Wijdan Glaidos (20) aus Eritrea hat sich zwei Semester lang am Studienkolleg der Universität Greifswald auf ein Medizinstudium vorbereitet. Den nachfolgenden Text verfaßte sie im Rahmen des Deutschseminars. Er wurde vom Seminarleiter geringfügig überarbeitet.

An einem sonnigen Tag saß ich bei meiner Mutter. Wir redeten viel und plötzlich kam mein Vater und fragte mich, ob ich in Deutschland studieren wolle. Meine Mutter konnte sich das kaum vorstellen, in einem fremden Land und sogar in Europa zu leben. Nein, das kam ihrer Meinung nach für mich nicht in Frage. Alle redeten und redeten, meine Onkel, Tanten und Cousinen. Wie kann ein kleines Mädchen allein nach Europa fliegen? Meine Meinung dazu interessierte die anderen wenig. Außer meinen Vater, der aus meiner Sicht der beste Vater ist. Er sagte mir, dass es meine Entscheidung sei, einen langen Weg mit vielen Schwierigkeiten zu wählen. Aber ich hatte eigentlich keinen Mut zu entscheiden, wußte nicht, ob ich es schaffen würde, das komplizierte Leben in Europa ertragen zu können. Am Ende, nach vielen Diskussionen , bin ich mit viel Angst doch geflogen, obwohl die meisten zu Hause meine Wahl abgelehnt haben. Ich bin eine Herausforderung für meinen Vater.

Jetzt, nach zwei Jahren in Deutschland, kann ich bestimmter sagen, warum ich hierher gekommen bin. Ich denke, damit ich meine Persönlichkeit und meinen Charakter bilde und lerne, mit verschiedenen Typen von Menschen umzugehen und mich an jede Situation anzupassen. Inzwischen bin jetzt stark genug, um für mich selbst verantwortlich zu sein. Auch die Arbeit in der Semesterpause hier ist eine neue schöne Erfahrung für mich, da ich niemals im Leben gedacht habe, dass ich mit 19 Jahren anfangen würde zu arbeiten. Ich war ein verwöhntes Mädchen. Wenn ich mich an mich selbst vor zwei Jahren erinnere, war ich sehr streng und leise, schwach, mit wenigen sozialen Kontakten. Ich bin total anders geworden. Ich habe also endlich das gefunden, was ich gesucht habe: mich selbst. Ich bin nun sicher: irgendwann werde ich mein großes Ziel, Medizin zu studieren, erreichen. Auch wenn es viele Jahre dauern sollte – auch wenn meine Mutter immer davon spricht, dass meine Freundinnen in meiner Heimat schon mit ihrem Studium fertig oder verheirat sind. Manche haben sogar schon Kinder bekommen. Auch wenn es der Fall sein sollte, dass ich ein oder zwei oder drei Semester nicht bestehen werde. Ich werde meinen Traum nie aufgeben, an dem ich zu Anfang zweifelte, ihn verwirklichen zu können.

Geschrieben von Wijdan Glaidos