Tansania: Kolonialzeit, Klimawandel und Leberwurstbäume

von | 23.01.2010

Im Rahmen unserer Serie “Greifswalder rund um den Globus” erscheinen in loser Abfolge Berichte von Kommilitonen, die Teile ihres Studiums im Ausland verbracht haben. Dieses Mal berichtet Anne Klatt, Noch-Stupistin und Bürgerschaftsmitglied für die Grünen von ihrer Reise nach Tansania.

Tansania ist gewissermaßen eine unbekannte Prominente. Bei den wenigsten Menschen lichtete sich der gestörte Gesichtsausdruck, als ich ihnen ihre Frage nach meinem Reiseziel schlicht mit „Tansania“ beantwortete. Erst nachdem ich Serengeti, Kilimandscharo oder Sansibar, die sich allesamt auf tansanischem Territorium befinden, nachschob, hellten sich die Mienen verstehend auf, als hätten sie eine alte Schulkameradin wiedererkannt.

Mich hat es halb zufällig, halb geplant am Beginn des Greifswalder Winters Mitte November gemeinsam mit meinem Freund in dieses Land geweht. In den fünf Wochen dort ist für mich Vieles von dem, was für uns hier als Schlagzeilen, Kalenderbilder oder Spendenaufrufe der Hilfsorganisationen existiert, fassbare Realität geworden: Auf einmal bist du mitten drin in der immer noch so genannten „dritten Welt“. Wo der Viehbesitz den Status und die Rente sichert. Wo die Menschen von dem leben, was sie mit einer buckligen Hacke auf ihren Feldern erarbeiten. Wo das Warten auf die viel zu späte kleine Regenzeit große Sorgenfalten in die Gesichter schreibt. Und wo einen immer wieder die Kolonialgeschichte anspringt – sei es  durch die von Deutschen errichtete und noch immer genutzte Eisenbahnlinie, durch die eingemauerten Glasscherben auf den Schutzwällen der riesigen Liegenschaften der Kirche, durch die vielen (exzellenten!) tansanischen Biersorten oder durch die lateinischen Buchstaben und einige Wörter („Shule“, „bia“) des Swahili. Und auf diese Reise will ich euch jetzt mal eben ein Stück mitnehmen…

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„Feucht“-Savanne in Abendsonne, Mikumi Nationalpark

Begrüßungsknuff-Resistenz ist Pflicht, Berührungsängste bitte zu Hause lassen

So vorsichtig und allmählich wie jemand, der mit der Tür ins Haus fällt, wurde ich mit der afrikanischen Mentalität konfrontiert: Von meinem Aufenthalt in Nepal noch immer an die verschlossene, distanzierte und sehr empfindsame Seele der Asiaten gewöhnt, bot mir die herzliche, direkte und offene Art der Tansanier das komplette Kontrastprogramm. Da kann man schon mal bei der ersten Begegnung einen freundschaftlichen Begrüßungsknuff auf den Arm kassieren und während ich meinen Teller in der Cafeteria belud, wurden meine Haare von vier Küchenfrauenhänden inspiziert in der Hoffnung, dass sie das Geheimnis ihrer unfassbaren Farbe preisgäben. An allen Ecken und Enden wird sich herumgelümmelt oder völlig von Hemmungen befreit gelacht. Oder beides. Gestelzt oder graziös sind Adjektive, die hier nicht hergehören. (mehr …)

Von Sonnentempeln und Wüstenschlössern

von | 29.11.2009

Im Rahmen unserer Serie “Greifswalder rund um den Globus” erscheinen in loser Abfolge Berichte von Kommilitonen über Erfahrungen im Ausland. Dieses Mal berichtet Moritz-Autor Arvid Hansmann über seine Eindrücke von einer Studienreise nach Syrien und in den Libanon. Der Text erschien bereits im aktuellen moritz-Magazin Nr. 80, dort konnten jedoch nur wenige der sehenswerten Fotos untergebracht werden.

Als sich der Asket Simeon im frühen 5. Jahrhundert auf eine hohe Säule stellte und diese für den Rest seines Lebens so gut wie nie wieder verließ, konnte er nicht ahnen, dass an diesem Ort wenige Jahrzehnte später seinetwegen einriesiges Pilgerzentrum errichtet werden würde. Ebenso konnte er nicht ahnen, dass aus dieser Klosteranlage im nordsyrischen Kalksteinmassiv im Mittelalter eine Festung werden würde, was ihr den heute gebräuchlichen arabischen Namen Qalaat Simaan einbrachte. Noch weniger hätte er sich vorstellen können, dass aus den mehr oder minder frommen Pilgern im beginnenden 21. Jahrhundert Touristen geworden sind, die mit distanzierter Faszination oder romantischer Verklärung auf seine Vita blickten, den architektonischen Formenreichtum der Ruinen bewunderten oder einfach nur die bilde Briese und das grandiose Aussichtspanorama genossen …

Ausblick auf Damaskus – Auch wenn die Relationen zwischen Altstadt und „Drumherum“ mit Greifswald vergleichbar wären, sind 2,5 Millionen Einwohner doch etwas anderes...
Ein Damaszener Souq – „Spricht hier jemand Altgriechisch?“ – Rechts der allgegenwärtige Baschar al-Assad.
"Drei Freunde stehn’ zusamme...“– Die Verbundenheit von Assad mit Ahmadinedschad und Hisbollah-Führer Nasrallah „im Kampf gegen den westlichen Imperialismus“ ist in einigen Punkten doch zu relativieren.
In den Souqs gibt es wirklich alles – doch vieles dient dann doch nur einem engeren Betrachterkreis.
Zwischen der Großen Moschee und dem Grab des Sultans Saladin (1137/38-1193) – die mitgereisten Damen mussten sich erst einmal „in Schale werfen“.
Blick in den Hof der Großen Moschee – von der Dynastie der Omayyaden im frühen 8. Jh. errichtet, übernimmt sie wesentliche Teile einer frühchristlichen Basilika, die wiederum in einen hellenistisch-römischen Tempelkomplex eingebaut wurden, dessen Außenmauern das Areal heute noch begrenzen und der wiederum den Kult eines noch viel älteren Baal-Heiligtums fortsetzt – das nennt man Ortstradition.
Im Hof der Omayyaden-Moschee – Die frühen muslimischen Herrscher beauftragten noch byzantinische Mosaizisten für die goldgrundige Wandgestaltung – aber mit der Auflage, Personendarstellungen strikt zu meiden.
Im Inneren der Moschee – Sehr saubere und überraschend gelassene Atmosphäre – niemand hat sich durch unsere relativ große Gruppe gestört gefühlt.
Am Grabmal des Hauptes Johannes des Täufers – Großes Rätselraten um das Material und die Herkunft der, als einstiges Leuchtmittel bezeichneten, röhrenartigen Objekte.
Auf dem Weg ins christliche Viertel – Wenn das Auto theoretisch durchpasst, versucht man es auch praktisch – der Stau ging noch um einige Ecken weiter.
Das Bab Sharqi (Osttor der Altstadt) – Ende der einstigen römischen Kolonnadenstraße, die als „Gerade Straße“ heute noch das Altstadtbild bestimmt – hierdurch fuhr ich auf einem Moped mit, was die, an der dahinterliegenden Hauptverkehrsstraße wartenden, Mitreisenden sehr amüsierte ...
An der syrisch-libanesischen Grenze – Was vielleicht nach „Reißverschlussverfahren“ aussieht, ist jedoch ein plastisches Zeugnis für die lokale Verkehrsmentalität: Das Fahrverhalten richtet sich nicht nach einem übergeordneten Regelwerk sondern nach der, sich spontan-intuitiv ergebenden, Situation – was wir als „Chaos“ erachten, ist vielmehr ein „organischer Fluss“, dessen scheinbarer Stillstand lediglich die „Binnenkommunikation“ fördert, wenn sich (zumindest die maskulinen) der durchschnittlich 7 Insassen eines Kleinwagens die Beine vertreten.
Prof. Dr. Konrad Hitzl in Baalbek – Ein profunder Kenner der gigantischen Tempelanlage: Auf dem Grundriss oben, der einstige Jupitertempel – daneben der „kleine“ sog. Bacchustempel (in seinen Ausmaßen mit unserer Marienkirche vergleichbar)
Einstige Ecke der Gebälkzone (des Dachansatzes) des Jupitertempels, „auf dem Kopf liegend“ – Ob es damals eine Baukommission gebeben hat, die über die „political correctness“ des doppelten Mäanderfrieses debattiert hat?
Blick auf die nördliche Seite des Tempelvorhofes – Die riesigen Quader sind, wenn auch etwas später geschaffen, mit denen der „Klagemauer“ in Jerusalem vergleichbar.
Nur sechs Säulen sind heute vom Jupitertempel noch aufrechtstehend vorhanden (links der sog. Bacchustempel) – Als wir einige Gewehrschüsse vernahmen, dachten wir zunächst an eine Hochzeit in der Stadt. Ein dumpferes Donnern bestätigte dann, dass auf dem Hügel im Hintergrund eine Militärbasis liegt.
Ein heruntergestürzter Teil des Gebälks vor den 6 Säulen des Jupitertempels – der hier schwer zu erkennende Löwenkopf diente als Wasserspeier
Im sog. Bacchustempel, den Prof. Hitzl eher als Venustempel identifiziert – gebannter Blick nach oben (rechts unser libanesischer Reiseleiter Halim) ...
... in beängstigender Höhe lassen sich im Umgang des sog. Bacchustempels Reliefbüsten erkennen – wie lange das Ganze wohl noch hält ...?
Blick von der Dachterrasse des Palmyra-Hotels auf die Tempelanlage – Gegen 23:00 Uhr war wieder staatlicher Strom für die Beleuchtung vorhanden – vor dem mondänen, durch uns in seinem Dornröschenschlaf gestörten Haus, in dem Kaiser Wilhelm II. seinerzeit nur deswegen nicht übernachten wollte, weil er seine eigenen Zelte mit hatte, kreisten Jugendliche in ihren Autos mit „Welcome to Lebanon“-Rufen. (Das namengebende Gebirge sollten wir am nächsten Tag passieren ...)

Touristen – diesem Begriff haften sogleich diffamierende Assoziationen an: eine amöbiale Masse, meinst älterer Menschen, die sich aus einem Reisebus über eine „Sehenswürdigkeit“ ergießt und dabei von einem Reiseleiter mit einem Fähnchen dirigiert wird, um bei der Bedienung des perpetuum-mobile-artigen Fotoapparats nicht von den vorgegebenen Wegen abzuweichen. Auch wenn unsere Gruppe aus Rostocker und Greifswalder Studierenden und Dozenten, die am Abend des 2. Oktober 2009 in Damaskus eintraf, in vielen Punkten diesem Klischee widersprach, so waren wir doch nichts anderes als Touristen – Gäste von zwei kontrastreichen Ländern, die uns mit Offenheit empfingen und uns ein Spektrum aus Licht- und Schattenseiten aufzeigten, das wir nur in dem Maße rezipieren konnten, wie es in knapp 10 Tagen möglich war.

Reisen durch die Jahrtausende (mehr …)