Knorke Hightech-Lesung

Am Anfang war das Am

Am 1. Juni lud der Studentenclub Kiste zu einer besonderen Lesung ein. Alf Ator, Stumpen und Buzz Dee, besser bekannt als die Band Knorkator wurden angekündigt aus ihrem Buch „Am Anfang war das Am“ zu lesen.

Das hört sich jetzt nicht nur spektakulär an, sondern das war es auch. Nachdem Harry Rowohlt schon in Greifswald vor einigen Wochen für Furore sorgte, stehen dem Knorkator nichts nach. Die Kiste war bis oben hin voll. Über 100 gespannte Zuhörer saßen und standen, um der spätestens seit dem einstigen Grand Prix – Versuch mit dem Titel „Ick werd zun Schwein“  bekannten Band, zu lauschen.

Doch es kam alles anders. Keine Lesung im klassischen Sinne: Hinsetzen, Wein, Zuhören, Schluss, sondern viel mehr passierte. Stumpen, der eigentliche Sänger, war verhindert und wurde von einem Plüschprimaten vertreten. Alf Ator war der „Lesator“ und Buzz Dee der Lakai, also das Mädchen für alles. Auf der Bühne ein Tisch mit einem Früchteteller, Rotwein und Kerzenschein: Alf Ator im Cäsar-Outfit und Buzz Dee im Kartoffelsack mit hervorblitzendem roten Schlüpper. Das Outfit ist ja bei Knorkator essentieller Bestandteil ihrer Perfomance. Show war auch die Lesung, denn es war in erster Linie eine Playbackshow.  Es wurden Texte der Kategorie „Ergüsse“ und  „unvollendete Geschichten“ gelesen, besser gesagt, zu Gehör gebracht. Alf Ator  hat sich als begnadeter Lippenartist herausgestellt, denn kaum begann die Lesung, schob Alf das Mikrofon bei Seite und der Text lief weiter.

Dass das Ganze eine Art Hörbuchinszenierung mit visueller Komponente wurde, hatte nun keiner wirklich gedacht, aber die Idee funktionierte. Zwischen den wirklich sehr skurril-komischen Geschichtchen wurden natürlich auch Live-Kommentare wie „die Rutsche wär` jetzt auch jemeistert“ abgegeben. Das bereits 2004 erschienene Werk der Band ist ein Potpourri aus witzigen Karikaturen und amüsanten Storys, das Besondere ist der vorherrschende Wortwitz: Hund und Putz sind Gegenteile, denn der eine ist eben müde und der andere munter, bleibt natürlich die Frage, was ein Putz sei. Der Nonsense der „Deutschlands meiste Band der Welt“ funktioniert und macht Spaß. Nach der visuellen Hörbuchlesung gaben die beiden Berliner Chaosherren noch einige Songs zum Besten. „Ich muss es sicher betonen, wir sind Popstars“ ließ Alf Ator verhören, um dann Coversongs und natürlich auch für eingefleischte Fans Knorkator-Songs zu performen. Knorke Abend und ein Blick ins Buch ist es allein der  Karikaturen wegen ein Einblick wert.

Geschrieben von Maria-Silva Villbrandt

Nordischer Klang: Bewährtes Konzept

Junge Literatur aus Nordeuropa wird übersetzt

Die diesjährige Auszeichnung des Nordischen Klang seitens des bundesweiten Wettbewerbs „Deutschland – Land der Ideen“ nahm das Nordische Institut als einen gebührend Anlass für einen bereichernden Literaturnachmittag im Koppenhaus.

EIgeninitiative von Studenten

Weniger die Buchpräsentation über Skandinavische Literaturgeschichte als die von Studierenden des Nordischen Instituts frisch übersetzten Kurzgeschichten aus der Feder junger, größtenteils skandinavischer Debütanten zog in den Bann der Zuhörenden. Vor wenigen Jahren präsentierte die Lesung  „Out of the Cool“ erstmals Literatur aus Nordeuropa. Die Skandinavistikstudentin Rebekka Herberg belebt die Idee des Übersetzungsprojektes und fand engagierte Mitstreiter. „Wir haben uns zusammengesetzt und Leute gesucht, die mit uns ein neues Projekt zusammen machen“, sagt Mitorganisatorin Anne Breuer. Nicht geplant sei die Beteiligung aus dem Institut für Baltistik gewesen. „Dies war aber dennoch total schön.“

Aus dem gesichteten Material der angefragten Verlage und Autoren wählten die nach Landessprachen organisierten Kleingruppen ihre Texte aus. Als übergreifendes Themas verständigten sie sich auf Identität. Ganz gemäß ihres jugendlichen Anspruches. Doch aus der einstigen Idee eines Buches entstand die Einladung zum Festival. „Die Dozenten unseres Institutes fanden die Idee total gut“, so Anne Breuer. „Sie haben uns unterstützt und auch den Vorschlag gemacht, das Projekt beim Nordischen Klang zu präsentieren.“

Jeweils ein Land des Ostseeraumes wurde mit einer Kurzgeschichte vorgestellt. Die literarische Reise führte durch Dänemark, Norwegen, Finnland, Schweden, Estland und Litauen. Ein überfüllter Veranstaltungsraum und reichhaltigen Applaus erhielten die Studierenden vorerst als Dank für ihr Debüt als lesende Übersetzer. Denn die Suche nach einem interessierten Verlag steht immer noch im Raum.

Geschrieben von Uwe Roßner

Nordischer Klang: Was Menschen sehen möchten

Filmdrama „1:1“ der dänischen Regisseurin Annette K. Olesen

In Kopenhagen ist Mohamed der verbreiteteste Vorname unter den männlichen Neugeborenen. Immigranten bringen halt auch in Deutschlands nördlichem Nachbarn überdurchschnittlich viele Kinder zur Welt und geben ihrem Fleisch und Blut keinen dänischen Vornamen.

Neugeborene dienen allgemein der Verjüngung einer Gesellschaft – aber nur wenn deren Zahl die der Sterbenden übertrifft. Wenn wenigstens genügend Babys geboren werden um den  Schrumpfungsprozess der Bevölkerung zu verhindern, freuen sich die Anhänger eines Überalterungswahnes. Nicht nur in Dänemark.

Doch sind die „Einheimischen“ auf einmal in der Unterzahl, ziehen sie sogar freiwillig aus ihren angestammten Wohngebieten weg und setzen somit einen Dominoeffekt in Bewegung, hört alle Friedliebigkeit und Toleranz für die kulturelle Andersartigkeit der nun in der Überzahl Befindlichen auf. Tritt nun ein Problem auf, bespielsweise ein zusammengeschlagener Junge: Einfach auf die Nachbarn mit den „fremd“ klingenden Namen zeigen. Oder wenigstens Vermutungen anstellen. Doch leider bleiben solche Verdächtigungen selten folgenlos, führen sogar zu einer unaufhaltsamen, immer größer werdenden Lawine aus Missverständnissen, die durch ihre negative Energie nachbarschaftliches, familiäres und emotionales Leben irritiert. Diese Geschehnisse in einem Mikrokosmos eines Stadtviertels der dänischen Kapitale inszeniert die junge Regisseurin Annette K. Olesen gefühlsecht, realitätsnah, aber auch vorhersehbar. Montage zweier Szenen in der „richtigen“ Reihenfolge soll das Mittel zum An-der-Nase-herumführen des Zuschauers sein.

Mie liebt Shadi, ganz ohne kulturelle Berührungsängste. Szene eins: Mies Bruder liegt auf dem Boden. Szene zwei: Shadis Bruder und dessen Freund sind blutverschmiert. Kombiniert ergibt sich ein Zusammenhang. Doch dieser Fehlschluss beeinflusst den Zuschauenden nicht, macht neugierig auf den Weg zum Ausgang des Dramas. So entbrannt Streit nicht nur zwischen den Liebenden, auch zwischen den Brüdern kriselt es trotz der vielen kulturellen Gemeinsamkeiten. Die unausgesprochene Wahrheit wirkt wie ein soziales Moor. Alle sind dem Tod geweiht, merken es, aber können sich nicht helfen. Erst der unnötige Ausgleich zwischen den Bevölkerungsteilen befriedet. Hoffentlich langfristig.

Geschrieben von Björn Buß

Kino: Die Weltbühne

?Resist? von Karin Kaper und Dirk Szuszies

Als Anti-Theater spielt das „Living Theatre“ seit über 50 Jahren politische Stücke. Ohne eigene Bühne stellen die Schauspieler mal während einer Demonstration gegen das Wirken der acht wirtschaftlich stärksten Staaten – Sind China und Indien weniger stark als Italien? – oder den Ruinen des World Trade Centers gesellschaftliche Probleme dar.

Ethnische Diskriminierungen, Despotimsus, Kapitalismus und Gewalt werden durch die Stücke kritisiert. Das The-aterensemble ist Teil der Zivilgesellschaft.
Der Dokumentarfilm „Resist“ zeichnet die Entstehung der Gruppe nach. 1947 von Julian Beck und Judith Malina gegründet, kämpfte das „Living Theatre“ immer gegen das Etablishment. Auch für den eigenen Erhalt. Der Film ist nah an den Menschen. Auf einen erklärenden Sprecher wird verzichtet. Ebenso auf eine lineare Erzählstruktur.

Immer wieder wird auf die Gründer hingewiesen, entweder durch Orginalaufnahmen alter Aufführungen oder wenn auf deren Erbe hingewiesen wird. Seltsam mutet der gespannte Bogen des Films an: Kein paradigmatischer Höhepunkt entsteht. Die Welt hat sich halt nicht verbessert. „Living Theatre“ mühte sich und errang nur kleine Erfolge. Die Dokumentation besitzt ebenfalls nur geringen Einfluss auf den Lauf der Dinge, wirkt aber beim Publikum des Filmclub Casablanca.

Geschrieben von Björn Buß

DVD: Tristesse im Rechtsstaat

?Ein kurzer Film über das Töten? von Krystof Kieslowski

Auge um Auge. Zahn um Zahn. Der junge Jacek (Miroslas Baka) ermordet grundlos den Taxifahrer Waldemar (Jan Tesarz). Als Verteidiger vor Gericht steht ihm der frischgebackene Strafverteidiger Piotr (Krysztof Globisz) zur Seite. Der Sachverhalt ist eindeutig: Jacek wird zum Tode verurteilt. Zwei Menschen leben nicht mehr: Opfer und Täter eines Gewaltverbrechens. Piotr zweifelt von nun am Sinn des Strafsystems und stellt seine eigenen Bemühungen als Verteidiger in Frage: Habe ich wirklich genug unternommen?

Erstmals in Deutschland ist jetzt Krysztof Kieslowskis Film „Ein kurzer Film über das Töten“ auf DVD erschienen. Dies ist zum einen wunderbar, weil endlich ein weiteres Werk des polnischen Ausnahmeregisseurs – neben seiner Drei-Farben-Trilogie – bekannter wird. Zum anderen ist dieses Drama Teil eines größeren filmischen Komplexes: Dekalog. Die biblischen Zehn Geboten sind das Ausgangsmaterial für die jeweils eigenständigen Filme. Mit dem Filmzyklus zog der Pole internationale Resonanz auf sich und erhielt 1988 für dieses auf das fünfte Gebot „Du sollst nicht töten“ basierende Kinostück den Spezialpreis der Jury beim Filmfestival in Cannes.

Besonders die realistische, fast dokumentarische und extrem detailierte Darstellung der Tötung des Taxifahrers zu Beginn und die Hinrichtung des Mörders am Ende quält die Zuschauer. Für die Augen ist die Bildqualität genauso anstrengend. Ein dunkler Schleier schränkt den Blick auf die sehr guten Aufnahmen des Kameramanns Slawmir Idziak ein. Diesen Mangel kann aber das sehr lange Interview mit dem Filmschaffenden ausgleichen.       

Geschrieben von Björn Buß