Greifswalder Bolognaspiele

Zum Wintersemester ändert sich das Lehramtsstudium in Mecklenburg-Vorpommern. Diese Gelegenheit wird ergriffen um auch die Bachelor- und Masterstudiengänge zu reformieren. Insbesondere die General Studies werden neu eingekleidet.

Im Wintersemester 1999 ging es los – in einem Modellversuch bot die Universität Greifswald erstmals Bachelorstudiengänge an. Der so genannte Bologna-Prozess hatte die Ostsee erreicht. Das Angebot der Bachelorstudiengänge hat sich in den vergangenen zwölf Jahren beinahe erschöpfend ausgedehnt – genauso wie die Liste der Änderungen und Anpassungen seitdem. Die Bologna-Kritik ist Jahre nach den Bildungsstreiks längst zur Floskel geworden, doch hinter den Kulissen wurde fleißig gebastelt.

Ende des Jahres geht es in Mecklenburg-Vorpommern in die nächste Runde. Dank akkumulierter hochschulpolitischer Gremienarbeit wird bald die neue Rahmenprüfungsordnung (RPO) verabschiedet, welche vor allem den Bacheloranwärtern der Philosophischen Fakultät ab dem kommenden Wintersemester das Studium erleichtern soll. Jeder, der sich dann einschreibt, studiert unter den neuen Bedingungen. Die anderen Bologna-Studiengänge sind ebenfalls betroffen, allerdings nicht mit so grundlegenden Änderungen konfrontiert.

Der Ausgangspunkt für die Reform lag im vergangenen Sommer: Am 4. Juli verabschiedete die damalige große Koalition das lange angekündigte Lehrerbildungsgesetz, das eine Reformierung des Lehramtsstudiums bis zum Wintersemester 2012/13 vorsieht (Seite 20).

Der Gesetzgeber fordert – die Verantwortlichen der Uni murren, sehen aber auch die Chance und wollen neben dem Lehramt gleich noch die Bachelor- und Masterstudiengänge sowie General Studies reformieren. „Richtigen Veränderungsdruck haben wir in der Philosophischen Fakultät deshalb, weil wir in den Fächern, die sowohl Lehrer als auch andere ausbilden, keine unabgestimmten Ordnungen haben können. Das wäre ein einziges Chaos. Wir müssen beide Studiengänge ganz genau koordinieren, weil wir uns das auch von den Kapazitäten her anders gar nicht leisten könnten“, erklärt Prorektor Professor Michael Herbst.

Die Koordinierung der beiden Fächer wurde dazu genutzt, seit Langem gärende Kritik der Studierenden aufzunehmen. Abgesehen von individuell zum Teil umfangreichen Reformprozessen einzelner Fächer wurde vor allem das Konzept der General Studies überarbeitet. Dieses ominöse „dritte Fach“, für das sich die Studierenden der Zweifach-Bachelor „ja gar nicht eingeschrieben haben“, dieser Gegenstand unzähliger Beschwerden ist nun auf dem Weg der Besserung.

Das Dekanat der Philosophischen Fakultät

„Die Fächer sind jetzt aufgewertet und von 63 auf 70 Leistungspunkte erhöht worden – das finde ich auch wichtig“, erklärt der Studiendekan der Philosophischen Fakultät Professor Patrick Donges im Gespräch. Der Anteil der General Studies an den 180 ECTS-Punkten (European Credit Transfer System) des Bachelors wurde von 40 auf 30 reduziert. Das war notwendig, da bei einem Zweifach-Bachelor die eigentliche Fachkompetenz ohnehin schon dadurch leidet, dass man zwei verschiedene Fächer in einem kurzen Zeitraum studiert. Vereinzelt berichteten Studenten auch von Problemen bei der Bewerbung zum Master-Studium, da sie die erforderlichen ECTS-Punkte im entsprechenden Fach nicht erreichen konnten. Neben dem Anteil ist aber auch die interne Flexibilität aufgewertet worden. „Wir wollten das Angebot verbreitern, so dass mehr Wahlmöglichkeit besteht“, erklärt Herbst. Auch werde die Regelung geändert, dass man nur blockweise in den ersten und letzten beiden Semestern General Studies macht. Des Weiteren sollen sich die Prüfungen in General Studies nicht mehr so negativ auf die Gesamtnote auswirken können. „Wir wollten mehr Module nur noch mit bestanden beziehungsweise nicht bestanden bewerten. Das sind alles kleine, aber für den Studierenden letztendlich auswirkungsreiche Veränderungen, die jetzt in der neuen Rahmenprüfungsordnung verankert sind.“

Auch die Zusammensetzung der Endnote wurde überdacht. Die nunmehr so genannte „modulübergreifende Prüfung“ wird einen geringeren Einfluss auf die Endnote haben, dafür wurde der Anteil der Bachelor-Abschlussarbeit hieran gleich verdoppelt.

All diese Änderungen der RPO bilden für die Ausgestaltung der Studiengänge nur einen Ankerpunkt. Das, was den Studierenden am Ende betrifft, sind die Fachprüfungsordnungen. Diese werden maßgeblich von den Instituten gestaltet und an den Anforderungen der Fächer orientiert, wobei sie sich an gewisse, in der RPO festgelegte Kriterien halten müssen. Ob hier verursachte Probleme mit der Reform zum Wintersemester 2012/13 behoben wurden, hängt zum größten Teil davon ab, inwiefern die institutsinternen Strukturen mit dem knapp bemessenen Zeitrahmen für die Änderungen zurecht gekommen sind. Laut Studiendekan Donges fand im November ein Vernetzungstreffen statt, seitdem die Institute Bescheid wussten. Ende März sollen die fertig ausgearbeiteten Ordnungen dann verabschiedet werden. Der Zeitdruck stieß auf umfangreiche Kritik: „Ich weiß, ich habe mich bei den Kolleginnen und Kollegen nicht sehr beliebt gemacht, aber ich musste als Studiendekan auf Ende März bestehen, damit wir Bachelor und Lehramt rechtzeitig fertig bekommen“, erklärt Donges.

Betrachtet man jedoch den Stand der Dinge zum Redaktionsschluss, bleibt Grund zum Optimismus, dass die Universität den Zeitplan einhalten kann. Die Frage bleibt, ob alle Institute es geschafft haben, grundlegende Probleme ihrer Studienkonzeption mit der Reform zu überwinden, oder ob nur die notwendigsten Anpassungen an die neue RPO getätigt wurden. Womöglich beginnt für viele erneut das bolognatypische Try-and-Error-Prinzip, aus dem kontinuierlich neue Prüfungsordnungen entstehen.

Um diesen Lernprozess zu verbessern, hat die Universität durch einen vom Bund ausgeschriebenen Wettbewerb Gelder für das Projekt „interStudies“ eingeworben. Vom Sommersemester 2012 bis Ende 2016 werden hier mehrere Stellen geschaffen, die insbesondere zur Verbesserung fächer- und fakultätsübergreifender Studiengänge gedacht sind. Greifswald arrangiert sich also langsam aber kontinuierlich mit der Bologna-Reform. Am Ende bleibt keine Grundsatzfrage, sondern die nach dem Gestaltungswillen aller Beteiligten.

Ein Bericht von Daniel Focke und Patrice Wangen mit einer Grafik von Patrice Wangen und einem Foto von Johannes Köpcke

»Von dieser Zeigefingermoral möchte ich weg « – Diana Rümmler

Nach mehreren Monaten Vakanz ist das Referat für Ökologie des Allgemeinen Studierendenausschusses seit November 2011 wieder besetzt. moritz fragte die Referentin Diana Rümmler nach ihrem Gartenprojekt und ihren weiteren Ideen.

Was hat dich dazu bewegt, dass Referat Ökologie zu übernehmen?
Während der Nachhaltigkeitswoche hier in Greifswald habe ich mir sehr viele Projekte angeschaut. Dabei habe ich festgestellt, dass sehr großer Bedarf besteht und dass zum Beispiel diese Nachhaltigkeitswoche wesentlich besser beworben und auf die Studenten hätte ausgerichtet werden können, wenn das Referat besetzt gewesen wäre. Deswegen entschloss ich mich zu kandidieren.

Welche Chancen siehst du in dem Referat?
Ich finde dieses Referat unfassbar wichtig. Die anderen Referenten haben noch nicht das nötige Gespür für nachhaltige Beschaffung entwickelt. Natürlich kennt man die gängigen Klischees, dass man Ökopapier nutzen soll und dergleichen. Aber es gehört noch sehr viel mehr dazu, wie die T-Shirts für die Erstsemestler oder der Bürobedarf an sich, der mit in die Beschaffung reinspielt. Man schaut immer nur auf die Kosten, ohne andere, ökologische Faktoren zu bedenken, die ein wirklich wirtschaftliches Angebot erst ausmachen.

Apropos Erstsemester-T-Shirts: Habt ihr einen Lieferanten gefunden, der den Finanzrahmen nicht sprengt?
Wir haben einen Lieferanten gefunden, der ökologische Shirts anbietet und mit ihm sogar einen Sponsorenvertrag ausgehandelt. Leider war es dann so, dass der Haushaltsplan der Erstsemesterwoche keinen Rahmen für diese Neuerung bot, nicht für dieses Jahr jedenfalls. Ginka, die Referentin für Veranstaltungen, und ich wollen für das nächste Jahr erwirken, dass die T-Shirts für die Erstis möglich sind, indem wir beim Studierendenparlament beantragen, dass der Topf für die Erstiwoche erweitert wird. Wir werden sie aber auf jeden Fall schon für die Referenten einführen. Da sind die ersten Angebote abgesegnet worden und wir warten nun auf den finalen Kostenvoranschlag, damit wir die Bestellungen aufgeben können.

Als du dich vor dem Studierendenparlament vorgestellt hast, wurdest du gefragt, was deine Pläne für das Referat sind: Du wolltest einen Garten aufbauen. Der Vorschlag wurde von einigen belächelt. Inwieweit wirst du die Idee weiterverfolgen?
Ich werde die Idee auf jeden Fall weiterverfolgen. Ich hätte bei der Bewerbung nicht gedacht, dass das Thema auf so großes Interesse stößt. Es gab ja sogar einen kleinen Artikel in der Ostsee-Zeitung. Ich freue mich auf jeden Fall über das Interesse und finde es überhaupt nicht schlimm, dass es noch belächelt wird. Es ist ein großes und aufwendiges Projekt: Es müssen Grundstücke gefunden, Gelder beantragt und ein Konzept erstellt werden, mit dem man vorstellt, was man mit dem Projekt erreichen will. Als nächstes treffe ich mich mit der Ortsteilvertretung von Schönwalde II. Dort gab es einen interkulturellen Garten, der jetzt allerdings sein Gelände verlassen musste, da die Stadt Baupläne für dieses Gebiet hat. Ich wurde angesprochen, ob ich mich nicht mit ihnen zusammentun will, um das Garten-Projekt zu verwirklichen. Diese Überlegung ist für mich interessant, weil das Projekt mit einer solchen Kooperation ganz neue Möglichkeiten bietet und ich, da ich ja auch nicht ewig Student sein werde, dieses Projekt dann an Leute, die länger in der Stadt und mit dem Projekt vertraut sind, übergeben kann.

Du baust gerade die Arbeitsgemeinschaft (AG) „mit – deine Umweltgruppe“ auf. Was willst du mit ihr erreichen und wer kann sich beteiligen?
Mitmachen kann jeder, der will. Deswegen auch der Name: mitmachen und mitteilen. Es geht nicht darum, bei den sowieso schon ökologisch eingestellten Leuten offene Türen einzurennen, sondern ich möchte Leute bewegen, die sich damit noch nicht so auseinandergesetzt haben. Im Rahmen der Arbeit der AG können sie sich weiterbilden. Ich habe das Gefühl, dass Leute, die sich sehr viel mit Ökologie auseinandersetzen, eher zu einer Zeigefingermoral tendieren: „Du darfst nicht“ oder „du musst“. Von dieser Zeigefingermoral möchte ich weg. Jeder soll für sich selbst herausfinden, dass es sinnvoll ist und viel Spaß machen kann, sich nachhaltig durchs Leben zu bewegen. Ich möchte bewirken, dass jeder an dem Gebiet arbeiten kann, welches ihn interessiert, während ich die bürokratischen Stolperfallen aus dem Weg räume. Derzeit arbeiten wir an der Webpräsenz mit-umwelt.de und ich versuche noch finanzielle Feinheiten zu klären, bevor am 12. April das erste Treffen stattfinden wird.

Du arbeitest außerdem mit dem Verein „Uni Solar“. Im Mai 2010 wurde der Verein gegründet und im November 2010 wurde die Photovoltaikanlage gebaut. Wie sehen die Pläne jetzt aus?
Das Projekt an sich ist ja schon fertig gewesen. Es gab einen Aufruf zur finanziellen Beteiligung, doch nachdem die Grenze von 20 000 Euro erreicht war, konnten einfach nicht mehr Interessenten aufgenommen werden. Wir hoffen nun, dass wegen der großen Nachfrage damals ein zweites Projekt gestartet werden kann. Die Anlage wurde zwar nicht wie angestrebt auf einem Universitätsdach gebaut, aber es fand sich ein Dach im Ostseeviertel, wo die Anlage in Betrieb genommen werden konnte. Wir wollen natürlich versuchen, dass die neue Anlage auf einem Universitätsdach ist. Aber das passende Dach zu finden ist schwierig. Speziell bei den Bauten auf dem neuen Campus befindet sich oft viel Technik auf den Dächern, wodurch es schwierig wird, dort noch Solarpanels aufzustellen. Gemeinsam mit der AG Umweltmanagement sind wir auf der Suche nach einem neuen passenden Dach. Auch besteht die Überlegung, ob eine vertikale Anlage in Frage kommt. Es gibt bereits Pilotprojekte für solche Anlagen an der Fachhochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde.

Welche Ziele hast du für das kommende Semester?
Mein ganz besonders großes Ziel ist es die Studenten zu sensibilisieren. Ich möchte gerne dieses Image der radikalen Körnerfresser weghaben. Wenn man über Ökologie spricht, geht es nicht darum, jemandem etwas zu verbieten, sondern um alternative Wege zu finden. Was ich unter anderem anstrebe, ist eine Infoveranstaltung zum Thema Umweltsiegel. Es gibt so viele Zertifikate, wo keiner mehr durchblickt. Neben ein paar großen Marktführern wie „Blauer Engel“ und „Fair Trade“ gibt es noch viele kleine Siegel, wo man nicht weiß, was dahinter steht. In Planung befindet sich derzeit der Nachhaltigkeits- und Umwelttag am 4. und 5. Juni in Zusammenarbeit mit der Universität, natürlich der Umweltgruppe und mit Hilfe der Teilnehmer der Gruppe die Wiederbelebung von Uni-Solar, der Biomensa und einigen kleineren Projekten, die leider unter den Tisch fallen würden, wenn ich versuchen würde, allein dieser Projektflut Herr zu werden.

Das Interview führte Katrin Haubold

»Ich habe nie versucht die Leute zu agitieren « – Gerhard Schöne

Seine Lieder sind für Erwachsene wie Kinder seit Jahrzehnten vertonte Grüße von nah und fern. Im Theater Vorpommern sang der Liedermacher Gerhard Schöne die „Lieder der Briefkästen“ und traf den moritz zum Gespräch.

Von www.gerhardschoene.de, keine CC-Lizenz

In Ihrem aktuellen Programm erzählen Sie Geschichten zu bestimmten Briefen. Wie sind Sie darauf gekommen?
Ich kam auf Briefe, weil ich selber gerne Briefe schreibe und weil ich Briefträger war. Ich merke, dass es eine Kultur ist, die immer mehr in Vergessenheit gerät. Briefe kann man aufheben. Mails kann man zwar ausdrucken und speichern, Briefe sind aber etwas Sinnliches, man hat Papier gewählt, man setzt sich hin, manchmal macht man sich einen Tee oder zündet ein Kerzchen an. Irgendwie zelebriert man oftmals das Briefeschreiben. Ich habe im Bekannten- und Freundeskreis eine Zeit lang gefragt, was das Briefeschreiben noch für eine Bedeutung hat. Da war zum Beispiel ein Mann, der den Krieg miterlebt hat. Ein Enkel wollte wissen, wie das war und der Mann hatte auf dem Boden einen Pappkarton mit Feldpost. Da wurde das alles wieder lebendig.

Sie machen schon seit 30 Jahren Musik. Was treibt Sie an?
Ich glaube in allen künstlerischen Berufen steckt etwas Schöpferisches, das einen beglücken kann. In der Musik gehen Intellekt und Gefühl Hand in Hand, es werden noch andere Regionen als die „Denkmaschine“ erreicht. Das Schreiben und Komponieren eines Liedes, sowie das Musizieren mit anderen Musikern, erzeugt Glücksgefühle. Der schöpferische Prozess macht mir einfach Freude. Ich habe über die Jahre gemerkt, dass ich das am besten kann. Und solange ich mich nicht wiederhole oder die Leute langweile, habe ich auch Lust weiterzumachen.

Da Sie schon so lange auf der Bühne stehen, wie hat sich denn das Publikum verändert in dieser Zeit?
Das hängt natürlich mit meinem Alter zusammen. Geschmacksfragen spielen ja auch eine Rolle, damit kann ich aber leben. Zu DDR-Zeiten war ich zum Glück zeitweise so erfolgreich, dass die Nachfrage nach solchen Konzerten so groß war, dass die Leute gar nicht hineinpassten und ich manchmal durch irgendwelche Hintertüren Leute reingeschleust habe. Zu DDR-Zeiten war nicht allzu viel los, der Hunger nach geistiger Auseinandersetzung war groß, weil das, was in den Medien stattfand, schöngefärbt war. Da waren die Leute an Kunst interessiert, die sich der Lebenswirklichkeit hier stellte. (mehr …)

Sei dein eigener Schneider!

Stoffe zuschneiden, neue Muster kombinieren und dann ab unter die Nähmaschine. Schon hat man etwas Neues aus eigener Hand geschaffen. Die offene Nähwerkschaft Kabutze bietet die Möglichkeit kreative Kleidung zu kreieren.

Den Faden in die Öse fädeln, mit Bedacht und Geduld. Leicht ist das nicht. Die Zickzack-Naht ist eingestellt und eignet sich am Besten für meinen elastischen Stoff. Einmal tief durchatmen und dann kann das Vernähen von Oberteil und Zwischenstück beginnen. So betrachtet muss es doch leicht sein, ein eigenes Kleidungsstück herzustellen. Doch welche Stoffe welche Stiche erfordern oder welche Tricks man anwenden muss, um elastische und steife Stoffe irgendwie zu vereinen, war mir nicht bewusst.

Deshalb sitze ich nun im Kapuzenkleid-Workshop in der Kabutze, eine offene Nähwerkstatt, und versuche, drei verschiedene Stoffe zu etwas Neuem zu kombinieren. In meiner Vorstellung sieht es jetzt schon umwerfend aus. Neben mir sind noch drei andere Teilnehmer da, stöbern in der Kiste für Stoffreste, betrachten alte Oberteile oder wühlen sich durch den unglaublichen Berg von Knöpfen. Uns zur Seite steht die Workshopleiterin Babett Gibb, die uns alles Nötige erklärt und der wir oft verzweifelte Blicke à la „Ich glaube, ich habe die Nähmaschine kaputt gemacht.“ zuwerfen. Fäden haben eben manchmal ein Eigenleben.

„Wir sind ja auch keine Profis. Hier kann jeder von jedem lernen. Wir freuen uns, wenn wir auch noch etwas dazu lernen. Zudem entsteht auch ein generationsübergreifender Austausch.“ Es ist jener Ansatz, berichtet Kabutzenmitglied Mel, der die Nähwerkstatt ausmacht.

Sie ist eine von denjenigen, die den Entstehungsprozess von Anfang an begleitet hat. Seit 2009 gibt es die Gruppe, doch erst ein Jahr später konnten sie sich in den derzeitigen Räumlichkeiten in der Friedrich-Loeffler-Straße 44a niederlassen. In der Zwischenzeit wurde viel geplant. Zurzeit besteht die Kabutze aus acht Mitgliedern. Der Gründerkreis bestand aus drei Leuten, die in Greifswald einen Ort des gemeinsamen Nähens etablieren wollten. Als Vorbilder dienten bereits bestehende Nähcafés in Großstädten. „Wir haben erst einmal überlegt, wie wir das Ganze gestalten wollen und ein Konzept geschrieben. Denn wir wollten eine Nähwerkstatt mit politischem Hintergrund aufbauen“, erinnert sich Mel. Gemütlich sitzt sie in der Ecke auf einem Sofa, welches wie der Rest der Einrichtung aus Spenden stammt.

Den Stoff, welchen ich mir für meinen Rock herausgesucht habe, war früher, allem Anschein nach, eine Tischdecke. Zugegeben, eine sehr hübsche Tischdecke mit blumigem Muster. Neben dem gemeinsamen Nähen und voneinander lernen gehört auch das Teilen zur Grundidee. Poltische, ökologische und soziale Komponenten bilden das Grundgerüst.

„Wir versuchen, alles mit dem Thema Kleidung zu verknüpfen“, erklärt Mel. So gibt es auch Filmabende, die zum Beispiel über Arbeitsbedingungen in der südamerikanischen Textilindustrie aufklären oder diverse Workshops zum nachhaltigen, privaten Wirtschaften. Geplant sind zum Beispiel ein Workshop zur Herstellung von Lampen oder das Basteln eines Sitzkissens aus alten Tetrapacks.

Mode ist ein sehr kurzlebiges Geschäft, was die Kleidungsstücke im Schrank schnell verblassen und altern lässt. Dabei ist es enorm, wie viele Ressourcen in der Textilproduktion ausgebeutet werden. So erzeugt die Herstellung eines einzelnen T-Shirts nach verschiedenen Berechnungen und je nach Größe, Webdichte und Herstellungsart fünf bis acht Kilogramm CO₂. Laut Statistischem Bundesamt verursacht jeder Einwohner in Deutschland 200 Kilogramm CO₂-Emissionen pro Jahr für Kleidung und Textilien. Einer World Wide Fund For Nature (WWWF)-Studie zufolge sind 2 700 Liter für die Herstellung eines einzigen T-Shirts notwendig.

Unvorstellbare Summen für einen täglichen Gebrauchsgegenstand, den man bereits für wenig Geld bei einschlägig bekannten Modeketten kaufen kann. Selber nähen bedeutet, neben der Entwicklung eines eigenen Konsumbewusstseins auch Entschleunigung vom hektischen Alltag. Eine sinnstiftende Handarbeit, die wir in globalisierten Zeiten auf unterster Ebene zurück erobern können.
In der Zwischenzeit ist die Mittagspause angebrochen. Wir haben uns in der behaglichen Sitzecke niedergelassen und genießen die eigens für uns gekochte Kartoffelsuppe. Nach der delikaten Suppenstärkung begeben wir uns alle wieder an unsere Werke, die sich nach Vollendung sehnen.

Wo bitte schön ist denn nun dieser tolle Stich, den ich an meiner gekauften Kleidung erblicke? Jener, der die Ränder so schön umnäht. Nach langem Suchen an meiner Nähmaschine Zuhause musste ich enttäuscht feststellen, dass es diesen wohl nicht gibt. „Overlockstich“ nennt sich das Ganze und dafür gibt es eine extra Nähmaschine in der Kabutze.

Doch warum überhaupt selbst nähen und nicht den Weg des geringsten Widerstandes nehmen und in Kleidungsgeschäften einkaufen? Das Nähen beansprucht, besonders am Anfang, viel Zeit. Und manchmal entspricht das Resultat dann nicht der eigenen Wunschvorstellung.

Doch eine Nähmaschine kann viel mehr, als nur Löcher in einer Hose zusammennähen. Sie haucht alten und neuen Stoffen frisches Leben ein und erschafft etwas Eigenes, in dem Herzblut, Geduld und Stolz stecken. Es formt das Individuelle. „Ich finde es spannend, wie man sich durch Kleidung ausdrücken kann“, erzählt Mel. Eileen, eine der Teilnehmerinnen ist inzwischen fertig mit ihrem Kleid.

Aus einem mitgebrachten bunt gestreiften T-Shirt hat sie ein entzückendes Kleidchen gezaubert. „Ach, das ist so schön, ich liebe es jetzt schon“, sagt sie mit einem breiten Grinsen. Am Ende des Tages werden wir entspannt und zufrieden mit unseren Werken nach Hause gehen. In Gedanken bin ich allerdings schon bei meinem nächsten, selbst genähten Kleidungsstück.

Ein Feature von Maria Strache

Ohrstöpsel-Automaten und andere Raritäten

Zurzeit stürmen Studenten wieder die Universitätsibliotheken um sich auf die Prüfungen vorzubereiten. Während andere Büchereien Sofas zum Entspannen bieten, müssen sich die Benutzer in Greifswald ihre Isomatten selbst mitbringen.

Faul, ständig auf Achse, aber selten in der Uni: So in etwa sieht das Leben eines Klischeestudenten aus. Ende des Semesters jedoch zieht es die Studierenden in Strömen zur Zentralen Universitätsbibliothek, der Bereichsbibliothek Am Schießwall oder eine der zehn Fachbibliotheken. Dicht an dicht drängen sie sich, um noch einen der begehrten Arbeitsplätze zu erhaschen. (mehr …)

moritz 96 – Januar – Wir haben nicht gewählt!

moritz 96 – Januar – Wir haben nicht gewählt!

Neues Jahr, alte Leier

Liebe moritz-Leserinnen und Leser,

der Volksmund sagt: „Früher war alles besser‘‘. Ob das vergangene Jahr besser war als das Neue? Es ist auf jeden Fall noch viel zu früh um das zu beantworten. Was aber sicher ist: Egal wie es ausgeht, die meisten Menschen werden von dem Spruch Gebrauch machen. Während die Nostalgiker unter uns auch im Jahr 2012 versuchen werden die unverständlich wahrgenommene Gegenwart zu verstehen, packen die Anderen die Tatsachen und Herausforderungen an. So auch die neugewählten Studenten in die verschiedenen Gremien.

In diesem Sinne mögen wir doch alle hoffen, dass wir durch unsere Stimmeabgabe bei den Gremienwahlen in eine schönere Zukunft der Universität investiert haben. Und wie es üblich ist für das neue Jahr, sich gute Vorsätze und Versprechen zu geben, planen dies auch die Gewählten für ihre Legislatur. Hoffen wir, dass sie ihre Ziele nicht aus den Augen verlieren. Und zum Beispiel die Salattheke in der Mensa bis zum bitteren Ende gefüllt halten oder das Wasserschmuggeln in die Bibliotheken legalisieren. Erwähnens- und bewundernswert ist unter anderem das Ziel die ganze Stadt mit einem WLAN-Netz abzudecken. Ja, die Gremienwahlen 2012 stehen beim moritz im Fokus.

Angesichts der Wahlbeteiligung in diesem Jahr ist es offensichtlich, dass sich viele Studierende auf ihr negatives Wahlrecht berufen haben. Stellt sich die Frage, wie großen Anteil daran die Dauerlerner hatten? Eben diese hat moritz in ihrem ‚Wissenstempel‘ besucht. In der Rubrik Uni.versum lest ihr, was dabei alles liegen bleibt. Während sie einen sicheren Platz in der Bibliothek haben, haben einige Andere einen sicheren Platz am Telefon. Es handelt sich um studentisches Engagement. Telefonseelsorge – von Studenten für Studenten. Vermutlich können auch die extremsten Nostalgiker dort einen Rat bekommen.

Aber gewiss ist nur die Qualität der Universitätsveranstaltungen. Traditionsgemäß ist die Qualitätssicherung durchgeführt worden und somit können einige Institute und Professoren neue Vorsätze für das kommende Semester einplanen. Wenn es eine Rangliste für in Vergessenheit geratene Vorsätze gäbe, würden sie dann nicht auf einem der obersten Plätze stehen? Apropos Qualität: moritz hat einen Dönertest durchgeführt. Eine interessante Bewertung ist daraus entstanden.

Im Sinne von Georg C. Lichtenberg kann man freilich nicht sagen, ob nach den vielen Qualitätssicherungen, den Hilfsangeboten, mit den neuen Gremien an der Universität oder den Vorsätzen für das neue Jahr, die nächsten 366 Tage auf der Erde besser werden. Aber so viel kann man sagen: Es muss anders werden, wenn es gut werden soll.

Macht es gut und bis zum nächsten Semester.

Gjorgi Bedzovski

Ausgewählte Artikel könnt ihr wie immer direkt online lesen und kommentieren, das komplette Heft als pdf gibts hier.