Autoren: Sandra Fikus & Dean Münder

Anfang Dezember gab die Landeszentrale für politische Bildung Mecklenburg-Vorpommern (LpB) eine Informationsbroschüre zum Thema „Flüchtlinge in Mecklenburg-Vorpommern“ heraus. Hier sollen 20 häufig gestellte und brennende Fragen über Geflüchtete nun endlich beantwortet werden und vielleicht den ein oder anderen überzeugen, dass Flüchtlinge in Deutschland nicht das Ende der Welt sind.

Zuallererst wirkt die Broschüre leider recht lieblos gestaltet, als wäre es ein Projekt zwischen der sprichwörtlichen „Tür und Angel“ gewesen. Diesen Schluss lässt auch der Inhalt des Informationsheftchen zu. „Heftchen“ ist hier wohl das richtige Wort, denn das wichtige Thema der Flüchtlingskrise und der Aufklärung derer, die den Asylsuchenden kritisch gegenüber stehen, wird auf gerade mal 24 Seiten abgehandelt. In zwei bis fünf kurzen Sätzen wurden häufig schon lange bekannte Grundinformationen auf Papier gebracht und die wenigen neuen und wichtigen Informationen, zum Beispiel wie viel denn nun ein Geflüchteter wirklich vom Staat bekommt, gehen im lieblosen Faktengestöber unter.

Außerdem kam wohl jemand im Designbereich auf die Idee das ganze in Hosentaschengröße zu verpacken. Wohl ein Schuss nach hinten. Denn dadurch ist der Platz für wirkliche Informationsarbeit stark gemindert und wer würde schon dieses Heft freiwillig stets und ständig mit sich herum tragen. Man wäre wohl besser damit gefahren ein etwas größeres Din-A-Format zu wählen. Schließlich liest man sich so eine Broschüre im realen Leben nur ein- bis zweimal durch.

Auch werden keine wirklichen Quellen genannt, woher die Informationen stammen. Deshalb könnten diese etwas aus der Luft gegriffen vorkommen.

Die Broschüre umfasst 20 Fragen und 20 knappe Antworten zu den am häufigsten gestellten Fragen zu den Themen “Integration” und “Flüchtlinge”. Unter den Fragen finden sich Klassiker wie „Warum haben so viele Flüchtlinge ein Smartphone?“ oder „Weshalb kommen so viele junge Männer nach Deutschland?“. In den sozialen Netzwerken dürften dem einen oder anderen bereits die absurden Thesen einiger Wutbürger aufgefallen sein. Diese Broschüre könnte zur Aufklärung beitragen. Jedenfalls theoretisch.

„Ausgangspunkt waren Fragen, die nicht nur uns, sondern auch viele andere Stellen erreicht haben. Uns ging es dabei vor allem auch darum, auf das Land zugeschnittene Informationen zu vermitteln.“

erklärt Jochen Schmidt, Direktor der Landeszentrale für politische Bildung (LpB).

Die Broschüre wäre von vielen Trägern der politischen Bildung, von Schulen, Ämtern und Jobcentern bestellt worden und sei bereits jetzt das „seit Jahren am stärksten nachgefragte Produkt“ der LpB, so Schmidt.

Leider ist dieses gefragte Produkt nur sehr schwer in Greifswald aufzufinden. Der Integrationsbeauftragten der Stadt, Nadine Hoffmann, ist diese Broschüre gänzlich unbekannt. Man habe allgemein viel Material, aber von dieser Broschüre noch nichts gehört. Auch im Berufsbildungszentrum der Bundesagentur für Arbeit liegt das Aufklärungsdokument nicht aus und auch die Referentin für Flucht und Asyl kennt es nicht. Das Alexander-von-Humboldt-Gymnasium hat im Dezember Broschüren bekommen, man müsse aber noch auswerten, ob das Dokument in den Unterricht eingebunden wird oder nicht.

Eines ist dem Öffentlichkeitsbeauftragten Lehrer Zocher schon vorab ins Auge gefallen. Bei der Frage “Sind Flüchtlinge krimineller als Deutsche?” wird nur der Facebook Post von der Polizei Vorpommern-Greifswald als Antwort gegeben.

Polizei_VG_FacebookDas ist seiner Meinung nach unangebracht. Nach den letzten Verschleierungen der Polizei Köln in Verbindung mit den Vorfällen am Hauptbahnhof in der Silvesternacht sei das Vertrauen der Jugendlichen in die Polizei ohnehin geschwächt. Man fragt sich, wie glaubwürdig die Schüler den Abdruck des Posts in der Aufklärungsbroschüre finden werden.

Tatsächlich scheinen die Macher der Broschüre nun endgültig aufgegeben zu haben. Nur ein Bild eines Facebookposts der Vorpommern-Greifswalder Polizei nimmt eine gesamte Seite ein. Was eigentlich ein beruhigender Punkt werden sollte, kommt nun als schlechter Scherz daher. Hier wird von der Polizei per sozialem Netzwerk höchstselbst versichert, dass es weder mehr Laden- noch Fahrraddiebstähle durch Flüchtlinge gegeben hätte. Eine nette Idee, nur leider komplett ohne wirkliche Quellen, Statistiken oder Ähnliches.

Der Integrationsbeauftragte des Landkreises Vorpommern-Greifswald, Ibrahim Al Najjar, gab leider keine Rückmeldung zu der Broschüre. Selbst der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) hatte bis zu unserer Anfrage keine Kenntnis über die Broschüre des LpB. Nach Sichtung des Dokuments heißt es, man unterstütze in jedem Fall die Idee einer Aufklärungsbroschüre, jedoch erscheint der Umfang recht knapp und einige Fragen könnten nicht angemessen beantwortet werden.

„Einige Fragestellungen finde ich irreführend und teilweise wurden die Fragen auch etwas schwammig beantwortet. Das bietet für besorgte Bürger natürlich wieder eine Angriffsfläche.“

findet Jennifer Kahl, Referentin für Integration von Asylsuchenden sowie Flüchtlingen vom AStA.

Besonders die Antwort zum Thema „Warum wird über den Islam diskutiert?“ kann ihrer Meinung nach nicht in fünf Sätzen zusammengefasst werden. Die Broschüre reiche zwar, um verunsicherte Bürger mit Informationen zu versorgen, für den „eingefleischten Pegida-Demonstranten“ müsse man sich jedoch etwas mehr einfallen lassen, so Kahl.

Ob die Aufklärungsbroschüre der LpB so erfolgreich ist, wie Direktor Jochen Schmidt sie beschreibt, kann zunächst nicht bestätigt werden. Zumindest nicht in Greifswald. Allgemein ist man sich jedoch einig, dass in jedem Falle eine Broschüre zur Aufklärung der Bürger hilfreich ist und Bemühungen dieser Art erwünscht und wichtig sind. Das haben auch alle Befragten bestätigt.

In der Praxis allerdings zeigt sich, dass umfangreiche Fragen zum Thema Integration in fünf Sätzen nur schwerlich beantwortet werden können und nur wenige Anlaufstellen in Greifswald Kenntnis von der Existenz der Broschüre haben.

Fazit:

Eine gute Idee, eher durchschnittlich umgesetzt. Vielleicht wollte man seine Zielgruppe nicht überfordern, vielleicht war es wirklich nur ein kurzzeitiges Projekt. Als Fazit bleibt nur zu sagen, dass diese Informationsbroschüre keinen „besorgten Bürger“ dazu bringen wird, seine Mistgabel und Fackel fallen zu lassen.

Für alle Interessierten verweisen wir an dieser Stelle auf die Website der Landeszentrale für politische Bildung und auf den Download der besagten Broschüre.