Interview von Tobias Bessert und Katrin Haubold.

Am 26. April findet die Oberbürgermeisterwahl in Greifswald statt. Zur Wahl stehen Björn Wieland (Die PARTEI), Dr. Stefan Fassbinder (Grüne/SPD/Linke/Piraten) und Jörg Hochheim (CDU). Um euch die Wahl etwas zu erleichtern haben wir zusammen mit moritz.tv die Kandidaten interviewt. Die Reihenfolge der Erscheinung haben wir mit den drei Kandidaten ausgelost. Heute an der Reihe: Jörg Hochheim.

Um die Oberbürgermeisterkandidaten kennen zu lernen, hat moritz.tv ihnen ein paar Fragen gestellt, bei denen sie aus dem Nähkästchen plaudern, während der webmoritz. den Fokus eher auf die politischen Ziele legt.

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 “Ich möchte nicht, dass wir Menschen behelfsweise in Turnhallen oder so unterbringen müssen”

Was mögen Sie an Greifswald?

Vor allen Dingen seine Menschen.

Beschreiben Sie Greifswald mit drei Worten!

Liebenswert, jung und attraktiv.

Was ist Ihr Lieblingsort in Greifswald und warum?

Ich glaube Markt und Fischmarkt, weil ich dort am häufigsten hinkomme. Ansonsten bin ich natürlich sehr gerne in Wieck.

Was ist für Sie das wichtigste Ziel?

Die Sanierung des Theaters ist mir sehr wichtig. Das sage ich jetzt nicht, weil mir die anderen Ziele unwichtiger sind, sondern weil es noch am ehesten unklar ist, ob und in welchem Umfang uns das gelingt. Momentan befinden wir uns zudem in einem Spannungsfeld, wo wir gar nicht wissen, wie die Zukunft des Theaters aussieht. Wir bekommen für das Theater eine Perspektive aufgezeigt, die über Zeiträume von zwei, fünf oder sieben Jahre hinausreicht und einen längeren Zeitraum umfasst. Wenn wir es dann noch schaffen können, die Investitionen zu stemmen – das sind ja schon erhebliche, die erste Kostenschätzung für die Sanierung des Theaters beträgt 19,5 Millionen Euro, die Hälfte dafür für technische Ausrüstungsgegenstände – wenn wir es schaffen, das zu stemmen, wird das für die Stadt eine große Herausforderung. Da hoffe ich auf Unterstützung vom Land, von der Europäischen Union durch entsprechende Fördermittel. Wichtig ist mir aber auch die Fischerschule, weil das ein ganz neues Projekt ist. Da wollen wir das Thema Inklusion mal anfassen. In Deutschland wird ja viel von Inklusion gesprochen, aber gerade in unserem Land gibt es noch keine Schule, an der man sehen kann, wie das gelebt werden kann. Wir haben uns nun Gedanken gemacht, welche Möglichkeiten man hat, auf diese veränderte Raumsituation einzugehen. Es sind verschiedene Vorkehrungen nötig für Menschen mit körperlicher Behinderung, sei es eine Geh- oder Sehbehinderung oder wenn man nicht richtig hören kann. Aber wenn Sie mich nach dem wichtigsten fragen, bleibe ich beim Theater wegen dieser Symbiose aus Investitionen und Zukunft des Theaters.

Gibt es etwas, dass sich in Greifswald grundlegend ändern muss? Was stört Sie?

Ich würde gerne, wenn ich Oberbürgermeister wäre, mehr mit den Bürgern ins Gespräch kommen. Das Stichwort Bürgerbeteiligung, über das jetzt gesprochen wird, halte ich wirklich für wichtig. Sie hat ihre Grenzen, denn am Ende des Tages muss die Bürgerschaft ihre Entscheidung treffen, die der Oberbürgermeister vorbereitet hat. Beide Seiten sind aber aufgerufen – der OB und seine Verwaltung wie auch die Bürgerschaft und ihre Fraktionen, die Menschen mehr mitzunehmen. Das finde ich wichtig, damit wir nicht hinterher feststellen, dass das Projekt, was wir uns gemeinsam ausgedacht haben, vielleicht doch dem einen oder anderen nicht gefällt. Eine hundertprozentige Übereinstimmung werden wir nie erreichen, aber mir ist daran gelegen, dass wir eine möglichst breite Übereinstimmung schaffen.

Vor kurzem ging das Bürgerportal „Klarschiff“ an den Start. Was halten Sie von dem Projekt?

Ich finde es gut, auch wenn es die Verwaltung ein bisschen stresst. Es ist einfach so, dass jedermann die Möglichkeit hat, genau zu verorten, welches Problem ihm genau in der Stadt missfällt. Dabei erkennt er aber nicht, ob es ein Problem ist, das die Stadt ganz unmittelbar lösen kann oder ob es ein Dritter ist, der sich dieses Problems annehmen muss. Da krankt das System ein bisschen. Es muss noch für den Bürger deutlicher gemacht werden, wann man die Nachricht weiterreicht an den, der dafür zuständig ist und dass die Stadt dann nicht mehr der richtige Ansprechpartner ist. Ansonsten finde ich, ist das ein gutes System, was mit einiger Mühe installiert worden ist, aber jetzt gut funktioniert.

Jörg-Hochheim_Katrin-Haubold

” Ich möchte den Kooperationsvertrag zwischen der Stadt und der Universität, gerne mit etwas mehr Leben füllen” – Jörg Hochheim

Welche Ideen haben Sie, die Bürger noch mehr in die Stadtpolitik einzubeziehen?

Ich finde ganz wichtig, dass wir die Ortsteilvertretungen, stärker einbinden und sie wiederum auch dafür sorgen, dass ihre Ortsteilvertretersitzungen nicht mit nur wenigen Zuschauern beglückt werden. Wir müssen schon dort starten, unsere Projekte vorstellen, weil die Leute vor Ort einfach am besten wissen, ob das ein Projekt ist, das sie mittragen oder ob es etwas ist, das sie eher distanziert sehen. Dann kann man darauf eingehen und versuchen, einen Interessensausgleich herbeizuführen zwischen den verschiedenen Seiten. Wie gesagt, mein Ziel ist nicht, eine hundertprozentige Übereinstimmung herzustellen, denn die wird es nicht geben. Die kann man auch mit noch so viel Bürgerbeteiligung nicht erreichen. Aber ich finde, wir müssen die Leute mitnehmen. Es wird manchmal auch Gründe geben, warum man etwas nicht umsetzen kann, aber dann muss man das auch kommunizieren. Dann ist das aber auch Bürgerbeteiligung.

Haben Sie auch Ziele, wie Sie Studierende besser in den Ablauf der Stadtpolitik einbinden wollen?

Ich bin von Herrn Dr. Flieger (Kanzler der Universität, Anm. d. Red.) schon mal gefragt wurden, wie wir die zukünftige Kooperation zwischen Stadt und Uni leben wollen. Da hatte ich ihm ja schon gesagt, dass ich den Kooperationsvertrag gerne mit etwas mehr Leben füllen möchte. Ich fände es gut, wenn wir in festen, gemeinsam passenden Zeitläufen uns abstimmen, um Themen und Fragen, die Stadt und Universität berühren, zu besprechen. Sie haben jetzt explizit nach der studentischen Einbindung gefragt. Da muss man aber auch versuchen, miteinander ins Gespräch kommen zu wollen. Ich habe versucht, mit dem AStA Gespräche zu führen – das hatte auch gar nichts mit der Wahl zu tun, sondern einfach damit, dass ich auch mal wissen wollte, wo hier die Probleme sind. Wir hatten mehrfach angefragt, aber nie einen Terminvorschlag bekommen. Das ist jetzt nicht als Kritik zu verstehen, aber als Anregung: Wenn man sich wünscht, dass man miteinander ins Gespräch kommt, betrifft das immer beide Seiten.

Die Stadt profitiert von den Studierenden. Sehen Sie Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen Universität und Stadt, um mehr Studierende für Greifswald zu begeistern?

Ich finde, dass man sich bei der Integration von Ausländern, die wir zunehmend in der Stadt bekommen, helfen kann. Das wäre für mich schon ein wichtiger Punkt der Zusammenarbeit. Wenn die Integration funktionieren soll, dann funktioniert sie über die Sprache. Ich finde, wenn die Studenten sich vielleicht ein Ehrenamt vorstellen könnten, den Flüchtlingen die ersten Schritte zu erleichtern, sodass diese die deutsche Sprache verstehen und sprechen können, dann haben wir gemeinsam viel erreicht. Solche und ähnliche Projekte könnte ich mir vorstellen.

Sehen Sie Zusammenarbeitsmöglichkeiten zwischen Stadt und Universität in anderen Gebieten?

Ich denke, die Universität muss stärker noch als bisher auf Internationalisierung setzen. Ich finde es sehr wichtig, wenn wir uns auch so aufstellen – mit uns meine ich jetzt die Universität und die Stadt – sind wir attraktiv für Menschen, die aus dem Ausland zu uns kommen um hier zu lernen oder zu lehren. Außerdem möchte ich die Studenten als Botschafter unserer Stadt gewinnen, dass sie nicht nur Mutter und Vater, sondern auch Bruder und Onkel erzählen, dass es sich lohnt hierherzukommen – auch wenn es mit der Erreichbarkeit hier im Nordosten Deutschlands nicht so einfach ist. Ich hatte damals in Cottbus studiert. Wer Cottbus kennt weiß, dass es nicht gerade eine famose Stadt ist, aber es war mein Studienort. Jeder, der studiert und gute Erinnerungen an dieses Studium hat, kommt auch irgendwann wieder in diese Stadt zurück oder erzählt, wo er studiert hat und dass es eine tolle Erfahrung war. Die Idee, die der Tourismusverein hatte, diese Heimathafen-Idee, die finde ich total toll. Das man also sagt, wie bekommt man die Menschen, die neu zu uns kommen, dazu, auch neue Bürger und auch Greifswalder sein zu wollen. Und wenn ich Greifswalder werden will und bin, dann gehört dazu auch die Bürgerbeteiligung und das Sich-Einbringen.

Wie sehen Sie die Rolle Greifswalds bei der Unterbringung von Flüchtlingen?

Eine wichtige. Das Problem ist, dass wir nicht so viele aufnehmen können wie wir vielleicht aufnehmen sollten, weil wir schlicht Kapazitätsprobleme haben. Was ich nicht möchte ist, dass wir Menschen behelfsweise in Turnhallen oder so unterbringen müssen. Darum ist die WVG als unser kommunales Wohnungsunternehmen gefordert, darauf zu reagieren. Es muss in die Wege geleitet werden, dass ursprünglich für den Abriss vorgesehene Blöcke hergerichtet werden – nicht als Gemeinschaftsunterkunft, sondern für diejenigen, die schon den Status der Anerkennung haben, sodass sie Wohnraum zur Verfügung gestellt bekommen. Wir haben in Greifswald einen ziemlich angespannten Wohnungsmarkt, wie sie ja wissen, weil sie Studenten sind. Das Problem ist nur deshalb zu lösen, wenn wir langfristig anderen Wohnraum schaffen in dieser Stadt, der für viele Menschen auch bezahlbar ist.

Welches Unterbringungskonzept bevorzugen Sie? Zentral, oder dezentral?

Ich glaube, für die Erstankommenden ist die dezentrale Unterbringung vielleicht nicht optimal, weil die Betreuung nicht gegeben wäre – wir hatten ja schon davon gesprochen, die Sprachkenntnisse sind nicht da, sie kennen sich nicht in der Stadt oder der Gesellschaft aus. Von daher glaube ich, dass jemand, der neu ankommt, zunächst in einer Gemeinschaftsunterkunft gut aufgenommen ist. Wenn dann sein, zum Beispiel Asylbewerberverfahren abgeschlossen ist, dann muss die Möglichkeit bestehen, in eine dezentrale Unterkunft zu wechseln – spätestens dann. Wenn – ich will es jetzt mal Sozialisierung nennen – wenn die Sozialisierung in so weit abgeschlossen ist, dann ist natürlich die dezentrale Unterkunft besser.

Auf der nächsten Seite spricht Jörg Hochheim über die Wohnraumsituation, das soziale Miteinander in Greifswald, Verkehrspolitik und Kultur.