Wolgast ist bunt

Wolgast ist bunt

Bericht von Laura Hassinger und Johannes Köpcke

Rund 1.200 Menschen kamen am Freitagabend in Wolgast zusammen, um ein Zeichen gegen Rassismus zu setzen. Mit einem Lampionumzug, Mahnwachen und friedlichen Sitzblockaden machten sie deutlich, dass die Stadt „Kein Ort für Neonazis“ ist. (mehr …)

NPD will am 1. Mai mit 300 Leuten in Neubrandenburg protestieren – Gegendemos geplant

NPD will am 1. Mai mit 300 Leuten in Neubrandenburg protestieren – Gegendemos geplant

Wie im letzten Jahr in Greifswald, will die NPD auch in diesem Jahr am 1. Mai eine Demonstration durchführen, diesmal in Neubrandenburg. Unter dem Motto “LEBEN und ARBEITEN in der
HEIMAT – Nationale Demonstration für Arbeit mit gerechten Löhnen” wollen sie ab 11 Uhr in der Neubrandenburger Oststadt mit 200 bis 300 Teilnehmern demonstrieren. Das Bündnis “Neubrandenburg – Bunt statt Braun” mit verschiedenen Unterstützern aus Parteien und Vereinen will dagegen ein Zeichen setzen. Es gibt auch schon Blockadeaufrufe. Von Greifswald fahren zwei Busse nach Neubrandenburg. (mehr …)

TITEL Bitte beehren Sie uns nie wieder! – NPD-demo am 1. Mai

Am 1. Mai versammelten sich rund 3 500 Protestler, um den demonstrierenden Nationalsozialisten zu zeigen, dass für sie in der Hansestadt Greifswald kein Platz ist. Am Ende des Tages hatten viele Einwohner der Stadt allen Grund zu jubeln.

Ich hoffe, dass ich den NPD-Demonstrationszug nicht sehen muss, dann haben wir erfolgreich blockiert – Yvonne Görs spricht aus, was sich viele Vereine am 1. Mai erhofften. Als eine von mehreren Mahnwachen stand sie stellvertretend, gemeinsam mit anderen, für das „Jugendzentrum Klex“ und dem „Stadtjugendring“ an der Anklamer Straße Ecke Schönwalder Landstraße. Schon am Morgen kamen bereits fünfzig Leute aus Stralsund, um sich zu informieren.

Der Tag begann sonnig, doch kalter Wind sorgte für relativ niedrige Temperaturen. Die ersten Demonstranten sammelten sich morgens am Rubenowplatz, um kurze Zeit später gemeinsam mit weiteren Protestierenden ein Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit zu setzen. Sowohl die Stadt Greifswald, als auch Universität und Schulen sowie zahlreiche andere Organisationen und Vereine engagierten sich im Vorfeld stark für eine friedliche, aber bestimmte Demonstration gegen die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD). Der gut gelaunte Demokratiezug setzte sich Richtung Rigaer Straße in Bewegung und lief zielgerichtet zum dort stattfindenen Demokratiefest.

Gegen elf Uhr traf der Zug mit den bereits erwarteten Nationalsozialisten ein. Ein Block rasierter Köpfe lief über den Bahnsteig in Richtung Busbahnhof Süd. Die ersten Fahnen wurden unter der Menschenmenge verteilt. Sie reihten sich auf und begannen ihre Flaggen in eine geeignete Position zu bringen. Beim Anblick der Aufstellung lief einem ein kalter Schauer über den Rücken und kopfschüttelnd konnte man fast nicht glauben, dass das alles wirklich erlaubt war.

Gleichzeitig hatten sich bereits die ersten Sitzblockaden, sowohl in der Schönwalder Landstraße als auch in der Heinrich-Hertz-Straße, gebildet. Sie folgten dem Aufruf des Bündnisses „1. Mai – Greifswald Nazifrei“ und waren auch nach mehrmaliger

Daten und Informationen zur NPD - inklusive Wahlergebnisse

Aufforderung der Polizei nicht bereit den Weg für die Nazis freizugeben. Die Polizei begann mit der angekündigten Räumung. „Die Polizei ist bis auf einige Ausnahmen relativ vernünftig bei den Räumungen vorgegangen. Die Stimmung unter den Demonstranten war sehr gut“, erklärt Tom Koenig*. Mittlerweile war es schon nach halb eins. Die Protestierenden hatten den Faschisten bereits eineinhalb Stunden ihrer Demonstrationszeit genommen. Dann kam das, was viele schon vermutet hatten. Die Route der NPD wurde geändert und lief die Hans-Beimler-Straße entlang. Das Aufgebot der Polizei sperrte sämtliche Seitenstraßen, um Störungen zu vermeiden. Die Fahnen der Nationalsozialisten  waren wieder ordentlich positioniert – es schien bald, als seien Winkel abgemessen worden, wie sie zu halten waren. Aus dem Lautsprecherwagen ertönte  „Deutsche Arbeitgeber, Deutsche Arbeitnehmer“. Die dumpfe Parole wurde lautstark von den NPD-Anhängern nachgegrölt. Doch der Buschfunk auf der Gegenseite schien gut zu funktionieren. Egal wohin der NPD-Zug marschierte, es entstanden immer wieder Blockaden. Am Ende blieb ihnen nur eins: der Rückzug. Von allen Seiten blockiert, mussten sie zurück zum Bahnhof Süd. Ein großer Erfolg für alle Gegendemonstranten. Jubelnd standen sie an den Straßenseiten und gaben noch mal richtig Gas mit ihren Gesängen. Sie hatten ihr Ziel erreicht: sie haben die NPD-Demo erfolgreich blockiert und auch Yvonne Görs musste den Zug nicht an ihrer Mahnwache vorbeilaufen sehen. Jedoch ließ man es sich seitens der NPD nicht nehmen, doch noch so etwas wie eine abschließende Kundgebung zu halten. Dabei kamen sie gänzlich von ihrem eigentlichen Demonstrationsthema „Unsere Heimat – unsere Arbeit“ ab und brachten geschichtliche Ereignisse aus ihrer Sicht hervor. Nach Beendigung der Veranstaltung wurden die Straßen zwar leerer, aber die Angst vor Ausschreitungen und Übergriffen stieg. Die Polizei stand jedoch wie eine schützende Grenze zwischen NPDlern  und Gegendemonstranten. Schlussendlich hat Greifswald die Nazis in ihre Schranken verwiesen. Hoffen wir, dass dies bei jeder Nazidemonstration Gang und Gebe wird.

Eine Reportage von Laura-Ann Schröder.

 

Richtigstellung:
Dieser Text entspricht nicht ganz der Heft-Version des Artikels. Er wurde an einer Stelle korrigiert. Wir schrieben im Heft “Nationalsozialististische Partei Deutschlands (NPD)”. Das ist nicht korrekt. Korrekt ist “Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD)”. Auch die hier verfügbare PDF wurde an entsprechender Stelle geändert.

NPD-Demonstration am 1. Mai

Am 1. Mai demonstrierten bis zu 500 Neonazis in der Hansestadt. Dem brachten die Greifswalder über 3000 Demonstranten entgegen.
Entlang der Demonstrationsroute der NPDler gab es zahlreiche Mahnwachen und Sitzblockaden, die zu einer erheblichen Behinderung des Demo-Zuges beitrugen.

Netzwerk: Kein Ort für Neonazis

Unter der Kampagne “Kein Ort für Neonazis” fand ein erstes Netzwerktreffen am Donnerstagabend statt, die den Wiedereinzug der NPD in den Schweriner Landtag verhindern will. Die Netzwerker brachten sich auf  den aktuellen Stand der NPD-Vorbereitungen für die Landtagswahl im September 2011 und diskutierten Gegenaktivitäten. Eine Gruppe engagierter Schauspielstudenten verarbeitete in ihrem Stück die Verharmlosung des Rechtsextremismus.

Rechtsextreme Gewalt gegen Andersdenkende

Rechtsextreme Gewalt gegen die Menschlichkeit

Irgendwo auf dem Land. Ein Mädel trägt ein bauchfreies T-Shirt und passt so gar nicht zum ländlichen Leben. Sie steht mehreren jungen Neonazis in Kapuzenpullovern gegenüber, auf denen Ruhedorf steht. Sie verprügeln das Mädel krankenhausreif und zeigen so ihre Menschenfeindlichkeit. So fängt ein Theaterstück von sechs engagierten Schauspielstudenten an, die Stellung gegen Rechtsextremismus beziehen wollen. Eindrucksvoll zeigen die Schauspieler, wie gewaltbereit Neonazis sein können. Dies wird auch am Ende des Stückes deutlich: Die Neonazis haben eine Überraschung vor. Ein ausländisches Mädchen, das sich mit einem der Neonazis angefreundet hat, kommt mit. Auf einem Hügel grölen sie und rufen rassistische Sprüche. Sie wollen ein Haus, in dem Ausländer wohnen, anzünden. Das ausländische Mädchen, dass dort auch wohnt, schreit laut und verzweifelt: “Nein, nein, nein!” Abrupt endet die Szene und der Zuschauer kann sich bei dem offenen Ende Gedanken machen, wie es wohl weitergeht.

Alternativlosigkeit als eine Ursache

Ein Mitläufer der rechtsextremen Szene hat Mitleid mit dem verprügelten Mädchen.

Es wird im Theaterstück aber nicht nur Verharmlosung und Gewalt der Rechtsextremen thematisiert, sondern auch auf mögliche Ursachen eingegangen: Ein ausländisches Mädchen ist zugezogen und hat eine Freundin gefunden. Die Freundin hatte ihr das alte Schwimmbad gezeigt und das alte Kino, mehr gibt es in Ruhedorf nicht. Alternativlosigkeit wird als Ursache des Rechtsextremismus deutlich. Sie hören rechtsextreme Musik, wodurch das ausländische Mädchen verstört reagiert: “Was ist das für Musik?” Sie trinken beide ein Bier und die Freundin wird von ihrem Bruder angemacht: “Das war das letzte Bier, du …” Beleidigungen folgen. Das ausländische Mädchen findet einen Zettel, auf dem der Name der NPD zu lesen ist. Sie fragt ihre Freundin, was sie davon hält. “Die NPD ist eine normale Partei. Sie spricht aus, was andere denken”, verharmlost die Freundin die vom Verfassungsschutz beobachten Nationaldemokraten.

Nicht nur Alternativlosigkeit wurde als Ursache für den Rechtsextremismus in der Aufführung gesehen, sondern auch, dass manche Menschen anfällig für eine rechtsextreme Gesinnung mit ihren plakativen Botschaften sind. Einer der rechtsextremen Mitläufer hat eine Dokumentation gesehen: Eine U-Bahn fährt durch die Großstadt. Menschen mit dunkler Haut sitzen neben einem deutschen Rentner. Was dort völlig normal scheint, fasziniert diesen Mitläufer. Es geht ihm nicht mehr aus dem Kopf, weil es für ihn unmöglich erscheint und den rechtsextremen Parolen zuwider läuft. So schnell die rechtsextreme Gesinnung gekommen ist, kann sie anscheinend auch wieder verschwinden.

“Misch dich ein! Sag nein!”

Das eindrucksvolle Theaterstück erntete viel Applaus am Donnerstagabend im IKuWo. Hier fand ein erstes Netzwerktreffen im Rahmen der Kampagne “Kein Ort für Neonazis” statt. Vor allem sollen zivilgesellschaftliche Initiativen und vor allem Jugendliche motiviert werden, “sich gegen den Wiedereinzug der NPD in den Schweriner Landtag zu engagieren”, so Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu Antonio-Stiftung, die sich gegen die rechtsextreme Alltagsgewalt wendet und die Kampagne “Kein Ort für Neonazis” leitet. Ein Vortrag des Regionalzentrums für demokratische Kultur in Anklam brachte die Nazi-Gegner auf den aktuellen Stand der Vorbereitungen der NPD für den Wahlkampf. “Die NPD wird auf Aufreißerthemen setzen”, nannte Reinfrank ein Beispiel, womit die NPD in den Wahlkampf ziehen will.

Timo Reinfrank: Wiedereinzug der NPD in den Landtag verhindern!

Nach dem Vortrag wurden verschiedene Gegenaktivitäten diskutiert. So wurde eine klare Positionierung von Stadt und Universität zum Thema Rechtsextremismus gefordert. An Schulen soll der Rechtsextremismus durch Konzerte bekämpft werden. Kritisiert wurden Ermüdungserscheinungen bei den demokratischen Parteien, von denen man sich mehr Unterstützung wünscht. Ferner sollen Studenten aktiviert werden. Neben Spenden für Fonds, die sich um die Opfer rechtsextremer Gewalt kümmern, sind auch Touren geplant, die Neonazis zum Ausstieg aus der Szene bewegen sollen. Beim Kampf gegen die NPD will sich das Netzwerk aber nicht nur auf die Städte konzentrieren, sondern sich auch um das Umland kümmern und die Nazi-Gegner vor Ort stärken. Das Netzwerk will sich demnächst regelmäßig treffen und Aktionen gegen die NPD koordinieren. Das Theaterstück endete übrigens mit dem mehrmaligen Aufruf: “Misch dich ein! Sag nein!”

Fotos: David Vössing