von Gastautor*in | 11.11.2009
Erst Österreich, dann Westdeutschland und jetzt Greifswald: Die sogenannten Bildungsstreiks haben nun auch unser beschauliches Hansestädtchen erfasst. Am Abend des ehrwürdigen 9. Novembers wurde dem eh schon vielbelegten Datum ein weiteres Ereignis angereiht. Das Audimax der Universität Greifswald wurde erst etwas verhalten zur Zone „der offenen Diskussion und des Dialogs“ und, je später die magische hausmeisterliche Schließzeit um 22 Uhr rückte, schließlich doch für „besetzt“ erklärt.
Der neue Kanzler der Universität, Wolfgang Flieger, ließ die Protestler zunächst gewähren, wohl auch in dem Wissen, dass die spärlich gesähte Schar der Aktionisten damit besser in den Griff zu bekommen wäre als mit drakonischen Maßnahmen, die in der medialen Berichterstattung am Ende eher für die „Besetzer“ sprechen würden.
Das Foyer des Audimax ist mittlerweile gesäumt mit Plakaten, Flyern und Stellwänden
Doch was hat es nun mit den Ereignissen eigentlich auf sich? Ist das nun der Beginn einer Debatte um eine Hochschule der Zukunft – basisdemokratisch und nach allen Regeln des freien Diskurses gestaltet? Wohl kaum. Die Zahl derjeniger, die den Audimax spontan zur Zitadelle einer gerechteren Bildungspolitik verwandeln wollen, ist klein. Und sie besteht aus den üblichen Verdächtigen.
Vorneweg agierten zunächst altbekannte Hochschulpolemiker wie Sebastian Jabbusch, der dafür bekannt ist ein Thema nach dem anderen aufzugreifen und entsprechend in Szene zu setzen – sei es die Debatte um den Namenspatronen der Universität, die Umtriebe von Burschenschaften oder jüngst die Gründung der Hochschulpiraten. Natürlich ist nicht abzustreiten, dass es sich bei all diesen Dingen um gut gemeinte und wichtige Beiträge zu einer viel zu unterbelichteten Debatte handelt. Jedoch stößt die aktionistische Agitation der Protagonisten auf wenig Wiederhall unter den ca. 12.000 Greifswalder Studierenden, denn im Audimax harrt nur ein kleines Grüppchen von Alternativlinken aus, um es den Landes- und Hochschulpolitikern mit ihren mühsam erarbeiteten und später nochmals überarbeiteten Forderungen zu zeigen. Darin heißt es unter anderem (mehr …)
von Carsten Schönebeck | 11.11.2009
Seit Montagnachmittag halten Studierende der Greifswalder Universität einzelne Hörsäle im Auditorium Maximum besetzt. Die Uni-Leitung toleriert die Protestaktion für bessere Studienbedingungen weiterhin. Am Dienstagabend hatte Herr Naujock (Leiter des Referats für Allgemeine Angelegenheiten der Universität) noch angekündigt, dass es am Mittwoch möglicherweise zur Räumung kommen könne. Als heute morgen seitens der Verwaltung einige Stellwände der Besetzer aus dem Foyer geräumt wurden, sah man dies als erste Zeichen eines Protestendes.
Die Besetzer sehen sich in guter Tradition.
Schließlich stellte sich jedoch heraus, dass der Eingangsbereich für eine Brandschutzübung geräumt wurde, die die Universität seit Monaten geplant hatte. Die Übung war für die sicherheitstechnische Abnahme des vor Kurzem sanierten Gebäudes notwendig. Nach Abschluss der Übung haben die Besetzer den Hörsaal 4 wieder in Beschlag genommen. Die Universitätsleitung ließ mitteilen, der Protest würde vorerst weiter geduldet.
Die Zustimmung der Universität zur Hörsaalbesetzung mag in Teilen mit den Zielen des Streiks zusammenhängen, denn das Forderungspapier der Studenten weist einige Punkte auf, die das Rektorat ähnlich sehen dürfte. Mehr Geld und eine bessere personelle wie strukturelle Ausstattung der Universität – dagegen wird sich kaum jemand aussprechen. Zudem wird der Uni-Leitung nicht entgangen sein, dass die Streikenden sich, verglichen mit anderen besetzten Universitäten, betont kooperativ verhalten. Mehrfach wurde geäußert, es gehe um das politische Signal, man wolle niemanden am Studieren hindern. Ein alternativer Raumplan wurde von den Streikenden aufgestellt um Ausweichmöglichkeit für Vorlesungen anzubieten. Am Mittwoch fand, mangels freier Räume, eine Vorlesung im besetzten Hörsaal statt. (mehr …)
von Jan Faulbrück | 10.11.2009
Ein Kommentar zur aktuellen Situation im Audimax.
Fast wäre aus der Besetzung des Audimax eine Farce geworden. Am Montag um 16 Uhr waren beinahe genauso viele Medienvertreter anwesend, wie Studenten. Die Besetzung eines Hörsaales, startete als Stehparty im Eingangsbereich. Der webMoritz twitterte zu diesem Zeitpunkt: „Mit dieser Anzahl an Leuten könnte man eher ein Klo besetzen.“
Die Besetzungsaktion begann als kleine Stehparty im Foyer.
Dann wurde doch noch ein Hörsaal gefunden. Sonst brauchte ihn niemand. Doch war die Resonanz der Studenten so gering, dass selbst der HS 3 riesig erschien und die Organisatoren gar nicht mehr von einer Besetzung sprachen. Stattdessen wurde über den Abbruch der Aktion diskutiert. Sollte es das schon gewesen sein? Wollten die Studierenden das gezündete Flämmchen zerreden?
Im Vorfeld sollte die Besetzung des Audimax nicht über das Internet verbreitet werden, sondern nur durch Mundpropaganda. Das funktioniert am Wochenende natürlich nicht, wenn ein Großteil der Studierendenschaft nach Berlin, Rostock oder Hamburg fährt. (mehr …)
von Oliver Wunder | 09.11.2009
webMoritz-Autor Oliver Wunder schrieb direkt aus dem Audimax für den webMoritz.
19:40
Nach Hörsälen und Instituten in den deutschen Städten Münster, Heidelberg, München und Potsdam, sowie Wien und vielen anderen Städten in Österreich gibt es nun auch in Greisfwald eine Gruppierung, die einen Hörsaal des Audimax in der Rubenow-Straße besetzt hat. So hiess es zumindest bei Twitter in der digitalen Welt. Von Besetzung wollte im Audimax aber noch niemand offiziell sprechen. Richtig sicher waren sich die Organisatoren nicht.
Für 16 Uhr hatte es einen über Mundpropaganda verteilten Aufruf für eine Besetzung gegeben – die offensichtlich ihren Weg an die Öffentlichkeit gefunden hatte. Und das, obwohl auf die Mobilisierung über das Internet also die einschlägigen Greifswalder Blogs oder Twitter explizit verzichtet bzw. die Verbreitung sogar verboten wurde. Dabei zeigte sich vor wenigen Wochen die Mobilisierungskraft über Twitter an Hand des NPD-Infostandes am Fischmarkt. Es waren dann aber nicht nur Vertreter der studentischen Presse anwesend, sondern auch Redakteur und Fotograf von der Ostsee-Zeitung, ein Redakteur von Greifswald TV, Uni-Pressesprecher Meßerschmidt und Kanzler Flieger.
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von Alexander Kendzia | 05.11.2009
Im kommenden Januar wählen sich die Greifswalder Studenten ein neues Parlament. Der webMoritz sprach mit Wahlleiter Michael Seifert über seine Pläne und Ideen für den kommenden Urnengang.
Michael Seifert kam durch Umwege zu diesem Amt. Seit zwei Jahren Juso-Mitglied, hatte er in dieser Zeit auch oft Kontakt zum Studierendenparlament und zu einzelnen Mitgliedern. „Das StuPa als Organ der studentischen Selbstverwaltung empfinde ich schon als sehr wichtig, selber kandidieren wollte ich aber nie. Durch anderweitiges Engagement kann ich zeitlich kein ganzes Mandat ausfüllen.“, erklärt er. Als ihn StuPa Präsident Korbinian Geiger auf einer Veranstaltung anspricht, ob er sich vorstellen könnte die StuPa Wahl zu leiten, bewirbt er sich um die Stelle und wird mit breiter Mehrheit gewählt.
Wahlleiter Michael Seifert
Besonders wichtig ist für ihn, trotz seiner H0chschulgruppenzugehörigkeit, Neutralität zu wahren. Um Studenten über die Wahl zu informieren werden wie in den letzten Jahren auch Flyer, Poster, ASTA-Stände, WahlMoritz und Werbespots genutzt werden, bereits jetzt findet ein reger Austausch mit der AG Wahlen statt, die im letzten Jahr zur Bewerbung der Gremienwahlen gegründet wurde. Auch die moritz-Medien werden die StuPa-Wahl mit einer ausführlichen Berichterstattung begleiten.
Mehrere Wahllokale zeitgleich
Aktuell ist der Wahlleiter und sein Team mit der Organisation des eigentlichen Urnengangs, zwischen dem 1.. und dem 15. Januar beschäftigt. Wahlurnen wurden beschafft und es wurde mit der Raumplanung für die Wahllokale begonnen. Die zeitgleich stattfindenden Wahlen für StuPa, Senat und Fakultätsräte stellten die Organsiatoren immer wieder vor das Problem, dass die meisten Studierenden keine Lust haben an verschiedenen Wahlen, an verschiedenen Orten teilzunehmen. Dieses Jahr soll dem durch die örtliche und zeitliche Zusammenlegung der StuPa und Gremienwahl entgegen gewirkt werden.
Derzeit sehen die Planungen der Universitätsverwaltung (die für die Wahlen des Senats und der Fakultätsräte zuständig ist) drei Wahllokale vor, die zwar zeitgleich, aber nur für einzelne Fakultäten geöffnet sind. Den Aufwand des Datenabgleichs aus mehreren Wahllokalen, um zu verhindern, dass Personen mehrfach wählen, scheut die Univerwaltung derzeit noch. Für die StuPa-Wahl will Michael Seifert mit seinem Team eine technische Lösung gemeinsam mit dem Rechenzentrum finden.
Chancen auf hohe Wahlbeteiligung
In den letzten drei Jahren war die Wahlbeteiligung leicht gestiegen. Von 8,5% im Jahr 2007 auf 12,7% im vergangenen Januar. Vor diesem Hintergrund empfindet der Wahlleiter und sein Team keinen Druck dieses Ergebnis zu übertreffen, sondern eher einen Ansporn durch eine gute Informationspolitik die Studierenden zur Wahl zu bewegen. Durch die zeitgleich stattfindende Urabstimmung der Studierendenschaft über die Zukunft des Universitätsnamens erwarten viele der derzeitigen StuPisten jedoch eine höhere Wahlbeteiligung. Einen persönlichen Tipp wollte Seifert aber nicht abgeben. Er und sein Team hoffen, dass die Wahl ohne größere Probleme über die Bühne geht
Derzeit werden noch Mitglieder für den Wahlauschuss gesucht, die den korrekten Ablauf des Urnengangs kontrollieren. Auch die AG Wahlen ist immer auf der Suche nach neuen Mitgliedern. Wer Interesse hat schreibt eine Mail an ag-wahlen[ät]asta-greifswald.de
Bilder:
Foto Michael Seifert – Carsten Schönebeck
Bild Startseite – ring2 via flickr
von Jan Faulbrück | 03.11.2009
„Wachstum. Bildung. Zusammenhalt“ – mit diesen Worten ist der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung überschrieben. Der webMoritz hat zum Thema Bildung genauer hin geschaut und verrät euch, was CDU/CSU und FDP den Studenten versprechen.
Studienfinanzierung
Begriffswolke zum Koalitionsvertrag von CDU/CSU und FDP.
Ein nationales Stipendienprogramm soll den Anteil der Studenten, die ein Stipendium erhalten, von derzeit zwei Prozent auf zehn Prozent anheben. Die Förderung soll nach Begabung und einkommensunabhängig vergeben werden. Universitäten und Fachhochschulen sollen bei Unternehmen und Privaten um Stipendien werben. Diese sollen in Höhe von 300 Euro von der BAföG-Anrechnung freigestellt werden und zur Hälfte einen öffentlichen Zuschuss erhalten. Die Kosten sollen zu je 50 Prozent von Bund und Ländern übernommen werden.
Zukünftig soll das Büchergeld der Begabtenförderungswerke von 80 Euro auf 300 Euro steigen. Es bleibt vom BAföG befreit. Dieses will die neue Regierung weiterentwickeln, außerdem Aufstiegsstipendien ausbauen und Bildungskredite, die über das 30. Lebensjahr hinaus gehen sichern. Über die Studienfinanzierung und Studienmöglichkeiten soll bereits in der Schule aufgeklärt werden.
Bologna-Prozess und Qualität des Studiums
Im Koalitionsvertrag heißt es, der Bologna-Prozess solle evaluiert werden, damit ggf. notwendige Anpassungen zum Wohl der Studierenden vorgenommen werden können. Um das zu erreichen will der Bund gemeinsam mit den Länder und den Hochschulen ein „Bologna- Qualitäts- und Mobilitätspacket“ entwickeln. Um die Qualität des Studiums zu erhöhen sollen Studieninhalte weiterentwickelt werden. Außerdem sollen die Lehre sowie die Betreuung und die Studienberatung verbessert werden. Studienleistungen sollen national und international stärker anerkannt werden, womit sich auch die Mobilität der Studierenden vereinfachen soll.
Die Studienanfängerquote soll gesteigert werden und mehr Studierende sollen ein angefangenes Studium erfolgreich beenden. Um die Quote der Studienanfänger langfristig zu erhöhen, wird jedes neugeborene Kind in Deutschland ein sogenanntes Zukunfstkonto mit einem Startguthaben von 150 Euro erhalten. Einzahlungen auf das Konto sollen mit einer Prämie unterstützt werden. Außerdem soll die Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) zusammen mit den Ländern zu einer leistungsstarken Servicegesellschaft umgewandelt werden.
Bildung, Wissenschaft und Forschung
Bis zum Jahre 2013 sollen die Ausgaben des Bundes für Bildung um zwölf Milliarden Euro steigen. Insgesamt sollen zehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes in Bildung und Forschung investiert werden. Bisher belaufen sich die öffentlichen und privaten Ausgaben auf 8,8 Prozent.
Die Freiheit der Lehre und die Autonomie der Hochschulen will die neue Regierung stärken, indem sie das Hochschulrahmengesetz (HRG) aufhebt. Dies hatte sich bereits die große Koalition aus CDU/CSU und SPD vorgenommen, konnte es bis zum Ende ihrer Legislaturperiode jedoch nicht umsetzen.
Um zukünftig hochqualifizierte Experten aus Wissenschaft und Forschung in Deutschland zu halten und nach Deutschland zu locken, prüft die Regierung Möglichkeiten zur außertariflichen Vergütung und Tarifhoheit für Forschungsorganisationen.
Dem wissenschaftlichen Nachwuchs verspricht die neue Regierung, sich für mehr Durchlässigkeit in den Karrieremöglichkeiten in Wissenschaft und Wirtschaft einzusetzen.
Neben weiteren Vorhaben, Vorgaben und Grundsätzen die ein Koalitionsvertrag üblicherweise enthält, erwähnt die schwarz-gelbe Regierung explizit, dass sie die Geistes- und Sozialwissenschaften stärken wolle, da sie von großer Bedeutung für unser kulturelles Gedächtnis und die Gestaltung unserer Zukunft seien.
Update – 5. November, 19:20
Ivo Sieder
Am Mittwoch erreichte uns eine Pressemitteilung des Greifswalder Rings Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) zu den hochschulpolitischen Zielen des Koalitionsvertrags. Darin begrüßt der RCDS ausdrücklich, dass viele der eigenen Ziele Einzug in den Vertrag zwischen den Unionsparteien und der FDP gefunden haben. „Ich bedanke mich bei unserem Bundesvorstand für seine kontinuierliche Arbeit, die zu diesen Erfolgen geführt hat. Der RCDS hat mit seinen bundesweit über 10.000 Mitgliedern einmal mehr seine Durchsetzungsfähigkeit gezeigt“, erklärt Ivo Sieder, Vorsitzende der Greifswalder Ortsgruppe.
Zusätzlich zur Umsetzung dieser Vorhaben müssten jetzt auch auf Landesebene die Weichen für die Bildungsrepublik gestellt werden. „Im Gleichklang mit dem Bund sollte auch Mecklenburg-Vorpommern seine Bildungsausgaben insgesamt erhöhen und nicht Gelder von den Universitäten zu den Fachhochschulen umschichten. In die Evaluierung des Bologna-Prozesses sollten sich das Land und seine Hochschulen konstruktiv einbringen und die Freiräume durch den Wegfall des Hochschulrahmengesetzes nutzen.“, so Ivo Sieder.
Bilder:
Grafik – albiedo via Flickr
Foto Ivo Sieder – webMoritz-Archiv