Autor: Michael Frietzsche

Viele schreien nach ihnen, aber keiner will sie dann vor der Haustür. Es geht um die Windanlagen und Windparks. Anderenorts wurde sich gezankt, beharkt und schließlich halfen keine ärztlichen Gutachten und Unterschriftenaktionen. Nun ist Greifswald an der Reihe.


Wer sich nun Zeilen über wilde Proteste seitens der Bevölkerung erhofft, der wird enttäuscht sein. Scheinbar hatte niemand Wind von der Sache bekommen. Am 16. November, als dieses Thema in der Bürgerschafft zur Debatte stand, war der Pöbel wohl mit anderen Sachen beschäftigt. Desinteresse oder mangelnde Transparenz? Die Wahrheit wird wohl irgendwo dazwischen liegen. Es ist nicht vorstellbar, dass solch ein Thema nicht die Herzen eines größeren Teils der Greifswalder Einwohner bewegen könnte. Die Sache ist aus der Sicht Greifswalds durch und nicht mehr zu ändern.

Im Zentrum der Diskussionen standen drei für Windenergieanlagen ausgewiesene Gebiete im Greifswalder Umland. Behrenhoff, Dargelin/Görmin und Dersekow sollen neumodische Windmühlen „aufnehmen“. Jeder weiß, dass diese nicht ganz so romantisch wie auf Caspar-David-Friedrichs-Bildern aussehen. Sie sind ja zweckmäßig für die Energieerzeugung vorgesehen. Das Kornmahlen geht mit diesen nicht. Und nun kommt der Caspar-David Friedrich ins Spiel. Dank ihm ist die Stadt-Silhouette bei Alt und Jung relativ bekannt. Diese Ansicht von Norden her ist denkmalgeschützt, was aus der Denkmalbereichsverordnung vom 8. Dezember 1999 zu entnehmen ist. Im dritten Paragraphen unter Abschnitt „f)“ heißt es dort:

„Die Silhouette der Greifswalder Altstadt ist eindrucksvoll von Westen über Norden bis

Osten erlebbar. Die drei gotischen Stadtkirchen – St. Marien, St. Nikolai und St. Jakobi –

einst Orientierungspunkte für die Schifffahrt, erheben sich, wie auch das Rathaus, über

der Dachlandschaft der Altstadt.

Seit der Hansezeit bietet Greifswalds Silhouette vor allem in der Morgen- und Abenddämmerung etwa das gleiche unverwechselbare Bild, das auch Motiv für Caspar David Friedrich war.

Neuere Bebauung wahrte stets den Maßstab der Silhouette.

Der fast einhundert Meter hohen Turm vom Dom St. Nikolai gilt als schönster Turm an

der Ostseeküste.“

In der Bürgerschaft spielten nun am 16. November die Fraktionen mit Fotos, die verschiedene Ansichten zeigten. Mal waren bereits vorhandene Windparks zu sehen, manchmal nicht. Es wurde heißer gerechnet als in jeder Mathe-Klassenarbeit. Es ist interessant, dass die neuen Anlagen höher sind. Außerdem liegen die Stellen auch etwas erhöht, weshalb die Nabenhöhe noch ein paar Meter bekommt. Zu dieser Höhe kommen dann noch die riesigen Rotor-Blätter, sodass die Anlagen noch in einer Entfernung von 50 Kilometern zu sehen sein sollen, meinte der Sprecher der Linken.

Einen großen Einfluss auf den Bau hat die Bürgerschaft sowieso nicht. Es sollte nur eine Stellungnahme zum Ausbau der Windkraftanlagen sein. Der Regionale Planungsverband Vorpommern möchte einen Prozentsatz von 1,5 % einhalten, der von der Landesregierung vorgegeben wurde. 1,5 % der Landesfläche sollen durch Windenergieanlagen bestückt werden. Das geht aus dem Gutachten des Ministeriums für Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung Mecklenburg-Vorpommern zur „Umfassung von Ortschaften durch Windkenergieanlagen“ aus dem Januar 2013 hervor. Bisher ist die Hälfte dieses Wertes erreicht. Grundsätzlich gilt Windenergie als saubere Energie und schafft in Norddeutschland auch Arbeitsplätze, aber die Bevölkerung Greifswalds hätte vermutlich auch noch gern ihre Meinung dazu abgegeben. Medial trat dieses Thema so gut wie gar nicht in die Öffentlichkeit. Die Bürgerschaft stimmte schlussendlich für die Stellungnahme, die sich gegen die Ausweisung neuer Gebiete aussprach.

Beitragsbild: Magnus Schult