CD: Elvis Costello – Il Sogno (Deutsche Grammophon)

Auf den ersten Blick passen Elvis Costello und William Shakespeares nicht so recht zusammen. Ein bekehrter U-Musiker komponiert Musik für ?Ein Sommernachtstraum?? Doch, es geht. Und die mit dem Stift auf das Notenpapier gebrachte Klangwelt hat etwas. Die Welterstaufnahme erschien unter dem Titel ?Il Sogno?.

Die Ballettmusik ist eine Bestellung der italienischen Ballettgruppe Aterballetto. ?Ich war total überrascht von dem Auftrag, Ballettmusik zu schreiben?, gesteht Costello. Am 31. Oktober 2000 wurde die Produktion im Teatro Comunale in Bologna uraufgeführt. Sein Kommentar zum Orchestererstlingswerk: ?Meine Orchestrierung verstößt vielleicht gegen einige Konventionen, aber sie klingt genau so, wie ich es mir vorgestellt habe.? Innerhalb von 4 Tagen im April ging die Einspielung des Werks in der Abbey Road, London, über die Bühne. Beeindruckt äußert sich der Dirigent Tilson Thomas über den Allroundmusiker Costello: ?Es gibt viel Jazz in dieser Musik, und manche Passagen klingen ganz impressionistisch oder russisch. Elvis hat sich für die Figuren in Shakespeares Stück jeweils unterschiedliche Welten vorgestellt: Pop, Jazz oder Klassik. Er kommt immer wieder auf diese ungewöhnlichen Debussy´schen Harmonien des Anfangs zurück.? Glückwunsch. Ein guter Anfang. Dennoch: Spannender ist das Werk Nr. 2. Hoffentlich hören wir bald davon.

Geschrieben von Uwe Roßner

CD: Pablo Sáinz Villegas – Guitar Recital (Naxos)

Das spanische Vilareal liegt zwanzig Kilometer von Benicásim entfernt. Hier treffen sich in der ersten Septemberwoche Gitarristen aus aller Herren Länder, um in der Kunst des Gitarrespielens miteinander zu wetteifern. Auf dem Programm eines jeden einzelnen Teilnehmers fehlt und darf auch sein Name nicht fehlen: Francisco Tárrega. Tárrega (1852 – 1909) ist ein Klassiker, der sich maßgeblich durch sein Wirken als Instrumentalist, Bearbeiter, Lehrer und Komponist auf dem Gebiet der Gitarre einen Namen machte. Dabei reizte er technisch und klangfarblich alle Möglichkeiten des Instrumentes aus.

Pablo Sáinz Villegas ist der Preisträger des vergangenen Jahres. Seine CD liegt bereits vor. Ein Gitarren Recital der Extraklasse. Für alle die, die gern einen Überblick über die Entwicklung der Gitarrenliteratur ausgehend vom späten 19. Jahrhundert bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts haben wollen, ist diese Einspielung eine gute Empfehlung. Namen wie Turina, Torroba, Rodriogo, Gerhard oder de Falla fehlen nicht. Villegas stellt Andrés Segovia mit dessen 5 Anecdotas als einen Komponisten vor. Eine Rarität. Das Booklet bietet prägnante Hintergrundinformationen und das gespielte Programm schließt abrundend mit der Miniatur ?Maria-Gavota? von Tárrega. Die Aufnahme lebt vom spielerischen Feuer Pablo Sáinz Villegas. Ungebremster Hörgenuss auf sechs Saiten. 

Geschrieben von Uwe Roßner

Der lange Weg zum Studium

Wijdan Glaidos (20) aus Eritrea hat sich zwei Semester lang am Studienkolleg der Universität Greifswald auf ein Medizinstudium vorbereitet. Den nachfolgenden Text verfaßte sie im Rahmen des Deutschseminars. Er wurde vom Seminarleiter geringfügig überarbeitet.

An einem sonnigen Tag saß ich bei meiner Mutter. Wir redeten viel und plötzlich kam mein Vater und fragte mich, ob ich in Deutschland studieren wolle. Meine Mutter konnte sich das kaum vorstellen, in einem fremden Land und sogar in Europa zu leben. Nein, das kam ihrer Meinung nach für mich nicht in Frage. Alle redeten und redeten, meine Onkel, Tanten und Cousinen. Wie kann ein kleines Mädchen allein nach Europa fliegen? Meine Meinung dazu interessierte die anderen wenig. Außer meinen Vater, der aus meiner Sicht der beste Vater ist. Er sagte mir, dass es meine Entscheidung sei, einen langen Weg mit vielen Schwierigkeiten zu wählen. Aber ich hatte eigentlich keinen Mut zu entscheiden, wußte nicht, ob ich es schaffen würde, das komplizierte Leben in Europa ertragen zu können. Am Ende, nach vielen Diskussionen , bin ich mit viel Angst doch geflogen, obwohl die meisten zu Hause meine Wahl abgelehnt haben. Ich bin eine Herausforderung für meinen Vater.

Jetzt, nach zwei Jahren in Deutschland, kann ich bestimmter sagen, warum ich hierher gekommen bin. Ich denke, damit ich meine Persönlichkeit und meinen Charakter bilde und lerne, mit verschiedenen Typen von Menschen umzugehen und mich an jede Situation anzupassen. Inzwischen bin jetzt stark genug, um für mich selbst verantwortlich zu sein. Auch die Arbeit in der Semesterpause hier ist eine neue schöne Erfahrung für mich, da ich niemals im Leben gedacht habe, dass ich mit 19 Jahren anfangen würde zu arbeiten. Ich war ein verwöhntes Mädchen. Wenn ich mich an mich selbst vor zwei Jahren erinnere, war ich sehr streng und leise, schwach, mit wenigen sozialen Kontakten. Ich bin total anders geworden. Ich habe also endlich das gefunden, was ich gesucht habe: mich selbst. Ich bin nun sicher: irgendwann werde ich mein großes Ziel, Medizin zu studieren, erreichen. Auch wenn es viele Jahre dauern sollte – auch wenn meine Mutter immer davon spricht, dass meine Freundinnen in meiner Heimat schon mit ihrem Studium fertig oder verheirat sind. Manche haben sogar schon Kinder bekommen. Auch wenn es der Fall sein sollte, dass ich ein oder zwei oder drei Semester nicht bestehen werde. Ich werde meinen Traum nie aufgeben, an dem ich zu Anfang zweifelte, ihn verwirklichen zu können.

Geschrieben von Wijdan Glaidos

CD: Charles Koechlin – Le Docteur Fabricius op. 202 & Vers la voute étoile op. 129 (Hänssler Classic)

Überraschungen gibt es immer noch. Vor allem, wenn sie die Vergangenheit betreffen. Im Bereich der diesjährigen Einspielungen ist die Wiederentdeckung des Elsässers Charles Koechlin (1867 – 1950), dem Dirigenten und Komponisten Heinz Hollinger zu verdanken. Zusammen mit dem Radio-Sinfonieorchester Stuttgart hebt er die Sinfonische Dichtung „Le Docteur Fabricius op. 202“ nach der Novelle von Charles Dollfus aus der Taufe. Eine Welturaufführung.

„Le Docteur Fabricius“ entsteht nach einer zweijährigen Schaffenspause Koechlins, ein glücklicherweise nur mittelfristiges Verstummen des Komponisten nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges. Der Sternenhimmel klingt hier anders als bei dem Nocturne für Orchester „Vers la Voûte étoilée op. 129“. Die Gestirne erstrahlen in einem jeweils ganz eigenen Glanz der Orchestergruppen und zusammengesetzten Klangfarben. Das Nocturne lässt den Zuhörer erheben, in der Symphonischen Dichtung weitet sich zwar die Brust, die Seele jedoch intoniert aus tiefer Not. Die romantisch-impressionistische Handschrift Koechlins ist ein Stil, der nicht ganz so glatt wie Debussy ins Ohr geht, der dem Hörer allerdings neue Klangräume öffnet. In der Kategorie ?Orchestermusik 20. Jahrhundert? wurde die CD für den Cannes Classical Award 2004 nominiert. Die Aufmerksamkeit ist berechtigt.

Geschrieben von Uwe Roßner

PolenmARkT 2004

Die Kulturtage des PolenmARkTs boten vom 13. bis zum 22. November eine Fülle von Möglichkeiten, sich kulturell mit dem Nachbarland vertrauter zu machen. Lesungen, Konzerte, Filme und ein Tangoabend im Theater Vorpommern vermittelten beispielsweise ein Gespür für polnische Lebensart. Das Theater Vorpommern startete die Aufführung von Slawomir Mrozèks Dreiakter ?Tango? innerhalb der neun Kulturtage. Das Ensemble controverse gab während Eröffnungsveranstaltung einen ersten Einblick in die neuere und neueste Literatur polnischer Kammermusik.

?Die Menschen haben Interesse an polnischer Kultur in Greifswald. Die Möglichkeiten sind dafür gewachsen. Es lohnt sich diese Arbeit weiterzumachen?, sagt Dr. Ulrich Rose, Vorstandsmitglied des Vereins des PolenmARkTs. Die Vorbereitungen des Festivals leben vom Engagement einzelner Personen, vor allem Studenten der Universität und Greifswalder Institutionen, die ihre Ideen in die Planung eingebracht und ihre Verwirklichung mit Enthusiasmus vorangetrieben haben. Seitdem der Verein das Festival organisiert, mausert es sich von einer einstigen universitätsinternen Veranstaltung zu einer öffentlichkeitswirksamen Kulturreihe. Eine frischerstellte Homepage gab neben dem Flyern Auskunft über das Programm. Im vergangenen Jahr setzte Gertrud Fahr mit ihrem Plakat für einen einladenden Aushang.
?Was aus Polen kommt, ist nicht schlecht. Für viele besteht dabei noch eine Hemmschwelle, sich damit auseinander zusetzen?, so Dr. Rose. ?Der PolenmARkT ermöglicht die Begegnung von Deutschen und Polen auf einer Ebene, bei der sie über ihr Verhältnis nachdenken können. Die Hoffnung, dadurch die Hemmschwelle herunterzusetzen, ist nicht ganz unberechtigt.?  
?Die Polen wissen um die Ängste, die Arbeitslosigkeit und die Armut?, sagt Agata Wisniewska-Schmidt, die sich als Projektleiterin für mit einer aufklärenden Ausstellung zum Thema Polenmärkte im Rahmen des Festivals im Geburtshaus Wolfgang Koeppens engagierte. ?Ich war anfangs geschockt wie nah sie bereits einander sind.? Die bisherige Forschungsliteratur böte zum Grenzgebietsphänomen PolenmARkT kaum Auskunft. Mit jeweils einem Journalisten und Fotographen aus den beiden Nachbarländern entdeckte sie die Beziehungen zwischen Menschen zweier Nachbarstaaten innerhalb der anfänglichen Rolle von Käufer und Verkäufer, die sich zu herzlicher Freundschaft wandeln kann.
Der PolenmARkT erhielt für seine Bemühung um Kulturvermittlung im Jahr des Beitritts Polens in die EU zum Festivalauftakt von offizieller Seite wenig Beachtung.
Gemeint sind damit die Vertreter der Stadt und der Universitätsleitung. ?Einladungen sind an beide herausgegangen?, versichert Dr. Ulrich Rose. Allerdings blieben Antworten aus. Nicht einmal ein beglückwünschender Gruß. Der Festivalauftakt sprach unabhängig davon deutlich für sich. Das Ensemble controverse verzückte das Publikum mit neuer polnischer Kammermusik und rahmte den literarischen Teil des Lesungskonzerts. Und dann, im Wechsel und zwischen den einzelnen Stücken:  Ungezwungen und herzlich las der polnische Dichter Mariusz Grzebalski seine Texte und die deutsche Schauspielerin Eva-Maria Blumentrath vom Theater Vorpommern die entsprechenden Übersetzungen Seite an Seite. Welch ein Anfang! 

Geschrieben von Uwe Roßner