anträgen des AStAs gefasst. Es wurde die Wohnraumsituation bemängelt, Studiengebühren abgelehnt, ein vernünftiges Studium gefordert und der Anspruch der Studierendenschaft auf die nicht ausgezahlten Mittel der Rückmeldegebühr geltend gemacht.

Alle Meinungsbilder wurden am 2. Dezember als Anträge in das Studierendenparlament eingebracht. Die von Peter Schulz und Eric Hartmann initiierten Meinungsbilder wurden nicht angenommen.

Die gefassten Beschlüsse der Vollversammlung am 12. November 2008 im Wortlaut

1. Der AStA und das StuPa mögen die demokratisch herbeigeführten Beschlüsse der letzten Vollversammlungen ernst nehmen und umsetzen – insbesondere den letzten Beschluss, der als einziger von den Studierenden ausging.”

2. Die Studierendenschaft spricht sich gegen jede Art von Studiengebühren und Verwaltungsgebühren aus und fordert die Hochschulleitung dazu auf, sich gegen derartige Bestrebungen der Landesregierung zu stellen.”
3. „Die Hochschulleitung wird dazu aufgefordert, ein qualitativ hochwertiges und den Kapazitäten angemessenes Studium zu ermöglichen. Dies beinhaltet unter anderem die Forderung nach einem Sitzplatz in den Lehrveranstaltungen.”

4. „Die Studierendenschaft fordert, dass die nicht zurückgeforderten Mittel aus der rechtswidrigen Rückmeldegebühr im Interesse der Studierenden, beispielsweise zur Finanzierung des Hochschulsports, für Studierendenarbeitsräume innerhalb der Institute, für institutsnahe Räumlichkeiten für jeden Fachschaftsrat und deren Sanierung und für das Studententheater verwendet werden sollen.”

5. „Die Studierendenschaft der Universität Greifswald ruft die Universität, das Studentenwerk, das Land und die Stadt Greifswald auf, sich der Wohnraumproblematik anzunehmen und kurzfristige und nachhaltige Lösungen zu finden.

a. Insbesondere die Zahl der Wohnheimplätze muss erhöht und mindestens an den Landesdurchschnitt MVs angepasst werden.

b. Stadt und Universität beteiligen sich zukünftig an Notfallplanungen und kurzfristigen Übergangslösungen für Studierende und übelassen dies nicht länger ausschließlich dem AStA.

c. Stadt und Universität machen es sich zur Aufgabe, der angespannten Wohnungslage zum Semesterbeginn entgegenzuwirken.”

6. „Das Studierendenparlament wird aufgefordert, eine Satzungsänderung der Studierendenschaft herbeizuführen.

§10 Abs. 1 der Satzung der Studierendenschaft wird geändert in

(1) Die Vollversammlung ist das höchste beschlussfassende Gremium der Studierendenschaft und trägt zur Meinungsbildung der Studieendenschaft bei. Auf der Vollversammlung gefasste Beschlüsse sind bindend für das Studierendenparlament.”

Mikrokosmos Hochschulpolitik

Ein Kommentar

Jeder Studierende hat das Recht, an Wahlen und der Vollversammlung teilzunehmen. Eine Pflicht gibt es nicht. Und dort liegt der Stein des Anstoßes: Die Kommilitonen gehen nicht zur Vollversammlung, weil sie wissen, dass die Beschlüsse noch einmal den „Weisen Rat der 27“ passieren müssen. Genau dieses Parlament wird durch eine Wahl bestimmt, die der Ausdruck „Farce“ gut beschreibt. Ein SMS-langer Text und ein Bild sollen die Wähler überzeugen, dass hier geballte studentische Kompetenz nur darauf wartet, im Parlament die großen Wahlziele zu verwirklichen.

Polemik, Fantasie und alles was fern ab vom parlamentarischen Alltag liegt, wirkt wahre Wunder auf den Stimmenanteil. Da wäre pure Demagogie auf einer Vollversammlung geradezu erfrischend – hier weiß man wenigstens, dass der/diejenige sich auch traut, seine Meinung kundzutun. Doch die Idee einer funktionierenden Demokratie in der studentischen Selbstverwaltung wird eine Idee bleiben.

Die Angst und die daraus resultierende Abneigung des Parlaments dem studentischen und womöglich betrunkenen „Pöbel“ so etwas Wichtiges wie Mitbestimmung zu überlassen war den hochschulpolitischen Funktionären von den Gesichtern ablesbar. Etwas mehr als zwei Wochen später wird der Antrag dann auch abgelehnt. Die Mehrheit der 27 überwiegt die Mehrheit der 170 – das ist die Lektion der Vollversammlung.

Eure Meinung? moritz hat gefragt

Sandra Rösner, Magister Angilistik, Amerikanistik, Kommunikations- und Politikwissenschaft, 12. Semester. Sie ging kurz nach 21 Uhr. „Das war meine erste Vollversammlung. Sie hat 38 Minuten zu spät angefangen, sie war rhetorisch schlecht und auch die Moderation schien kaum abgesprochen. Sie war sehr langweilig.”

Martin Planert

Martin Planert: "Hier stecken alle in Formsachen fest."

Martin Planert, Ur- und Frühgeschichte auf Magister, 10. Semester „Es ist schon meine zweite Vollversammlung. Hier stecken alle irgendwie fest. Man beschäftigt sich zu viel mit Formsachen. Das ist gerade das, was an Hochschulpolitik abschreckt.”
Anja Opitz, Skandinavistik und Geo auf Magister, 7. Semester „Das stimmt. Mich hat interessiert, dass sich AStA und Stupa vorstellen und dass über die Studiengebühren abgestimmt wird. Die Teilnehmerzahl ist aber echt traurig.”

Luise Prell, Kunstgeschichte und Skandinavistik, B.A., 3. Semester „Es waren viel zu wenig Studenten. Die Probleme der Studierenden sind vom AStA und Stupa nicht dramatisch genug dargestellt worden. Ich fand es super, dass es für eine politische Veranstaltung so klar strukturiert und kurz gehalten wurde. Informationen und Themen müssen aber ausführlicher präsentiert werden.”

Positiv von der Vollversammlung überrascht: Eva Treiß

Eva Treiß, 8. Semester, L.A. DaF und Philosophie „Ich bin positiv überrascht. Ich hatte befürchtet, dass es langweilig wird. Aber die Moderatoren haben das sehr gut gemacht und auf Redezeiten geachtet. Es sind auch die relevanten Sachen zur Sprache gekommen. Gut fand ich nicht, dass am Ende die Diskussion teilweise persönlich wurde.”

Steffi Hessing, Geschichte und Skandinavistik B.A., 3. Semester „Die niedrige Teilnehmerzahl ist heftig, das sind ja nicht mal fünf Prozent. Eine vorhergehende Info-Veranstaltung zu den einzelnen Themen der Vollversammlung wäre gut. Die Moderation fand ich ausgewogen und gut.”

Phillip Martens, Jura, 6. Semester „Ich war heute das erste Mal da. Ich fand es sehr interessant, war aber über die fehlende Beschlussfähigkeit enttäuscht. Interessant war der Zwiespalt zwischen dem Stupa-Präsidenten und den Versammlungsbeschlüssen von 2007. Die Ursache für die geringe Teilnehmerzahl ist die fehlende bindende Wirkung der Vollversammlung.”

Philipp Braun, Biologie im 1. Semester „Ich bin über die AStA-Internetseite aufmerksam geworden. Die Vollversammlung war sehr interessant. Ich finde, es ist ein Problem, dass man 600 Studierende zur Beschlussfähigkeit braucht und ich glaube nicht, dass man die zusammenbekommt.”
Rolf Henning, BWL, 3. Semester „Größtes Problem auf der Vollversammlung war, dass kaum Studenten anwesend waren. Ich glaube, die Vielfalt der Ablenkungsmöglichkeiten bringt die Mehrheit der Studierenden davon ab, sich um ihre ureigensten Angelegenheit zu kümmern.

Christoph Böhm, Jura, 4. Semester „Mein Eindruck ist zwiegespalten. Entweder läuft alles gut für die Studierenden oder das Interesse ist zu gering, wobei ich eher an letzteres glaube. Den Vorschlag, Beschlüsse der Vollversammlung bindend zu machen, finde ich nur bei bestimmten Themen, die wirklich alle Studenten angehen, sinnvoll. Wenn die Studierenden merken, dass die Beschlüsse hier für sie und die Universität wichtig sind, ist die Vollversammlung kein zahnloser Tiger mehr. Ansonsten wird es ein vor sich hindümpelndes Institut bleiben.”

Sebastian Nickel, Geschichte und Politikwissenschaft, 3. Semester „Ich fand’s supergut, zum Schluss hatten wir ja schon beinahe athenische Verhältnisse. Dass es ein bisschen improvisiert war, ist klar, wir haben keine Geschäftsordnung und machen das alles zum ersten Mal. Dafür fand ich’s recht gut und bin froh, dabei gewesen zu sein. Ich könnte mir auch vorstellen, für das StuPa zu kandidieren.”

Artikel und Kommentar von Sebastian Nickel, Fotos und Interviews von Arik Platzek