Nachdem das Oberverwaltungsgericht (OVwG) Greifswald am 12. März 2008 die Rechtswidrigkeit der Verwaltungsgebühr der Universität Greifswald in Höhe von zehn Euro je Semester feststellte, folgt nun der nächste Anlauf seitens Parlament und Regierung. Der Gegner ist diesmal größer und – vergleichsweise betrachtet – durchaus als „Endgegner“ in der Gebührenfrage zu betrachten: Er besteht aus den Regierungsfraktionen von SPD und CDU im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern. Dementsprechend sind auch die Ansprüche gewachsen. Der offizielle Plan der Regierungsfraktion: Die Einführung einer landesweit einheitlichen und ganze 50 Euro betragenden Verwaltungsgebühr, die „alle sonstigen“ Verwaltungsgebühren ersetzen soll. Endspiel für die Gebührenfreiheit in MV.
Problem ist laut Gesetzesentwurf, dass die „Hochschulen ab dem Wintersemester 2008/2009 Einnahmeverluste zu verzeichnen“ haben. Die Notwendigkeit der Regelung wird deswegen damit begründet, dass ohne sie weitere Einnahmeverluste zu verzeichnen wären. Die Argumentation im Ganzen: Man fürchtet Einnahmeverluste, also muss man schnell Geld bekommen, da den Hochschulen sonst Einnahmen verloren gehen. Politisch gesehen ist das vielleicht eine zwingende Argumentation zur Gebühreneinführung – logisch betrachtet ist sie es nicht.
Ersetzen soll die Gebühr Verwaltungsdienstleistungen, deren Gebührenpflichtigkeit bisher in jeder Hochschule individuell geregelt wurde.
Zu den Verwaltungsdienstleistungen zählen insbesondere die Leistungen im Zusammenhang mit der Immatrikulation, Beurlaubung, Rückmeldung, Exmatrikulation, Hochschulzulassung, der Organisation der Prüfungen und der allgemeinen Studienberatung, ferner die Benutzung der Bibliotheken und EDV, die Leistungen der Auslandsämter sowie die Leistungen bei der Vermittlung von Praktika und der Förderung des Übergangs in das Berufsleben. Die Regierungsfraktion beruft sich zur Begründung währenddessen auf länderübergreifende Vergleiche, ohne zu erwähnen, dass diese Verwaltungsgebühren auch in anderen Bundesländern, wie z.B. Thüringen, strittig sind, keinesfalls feststehen und tatsächlich mangels fehlender Sanktionsnormen (wie beispielsweise an der TU Ilmenau) durch die Studierenden derzeit nicht gezahlt werden.
Betrachtet man die Situation, ergeben sich momentan drei Argumentationsstränge für die Einführung einer Verwaltungsgebühr: Erstens, dass den Hochschulen des Landes Geld fehlt. Zweitens, dass M-V ein „Gebührenwirrwarr“ hat, das beseitigt werden muss. Drittens, dass andere Bundesländer ebenfalls Verwaltungsgebühren hätten.
Argument 1 kann nicht ohne weiteres Grundlage für die Einführung von Verwaltungsgebühren sein, denn die Studierendenschaft ist bisher nicht gesetzliche Geldquelle der Hochschulen. Argument 2 ist insofern unschlüssig, als dass der Durchschnitt der Studierenden an den Hochschulen MVs innerhalb eines Semesters für versäumnisunabhänginge Gebühren normalerweise keinen Betrag von annähernd jeweils 50 Euro zahlen muss und die Summe somit mehr als übertrieben erscheint. Argument 3 ist ebenfalls ein Fehlschluss. In einigen Bundesländern befindet sich diese Festlegung von Verwaltungsbeiträgen im verwaltungsgerichtlichen Prozess und steht daher keineswegs fest.
Bemerkenswert: Richter des OVwG Greifswald hatten während ihrer Urteilsverlesung zum rechtswidrigen Verwaltungskostenbeitrag der Uni Greifswald deutlich gemacht, dass zehn Euro Verwaltungskostenbeitrag trotz fehlender Rechtsgrundlage nicht ohne weiteres als unrechtmäßige “Studiengebühren” zu identifizieren wären. Sie fügten hinzu, dass bei einem Beitrag in Höhe von 50 Euro trotz entsprechender Rechtsgrundlage die Einschätzung anders ausfallen könnte.
Die Allgemeinen Studierendenausschüsse in Mecklenburg-Vorpommern äußerten sich „empört“. Sie rügten den Versuch, „Studiengebühren durch die Hintertür einzuführen.“ Der stellvertretende AStA-Vorsitzende Sebastian Nickel der Uni Greifswald meinte zum Gesetzesentwurf, „dass man sich diesen politischen Bestrebungen entschieden entgegenstellen muss. Andernfalls würde ein Öffnen der Tür für sogenannte Verwaltungsgebühren in naher Zukunft ein Brechen des Tores für Studiengebühren nach sich ziehen.“
Zur ersten Lesung des Gesetzesentwurfes am 24. September war der AStA Greifswald deshalb im Landtag anwesend. Die hochschulpolitische Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion, Ilka Lochner-Borst, zeigte sich nach der ersten Lesung optimistisch, denn „mit einem Verwaltungskostenbeitrag von fünfzig Euro nähern wir uns in Mecklenburg-Vorpommern der Realität in vielen anderen Bundesländern an.“ Unterdessen umfasst die Realität in „vielen anderen Bundesländern“ nun auch Studiengebühren. Ilka Lochner-Borst ergänzte: „Die Einnahmen stehen den Hochschulen direkt zur Erfüllung ihrer Aufgaben zur Verfügung.“ Mit dieser Unmittelbarkeit der Finanzierung begründet man vielerorts auch die Erhebung von Studiengebühren. In Bayern dient laut Studierendenrat (StuRa) Rostock die erhobene „Verwaltungsgebühr“ währendessen der Konsolidierung des Landeshaushaltes. Der StuRa Rostock kritisiert: „Der Entstehungsprozess der als Verwaltungskostenbeitrag getarnten Gebühr zeugt von unsauberer Art der Einführung.“ Der ehemalige Vorsitzende des AStA der Uni Greifswald, Thomas Schattschneider, meint zur geplanten Gebühr: „Die annähernd verfünfachte Gebühr pro Student wird den Hochschulen wohl nicht lange zugute kommen. Es ist eine Frage der Zeit, bis diese den Hochschulen aus dem Etat gestrichen werden.“
Das StuPa der Uni Greifswald lehnt Studiengebühren bisher ab. Fraglich ist, inwiefern die Studiengebühren befürwortenden Fraktionen sich zur geplanten Einführung von Verwaltungsgebühren äußern. Die Eröffnung des Hopo-Wahlkampfes steht vor der Tür. Der RCDS-Bundesverband ist für Studiengebühren. Der LHG-Bundesverband hat sich bisher unentschieden geäußert: Studiengebühren wurden nicht grundsätzlich, sondern nur einzelfallbezogen abgelehnt.
Zur ersten Sitzung des Bildungsausschusses planen die Studierendenausschüsse am 16. Oktober 2008 eine Demonstration in Schwerin (mehr dazu auf Seite 51). Die Einführung der Verwaltungsgebühr wird von der Regierungsfraktion zum Sommersemester 2009 angestrebt. Mecklenburg-Vorpommerns Bildungsminister Henry Tesch äußerte, dass diese Gebühr „definitiv“ kommen wird – also viel Zuversicht seitens der Landesregierung.