TITEL Verwaltungskostenbeitrag: Endspiel in MV, Teil 2

Landtag will vorlesungsfreie Zeit zur Einführung von 50 Euro Verwaltungskostenbeitrag nutzen

Bei den Demonstrationen gegen die geplante Verwaltungsgebühr am 16. Oktober 2008 erklärte der Vertreter der Landeskonferenz der Studierendenschaften (LKS), Thomas Schattschneider, und der ehemalige stellvertretende AStA-Vorsitzende, Sebastian Nickel, nach der Landtagssitzung: „Die überwiegende Mehrheit der geladenen Experten des Bildungsausschusses, also 18 von 22, lehnt den Gesetzesentwurf ab.” Diese Zeit ist nun vorbei.

Während die Regierungskoalition aus CDU und FDP im bayerischen Landtag plant, den ehemals eingeführten Verwaltungskostenbeitrag in Höhe von 50 Euro abzuschaffen und dabei auf breite politische Zustimmung stößt, strebt die Regierungskoalition Mecklenburg-Vorpommerns aus SPD und CDU weiter darauf zu, diese andernorts bereits vergangenen Zeiten in unserem Bundesland Zukunft werden zu lassen. Bis zum Sommersemester 2009 soll ein Verwaltungskostenbeitrag von 50 Euro beschlossene Sache sein. (mehr …)

Jusos-Debatte: Gute Bildung ist zu elitär

„Wenn meine beiden Kinder in Deutschland zur Schule gegangen wären, könnten sie jetzt nicht an einer Universität studieren” – so lautet ein Zwischenfazit von Reinhard Rode, der am Freitagabend vor eineinhalb Wochen im Café Lichtblick zu Gast war. Eingeladen hatten ihn die Jusos Greifswald zu einer Diskussionsveranstaltung unter dem Titel „Gute Bildung ist machbar” zu der fast 20 Gäste kamen.

Reinhard Rode (rechts) diskutiert engagiert; Stephan Schumann (Jusos) moderiert

Der Freie Autor und Journalist Rode verglich die Bildungssysteme Deutschlands und Finnlands – und gilt als Experte. Zu diesem Thema veröffentlicht er um die Jahreswende das Buch „Schülerflucht”. Viele Jahre lebte der Braunschweiger in Finnland, dem Bildungs-Europameister. Seine ebendort aufgewachsene Tochter Jaana Rode studiert heute in Greifswald. Sie ist Mitglied der Jusos und stellvertretende StuPa-Präsidentin. Trotzdem lässt der 58-Jährige kaum ein gutes Haar am deutschen Bildungssystem.

Wichtig ist für ihn vor allem die Chancengleichheit der Kinder und die Durchlässigkeit des Systems: „Was die Leistungen von Kindern mit Migrationshintergrund angeht, hat bei der PISA-Studie kein anderes Land so schlecht abgeschnitten, wie Deutschland”, sagt Rode und fügt hinzu: „Finnland ist hier auf dem ersten Platz, obwohl diese Studie natürlich auch ihre Probleme hat.”

Vorbildich sei beispielsweise der zwölfmonatige Vorbereitungskurs für Migranten in Finnland, hält Rode dem Argument entgegen, Finnland sei aufgrund der in sich homogeneren Gesellschaft eigentlich nicht zum Vergleich heranzuziehen. Was die Finnen den Deutschen voraus haben, ist dem Journalisten zufolge nicht nur der Abbau bürokratischer Hürden, sondern auch die individuelle Förderung Schwacher, „von der auch die Leistungsstarken profitieren – das lässt sich empirisch nachweisen.”

Die Erwiderung, es fehle Geld, lässt er dabei nicht gelten. Im Schnitt würde in beiden Ländern etwa gleich viel Geld pro Kopf für Bildung ausgegeben – etwas über 8.000 Euro für jeden Schüler. „In MV sind es weniger als 4.000 Euro”, merkt da einer der engagierten Mitdiskutanten aus dem Publikum an. Rode verweist auf das Problem des Föderalismus und meint: „Eigentlich müsste man 16 Vorträge halten – jedes Bundesland ist speziell.” In Nordrhein-Westfalen würden fast 10.000 Euro pro Kopf ausgegeben.

Auch das Thema Hochschulen spricht er an – für Greifswald besonders brisant: „Mein Sohn studiert in Finnland, meine Tochter in Greifswald. Trotz der neuen Studiengänge, wie beispielsweise den Bachelor, kann er in Finnland viel stärker und intensiver in sein Fach eindringen. Die Freiräume sind größer.” Problematisch sei in Finnland die Selektion durch Zulassungsbeschränkungen für jeden Studiengang.

Und so endet Rode denn auch ein wenig versöhnlich. Gute Bildung sei in Deutschland schon zu haben, meint er. „Aber sie ist zu elitär – wir haben zu viele Türen zugeschlagen. Und das können wir uns nicht leisten.” Und wie ist nun „Gute Bildung” für alle machbar? „Der Leidensdruck scheint noch nicht groß genug zu sein. Vielleicht haben wir mit den Schülerprotesten am vergangenen Mittwoch gerade den Anfang erlebt. Es braucht den Druck der Straße.”

Mit Dank an Fabian Zacharias für die Bereitstellung des Artikels
Fotos: Sebastian jabbusch

Enttäuschend, spannend, interessant – Die Vollversammlung

Am Mittwoch, dem 12. November fand im großen Saal der Mensa die Vollversammlung der Studierendenschaft statt. Mangels W-LAN-Zugang war dort kein Live-Ticker möglich. Daher berichten wir nun im Nachhinein:

Um 20:15 Uhr, akademisch immer noch pünktlich, eröffnet der Präsident des Studierendenparlaments (StuPa), Frederic Beeskow, die Vollversammlung und begrüßt die etwa 160 Anwesenden. Deutlich zu wenige um beschlussfähig zu sein, stellen er und Scarlett Faisst, die Vorsitzende des Allgemeinen Studierendenausschusses, nach kurzer Vorstellung fest. Doch man nimmt es sportlich und bittet die Anwesenden dennoch um Abstimmungen und Meinungsäußerungen, um sich ein Bild von der Meinung der anwesenden Studenten machen zu können.

Frederic erläutert kurz wie in den vergangenen Semestern Beschlüsse der Vollversammlung (die als Empfehlungen an StuPa und AStA gelten) umgesetzt werden konnten. Er nennt unter Anderem die verlängerten Öffnungszeiten der Bibliotheken, die Förderung des Hochschulsports durch Mittel der Studierendenschaft und die neuen Räumlichkeiten für das Studententheater. (mehr …)

Bildungsministerin Schavan wirbt für Studiengebühren

Quelle: http://commons.wikimedia.orgIm Vorfeld des am Mittwoch beginnenden Bildungsgipfels von Bund und Ländern in Dresden hat sich Bildungsministerin Dr. Annette Schavan für die bundesweite Einführung von Studiengebühren ausgesprochen. Diese „seien international üblich und stärkten die Weiterentwicklung der Hochschulen“, so die Ministerin. Doch davon ist bisher nichts zu merken, auch weil sich die Hochschulen, ob der weiterhin unklaren Rechtslage, gar nicht trauen die Gelder einzusetzen. In Hessen beispielsweise wurden die Studiengebühren vor kurzem für verfassungswidrig erklärt und zurückgenommen. Stattdessen wird das Geld vielfach gespart, um auf eventuell notwendige Rückzahlungen vorbereitet zu sein.

Die Universität Greifswald hatte bis letztes Semester ebenfalls Verwaltungsgebühren – wenn auch nur in Höhe von 10 Euro – je Student und Semester erhoben. Auch diese wurden sicherheitshalber unangetastet auf einem Konto eingefrohen. Nachdem eine Klage des AStA gegen die Gebühr im Sommer erfolgreich war, musste die Universität das Geld wieder zurückzahlen.

Schavan erklärt jedoch, die Studenten seien gerne bereit, Beiträge für die Universität zu zahlen, wüssten Sie doch, dass diese Ihrer Ausbildung zugute kämen.

Neuste Studien, stellen diese Sichtweise jedoch in Frage: Am Montag berichteten Medien, dass dem Bildungsministerium seit Wochen eine Studie vorliegt, die nachweist, dass sich im Jahr 2006 etwa 18.000 Abiturienten aufgrund der Bildungs-MAUT gegen den Weg zur Hochschule entschieden haben. Vor allem Frauen und Abiturienten aus sozial schwächeren Schichten werden durch die zusätzlichen Kosten abgeschreckt. Und das, obwohl es 2006 erst in zwei Bundesländern Studiengebühren für das Erststudium gab. Mittlerweile sind (ohne das hessische Intermezzo) fünf weitere hinzugekommen.

Die Zahl der Studienanfänger nimmt in den letzten Jahren deutlich ab (vorrangig in den Ländern mit Gebühren), und das obwohl aufgrund demographischer Entwicklung die Zahl der Abiturienten kontinuierlich steigt. Führende Sozialdemokraten warfen Schavan vor, die Studie zurückgehalten zu haben. Das Bildungsministerium begründete die Maßnahme mit einer weiteren Untersuchung (Studienanfänger 2007) die zurzeit ausgewertet würde. Beide Studien sollen Ende November gemeinsam veröffentlicht werden.

Was vielen Beteiligten schon lange klar schien ist nun auch statistisch nachgewiesen. Spannend bleibt ob diese Fakten den Bildungsgipfel lähmen oder beflügeln, schließlich wollte sich Dr. Schavan dort besonders für ein sozial gerechteres Bildungssystem einsetzen.

Uni-Beiträge werden verdoppelt *Update²*

Das Bildungsministerium MV erklärte gestern in einer Pressemitteilung, dass es die Einführung eines einheitlichen Verwaltungskostenbeitrages für erforderlich hält.

Das Bildungsministerium schreibt im Namen von Bildungsminister Henry Tesch in seiner Presseerklärung: “Eine entsprechende Novellierung des Landeshochschulgesetzes aus der letzten Legislaturperiode ist erforderlich geworden, nachdem das Oberverwaltungsgericht die Erhebung der Rückmeldegebühren auf der Grundlage der Hochschulgebührensatzung der Universität Greifswald für nicht ausreichend angesehen hatte. Damit drohen den Hochschulen empfindliche Einnahmeverluste für die Zukunft. Diese Gefahr gilt es mit den neuen gesetzlichen Vorschriften abzuwenden.Die Einnahmen, die die Hochschulen künftig erzielen können, stehen ihnen zur Erfüllung ihrer Aufgaben direkt zur Verfügung. Insbesondere können die Hochschulen diese Mittel für die Verbesserung der Bedingungen von Studium und Lehre einsetzen.”

Bemerkenswert: Richter des OVwG Greifswald hatten während ihrer Urteilsverlesung zum rechtswidrigen Verwaltungskostenbeitrag der Uni Greifswald deutlich gemacht, dass zehn Euro Verwaltungskostenbeitrag trotz fehlender Rechtsgrundlage nicht ohne weiteres als unrechtmäßige “Studiengebühren” zu identifizieren wären, sondern eben nur als unrechtmäßiger Verwaltungskostenbeitrag. Sie fügten hinzu, dass bei einem Beitrag in Höhe von 50 Euro trotz entsprechender Rechtsgrundlage die Einschätzung anders ausfallen könnte.

Sowohl der AStA Greifswald als auch der StuRa Rostock äußerten sich “empört”. Kritisiert wurde der Versuch, “Studiengebühren durch die Hintertür” einzuführen. Entsprechende Kostenkalkulationen bleibt das Ministerium derweil schuldig. Das Bildungsministerium stellt in seiner Pressemitteilung eine Tabelle zur Verfügung, die neben den direkten Studiengebühren zusätzliche Verwaltungskostenbeiträge in den einzelnen Bundesländern auflistet. Diese haben eine Höhe von 40 bis 75 Euro. Für MV wurde derweil ein Beitrag in Höhe von 50 Euro veranschlagt.

Im Interview mit dem Bildungsminister Henry Tesch am 9. September 2008 konnten Redakteure des Moritz Magazins erfahren, dass diese zusätzlichen Gebühren “definitiv” ab dem Sommersemester 2009 kommen sollen.Mehr erfahrt ihr im Interview im Moritz Magazin 72 oder ab 7. Oktober 2008 hier als Podcast.

Update vom 18. September 2008: In der AStA-Sitzung am 16. September wurden die Pläne der Landtagsfraktionen von CDU und SPD diskutiert. Festgestellt wurde, dass die Notwendigkeit einer Einführung von zusätzlichen Verwaltungsgebühren in jedem Fall nachvollziehbar sein und durch das Ministerium detailliert belegt werden muss. Eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 50 Euro sei in keinem Fall akzeptabel. Der stellvertretende AStA-Vorsitzende Sebastian Nickel stellte klar, dass man sich diesen politischen Bestrebungen entschieden entgegenstellen muss. Andernfalls würde ein Öffnen der Tür für Verwaltungsgebühren vermutlich in naher Zukunft ein Brechen des Tores für Studiengebühren nach sich ziehen.
Als vorranging erforderlich fand der Vorschlag einer einheitlichen Positionierung aller Studierendenvertretungen im Bundesland volle Zustimmung. Geplant wird in nächster Zeit außerdem die Ausarbeitung eines Positionspapiers der Studierendenvertretungen und – sofern nötig – die Organisation von Demonstrationen. Als sehr schwierig wurde die genaue Abgrenzung von Studiengebühren und studienbezogenen Verwaltungsgebühren beurteilt. Anwesende Mitglieder des StuPa betonten, dass weiterhin das Studierendenparlament die Position der Studierendenschaft in bezug auf Studiengebühren bestimme und dieses Studiengebühren ablehnt.

Zur Zeit werden an den Hochschulen im Mecklenburg-Vorpommern bereits mehr als zwanzig unterschiedliche Verwaltungsgebühren erhoben, z.B. für die Ausstellung von Bibliotheksausweisen oder die Leihgebühr in Bibliotheken.
Mathias Brodkorb, hochschulpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, erklärte derweil, die Regierungsfraktionen “wollen dieses Gebühren-Wirrwarr beseitigen und einen einheitlichen Verwaltungskostenbeitrag einführen. Das führt zu einer erheblichen Verwaltungsvereinfachung und schafft außerdem zusätzliche Rechtssicherheit für die Studierenden: Alle nicht im Gesetz ausdrücklich verankerten Gebühren sind künftig gesetzlich verboten.”

Hintergrund ist, dass das Oberverwaltungsgericht Greifswald am 12. März 2008 in einem Urteil feststellte, das §16 Abs. 5 des LHG keine hinreichende Ermächtigungsgrundlage für die Erhebung zusätzlicher Verwaltungsgebühren darstelle. Die seit 2005 von der Universität Greifswald geforderten 10 Euro Verwaltungsgebühr je Semester wurden somit als rechtswidrige Gebührenerhebung zur Rückzahlung fällig. Die Notwendigkeit der neuen Regelung wurde, anders als durch Mathias Brodkorb, im neuen Gesetzesentwurf derweil mit der Erwartung weiterer Einnahmeverluste für die Hochschulen begründet.

Der AStA Greifswald wird an der ersten Lesung des Gesetzesentwurfes im Landtag M-V in Schwerin am kommenden Mittwoch, 24. September 2008, teilnehmen.

Link: Gesetzentwurf 5/1796 der Landtagsfraktionen von SPD und CDU, Pressemitteilung des Bildungsministeriums, PM des AStA Greifswald, PM des AStA Greifswald zur Eröffnung des Verfahrens zum Verwaltungskostenbeitrag