Greifswald im Lockdown

Greifswald im Lockdown

Seit mehreren Monaten befindet sich die Stadt im Lockdown. Doch wie geht es den Greifswalder*innen eigentlich damit? Im Interview für das moritz.magazin Nr. 150 fragt Lena Elsa Droese je eine Stimme aus Kultur, Krankenhaus und Gastronomie.

Ein Lockdown-Interview mit Murat, Clubbesitzer ROSA

Lena: Wie heißt du und woher kommst du?

Ich heiße Murat und komme ursprünglich aus Hannover. Meistens kommt jetzt die Frage: »Und woher kommst du wirklich?«

Lena: Wie lange wohnst du schon in Greifswald?

Ich bin seit 13 Jahren in Greifswald.

Lena: Wie hat die Pandemie dein Leben beeinflusst?

Die Pandemie hat mich wie viele andere beeinflusst, nur mit dem Unterschied, dass wir mit dem Club von den Beschränkungen besonders betroffen sind. Ich bin erstens als Lehrer betroffen, durch das Homeschooling, und zweitens mit dem Club betroffen. Eigentlich bin ich sportlich sehr aktiv, ich geh boxen und mach Fitness, aber der Boxclub Greifswald hat gerade zu.

Lena: Was machst du aktuell im Alltag?

Ich bin jetzt viel in meiner Wohnküche, wo auch mein Arbeitsplatz eingerichtet ist. Und ja sonst, ich arbeite viel, ich lese, aber mir fällt auch langsam die Decke auf den Kopf. Meine überschüssige Energie entlädt sich jetzt bei Instagram, da mache ich mich zum Affen und Hampel ein bisschen rum.

Lena: Was siehst du als die größte Schwierigkeit während der Pandemie an?

Ich vermisse am meisten, dass ich mich nicht mehr wie ein kleiner Gott im Club fühlen kann und Leute rauswerfen kann. Ich vermisse, dass Oleg, das ist ein DJ von uns, besoffen hinter die Theke geht, während er auflegt, und sich ein Drink macht, obwohl er genau weiß, dass er das nicht darf. Und ich vermisse auch wie Stella die Bar regelt, wenn ihr ein Gast dumm kommt, dann sagt sie ihm das auch. Ich vermisse das Gewusel und Durcheinander. Achso und die schlechten Sprüche an der Tür.

Lena: Was findest du gut am Lockdown?

Was mir aber aufgefallen ist, ist, dass wir trotz Distanz näher zusammenrücken. Wir haben jetzt das Landesnetzwerk für Clubs und Live Spielstätten gegründet. Die Clubs brauchten jetzt eine Stimme und wir haben der Regierung ein Konzept zur langsamen Wiedereröffnung vorgelegt und die fanden das super! Altmaier will das Konzept sogar auf Bundesebene vorschlagen.

Lena: Was machst du als erstes, wenn die Pandemie/der Lockdown vorbei ist?

Einfach nur den Laden aufmachen und Party machen. Ich hoffe, dass wir es bis dahin durchhalten.

“Ich vermisse am meisten, dass ich mich nicht mehr wie ein kleiner Gott im Club fühlen kann.”

Ein Lockdown-Interview mit Felix, Medizinstudent

Lena: Wie heißt du und woher kommst du?

Ich bin Felix und bin in Neubrandenburg groß geworden.

Lena: Wie lange wohnst du schon in Greifswald?

Seit Oktober 2014 bin ich hier, also seitdem ich das Medizin Studium angefangen habe.

Lena: Wie hat die Pandemie dein Leben beeinflusst?

Das Ding ist, ich war schon im Januar scheinfrei und habe dann angefangen für mein Examen zu lernen. Ich habe also im Wesentlichen, so im Frühjahr, eigentlich gar nichts mitbekommen … außer, dass mein Pesto im Edeka leer war! Ich habe auch eh zu Hause gelernt und war viel beschäftigt. Im Februar habe ich noch eine Famulatur gemacht, also ein Praktikum im Krankenhaus, das ging bis zu dem Wochenende, wo dann auch alles in Greifswald losging. Der Sport, das Fitnessstudio, fehlt mir, und die Selbstverständlichkeit Leute zu treffen. Also es fehlt etwas aus dem Alltag, aber das ist nicht dramatisch.

Lena: Was machst du aktuell im Alltag?

Ich habe Glück, dass ich Hobbies habe, die von Natur aus mit Social Distancing einhergehen. Ich gehe gerne angeln und jagen. Da bin ich mit großer Freude allein unterwegs.

Lena: In welchem Raum verbringst du am meisten Zeit? Was ist dir dort wichtig?

Gerade jetzt bin ich viel im OP-Saal und nächste Woche dann auf Station. Das ist aber alles nicht so statisch, vielleicht bin ich auch in der Notaufnahme. Dort assistiere ich dann und lerne den Alltag kennen.

Lena: Was siehst du als die größte Schwierigkeit während der Pandemie an?

Es gab auf jeden Fall Momente, in denen ich genervt war, aber an so kleinen Dingen eben. Hier darf ich das nicht, woanders ist es erlaubt. Das ist alles nichts Weltbewegendes, es gab keinen konkreten Vorfall, nur dass der Alltag eben nicht so da ist, wie man ihn gewöhnt ist. Gewisse Dinge scheitern an Hürden, auf die man keinen Einfluss hat. Also zum Beispiel ein Schreiben vom Amt, einfach nur einem Zettel. So Sachen, die sonst gar kein Thema sind. Dinge, die einem als Bagatelle erscheinen, sind jetzt mit einem ziemlichen Nerv verbunden – so ein latentes Genervt-Sein. Aber kein Grund für mich auf die Straßen zu gehen.

Lena: Was findest du gut am Lockdown?

Was ich ganz angenehm fand, war die Ruhe im März/April. Die Fleischervorstadt ist ja eh ein ruhiges Viertel, das war wirklich nett. Man lernt aber natürlich seinen Alltag mit den Selbstverständlichkeiten nochmal anders kennen, wenn etwas fehlt. Alles was normal und selbstverständlich ist, schätzt man erst, wenn es nicht mehr da ist. Die Reisefreiheit zum Beispiel. Für unsere Generation ist es selbstverständlich sich in Europa ohne Grenzen zu bewegen. Da merkt: Ach wie geil war das, sich einfach in den Flieger zu setzen und dann kamst du wieder und es war alles gut.

Lena: Was machst du als erstes, wenn die Pandemie/der Lockdown vorbei ist?

Also mir hat ja nicht viel gefehlt, aber das Erste wäre endlich den Bulli in Portugal zu mieten und durch die Algarve zu fahren.

“Für unsere Generation ist es selbstverständlich, sich in Europa ohne Grenzen zu bewegen.”

Ein Lockdown-Interview mit Philipp und Florian, Pizzeria Der Gestiefelte Kater

Lena: Hey! Wie heißt ihr und woher kommt ihr?

Hey wir sind Philipp und Florian aus Brandenburg, also geborene Eberswalder. Wir waren auf der Grundschule in Falkenberg und haben unsere Jugendzeit zusammen verbracht. Dann ist Flori irgendwann zum Studieren nach Greifswald gegangen und wir haben uns ein bisschen aus den Augen verloren, aber drei Jahre später bin ich dann nachgekommen zum Studieren und wir haben uns dann wiedergetroffen.

Lena: Wie lange wohnt ihr schon in Greifswald?

Philipp: Ich bin seit Oktober 2014 hier, also zum Wintersemester bin ich dann nach Greifswald gezogen.

Florian: Seit September 2010, schon etwas länger.

Lena: Wie hat die Pandemie euer Leben beeinflusst?

Philipp: Also privat, so in der Anfangszeit hat das für mich keinen großen Unterschied gemacht. Aber jetzt, rückblickend nach einem Jahr muss ich schon sagen, dass man sich wünschen würde, mal wieder mit der Frau essen zu gehen oder rauszugehen. Insgesamt trifft mich die Pandemie aber nicht so stark, ich vermisse den Sport ein bisschen! Ich vermisse auch nicht viele Leute, ich bin viel bei meiner Familie und hier auf der Arbeit, zum Beispiel hier Normi, unser Angestellter, zusammen mit Flori sind wir alle gute Kumpels und machen auch privat viel zusammen. Meine Freunde habe ich hier auf der Arbeit. Also im Vergleich zu anderen Gastronomien können wir uns wirklich sehr glücklich schätzen, das ist wirklich ein Privileg. Es kamen auch einige Neukunden dazu, zum Beispiel Familien, die zum Mittag mal ‘ne Pizza bestellt haben, wenn die Eltern nach drei Wochen einfach keine Lust mehr haben zu kochen Eine Zeitlang hat man echt gemerkt, dass hier mittags mehr los war als sonst und auch größere Bestellungen kamen, so ab vier Pizzen aufwärts.

Florian: Bei mir ist es fast gleich, es hat sich kaum etwas verändert. Wir arbeiten viel, die Pizzeria durfte zum Glück offen bleiben, wir waren immer beschäftigt. Ein paar Sachen sind natürlich umständlicher geworden, zum Beispiel einkaufen oder zum Baumarkt gehen. Nach einem Jahr reicht es aber auch so gefühlt. Unsere Kunden würden auch gerne mal wieder reinkommen, damit wir uns unterhalten können. So dieses kurz an der Tür und Tschüss ist ja auch nix. Ich weiß auch nicht, wie das bei den Studenten gerade ist, aber ich sehe viele nicht mehr, ich denke, dass sie zu Hause in Berlin, München, Hamburg oder so sind und deshalb weniger Einzelbestellungen kommen. Oder das Geld sitzt nicht so locker, es sind ja auch viele Studentenjobs in Bars und so weggefallen. Das macht viel aus, das kennen wir ja auch von früher.

Lena: Was macht ihr aktuell im Alltag?

Zuhause und auf Arbeit! Das sind die einzigen beiden Orten, wo wir uns gerade bewegen. Und noch viel auf der Baustelle, wir planen gerade einen neuen Laden zu eröffnen. Also nicht wir selber, wir machen den Laden gerade für unsere beiden Frauen fertig und dort machen die beiden dann ihren eigenen Laden. In der Langen Reihe, es soll so Frühstück und Mittag bis 14 Uhr geben mit italienischen Baguettes und Bowls!

Lena: In welchem Raum verbringt ihr am meisten Zeit? Was ist euch dort wichtig?

Philipp: Für mich hat sich da gar nicht viel verändert, nur das Fitnessstudio fehlt, da war ich sonst so 2-3-mal in der Woche. Dadurch dass wir jetzt noch einen neuen Laden aufbauen, sind wir auch viel drüben und verbringen dort unsere Zeit und ansonsten habe ich ja zwei Kinder zu Hause und ich bin froh, wenn ich mit ihnen Zeit verbringen kann.

Florian: Genau, viel mehr Möglichkeiten gibt es ja auch gerade nicht. Ich spaziere noch viel draußen, wir haben einen kleinen Hund. Freunde kann man nicht besuchen, bei uns war sonst immer viel Besuch, auch im Laden. Mir fehlt schon der Austausch, was so geht, dafür macht man das ja auch, um nah am Kunden zu sein.

Lena: Was seht ihr als große Schwierigkeit während der Pandemie an?

Philipp: Also was ne Zeitlang echt schwierig war, war das Einkaufen. Es gab ja die Hamsterkäufe und wir haben in keinem Laden mehr Hefe bekommen. Das war echt schwer alle Zutaten zu bekommen.

Florian: Ja, wir sind dann nach zehn Tagen Sucherei und Telefoniererei echt beim Bäcker in einem Dorf gelandet und der hat uns dann ein paar Stücke Hefe verkauft. Ohne Hefe geht halt nix! Daran kann es echt scheitern, ohne Hefe kann man keine Pizza machen. Naja, und ein paar Produkte aus Italien kamen später, aber das ist wirklich meckern auf hohem Niveau. Wir haben halt uns können uns gegenseitig auffangen, ich denke oft auch an die Leute, die jetzt allein zu Hause sind. Viele verrennen sich glaube ich in der Zeit gerade.

Lena: Was findet ihr gut am Lockdown?

Philipp: In der Anfangszeit fand ich es sehr schön, dass wir als Familie viel Zeit hatten. Da war ein bisschen Entschleunigung. Und für die Natur ist das natürlich ‘ne top Sache.

Florian: Die ersten Wochen waren beruhigend und gleichzeitig beunruhigend. Keiner wusste ja was kommt. Es wurde so von außen gebremst, da kam schon mehr Ruhe rein. Und das Schönste eben, dass unser Laden weiterläuft und dass alle gesund sind.

Lena: Was macht ihr als erstes, wenn der Lockdown vorbei ist?

Philipp: Für mich wäre es, etwas mit der Familie machen und rausfahren, Hansa Park oder so, einfach mal raus oder eine andere Stadt sehen.

Florian: Ja, rauskommen und nicht sich Gedanken zu machen, was man gerade darf und was nicht. Das braucht man in Greifswald auch. Wenn du ne Woche weg warst, dann freut man sich auch wieder herzukommen.

“Wir sind dann zehn Tagen Sucherei und Telefoniererei echt beim Bäcker in einem Dorf gelandet und der hat uns dann ein paar Stücke Hefe verkauft. Ohne Hefe geht halt nix!

Diese Interviews und weitere spannende Beiträge findet ihr auch im neuen moritz.magazin 150.

Beitragsbilder: Lena Elsa Droese und Felix

Ein Interview mit Anna Kassautzki – Ihre Petition hat bereits knapp 6.000 Unterschriften

Ein Interview mit Anna Kassautzki – Ihre Petition hat bereits knapp 6.000 Unterschriften

Vielleicht hast du schon einmal von der „Petition für die Lehre und Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen an der Universitätsmedizin Greifswald” gehört, die seit zwei Wochen hohe Wellen schlägt. Ich durfte die Initiatorin der Petition zu einem Interview treffen: Anna Kassautzki. Sie hat die Petition, die sich an die Leitung der Universitätsmedizin Greifswald wendet, gestartet. In diesem Interview erfährst du mehr über ihre Gründe ihre erste Petition zu starten und worum es genau in der Petition geht.

Anna, könntest du dich erst einmal, für diejenigen die dich noch nicht kennen, vorstellen?

Ich bin Anna Kassautzki und 27 Jahre alt. Noch bin ich im Master Politikwissenschaften eingeschrieben, arbeite aber hauptsächlich. Und vor kurzem habe ich eine Petition gestartet.

Was steht in der Petition? Was ist der Inhalt und was sind die Ziele?

Vielleicht kann ich erst einmal, um verständlich zu machen warum ich eine Petition gestartet habe, erzählen wie ich darauf gekommen bin. Im letzten Jahr gab es hier in Greifswald eine Demonstration zu reproduktiven Rechten. Unter anderem gab es auch einen Wortbeitrag, der die Situation an der Unimedizin thematisiert hat. Ich bin auch politisch aktiv und dort haben wir auch vorher schon häufig über das Thema Schwangerschaftsabbrüche diskutiert gehabt. Da ging es aber eher um die Abschaffung von §219a und um die Reform von §218. Aber ich kannte nicht die Lage in Greifswald. Ich bin fest davon ausgegangen, dass die Unimedizin auch Schwangerschaftsabbrüche lehrt. Da dachte ich mir, das kann so nicht sein und dagegen muss man etwas tun. Jetzt studiere ich aber nicht Medizin und stecke in diesen ganzen Strukturen nicht drin. Dann habe ich erst einmal geguckt, an wen müsste man überhaupt eine Petition wenden: Geht das dann an das Ministerium oder an die Uni? Aber die Unimedizin ist ja noch einmal gesondert. Also habe ich herausgefunden, dass es an die Leitung der Unimedizin geht.

Kurz vor dem Frauen-Kampftag kam mir die Idee [mit der Petition] wieder in den Kopf und was wäre ein besserer Tag, um so eine Petition zu starten. Deswegen hatte ich mit Medizin-Studierenden gesprochen gehabt. Also auch vorher schon in meinem Freundeskreis. Und geschaut, wie ist eigentlich die Situation. Stimmt das, was auf der Demo erzählt wurde. Und sie haben mir das weitestgehend bestätigt. Ich wollte nicht etwas Reißerisches schreiben, sondern es geht mir ja auch darum, dass die Forderungen umgesetzt werden. Deswegen habe ich es so sachlich wie möglich gehalten: Es ist ein Unding, dass hier an der Unimedizin keine Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden und es nicht wirklich in der Lehre vorkommt.  

Das wird in der Petition gefordert:
1. Die theoretische und praktische Ausbildung in den verschiedenen Methoden des Schwangerschaftsabbruchs im Medizinstudium zu lehren.
2. Schwangerschaftsabbrüche in das Angebot der Universitätsmedizin Greifswald aufzunehmen.

Als ich mich mit deiner Petition beschäftigte, wunderte ich mich auch darüber.

Stimmt, man geht davon aus, wenn man nicht Medizin studiert, dass das vollkommen normal ist. Und wenn man sich dann anschaut, dass die Anzahl der Praxen und Kliniken, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen von 2000 auf 1200 gesunken ist. Und das geht perspektivisch so weiter, wenn keine neuen Ärzt*innen ausgebildet werden, die das durchführen können. Wie sollen sie es dann anbieten? Es tut sich halt nichts.

Warum sind konkret Schwangerschaftsabbrüche wichtig?

Es kann immer passieren, dass man ungewollt schwanger wird. Auch wenn man verhütet. Ob eine Frau bzw. eine schwangere Person das Kind behalten möchte, ist die Entscheidung der betroffenen Person. Dass das nicht möglich ist, kämpferisch ausgedrückt, zeigt wie das patriarchale System immer noch Frauen unterdrückt. Niemand anderes hat über meinen Körper zu entscheiden, außer ich selbst. Da gehört für mich ein Schwangerschaftsabbruch genauso dazu.

Warum bist du der Meinung, dass die Kosten für einen Schwangerschaftsabbruch von der Krankenkasse getragen werden sollen?

Es ist ein medizinischer Eingriff und das ist wieder eine Benachteiligung von schwangeren Menschen, die vielleicht weniger Geld haben und sich den Schwangerschaftsabbruch nicht leisten können.

Das Thema muss allgemein enttabuisiert werden. Natürlich ist es immer noch eine ethische Abwägung. Es geht immer noch um ein ungeborenes Leben. Aber das hat ja auch das Bundesverfassungsgericht entschieden, bis zum dritten Monat und nicht weiter. Und da wiegt für mich das Selbstbestimmungsrecht der Frauen höher.

Wie hat die Uni auf die Vorwürfe reagiert?

Im Interview mit der Ostseezeitung hat die Leitung der Unimedizin verlauten lassen, dass Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt würden. Profamilia meinte dagegen, sie wissen nichts davon. Ich bin gerade dabei, zusammen mit der AG Medizin und Menschenrechte, die außerhalb vom Lehrplan Workshops durchführt, nochmal einen Brief an die Leitung der Gynäkologie zu schreiben. Weil ich es schwierig finde, wenn man sich nur über eine Zeitung unterhält. Und man stattdessen vielleicht direkt ins Gespräch kommt. Jetzt habe ich aber von der fachlichen Ebene überhaupt keine Ahnung. Und dadurch, dass die AG Medizin und Menschenrechte schon viel länger an dem Thema dran ist, hätte ich die gerne dabei. Und jetzt sind wir gerade dabei, den Brief zu schreiben. Und ich hoffe, dass dann ein Treffen [mit der Leitung der Universitätsmedizin] zu Stande kommt.

Was tust du, wenn die Petition fehlschlägt? Wärst du für einen Kompromiss bereit oder würdest du einen anderen Weg gehen?

Ich finde es krass, wie viel Zuspruch die Petition bekommt. Das hat mich mega gefreut. Klar, ich bin auch SPD-Politikerin, aber ich habe das nicht in Absprache mit meiner Partei gemacht, sondern ich wollte etwas ändern. Also schreibe ich eine Petition. Und auch andere Parteien haben sich dem angeschlossen, zum Beispiel die FDP Greifswald unterstützt die Petition auch. Das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass der Status quo beibehalten wird. Daher hoffe ich einfach auf Besserung.

Hast du noch etwas zum Schluss zu sagen?

Was für mich vielleicht noch Motivation war, die Petition zu starten, war, dass auf der Demo erzählt wurde, dass Medizinstudierende schon intern versuchten, das zu ändern. Und mir war einfach wichtig zu zeigen, dass es nicht nur eine interne Debatte ist, sondern viele betrifft und Interesse an Änderung ist nicht nur aus den fachlichen Reihen gewünscht, sondern auch in der Bevölkerung. Und da dachte ich mir, die Petition wäre der richtige Weg dafür.

Hier kommst du zur Petition.

Bild: Maret Becker

Die Angst vorm Vergessen

Die Angst vorm Vergessen

Dement ist sie, die Oma. Und Alzheimer hat´se auch noch. Jeder kennt diese Worte und den meisten machen sie auf unbestimmte Art und Weise Angst. Muss ich mir die Wochentage bald auf die Hand schreiben?  Das Alfred Krupp Wissenschafst Kolleg lädt Gabor Petzold vom Deutschen Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) nach Greifswald ein.

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Der kleinste gemeinsame Nenner

Der kleinste gemeinsame Nenner

geschrieben von Diana Rümmler

Was Tarifverhandlungen, Ausbildungsqualität und schlechtes Timing gemeinsam haben.Die Universitätsmedizin heißt nicht nur so, weil es gut klingt, sondern weil sie als Bestandteil der Universität neben der medizinischen Versorgung auch einen Lehr- und Forschungsauftrag hat. Hochquallifiziertes Personal soll die Ausbildung diverser natur- und wirtschaftlichen Fachrichtungen vorantreiben. Doch wenn der betriebliche Ablauf ins Wanken gerät, wer soll dann noch ausbilden?

Der ganzer Platz voll gelber Warnwesten und jede Menge Trillerpfeifen. Dieses vertraute Bild der letzten Monate konnte kürzlich auch in Greifswald vermehrt beobachtet werden. Vor dem Haupteingang des Universitätskrankenhauses versammelten sich am Donnerstag, den ersten Oktober 2015 schon zum dritten Mal mehrere hundert Gewerkschaftsmitglieder und Angestellte des Universitätsklinikums Greifswald, organisiert von der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di.

Es geht um das, worum es meistens geht: Geld. Befasst man sich jedoch näher mit der Materie, wird schnell klar, dass es um sehr viel mehr geht als nur das liebe Geld und den Unmut einiger Krankenschwestern. Der Hintergrund dieses Tauziehens ist die geplante Anpassung des regionalen Tarifvertrags von Greifswald und Rostock an den Tarifvertrag der Länder (TV-L). Doch während Rostock ungeduldig, mit den Füßen scharrend darauf wartet, endlich die Verträge unterzeichnen zu können, finden die Greifswalder nicht einmal ihre Startposition.

Das große Kräftezehren

Dem Krankenhaus ist es gelungen im vergangenen Jahr ein sattes Minus von 14 Millionen Euro zu erwirtschaften. Wie das geschehen konnte, sei an dieser Stelle mal dahin gestellt. Erklärungsversuche beziehen sich auf zu hohe Personalkosten, besonders im Medizinisch Technischen Dienst und der Verwaltung. Hätte man bei dieser Argumentation den Pflegebereich mit eingeschlossen, würde die Glaubhaftigkeit gleich flöten gehen, denn dass bundesweiter Personalnotstand in diesem Sektor herrscht, ist kein Geheimnis. Andrea Moder, Gewerkschaftssekretärin bei ver.di kann diesen Ansatz keineswegs nachvollziehen, denn Anhand der Jahresabschlussbilanz seien Mehrkosten im Personalwesen keineswegs ersichtlich.

Traurig ist es, dass bei den Debatten all zu oft die Schuldfrage in den Vordergrund rückt. Fakt ist, dass irgendwas schief gegangen ist. Die Frage ist nun jedoch, wie dieses Problem gelöst wird, ohne das es auf Kosten der qualitativen Versorgung der Greifswalder geht.

Als Lösung schlägt der Arbeitgeber vor, unter anderem die Arbeitszeit zu verkürzen und den Arbeitnehmer mit einer höheren Selbstbeteiligung bei der Altersvorsorge zu beteiligen. Denkt man diesen Ansatz nochmal quer, bekommt man Falten im Gehirn: Übersetzt soll das heißen, dass die Arbeitnehmer weiterhin ihre „40 Stunden-plus“-Woche arbeiten, offene Stellen nicht mehr besetzt werden, womit die Arbeitsbelastung zunimmt oder zumindest gleich hoch bleibt, aber nur noch 38 Stunden bezahlt werden und das alles unbefristet. Wenn man sich mit den Streikenden unterhält, donnert einem ein wahres Schimpfgewitter entgegen: „Wir sind doch daran nicht schuld! Warum sollen wir die Misswirtschaft deckeln?! Nach 38 Stunden einfach gehen, ist bei der jetzigen Personaldichte nicht drin!“ Damit aber noch nicht genug. Das „Lohnplus“ durch die Anpassung der Tarifverträge geht durch den höheren Altersvorsorgeanteil direkt wieder baden. In diesem Kontext braucht man sich wohl nicht mehr wundern, wenn auf den Stationen „Land unter“ eher die Regel als die Ausnahme ist.

Wenn alle zu beschäftigt sind…

…wer bildet dann noch aus? Früher oder später trifft es jeden Auszubildenden: Erster Tag im Praktikum, alles ist neu und ungewohnt. Wer nach der viel zu kurzen Einweisung am neuen Arbeitsplatz noch weiß, welchen Namen das zu schnell sprechende Gesicht hatte, hat einen guten Start erwischt. „Ich bin genervt, wenn mich jemand was fragt. Dafür habe ich gar keine Zeit mehr.“ erzählt eine der Streikenden und führt weiter aus: „Oft müssen wir die Studenten ohne Beschäftigung stehen lassen, weil die Arbeit sonst nicht zu bewältigen wäre. „Der Tisch darf nicht kalt werden!“ paraphrasiert eine Krankenschwester der Radiologie ihren Chef.

Glücklich ist mit der Situation keiner. Auch wissenschaftliches Personal, Ärzte und Patienten finden sich zwischen den Trillerpfeifen wieder. Viel Geduld wurde allen in der Vergangenheit abverlangt, als schon frühere Fehlkalkulationen auf Kosten der Arbeitsplatzqualität gedeckelt wurden. Hochqualifiziertes Personal wandert ab und hinterlässt unschließbare Lücken in der Versorgung, Ausbildung und Forschung.

Dass es bisher noch keine Kommunikation zwischen studentischen Gremien und ver.di gab, liegt daran, dass ver.di nur direkt von den Tarifverhandlungen betroffenes Personal zum Streik aufrufen darf. Auszubildende jeder Art haben einen eigenen Tarifvertrag sobald sie in irgendeiner Form des Beschäftigungsverhältnisses zum Klinikum stehen. Dieser sollte dringend einmal bestreigt werden, da er schon seit 2008 gilt, ist aber nicht Bestandteil der jetzigen Verhandlungen. „Es gibt am Klinikum mehrere hundert Auszubildende, aber nur 20 organisieren sich über die Gewerkschaft. Damit sind uns die Hände gebunden.“ bedauert Bernd Gembus, Geschäftsführer der hiesigen Bezirksverwaltung von ver.di. Obgleich die Auszubildenden bei diesem Aufruf keinen finanziellen Nachteil hätten, wenn die Verhandlungen scheitern, betrifft es aber in nächster Instanz direkt die Ausbildungsqualität. Es wäre also reiner Eigennutz wenn sich die Studierendenschaft solidarisch zeigt. „ver.di würde die Unterstützung der Studierenden sehr begrüßen.“ sagt Bernd Gembus weiter und bekräftigt „ großes Interesse daran, die Kommunikation zu den Gremien zu verbessern“.

Wer in den nächsten Wochen krank wird, sollte das gut timen!

Nachdem das letzte Angebot des Arbeitgebers eine weitere Verschlechterung der ursprünglichen Positionierung war, stellen Kompromisse nun keine Verhandlungsgrundlage mehr dar, erläutert Moder. „Mit einem Einlenken des Arbeitgebers ist in Kürze nicht zu rechnen“. Sollte diese Einschätzung zutreffen, resultiert am elften Oktober eine Urabstimmung, bei welcher über einen Generalstreik abgestimmt wird. Dieser wird den Betrieb des Krankenhauses grundlegend lähmen. Die Stationen werden dann mit Wochenendbesatzung laufen, womit die stationäre Versorgung gewährleistet werden kann, aber ambulante Eingriffe und Untersuchungen gestrichen werden müssen.

Die Patienten haben bislang Verständnis und Unterstützung gezeigt. Klar ist aber, dass dieses Verständnis nicht ewig dehnbar ist – der gemeinsame Nenner also auch schnell verloren gehen kann, sollte eine Einigung längerfristig auf sich warten lassen.

Beitragsbild: Magnus Schult