Menschenrechte – Artikel 1: Der 2. Weltkrieg, und dann…

10. Dezember 1948: die Generalversammlung der Vereinten Nationen verkündet die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“.

Artikel 1: Freiheit und Gleichheit

„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.“

Heute erscheint der sechste Artikel in unserer Serie über Menschenrechte aus Anlass der Entwicklungspolitischen Tage. In dieser Woche stellen wir täglich ein anderes Menschenrecht vor. Die Texte wurden uns von den Organisatoren zur Verfügung gestellt.

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Kartenmotiv von Amnesty International

22. Juni 2002: das Dorf Meerwala in Pakistan. Die 30-jährige Mukhtaran Mai wird von einem islamischen Stammesgericht zu 4-facher Vergewaltigung „verurteilt“; Grund der Anklage: ihr jüngerer Bruder soll angeblich eine Frau des mächtigen Mastoj-Stammes beleidigt haben. Das Stammesgericht besteht traditionell nur aus Männern, Frauen haben keinerlei Zutritt, bestenfalls jedoch um zum Tode durch Steinigung verurteilt zu werden, zur Amputation von Gliedmaßen oder wie im Falle von Mukhtaran zur Vergewaltigung. Die Vergewaltigung findet öffentlich im Gemeindesaal von Meerwala statt. Die Polizei schaut weg anstatt einzuschreiten, wie es eigentlich ihre Pflicht wäre, auch in einem von der Schariah (der islamischen Rechtsprechung) geprägten Land wie Pakistan. Jetzt müsste sich Muktharan selber umbringen, so verlangt es der Ehrenkodex der dörflichen Gemeinschaft, denn schließlich hat sie Schande über die Gemeinschaft gebracht. Und sollte einer der Vergewaltiger verheiratet sein, so gilt sie schließlich sogar als Ehebrecherin, ein Verbrechen, auf das automatisch die Todesstrafe steht. (mehr …)

Wenn man seine eigene Sprache nicht sprechen darf – Vortrag im IKuWo

Wie ergeht es einem Volk, das seine eigene Sprache nicht sprechen darf? Welche Auswirkungen hat dieser Umstand auf seine Kultur, auf seine Bildung? Und was heißt eigentlich Unterdrückung?Die letzte Frage bewegte Landschaftsökologiestudent Malte, 26 Jahre alt, besonders – und ging am vergangenen Donnerstag spontan zum Vortrag „Bildung und Sprache – Menschenrechte, die verletzt werden“ im IKuWo.

Im Zusammenhang mit den entwicklungspolitischen Tagen wurde die Veranstaltung von der Save-me-Gruppe organisiert. Etwa 50 Gäste lauschten den Ausführungen von Feryad Fazil Omar. Der Präsident des Instituts für Kurdische Studien Berlin e.V. zeigte am Beispiel des Kurdischen Volkes, wie sich Sprechverbote äußerten. „Wir haben hier ein spannendes Thema“, sagte er, am Overheadprojektor stehend, eine Folie des Nahen Osten auflegend.

Verzicht auf die eigene Sprache

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Feryad Fazil Omar vom Instituts für Kurdische Studien Berlin e.V.

Zunächst widmete sich der Dozent für kurdische Sprache, Literatur und Geschichte (Freie Universität Berlin) der kurdischen Sprachgeschichte. Es ist eine Sprache, die allgemein zu den indoeuropäischen Sprachen zähle und die Sprache eines Volkes, dass in vielen Staaten lebe. „Bereits im siebten Jahrhundert, im Zusammenhang mit der Islamisierung“; erläuterte Omar, „ bildete sich mit dem Arabischen eine neue Schriftsprache aus. Das kurdische Volk musste auf einen Teil seiner Identität, nämlich seine Sprache, verzichten.“ Diese Entwicklung zog sich durch die Jahrhunderte und die weitere Geschichte des Kurdischen Volks. Neben dem historischen lieferte der Wissenschaftler auch einen geographischen Überblick.

Wie der Staatsfeind Nummer 1

Feryad Fazil Omar zeigte anschließend in den Ländern, in denen heute viele Kurden leben, Missstände auf. Beispielsweise sähen die Perser, dass Kurdische nur als einen Dialekt der persischen Sprache an. Im Irak, wo die Schriftsprache Arabisch vorherrscht, darf in der Schule bis zur sechsten Klasse in der Muttersprache unterrichtet werden. Danach galt es, Arabisch zu lernen. „Du hast sehr früh gemerkt, dass du unterdrückt wirst und deine Sprache unerwünscht ist“, betont Omar. Es gebe zwar vereinzelt kurdische Publikationen von Intellektuellen, doch seien auch politische Verfolgungen nicht ausgeschlossen. Einen thematischen Schwerpunkt seiner Ausführungen legte der Sprachwissenschaftler auf die Türkei und Syrien. So werden Kurden in der Türkei als „Bergtürken“ bezeichnet. In Syrien leben etwa 200.000 Kurden – ohne Pass. „Die werden wie der Staatsfeind Nummer eins behandelt“. Omar verlieh seinen Worten gelegentlich Nachdruck, er erläuterte sehr leidenschaftlich.

In seinem einstündigen Vortrag weist er neben den Problemen auch auf vereinzelte Lichtblicke hin, beispielsweise einen neuen türkischen Fernsehsender, der in kurdischer Sprache sendet. Anschließend hatte das Publikum die Gelegenheit, noch einige Fragen zu stellen. Die Erwartungen vom Landschaftsökologiestudent Malte wurden erfüllt. Er wollte  mehr über die Hintergründe erfahren. „Es war viel Historie und letztendlich erhellend, wie die Situation der Kurden im Nahen Osten ist“, äußerte er.

Fotos:

Christine Fratzke

Menschenrechte – Artikel 10: Ein Klima der Straflosigkeit

Artikel 10: Anspruch auf ein faires Gerichtsverfahren

„Jeder Mensch hat […] Anspruch auf ein der Billigkeit entsprechendes und öffentliches Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht, das über seine Rechte und Verpflichtungen […] zu entscheiden hat.“

Heute erscheint der fünfte Artikel in unserer Serie über Menschenrechte aus Anlass der Entwicklungspolitischen Tage. In dieser Woche stellen wir täglich ein anderes Menschenrecht vor. Die Texte wurden uns von den Organisatoren zur Verfügung gestellt.

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Auf dem Schild steht auf Tagalog: „Gloria (Macapagal-Arroyo, die philippinische Präsidentin), AFP (Armed Forces of the Philippines) und PNP (Philippine National Police), wo ist mein Vater?“

Was geschieht aber, wenn es erst gar nicht zu einem Gerichtsverfahren kommt? Ist das auch eine Verletzung des Menschenrechts?

Auf den Philippinen wurden seit dem Amtsantritt der jetzigen Präsidentin Gloria Macapagal-Arroyo 2001 laut der philippinischen Menschenrechtsorganisation Karapatan 1.033 Menschen Opfer eines politischen Mordes, während 203 Menschen verschwunden gelassen wurden und bis jetzt vermisst werden. Zudem sitzen momentan 223 politische Gefangene in philippinischen Gefängnissen (Stand: September 2009). Sie warten auf eine gerechte Behandlung und Freilassung, da sie meistens wegen fadenscheinigen Anklagen hinter Gittern sitzen.

Unter den Opfern dieser Menschenrechtsverletzungen sind JournalistInnen, Mitglieder politischer Parteien, Kirchenleute, ZivilgesellschaftlerInnen, GewerkschafterInnen, MenschenrechtsaktivistInnen oder LandreformaktivistInnen. Wegen ihres Kampfes für eine gerechte Landverteilung, für rechtmäßige Löhne und Arbeitsrechte sowie gegen die Umweltverschmutzung durch vor allem ausländische Bergbauunternehmen werden sie vor allem durch staatliche Gewalt verfolgt, schikaniert und im schlimmsten Fall sogar getötet.

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Die mutmaßlichen Täter werden von Menschenrechtsorganisationen und der philippinischen Menschenrechtskommission in den Reihen der Polizei und des Militärs vermutet.

Trotz der Unterzeichnung zahlreicher Menschenrechtsabkommen durch die philippinische Regierung blieb bisher in den meisten Fällen eine umfassende und gründliche strafrechtliche Verfolgung der Täter aus, wenn die Täter überhaupt verhaftet wurden.

Der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch zufolge hat „die philippinische Regierung durchgehend ihre Verpflichtung gegenüber internationalem Menschenrecht verfehlt, Täter von politisch motivierten Tötungen zur Rechenschaft zu ziehen und somit den Familien der Opfer die Gerechtigkeit verwehrt“.

Das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren wird somit durch den fehlenden Willen der philippinischen Regierung zu einer vollständigen, unparteiischen und ausführlichen Untersuchung der Tathergänge verletzt. Stattdessen herrscht ein Klima der Straflosigkeit – in einer (angeblichen) Demokratie!

Bilder: Veranstalter

Menschenrechte – Artikel 3: Keine Rechtfertigung für Todesstrafe

Artikel 3: Recht auf Leben

„Jeder Mensch hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person.“

Heute erscheint der vierte Artikel in unserer Serie über Menschenrechte aus Anlass der Entwicklungspolitischen Tage. In dieser Woche stellen wir täglich ein anderes Menschenrecht vor. Die Texte wurden uns von den Organisatoren zur Verfügung gestellt.

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Auch in den USA wird die Todesstrafe noch praktiziert.

Eine der eklatantesten Verletzungen des Rechts auf Leben ist die staatlich organisierte und durchgeführte Todesstrafe.

Zwar ist die Zahl der Staaten, in denen die Todesstrafe verhängt wird, weiterhin rückläufig (2009 sind es noch 58 Staaten), doch die Staaten, in denen die Todesstrafe Anwendung findet, richten immer mehr Menschen hin. 2008 wurden nach Angaben von Amnesty International 2.390 Todesurteile vollstreckt (gegenüber 1.252 im Jahr 2007). Die tatsächlichen Zahlen liegen aber vermutlich deutlich darüber. Als einziger europäischer Staat hält Weißrussland an der Todesstrafe fest.

Befürworter der Todesstrafe argumentieren oft, dass diese Form der Strafe eine besonders abschreckende Wirkung auf potentielle Täter habe und dass sie eine angemessene Antwort auf besonders schwere Verbrechen wie Mord sei. Beide Argumente lassen sich bei näherer Betrachtung jedoch nicht halten. In vielen gesellschaftlichen Kontexten hat sich bereits gezeigt, dass die Todesstrafe ein ungeeignetes Mittel zur Verbrechensbekämpfung ist, da sie die zugrunde liegenden Ursachen nicht verändert. Selbst Mord kann durch Androhung der Todesstrafe kaum verhindert werden, da die allermeisten Mordfälle unter psychischen Ausnahmebedingungen oder unter Alkohol- bzw. Drogeneinfluss begangen werden.

Ganz unabhängig von der Art und den Umständen eines Verbrechens verbietet die Idee der Menschenrechte, laut der alle Menschen unteilbare Rechte haben, die ihnen unter keinen Umständen genommen werden dürfen, die Todesstrafe. Jeder Staat darf und muss Vergehen in rechtstaatlichen Verfahren verfolgen – aber er darf sich nicht auf eine Stufe mit Mördern stellen. Ein in den USA zum Tode Verurteilter bringt das so auf den Punkt: „Warum töten wir Menschen, die Menschen getötet haben? Um zu zeigen, dass es Unrecht ist, Menschen zu töten?“

Aber was kann ich tun?

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Hier geht's zum Programmheft

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (ai) setzt sich seit über 30 Jahren weltweit gegen die Todesstrafe ein. Auf der Webseite der ehrenamtlichen Anti-Todesstrafenexperten hat ai eine Reihe von Informationen über die Todesstrafe zusammengestellt und bittet regelmäßig bei sogenannten urgent actions um Hilfe. Es handelt sich dabei um Eilaktionen für Personen, die akut von der Hinrichtung bedroht sind und zu deren Gunsten Appellbriefe an staatliche Stellen geschrieben werden können, in denen eine Aussetzung der Todesstrafe gefordert wird. Da Staaten kaum etwas mehr fürchten, als öffentlich als Menschenrechtsverletzer dazustehen, gilt es, ihnen rechtzeitig zu zeigen, dass wir ihnen auf die Finger schauen.

Also schnell die Themen-Homepage von AmnestyInternational anklicken und einen Appellbrief unterzeichnen.

Heute bei den entwicklungspolitischen Tagen

Über den Vortrag von Alexander Bahar berichten wir separat.

Bilder: Veranstalter, wikimedia (Todesstuhl, public domain)

Vortrag “Bildung und Sprache – Menschenrechte die verletzt werden”

Im Rahmen der Entwicklungspolitischen Tage in Greifswald findet am 5. November um 20 Uhr im Internationalen Kultur- und Wohnprojekt (IKuWo) (Goethestraße 1) eine Vortragsabend mit dem Linguisten und Historiker Feryad Fazil Omar statt. Omar spricht über die Unterdrückung ethnischer Minderheiten am Beispiel der kurdischen Bevölkerung in der Türkei in Syrien und im Iran.

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Feryad Fazil Omar

Der Referent ist Präsident des Instituts für Kurdische Studien Berlin e.V. und Dozent für kurdische Sprache, Literatur und Geschichte an der Freien Universität Berlin.

In der Pressemitteilung heißt es:

Überall auf der Welt werden Menschen aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit unterdrückt – trotz gesetzlichen Minderheitenschutzes. (…) Doch was passiert mit den Kognitionen eines Volkes, das die eigene Sprache nicht sprechen, die eigenen Feste nicht feiern und die eigenen Geschichten nicht aufschreiben darf? Wie wirkt sich dieser Umstand auf die Bildung und damit auf die Sprache aus? Der Vortrag soll den Zusammenhang zwischen Menschenrechtsverletzungen und der kurdischen Sprache und Bildung sichtbar machen.

Der Eintritt ist frei.

Weitere Veranstaltungen im Rahmen der Entwicklungspolitischen Tage findet ihr im Programmheft (pdf).

Bilder:

Feryad Fazil Omar – privat

Foto Startseite – Louisa Manz via jugendfotos.de