Nazis marschieren ungehindert durch Anklam

Etwa 200 Neonazis marschierten am 31. Juli unter dem Motto “Gegen kinderfeindliche Bonzen – für eine lebenswerte Zukunft in unserer Heimat – Freiheit statt BRD” ungehindert durch Anklam. Ursprünglich hatte die NPD ein Kinderfest angemeldet, was jedoch von Seiten der Stadt nicht genehmigt wurde, da zur selben Zeit am selben Ort eine Jungbürgerversammlung abgehalten wurde.

Nachdem die NPD sich gerichtlich gegen diese Entscheidung nicht durchsetzen konnte, kündigte sie eine Demonstration unter besagtem Motto an. Diese wurde von Michael-“Poleninvasion stoppen”-Andrejewski angemeldet. Darauf hin folgte eine Mobilisierung zur Gegendemo durch die Antifa. Nachdem beide Demonstrationen durch den Landkreis Ostvorpommern verboten wurden, rief die Antifa dazu auf, nicht nach Anklam zu fahren. Es folgte einen Tag später, am 29. Juli von Seiten des Verwaltungsgerichtes Greifswald eine Aufhebung des Verbotes des Neonaziaufmarsches. Im Gegenzug entschied der Landkreis, das Verbot der Gegendemo wieder aufzuheben.

Ungeachtet dessen hielten die Organisatoren an der Demobilisierung fest. Der Anklamer SPD-Ortsverband und Greifswalder Jusos hofften bis zuletzt, dass sich ungeachtet der Demobilisierung dennoch genügend Antifaschistinnen und Antifaschisten einfinden würden, sodass doch noch eine  Gegendemo in kleineren Rahmen stattfinden könnte. Diese Hoffnung ging nicht in Erfüllung. Zwar kamen aus Greifswald Vertreterinnen und Vertreter der Jusos, Linke.SDS, Jungen Union, Grüne und Liberale nach Anklam, allerdings reichte die Teilnehmerzahl nicht für eine Gegendemo oder Kundgebung aus.

“Diese Scheiß-Nazis!”

Die Neonazis, darunter auch Udo Pastörs, konnten ungehindert durch die Stadt marschieren und in der Südstadt eine Kundgebung abhalten. Ferner wurden die Bürgerinnen und Bürger von der Stadt dazu aufgefordert, ihre Häuser nicht zu verlassen, Fenster und Türen geschlossen zu halten und so den Nazis “die kalte Schulter” zu zeigen. Und so war an diesem Tag außer rund 250 Polizisten, 200 Neonazis, vereinzelte Touristen und Passanten in Anklams Straßen kaum jemand zu sehen. Im Umfeld der Demontration hielten sich kleinere Gruppen von Neonazis auf, vermutlich um eventuelle Aktivitäten von Antifaschistinnen und Antifaschisten zu beobachten. Wenngleich sich die Neonazis – abgesehen von “Freiheit statt BRD” und “Für den nationalen Sozialismus”-Parolen – ruhig verhielten, wurden die angereisten Nazigegner von der Polizei gewarnt, “nicht vor den Nazis herum zu springen.”

Das am Vortag von der Stadt Anklam am Steintor aufgehangene Protestplakat “Kein Ort für Neonazis in Anklam” wurde in der Nacht zum Samstag von Neonazis mit Farbbeuteln beworfen. “Diese Scheiß Nazis” kommentierte erregt ein vorübergehender Anklamer die Aktion. Ein ebenfalls vor dem Rathaus aufgehangenes Banner dieser Art wurde von den Faschisten entfernt. Die Neonazis kündigten zudem an, künftig an jedem Wochenende im September ein Kinderfest veranstalten zu wollen und hätten dies bereits angemeldet.

Friedensgebet gegen Nazis und Jungbürgerversammlung

Um 12 Uhr fand in der Marienkirche ein halbstündiges ökumenisches Friedensgebet statt, um dennoch ein Zeichen gegen den Neonaziaufmarsch zu setzen.  Die rund 50 Kirchenbesucher sangen mehrere Friedenslieder und beteten für den Frieden in Anklam. In dem Gebet äußerten sie die Hoffnung, dass “die Polizisten und Einsatzkräfte das Richtige tun  und der Versuchung der Macht widerstehen und Frieden suchen werden.”

Von der Stadt Anklam wurde am Nachmittag die zweite Jungbürgerversammlung unter Beteiligung von CDU, SPD, Initiative für Anklam und der Partei Die Linke. ausgerichtet. Die Veranstaltung diente dem Ziel, die Jugendpartizipation in der Stadt zu steigern. Anklams Bürgermeister Michael Galander kam somit mit den Bürgerinnen und Bürgern ins Gespräch. Dieser war angesichts der Fragen teilweise überrascht. Es ging nicht nur um “Bolzplätze” und die Sanierung von historischen Gebäuden, sondern auch um die vielen Baustellen. Die Ansiedlung von McDonalds war für die meisten Jugendlichen von besonderer Wichtigkeit. Der Neonazi-Aufmarsch vom Vormittag wurde von keinem der Anwesenden thematisiert. Dennoch distanzierte sich Galander indirekt von der NPD, indem er den Jugendlichen erklärte, wie viele “demokratische Parteien” im Stadtrat säßen, mit denen er als Bürgermeister zusammen arbeite. Die NPD fiel nicht darunter.

Im Gespräch mit dem webMoritz äußerte Galander, dass künftig wesentlich stärker gegen Nazis vorgegangen werden soll. Die Bürgerinnen und Bürger der Stadt fühlten sich in den vergangen Jahren von der Kommunalpolitik vernachlässigt, was die NPD ausnutzte. Dem wolle man nun durch Aktionen wie eben beispielsweise dem Jungbürgerforum begegnen. Man wolle viel stärker den Kontakt mit Bürgerinnen und Bürgern suchen. “Nazis haben in Anklam nichts verloren. Erst wenn der letzte Nazi aus Anklam weg ist, geht es wieder aufwärts mit der Stadt”, so der 40-Jährige weiter. Daher werde es die Stadt auch nicht hinnehmen, dass die NPD jedes Wochenende im September ein Kinderfest in Anklam veranstaltet und kündigte Widerstand dagegen an. Auf einen Aufruf, an der von der Antifa angekündigten Gegendemo teilzunehmen, verzichtete der Bürgermeister, da er befürchtete, dass sich unter den nach Anklam anreisenden Demonstrantinnen und Demonstranten linke Gewalttäter befänden. Er wollte sich nicht hinter eine Demonstration stellen, bei der es seiner Meinung nach möglicherweise zu Ausschreitungen gekommen wäre.

Fotos: Fotografen sind der Redaktion bekannt.

Hinweis der Redaktion: Der Artikel wurde noch um eine weitere Information ergänzt, die beim Erstellen des Textes einzubauen versäumt wurde.

2x*Update*In Anklam dürfen Neonazis am 31. Juli demonstrieren – ihre Gegner nicht *Gegner dürfen auch demonstrieren*

Diese Demo ist verboten. Die der Nazis erlaubt.

Ein „Kinderfest“ wollte die NPD ursprünglich am 31. Juli in Anklam veranstalten, dieses wurde allerdings verboten. Als Reaktion darauf wollten die Neonazis durch die Hansestadt einen Protestzug durchführen, Widerstand gegen dieses Vorhaben kündigte sich aus dem antifaschistischen Lager an. „Wider den Anklamer Zuständen“, ist auf den Antifa-Flyern zu lesen. Man wolle gemeinsam die rechte Hegemonie in Anklam zerbrechen. Auch der Landkreis reagierte: Mit einem Verbot der NPD-Demo am kommendem Sonnabend in Anklam. Doch das Verwaltungsgericht Greifswald hob dieses Verbot am 29. Juli auf, zuvor ging der NPD-Landtagsabgeordnete und Rechtsanwalt Michael Andrejewski dagegen vor. Die Verbotsaufhebung wurde mit Berufung auf das Grundrecht der Versammlungsfreiheit begründet – die Demonstration der Neonazis darf stattfinden.

Etwa 200 Neonazis – und eine Plakataktion

Gleichzeitig wird die geplante Gegendemonstration nicht stattfinden können, auch sie wurde am 26. Juli vom Kreis verboten – allerdings klagten die Gegner der NPD-Demo nicht beim Verwaltungsgericht. Sie riefen nun dazu auf, nicht am Sonnabend nach Anklam zu fahren. Die Hansestadt selbst plant eine Plakataktion, wesentlich mehr wurde nicht organisiert. Etwa 200 Neonazis werden erwartet.

Weitere Infos: www.endstation-rechts.de

*Update* 30.07. Antifaschisten dürfen nun doch demonstrieren

von Marco Wagner

Wie die Ostsee-Zeitung und der Nordkurier berichteten, wurde das Demonstrationsverbot der Antifaschisten aufgehoben. Damit kann die Gegendemo stattfinden. Dennoch werden die Organisatoren nach eigenen Angaben nicht auf die Straße gehen, um gegen Nazis zu demonstrieren.

Diese Entscheidung wird mit der nach wie vor unsicheren Rechtslage begründet. So gestaltete sich in den vergangenen Tagen die Kontaktaufnahme mit dem Ordnungsamt des Landkreises Ostvorpommern laut Pressemitteilung immer schwieriger. Es habe bis vergangene Woche eine “wochenlange Hinhaltetaktik” auf die Organisatoren ausgeübt und sie “absichtlich im Unklaren” gelassen.

Zudem sei die Verbotsverfügung ebenso unerwartet erfolgt, wie ihre Aufhebung. Es sei daher “äußerst fraglich, ob überhaupt ein Interesse daran besteht, die Veranstaltung zu ermöglichen, wenn der aktuelle Stand der Dinge allein vom Verwaltungsgericht vorgegeben wurde und überhaupt nicht absehbar ist, ob die nächsten Stunden nicht schon ein erneutes Verbot mit sich bringen” so die Veranstalter.

Es könne durchaus sein, dass die Demonstrantinnen und Demonstranten “vor Ort wieder nach Hause geschickt” würden, so Pressesprecherin Petra Seyer.

Die Verbotsaufhebung seitens des Landkreises wird mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts begründet. „Nun müssen wir aber sehen, dass gleiches Recht für alle gilt“ so Christoph Krohn Kreissprecher des Landkreises Ostvorpommern. Um Konfrontationen von Neonazis mit ihren Gegnern zu vermeiden, wurde der Startzeitpunkt des Gegenprotestes vom Ordnungsamt des Landkreises um anderthalb Stunden auf 12:30 Uhr nach hinten verlegt. Öffentliche Aufrufe zu Protesten gegen die Neonazis gab es weder von Seiten des Bürgermeisters Michael Galander (parteilos) noch von Seiten Barbara Syrbes (Die Linke.), der Landrätin des Kreises. Die Polizei kündigte an, sich dem “erhöhten Konfliktpotential” anpassen zu wollen.

Hinweis der Redaktion: Die “Ergänzung” wurde in das erste Update mit eingebaut. Dadurch wirkt das erste Update nun übersichtlicher und zusammenhängender.

**Update 30. Juli 15:45 Uhr** SPD/ Jusos zeigen Flagge gegen Nazis

Wie aus einem Gespräch der Greifswalder Jusos mit dem webMoritz hervor ging, werden morgen die Jusos Ostvorpommern und der Anklamer SPD Ortsverein Präsenz gegen Nazis zeigen. Ob es zu einem Demonstrationszug kommen wird, wird von der Teilnehmerzahl abhängig sein. Für viel wahrscheinlicher wird nach Angaben der Jusos eine Kundgebung sein. Es komme vor allem darauf an, Neonazis gegenüber Präsenz zu zeigen. “Es ist wichtig, dass möglichst viele kommen, um zu zeigen, dass Anklam eine weltoffene, schöne und lebenswerte Stadt ist” so ein Juso-Mitglied gegenüber dem webMoritz. mw

Sozialraumanalyse für Anklam vorgestellt

Ein Beitrag von Torsten Heil

Der Greifswalder Wissenschaftler Dierk Borstel stellte in dieser Woche im Sitzungssaal der Anklamer Sparkasse die Studie “Sozialraumanalyse zum Zusammenleben vor Ort in Anklam” (So-Ra-Zo) vor. Schonungslos präsentierte er die Ergebnisse seiner Studie über die vorpommersche Kreisstadt. Ergebnisse, die manch einer vielleicht gerne unter den hansestädtischen Teppich gekehrt hätte.

Michael Galander, Dierk Borstel

“Wir müssen darüber nachdenken, wie wir mit dem Rechtsextremismus in unserer Stadt umgehen. Wir müssen künftig agieren statt reagieren”, machte Anklams Bürgermeister Michael Galander (IfA) in seinem Grußwort deutlich. Lang genug hat es trotzdem gedauert, denn die Ergebnisse der Untersuchung waren bereits im vergangenen Jahr bekannt geworden, die Resultate wurden aber zunächst nicht offiziell vorgestellt.

Überdurchschnittliches Engagement

Gemeinsam mit dem Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld sprachen sie mit 499 Menschen durchschnittlich 37 Minuten am Telefon. Positiv hervorzuheben ist, dass sich viele Anklamer sehr stark mit ihrer Stadt identifizieren und bereit sind, sich zu engagieren. In Zahlen ausgedrückt: Mehr als 50 Prozent engagieren sich bereits, weitere 36,4 Prozent können sich das zumindest vorstellen. “Das ist ein unglaubliches Potenzial, das deutlich höher als in vergleichbaren Städten steht”, sagte der Politiwissenschaftler. (mehr …)