CD: Bekannt – Orange but Green

?Bob.Foc?

„Body of baywatch, face of crimewatch“ – ein Top-Körper, dazu ein hässliches Gesicht und aus ist es. Hohe Erwartungen weckt ein solcher Titel nicht. Er stellt eher ein ernstes Hindernis auf dem Weg zur Anlage dar. Ob die drei Dortmunder Jungs nun clever waren, oder ihnen die ausgeschriebene Variante einfach nur zu lang: Das erste professionell produzierte Album von „Orange but Green“ heißt schlicht „BobFoc.“

 Und weil Oli, Kai und Jörn so lustig auf dem Plattencover herum turnen, bekommen sie eine Chance. Ein erster Hörgang lässt Zeit für Nebenbeschäftigungen. Angenehm am Ohr vorbei, plätschern die 13 Songs in einem Wisch durch. Inspiriert wurden die Jungs, als Axel Rose noch voller Zerstörungswut „Welcome to the Jungle“ durch die Musikwelt schrie. Sollten die Kindergartenfreunde Oli und Kai geplant haben, deshalb eine deutsche „Guns N‘ Roses“-Adaption zu gründen, ist dies schief gegangen. Sehr gut. Keine das Gehirn belastenden  Endlos-Kreischschlaufen animieren zu Hörpausen. Vielmehr wird die Wiederholtaste gedrückt, um vielleicht ein oder zwei Songs für den späteren Gang zum Vorlesungssaal im Kopf zu behalten. Was sich als nicht sehr schwer herausstellt. Denn irgendwie kommen einem die Melodien des öfteren verdächtig bekannt vor. 1979 beherrschte der Franzose Patrick Hernandez schon mit „Born to be Alive“ fünf Wochen die deutschen Charts. Auch andere Werke heben sich trotz Ohrwurmcharakter nicht durch ihre Innovativität hervor, sondern erinnern an eingängige Klänge, zu denen schon tausend Mal im Club abgehottet wurde. Sie sind frisch und sie rocken, klar. Doch neu ist das nicht.

Geschrieben von Maria Trixa

CD: Trunken – Children of Bodom

?Bloodrunk?

Nach zwei Jahren Wartezeit melden sich „Children Of Bodom“ nun mit ihrem siebten Album „Blooddrunk“ zurück. Und was passiert? Einmal gehört. Nichts. Noch mal gehört. Wieder nichts. Kein Mähneschütteln oder Sprech-Chöre brüllen? Schon seltsam.

 Denn eigentlich erwartet man von den Finnen um Alexi Laiho knackige Gitarren-Sounds und Songs zum Mitgrölen. Stattdessen: Einheitlich dahindröhnende Stücke und Keyboard-Lines, die sich eher nach Nightwish-Orgler Tuomas Holopainen als nach Janne Wirman anhören. Eine Eingängigkeit wie auf den vergangenen Alben fehlt. Die erste Hälfte geht einem gänzlich zum einen Ohr hinein, dreht eine Runde im Hirn und verlässt dieses, ohne bleibenden Eindruck, zum anderen Ohr. Laihos Gitarren-Soli, die sich mit Wirmans Keyboard duellieren, sind prägnant wie immer, aber spärlich eingesetzt. Auch sein Gesang lässt zu wünschen übrig, obwohl sich an dem sogar Kollege Peter Tätgren zu schaffen gemacht hat. Dahin gehen also potentielle Hits wie der Titel-Song oder „Lobodomy“. Doch, oh Wunder, ab der zweiten Hälfte wendet sich das Klangbild zum besseren. Mit „Banned From Heaven“ liefern die Finnen einen melancholischen Midtempo-Hit ab. Und endlich. „Roadkill Morning“ lässt die Whiskey-geölte Stimme des Fans zum Einsatz kommen. Nach ein paar Bier mag dann auch das Haupt des geneigten Hörers wohl gesonnen nicken. Und als krönenden Abschluss schunkelt man dann mit einem alten Seemannslied in die Abenddämmerung. „Blooddrunk“ ist wie immer bestens produziert. Doch nicht ganz ausgereift, bleibt es hinter den hohen Erwartungen zurück.

Geschrieben von Julia Obst (radio 98eins)

CD: Vergesslich – Guillemots

?Red?

Wer kann sich erinnern? In den 90ern gab es Chartstürmer namens Loona, Magic Affair und Technohead. Und in den 80ern stürmten MC Miker G & Deejay Sven oder Kaoma die Singlecharts. Wer das noch abrufen kann, wird zu seinem Wissen in heuer eine englische Band akkumulieren – die alle anderen bereits im Herbst 2008 wieder vergessen haben werden.

Das liegt nicht daran, dass Guillemots  mit „Red“ keine eingängige Musik vorlegen – au contraire. Aber es bleibt dabei recht seichter Pop, drapiert mit einigen Klang-Anhängseln aus der Ethno-Kramkiste. Man spürt die Halbwertzeit in den Boxen rieseln, wenn die sehr schönen, oft ins Diskofalsett bugsierten Melodien von Sänger Fyfe Dangerfield ertönen, untermalt von Synthiebeats- und Streichern. Beim Opener „Kriss Kross“ kommt gar ein Rave-Orchester zum Einsatz – das löblich schnell von einem Pet-Shop-Boys-Melodie-Klon abgelöst wird.  Die Beats auf Track 2, „Big Dog“, hat man so auch schon bei den Sugababes gehört. Immerhin frohlockt der Song fast wie eine aufgedrehte Phoenix-Nummer. Spätestens im Novembernieselregen wird der Sound von „Red“ aber nach lang-lang-ist’s-her klingen. Vieles auf den elf Tracks gründet  auf 80er und 90er Dancefloorhymnen,  etwa zwischen D. Duran und R. Williams. Heißt also nicht, dass man dazu nicht tanzen möchte. Für mehr reicht es bei den Guillemots aber diesmal leider nicht.

Gegen das Vergessen hilft vielleicht noch diese eine Eselsbrücke: Guillemot ist englisch für Trottellumme – kleine pinguinartige Klippenbrüter, deren Eier so geschickt geformt sind, dass sie nicht in den Atlantik stürzen. Oder war‘s der Pazifik?

Geschrieben von Robert Tremmel

CD: Abhauen – Girls in Hawaii

?Plan your Escape?

„Girls in Hawaii“ sind fünf Jungs aus Belgien und haben mit Hula, Strand und Mädchen rein gar nichts zu tun. Also eigentlich sind sie genau das Gegenteil von dem, was der Bandname uns suggerieren möchte.

Das ist aber die einzige Enttäuschung, die man eventuell bei dieser Band erleben kann. Denn sonst gibt es bei ihnen alles, was Musik immer so besonders macht: wunderschöne Melodien, etwas kryptische Texte und Musik, bei der man weiß, dass dort Menschen mit Herz hinter den Instrumenten stehen. Schon das Vorgänger (Debüt!)Album „From here to there“ war in dieser Hinsicht mehr als eine Offenbarung und hat große Erwartungen für das Nächste geschürt. Glücklicherweise sind diese erfüllt worden. In den 14 Songs des Albums erlebt man gefühlsmäßig mehr als in einem Zweistundenfilm. Tiefe Depression (Fields of Gold) wechselt sich mit leichtfüßiger Dramatik (Suns of The Sons, Bored) und großer Sommerromantik (Summer Storm) spielend ab: Der perfekte Soundtrack für einen langen Tag mit Freunden jenseits des Vorlesungssaals. Nicht umsonst heißt das kleine Meisterwerk auch „Plan your Escape“, denn es beschreibt wunderbar das Gefühl, wenn alles möglich und die absolute Freiheit nur einen Schritt aus der Tür heraus zu finden ist. Wenn der Drang da wäre auszureißen, dann wäre „Plan your Escape“ auf jeden Fall ein Album, das sich wunderbar auf den Straßen dieser Welt machen würde. Auch wenn es nicht ums Abhauen geht, sondern nur um eine Reise mit dem Zug: Dieses Album kann ein wenig Trost spenden, wenn der Blick nach Hause doch mal intensiver wird.

Geschrieben von Esther Müller-Reichenwallner (radio 98eins)

CD: On the Road – The Kooks

?Konk?

Es darf jetzt Sommer werden. Six-Pack, Grill und Stranddecke in den Kofferraum, das neue Kooks-Album in den Kassettenschacht, Zündschlüssel gedreht. Wo die vier Engländer beim Vorgänger „Inside in/ Inside out“ beim „Sofa Song“ aufhörten, wird auf „Konk“ fortgesetzt.

Der oft etwas rohe Sound des Debüts wich einer sorgfältigeren Aufstellung des Gitarrensets und der stets sehr präsent gestellten Stimme von Luke Pritchard. Die Backing Vocals sind jetzt auch sauber, die unterstützenden Melodien der Sologitarre gar überdurchschnittlich gelungen. Alles Sperrige und Unausgegorene wurde  geplättet. Das mag der eine langweilig erwachsen schelten, der nächste als energielos bedauern und eine Dritte schimpft es den Fluch des zweiten Albums. So what? The Kooks wollen nach eigener Verlautbarung nur lässige Popsongs machen, zu denen sich Menschen verlieben oder auch lieben. Und dazu vielleicht noch an den Strand fahren. Diese Ansage lösen The Kooks mit den neuen dreizehn Tracks klar ein. Auch wenn ihnen nach wie vor das Genie zur 100-Prozent-Killernummer fehlt, tendieren zwei, drei Songs zu potenziellen Indie-Pop-Sommer-Hits. „Shine On“ ist ein Ohrwurm, der  schon mal für den nächsten Werbespot von Mondscheintarif, Eis am Stil oder freundlicher Kernenergie herhalten kann.

Die meisten Songs sind simpel und überschaubar. Man könnte es auch die gut gemachte Ausblendung der Indie-Pose nennen. Knappe 45 Minuten, die angenehm vorbeihauchen wie eine warme Sommerbrise. Drängt sich im Anschluss nur diese eine Frage auf: „Kannst Du den Schlüssel noch stecken lassen?“

Geschrieben von Robert Tremmel