TITEL: Alte Hasen, neue Küken

Die Wahlen zum Studierendenparlament hielten wieder einige Überraschungen bereit. Unter anderem ziehen zwei Erstsemester in das Parlament ein. Welche Vor- und Nachteile sehen die Parlamentarier darin?

Vom 14. bis 18. Januar fanden wieder die Wahlen zu den studentischen und akademischen Gremien statt. Dieses Mal konnten bis zu 21 Stimmen für den Senat, den jeweiligen Fakultätsrat und das Studierendenparlament (StuPa) abgegeben werden. Mit drei dieser Stimmen konnte jeder Student seinen Vertreter im StuPa wählen. Er konnte dabei aus 37 Kandidaten auswählen, für 27 öffnete sich letztendlich die Tür zum StuPa. Klare Wahlsiegerin, mit 565 abgegebenen Stimmen, wurde Steffi Wauschkuhn. Wie im vergangenen Jahr hat die diesjährige Siegerin noch keine Erfahrung im StuPa. Auch für den Zweitplatzierten Jan-Ole Schulz ist das StuPa Neuland, da er erst seit Oktober 2012 an der Universität studiert. Im zukünftigen StuPa werden nur mit den beiden Erstplatzierten die Universitätsmedizin und die Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät vertreten sein. Die restlichen Stupisten kommen aus der Philosophischen oder der Rechts-und Staatswissenschaftlichen Fakultät, aus der Theologischen hatte sich von Vornherein kein Kandidat aufgestellt. An der Wahl beteiligten sich 1 871 Studenten. davon wurden 33 Stimmzettel vom Wahlausschuss als ungültig befunden. Insgesamt gaben 15,54 Prozent der Studierendenschaft ihre Stimme ab.

Mit der Wahlbeteiligung waren der Wahlleiter, Torben Brandt, sowie seine Stellvertreter Ea Warnck und Jan-Christoph Heins zufrieden: „Das ist ja eine Steigerung zum letzten Jahr“, so Torben. Schließlich war das Ziel, die 10-Prozent-Hürde zu knacken. Dieses Ziel hatten sie schon am Mittwoch erreicht und somit war die Wahl ein guter Erfolg. Natürlich hätte sich die Wahlleitung eine höhere Wahlbeteiligung gewünscht, schließlich studieren an der Universität Greifswald mehr als 11 500 Studenten. Probleme gab es auch. „Für uns als Erstsemester war die Organisation des Ganzen schwieriger als für jemanden, der schon länger an der Uni studiert, denn wir kannten keinen anderen und auch keine Zuständigkeiten.“

Neue Leute, neue Ideen, neue Denkansätze?

Nicht nur die Wahlleitung, sondern auch einige der Kandidaten begannen ihr Studium in Greifswald erst im jetzigen Wintersemester. Das wirft die Frage auf, inwieweit so junge Küken im StuPa etwas bewirken können oder ob es sinnvoller wäre, den alten Hasen den Vortritt zu lassen. „Meine Erfahrungen mit dem Verwaltungsapparat der Uni sind bislang sehr theoretischer Natur, dass ist schon ein Nachtteil“, erklärt Dietrich Wenzel, Stupist in der kommenden Legislatur und Student im ersten Semester. Vor allem das Erlernen und Verstehen von Formalien enthält für die jungen Küken großen Arbeitsaufwand, der neben dem Universitätsleben erarbeitet werden muss. „Gleichzeitig hoffe ich doch, dass meine Motivation noch etwas schwungvoller ist, als sie das vielleicht im fünften Semester wäre.“ Ebenso haben die neuen Stupisten eine unvoreingenommene und unverbrauchte Sicht auf aktuelle Themen, da sie sich in frühere Debatten nicht einmischen konnten beziehungsweise sie nicht miterlebt haben. Sie kommen mit unkonventionellen Denkansätzen, die ein neues Licht auf Situationen werfen. Die jungen Küken wollen mit frischem Elan schnell etwas erreichen. Jedoch kann sich aber Ernüchterung einstellen, da die Sitzungen viele formelle Aspekte enthalten. Gerade alte Hasen zeigen diesbezüglich mehr Geduld. Ein weiterer Aspekt sei, dass die Wahl zum Parlamentsmitglied denjenigen dazu verpflichtet, ein ganzes Jahr in Greifswald zu bleiben und sich aktiv am hochschulpolitischen Geschehen zu engagieren. „Ich denke, dass man im zweiten Semester eine Amtszeit im Gremium besser unterbringen kann als kurz vor dem Abschluss“, meint Dietrich. Gerade Studenten, die ein Auslandssemester planen, organisieren ihr Studium daraufhin. Eine Legislatur in späteren Semestern ist so kaum möglich.

Marian Wurm, ehemaliger StuPa-Präsident und einer der alten Hasen im neuen StuPa, führt an, dass gerade die Stupisten, welche in den Fachschaftsräten angefangen und sich von unten nach oben gearbeitet haben, die beste Arbeit leisten, da in den Fachschaftskonferenzen Themen behandelt werden, die die Studenten stärker beschäftigen. „Doch läuft man Gefahr, einfache Probleme nicht mehr zu sehen, mit denen die Studierenden im Uni-Alltag konfrontiert sind“,so Marian. Dieser langwierige Weg eignet sich jedoch kaum für Bachelor-Studenten, da diese nach Regelstudienzeit nur drei Legislaturen miterleben können. Aber für Studiengänge, die auf Diplom oder Staatsexamen hinauslaufen, scheint diese Methode ideal zu sein.

Es bleibt abzuwarten, wie sich die Konstellation des kommenden StuPa auf die Beschlussfähigkeit auswirkt und ob alte und neue Parlamentarier eine produktive Kommunikation untereinander führen. Egal, ob man nun im zweiten Semester oder im zehnten Semester studiert: „Man muss sich auch seiner Verantwortung bewusst sein, immerhin verwaltet man die Beiträge aller Studierenden“, schließt Marian ab.

» Klare Ziele gesetzt «

Die Medizinstudentin Steffi Wauschkuhn ist die Wahlsiegerin der diesjährigen StuPa-Wahl. moritz sprach mit ihr über ihren Wahlerfolg und die Ziele, die sie im StuPa verfolgt.

Hast du mit dem Wahlerfolg gerechnet?

Ich freue mich sehr über das Wahlergebnis. Ich habe mir natürlich gewünscht in das Studierendenparlament (StuPa) oder den Senat, für den ich ja auch kandidiert habe, einziehen zu können. Aber mit diesem überraschenden Ergebnis habe ich nicht gerechnet. Ich bin sehr froh, dass so viele ihr Vertrauen und ihre Stimme in mich gesetzt haben, obwohl ich hochschulpolitisch noch nicht in Erscheinung getreten bin.

Wieso bist du zur Wahl angetreten?

In meinen ersten beiden sehr lernintensiven Jahren in Greifswald hatte ich wenig Zeit, mich hochschulpolitisch zu engagieren. Durch mir bekannte Stupisten wurde allerdings mein Interesse daran geweckt. Jetzt nach meinem Physikum ist alles ein wenig entspannter, sodass nun die richtige Zeit für mein Engagement ist.

Was sind deine Ziele?

Als Ziel für StuPa und Senat habe ich mir auf die Fahne geschrieben: Die CO2-neutrale Uni, die auch ein Programmpunkt der Solidarischen Universität (Soli-Uni) ist, die Förderung der studentischen Kultur, momentan am präsentesten ist der Club 9, die Förderung und der Ausbau der Alleinstellungsmerkmale des Universitätsstandortes Greifswald und die stärkere Einbindung der Studenten in die Forschung.

Was erwartest du dir von deiner Arbeit im StuPa?

Durch hochschulpolitisch aktive Freunde war ich früher schon immer über die Arbeit des StuPa unterrichtet, welche Anträge gestellt wurden, wie die Sitzungen abgelaufen sind. Dadurch weiß ich, was mich erwartet. Die Soli-Uni-Liste hat viele Plätze sowohl im Senat als auch im StuPa erhalten. Wir haben uns klare Ziele gesetzt. Die Kommunikation läuft gut. Deshalb hoffe ich auf produktive Ergebnisse.

Ein Artikel von Anne Sammler und Corinna Schlun; Grafiken von Ann-Kathrin Barjenbruch

TITEL: Sternstunden der Demokratie

17 Sitzungen des Studierendenparlamentes gab es in dieser Legislatur bisher. Debatten, Anträge, Misstrauensvoten – alles war dabei. Doch was wird in Erinnerung bleiben?

Wenn man sich die Wahlversprechen aus der letzten Legislatur des Studierendenparlaments (StuPa) einmal genauer anschaut, fällt eines besonders auf: Scheinbar hochschulgruppenübergreifend haben ein Großteil der Stupisten versprochen sich für den Ausbau und Verbesserung des Hochschulsportes, für eine bessere Vernetzung zwischen den einzelnen studentischen Gremien und für den Erhalt der studentischen Kultur ausgesprochen. Zusätzlich zu diesen Top drei der studentischen Forderungen gab es auch vereinzelte Exoten: So positionierte sich Gesa Geissel für eine Beachparty, aus dem Grünen-Lager wurden mehr Stellplätze für Fahrräder an den Uni-Gebäuden gefordert und selbst ein Semesterticket wurde für Greifswalder Studenten als wichtig empfunden, um aufgelistet zu werden. Es wurde viel versprochen, doch wie viele von diesen Vorhaben wurden in die Praxis umgesetzt?

Antrag für eine ökologische Mensa kam nicht von der grünen Hochschulgruppe

Ein Antrag auf eine ökologischere Mensa wurde überraschenderweise nicht von der Grünen Hochschulgruppe sondern vom Ring Christlich Demokratischer Studenten eingebracht. Dieser wurde inzwischen vom Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) ausgiebig bearbeitet und es fällt auf: Antragsteller Matias Bluhm ist noch am Ball und scheint immer noch Feuer und Flamme für dieses Projekt zu sein. Dass diese Entwicklung vom einem gegebenen Wahlversprechen bis zur tatsächlichen Umsetzung nicht als alltäglich angesehen werden kann, dürfte an dieser Stelle nicht überraschen, scheinen doch viele Stupisten das ein oder andere mal zu vergessen, dass sie ihren Wählern auch eine gewisse Pflicht gegenüber haben. Zu oft wurden Forderungen im Wahlheft verewigt, die scheinbar im Laufe der Legislatur keine Beachtung mehr fanden. So scheint es nie zu einer geforderten Prüfung eines Semestertickets gekommen zu sein. Da kommt die Frage auf, ob der eine oder andere Stupist es nicht am besten Patrick Schmidt hätte gleich tun sollen: Er verzichtete auf jegliche Zielaufzählungen im alten Wahlheft.

Dauerthema: „Studentenwerk-App mit Bezahlfunktion“

Natürlich wurden nicht alle Vorsätze liegen gelassen. Die Junge Union zum Beispiel forderte bereits auf ihren Flyern in diesem und im letzten Jahr eine „Studentenwerk-App mit Bezahlfunktion“. Die scheint sich jedoch als schwieriger realisierbar zu entpuppen als zuerst gedacht: Stadt, Uni und Studentenwerk planen alle, mehr oder weniger, eine eigene App. Nach Angaben von Christoph Böhm sollte mit dieser vor 2015 nicht mehr zu rechnen sein.

Aber nicht nur die einzelnen Forderungen der Hochschulgruppen haben die Sitzungen inhaltlich gefüllt. Ganz nebenbei hat sich die Studierendenschaft, vertreten durch das StuPa, für eine Diagonalquerung auf der Euroapkreuzung ausgesprochen, zahlreiche Satzungsänderungsversuche wurden unternommen und selbst ein Antrag auf eine eigene Hochschulimkerei wurde eingereicht. Es dürfte für jeden Geschmack was dabei gewesen sein.

Im StuPa-Alltag fehlte es oft an inhaltlichen Disputen. Manche Anträge wurden viel zu schnell abgenickt, wenige Nachfragen ließen immer wieder eine eher mäßige Sitzungsvorbereitung vermuten, wie bei den Konzepten zur Verwendung der unrechtmäßig erhobenen Rückmeldegebühren. So zeichneten sich immer die gleichen Akteure heraus. Besonders die erfahrenen Stupisten Christoph Böhm und Alexander Wilhelm Schmidt stachen mit ihren Redebeiträgen häufig hervor und wurden somit zu den Wortführern. Oft konnte man auch etwas von Fabian Schmidt, Marvin Hopf, Christopher Riemann oder Martin Grimm hören, wohingegen Oliver Gladrow, Gunnar Meiselbach, Daniela Gleich, Marc Wildschrei oder Max Pröbsting vor allem mit ihrer Abwesenheit glänzten. Ohnehin waren die meisten Sitzungen nicht voll besetzt, was die eine oder andere Entscheidung äußerst knapp werden ließ oder gar verhinderte, weil keine Mehrheit zustande kommen konnte.

Gerade einmal 22 Stupisten nahmen durchschnittlich an den Sitzungen teil

Mit Marco Wagner und Erik von Malottki mischten regelmäßig studentische Senatsmitglieder in den Debatten mit. Besonders bemerkenswert war Eriks energisches Eintreten gegen eine Satzungsreform, bei der er eine „Überregulierung“ befürchtete. Dabei konnte er schnell viele Stupisten von seiner Meinung überzeugen, gegen die Änderungen zu stimmen, wobei sich vorher eine klare Mehrheit abzeichnete.

Wenn man sich die Sitzungszeiten einmal genauer anschaut, fällt besonders eins auf: Gerade einmal sechs Überstunden, resultierend aus den Verlängerungen nach 24 Uhr – außerordentliche Sitzungen sind hier nicht mit einbezogen worden – hat sich dieses StuPa bis zum 04. Dezember 2012 erlaubt. Insgesamt wurden bis jetzt zwölf ordentliche und fünf ausserordentliche Sitzungen einberufen. 103 Anträge (davon sieben als Satzungsänderungsanträge) wurden eingereicht. Zum Vergleich: Das letzte StuPa (2011/2012) hat bis zum ähnlichen Zeitpunkt (06. Dezember 2011) mit zwölf ordentlichen, drei ausserordentlichen Sitzungen und insgesamt 101 eingereichten Anträgen, wovon vier Satzungsänderungsanträge jeglicher Art waren, einen ähnlichen Schnitt erreicht. Zu nennen sei an dieser Stelle auch, dass das StuPa- Präsidium wieder voll besetzt war. Neu-StuPist und gleich Neu-Präsident Milos Rodatos schaffte es, sich zwei Mitstreiter für das Präsidium zu suchen. Dabei waren beide zunächst keine Mitglieder im Parlament. Timo Neder gelang als Nachrücker zu einem Stimmzettel im StuPa und Emilia Bokov war nicht zur Wahl angetreten. Die stellvertretenden Präsidiumsmitglieder müssen nicht unbedingt auch gewählte Stupisten sein. Die Aufgabe vom Präsidium ist es vor allem, für einen reibungslosen Ablauf der Sitzungen zu sorgen. Der Präsident hatte das Plenum vorwiegend gut im Griff, und behielt bei den meisten Streitereien einen kühlen Kopf. Häufig mischte er selbst in den Diskussionen mit und war damit zweifellos der dritte Wortführer im Parlament; oft parteiergreifend und nicht immer sachlich, was ihm auch Kritik einbrachte.

Hochschulpirat als Präsident = mehr Transparenz?!

„Mehr Transparenz der Arbeit der Studentischen Gremien“ kündigte Milos in seiner Bewerbung an. Als Präsident hatte er die besten Voraussetzungen, dies auch zu erfüllen. So kündigte er in seinem Antrittsinterview mit moritz (mm98) an, anhand einer eigenen Internetseite „die Arbeit des Präsidiums transparent und nachvollziehbar darzulegen.“ Passiert ist hier nichts, Protokolle wurden viel zu spät und mit fragwürdiger Qualität veröffentlicht. Dafür fand der Präsident aber andere Stellen, in denen er sich bewähren konnte. Im Senat nutzte er ausgiebig sein Mitspracherecht und meldete sich als höchster Vertreter der Studierendenschaft häufig zu Wort.

Stellt sich die Frage, was zum Ende der Legislatur hin zusätzlich in Erinnerung bleibt. Es wurden zahlreiche Anträge auf Geheimabstimmungen als „Sternstunden der Demokratie“ bezeichnet, Antragsteller von Schliessung der Tagesordnungspunkte ohne Debatte und Endabstimmung als „Demokratieverweigerer“ benannt und das Wissen darüber kundgetan, welche Stupisten ihre Eltern verklagen würden und welche nicht.

Ein Bericht von Natalie Rath und Simon Voigt

TITEL: „Ich habe Satzungen zu schätzen gelernt“

Ein Jahr im Studierendenparlament liegen hinter der Psychologiestudentin Jasmin Dinter. moritz sprach mit der Wahlsiegerin des letzten Jahres – sie bekam 539 Stimmen – über ihre Legislatur.

Was hattest du für Erwartungen, als du dich für das Studierendenparlament (StuPa) bewarbst?

Meine Erwartungen waren eigentlich, dass ganz viele verschiedene Projekte vorgestellt werden, die Unterstützung von links-grünen Menschen brauchen. Ich hätte mir mehr linke und grüne Sachen gewünscht (lacht). Ich wusste auch, dass ich mir viele Satzungen durchlesen und das aneignen musste, weil es wichtig ist, das alles seinen formalen Gang geht. Ich hatte aber nicht damit gerechnet, dass es jede Sitzung Änderungen gibt. Ich dachte eher, dass es eine Satzung gebe, die aber nicht so zentral wichtig ist, dass sie immer wieder besprochen werden muss.

Das klingt so, als hätte dich das StuPa ein bisschen abgeschreckt?

Ja, ich hatte weniger mit formaler als mit inhaltlicher Arbeit gerechnet. Ich studiere nicht Jura. Ich weiß nicht, wie Satzungen und Fi-nanzordnungen aussehen müssen, somit war ich da auch ein wenig raus, weil ich bei Sachen nicht die Relevanz erkenne konnte. Mir wurde das zwar alles erklärt, aber damit hatte ich einfach nicht gerechnet, überhaupt nicht (lacht).

Was nimmst du aus einem Jahr StuPa als Erfahrung mit?

Ich hab Satzungen zu schätzen gelernt, auch das diese präzise formuliert sind (lacht). Ich fand das sehr spannend, ich habe vorher nie in solch einem Gremium gearbeitet. Dadurch konnte ich einiges über strukturelle Abläufe im Gremium lernen. Ich fand es gut, dass wir so aktiv waren und viel bewegt haben. Wir konnten viele Studenten für die Rettung des Club 9 werben. Ich habe aber auch gelernt, mich in bestimmte Debatten nicht einzumischen, wenn diese zu geladen sind. Ich möchte nicht Politikerin werden. Da bin ich mir sicher.

Was sollten die nächsten Stupisten anders machen?

Es ist wichtig, dass gemeinsame Ziele präsent bleiben. Es ist auch wichtig, dass man während des Wochenendes die Satzungen und Ordnungen liest und darüber spricht, aber ich würde viel lieber die Gruppe stärken, weil ich glaube, dass das die ganze Legislatur besser prägen könnte. Beim StuPa-Wochenende hat man die Möglichkeit, alle näher kennen zu lernen. Ich finde, das sollte stärker genutzt werden, um eine Einheit zu bilden.

Ist das nicht kontraproduktiv für die Debatten im StuPa?

Das würde ich nicht denken. Das soll nicht heißen, dass jeder seine Meinung zugunsten einer großen Gruppenidee aufgeben soll. Wenn man sich untereinander kennt, geht man auch ganz anders mit der Meinung des anderen um. Gegenseitig zuhören finde ich wichtig. Ich denke, dass es helfen könnte.

Was würdest du den Stupisten noch mit auf den Weg geben?

Unterschätz den Zeitaufwand nicht. Ich habe relativ viel Zeit jede Woche investiert und denke nicht, dass ich neben dem Studium und den anderen Sachen noch Zeit für eine der Arbeitsgemeinschaft (AG) gehabt hätte. Aber ich kann mir auch vorstellen, dass man sehr viel Spaß daran haben kann, in den AGs aktiv zu sein. Auch könnte meiner Meinung nach das StuPa-Wochenende besser genutzt werden, um die außerparlamentarischen Aufgaben der Stupisten, also die AGs und Ausschüsse vorzustellen. Dort stellen sich ja auch die Medien und der Allgemeine Studierendenausschuss vor und es wird immer ganz klar gesagt, dass Stupisten auf deren Sitzungen gern gesehen sind. Aber bei jeder Sitzung dabei zu sein….

…das muss ja nicht sein, aber man kann ja ein- oder zweimal vorbeigucken, um zu sehen, wie das abläuft.

Das ist richtig. Ich fasse mir da auch an meine eigene Nase. Dort wird man sensibilisiert, was da eigentlich für Arbeit geleistet wird. Die neuen Stupisten sollten auch die einzelnen Bewerber für einzelne Posten ernster nehmen. Hier hat sich ein Mensch beworben, der sich auch darüber Gedanken gemacht hat. Diese Person dann einfach abzulehnen ohne weiter nachzufragen, finde ich immer kränkend. Was ich den neuen Stupisten noch mitgeben kann, ist, dass sie sich nicht demotivieren lassen. Ich muss ganz ehrlich sagen, zu Zeiten ist es mir schwer gefallen, immer Spaß und Freude daran zu haben. Ich habe noch nicht darüber nachgedacht, wie man das ändern kann, aber ich finde es schon erstrebenswert, immer mit Spaß und Motivation zur Sitzung zu gehen.

Ein Interview von Katrin Haubold und David Vössing; Portraitfoto von Katrin Haubold

Die Frage nach den Grundrechten (3)

Das Landgericht Köln hat in seinem berühmten Urteil vom 7. Mai 2012 die religiöse Beschneidung als rechtswidrige Körperverletzung bewertet. moritz suchte in Greifswald nach verschiedenen Meinungen – diesmal von einem jüdischen Professor.

 

Das Landgericht Köln hat in seinem Urteil vom 7. Mai 2012 die Beschneidung als Körperverletzung bewertet.

Also warum spricht der moritz mit mir erst jetzt darüber? (lacht) Vielleicht hat es mit göttlicher Vorsehung zu tun (lacht weiter), da der jetzige Zeitpunkt eigentlich wunderbar zu diesem Thema passt. Zwischen dem 8. und 16. Dezember dieses Jahres findet nämlich das Hanukkah-Fest statt. An Hanukkah feiert das Judentum den Sieg der Makkabäer gegen die Seleukiden und die Neueinweihung des Tempels in Jerusalem, um 164 vor unserer Zeit, nach dessen Plünderung durch die Besetzer. Die Neueinweihung des Tempels ermöglichte es, dass Juden ihre Bräuche wieder ungehindert praktizieren konnten, welche die Besetzer zu unterbinden versuchten. Im ersten Buch der Makkabäer lesen wir, wie der Syrische König Antiochus Epiphanes die Beschneidung verbot. Auch wenn dieser Text für Juden nicht als biblisch gilt, bekommt man dennoch einen Eindruck davon, wie das Beschneidungsverbot aus der Sicht des jüdischen Kollektivgedächtnisses gesehen wird, nämlich als ein wichtiger Teil des Versuches, das Judentum insgesamt zu annullieren.

Wann haben Sie von diesem Urteil zum ersten Mal gehört?

Ziemlich sofort danach. Ich erinnere mich sehr gut daran Berichte darüber im Radio gehört zu haben. Und seitdem – natürlich – taucht das Thema innerhalb und außerhalb der jüdischen Gemeinde immer wieder auf.

Wie empfinden Sie das Urteil?

Einerseits kann ich nicht sagen, dass ich sehr überrascht bin. In der letzten Zeit gab es in verschiedenen Ländern Versuche, die Beschneidung zu verbieten oder stark zu regeln. In San Francisco 2011 gab es sogar eine Volksabstimmung über ein Beschneidungsverbot, welches sich glücklicherweise nicht durchsetzte.

Andererseits aber ist es sehr überraschend, dass gerade in Deutschland solch ein Urteil gefällt werden konnte und obendrein die Mehrheit der Bevölkerung, laut der Umfrage, die ich gesehen habe, diesem Urteil zustimmte. Ich muss ehrlich sagen, dass diese ganze Geschichte sehr peinlich für Deutschland ist. Ich hätte gedacht oder gehofft, dass man hier wegen der Vergangenheit sensibler mit dem Thema umgehen würde. Ich frage mich, ob man wirklich aus dieser schwierigen Geschichte etwas gelernt hat. Und ich sage das nicht nur in Bezug auf das Judentum, sondern auch auf den Islam. Lassen Sie uns die Juden für einen Moment vergessen. Was sagt dieses Urteil den vier Millionen Muslimen, die hier leben? Es gibt keinen leichteren oder sichereren Weg, sich von ihnen weiter zu entfremden als diesen. Was das Judentum betrifft: unsere Zahlen sind natürlich viel niedriger, vielleicht gibt es 200.000 von uns hier. Aber wir sind symbolisch sehr wichtig. Was bedeutet es, wenn kaum 70 Jahre nach der Shoa ein existentielles Merkmal des Judentums verboten werden kann? Deswegen hat das Urteil so große Unsicherheit unter den Juden in Deutschland geweckt.

Um es zusammenzufassen: Im Oktober 2010 wurde vom damaligen Bundespräsidenten Wulff geäußert, dass das Judentum und inzwischen auch der Islam zu Deutschland gehören. Das Kölner Urteil hat ein riesengroßes Fragezeichnen hinter diese Aussage gestellt.

Obwohl das Urteil möglicherweise auch eine positive Folge hatte: es trägt vielleicht dazu bei, die jüdisch-muslimischen Beziehungen in Deutschland zu verbessern.

Hat Sie die öffentliche Debatte zu diesem Thema überrascht?

Ja, in einer Hinsicht: dass Beschneidung hier so negativ beurteilt wird. In den USA, wo ich aufgewachsen bin, werden Beschneidungen für Jungen normalerweise im Krankenhaus nach der Geburt angeboten.

Warum und wann findet eine Beschneidung im Judentum statt?

Beschneidung wird im Judentum als Berit Milah gekennzeichnet. Milah heißt Beschneidung, Berit Bund. Das heißt, die Beschneidung ist nicht nur Brauch, sondern markiert den Eintritt in die Gemeinschaft. Zum ersten und ausführlichsten Mal taucht  Berit Milah in der Bibel in Genesis 17,9-14 auf. Hier befiehlt Gott Abraham die Beschneidung für seine Söhne und für alle männlichen Angehörigen seines Haushalts am achten Tag des Lebens. Sie gilt gleichzeitig als der Bund selbst zwischen Gott und Mensch und als Zeichen für diesen Bund. Daneben dient die Berit Milah der Absonderung Israels: Auch wenn andere Völker oder Religionen, etwa der Islam, die Beschneidung durchführen, hat die Berit Milah im Judentum einen ganz besonderen Platz. Zum Beispiel selbst wenn der achte Tag nach der Geburt auf einen Sabbat oder sogar Yom Kippur, dem Versöhnungstag, fällt, findet die Berit Milah trotzdem statt. Da normalerweise am Sabbat keine Arbeit gemacht werden darf und der Versöhnungstag der wichtigste Tag des Jahres ist, zeigt dies ganz deutlich, wie wichtig und zentral dieser Brauch für das Judentum ist.

Im Falle der Konversion eines Mannes zum Judentum, erfolgt die Berit Milah auch, aber normalerweise nur durch die Entnahme eines Blutstropfens. Da die Berit Milah den Eingang in den Bund mit Gott darstellt, erfolgt dieses Verfahren selbst dann, wenn der Konvertit schon beschnitten ist.

Ist die Beschneidung religiöse Pflicht?

Ja, und könnte sogar als die Pflicht der Pflichten beschrieben werden: im Talmud wird gesagt: „Bedeutend ist die Beschneidung, da sie alle Gebote aufwiegt“ (bNed 32a).

Könnte die Beschneidung aufgeschoben werden und der Junge sich im Jugendalter bewusst dafür entscheiden?

Aus gesundheitlichen Gründen wird die Berit Milah ohne Zweifel verschoben, wird aber sobald wie möglich vollzogen. Allerdings spielt es keine Rolle, ob der Junge in die Beschneidung einwilligen kann. Dies hat mit eben dem Charakter des Befehls Gottes zu tun: Jeder Vater im Judentum ist verpflichtet, seinen Sohn beschneiden zu lassen, nicht jeder Mann sich selbst.

Haben Sie einer Berit Milah schon beigewohnt?

Ja, mehrmals. Ich bin fast sicher, dass die erste meine eigene war, aber leider sind die Erinnerungen an diesen Zeitpunkt doch ziemlich dämmerig. Aber im Ernst: Ich habe mehreren beigewohnt. Es ist ein schöner Anlass: Normalerweise sind viele Leute (jüdisch und nicht jüdisch) dabei, es wird gut gegessen und gefeiert. Man hofft auf die Zukunft, dass genau „wie das Kind in das Bündnis eingetreten ist, so möge es auch in das Studium der Tora, unter den Hochzeitsbaldachin und zu guten Werken treten,“ wie es im Talmud steht (bShabbat 137b).

Sind Sie von Freunden und Bekannten, auch aus den USA auf das Thema angesprochen worden?

Ja, man fragt besorgt: Was genau passiert in Deutschland? Wie wird versucht damit umzugehen? Ich versuche zu erklären, dass das Kölner Urteil nicht bindend für ganz Deutschland ist. Aber ehrlich gesagt, ich bin erst vor zwei Jahren hierher gekommen, mein Verständnis des deutschen Rechtssystems ist noch gering.

Teilen Sie die Meinung des Berliner Gemeinderabbiners Yitshak Ehrenberg, das Urteil tötet das Judentum in Deutschland?

Das Urteil selbst tötet das Judentum in Deutschland nicht, aber es bringt es, sozusagen, zum Bluten. Und wenn keine gesetzliche Regelung der Beschneidung folgt, wie sie etwa nun im Bundestag läuft, dann wird es ernste Folgen für das jüdische Leben hier haben. Dort, wo die Beschneidung nicht stattfinden kann, kann es kein richtiges jüdisches Leben geben. Im diesem Zusammenhang möchte ich betonen: das Judentum strebt danach, sich seiner Umwelt anzupassen. Es gibt sogar ein wichtiges Prinzip: das Gesetz des Landes ist das Gesetz für Juden. Also bei vielen anderen religiösen Vorschriften kann man sagen, okay, das ist etwas, das wir machen sollen, aber hier ist es nicht erlaubt. Aber bei einer so zentralen Pflicht wie der  Beschneidung ist das schwierig. Das Urteil ist deswegen für uns quasi als ob man den Christen sagen würde, die Taufe sei ein Strafakt.

Daniel Stein Kokin ist Juniorprofessor für Jüdische Literatur und Kultur an der Universität Greifswald

Es ist für mich persönlich nicht so interessant oder wichtig festzustellen, ob eine Aussage antisemitisch ist oder nicht. Das lasse ich gerne andere entscheiden, die sich um den Antisemitismus kümmern. Natürlich ist es aber nicht schön, wenn als Beispiel Marlene Rupprecht aus der SPD erklärt: „Wir hatten den Holocaust, also haben wir jahrhundertelang nichts zu kritisieren.“

Ich sehe das anders: Es ist durchaus erlaubt das Judentum oder jüdische Bräuche zu kritisieren. Man kann deshalb auch sagen: Ich bin gegen die rituelle Beschneidung. Aber dann muss man auch anerkennen, dass es einem wichtiger ist, eine angebliche „Körperverletzung“ zu verbieten als tolerant anderen Religionen gegenüber zu sein. Meinen die Gegner der Beschneidung das wirklich? Verstehen sie, was ihre Position tatsächlich bedeutet? Ebenso würde ich die Gegner der rituellen Beschneidung auffordern, sorgfältig darüber nachzudenken, warum ihnen dieses Thema eigentlich so wichtig ist. Ist es wirklich ein größeres Problem in Deutschland, dass einige jüdische und muslimische Eltern ihre Kinder beschneiden, als, sagen wir, dass Teenagers freien Zugang zu Zigaretten überall in diesem Lande haben? Man befürchtet, dass sich hinter den schön klingenden Forderungen zum Wohl des Kindes tiefsitzende Vorurteile gegen andere Kulturen verstecken.

Was halten Sie vom alternativen Berit Schalom, bei dem auf die Beschneidung verzichtet wird?

Berit Schalom, übersetzt Friedendsbund, ist eine jüdische Namensgebungszeremonie ohne Beschneidung, also „Berit ohne Schnitt“, wie der Titel eines vor Kurzem erschienenen Artikels in der Jüdischen Allgemeinen hieß. Natürlich ist es eine interessante Alternative, allerdings akzeptiert es bisher nur ein sehr kleiner Anteil des jüdischen Volkes. Gegen das Kölner Urteil haben sich sowohl die Reformer als auch die Orthodoxen, also fast das gesamte jüdische Spektrum in Deutschland, geäußert.

Spezifisch zum Berit Schalom habe ich zwei Bemerkungen: Erstens, es ist theoretisch möglich, dass das Judentum entscheiden wird, die Beschneidung symbolisch anstatt physisch durchzuführen. Früher gab es Tieropfer im Jerusalemer Tempel, heute stattdessen gibt es an ihrer Stelle Gebete. Die Opfer selbst tauchen heute nur symbolisch in der Liturgie auf. Man könnte sich sehr gut vorstellen, dass ähnliche Prozesse auch künftig passieren werden. Allerdings müssen sie intern erfolgen. Besonders an einem Ort wie Deutschland mit seiner Geschichte. Die Entscheidung des Gerichts gegen die Beschneidung und die Rufe einiger Politiker nach symbolischer Beschneidung als Ersatzritual bewirken innerhalb der jüdischen Gemeinde eher eine verstärkte Unterstützung der Berit Milah. Gerade wie zur Zeit der Makkabäer: im zweiten Buch der Makkabäer lesen wir über Mütter, die für die Beschneidung ihrer Söhne sogar den Märtyrertod in Kauf nahmen.

Und zweitens: Auch wenn ich so einen „Entbeschneidungsprozess“ – lassen Sie uns es so nennen –  für möglich halte, erwarte ich ihn sobald nicht – zumindest, was das normative, meistverbreitete Judentum betrifft. Das Judentum ist ganzheitlich, es lebt vom bräuchlichen Tun. Das Tun kann allegorisch erklärt und ausgelegt werden, aber bleibt immer fester Bestandteil. Und wenn es sich aber zur reinen Allegorie wandelt, also Allegorie anstatt Praxis, ist das immer ein Zeichen für die künftige Auflösung des Judentums. Es gab, gibt und wird immer Juden geben, die auf echte Beschneidung verzichten. Aber das Judentum selbst, also die Mehrheit der Juden, wird an der Beschneidung festhalten.

Wenn der Bundestag den aktuellen Regierungsentwurf verabschiedet, gibt es eine Straffreiheit für religiöse Knabenbeschneidung. Denken Sie, das Thema ist dann aus der Welt?

Natürlich nicht. Da die Beschneidung, vor allem die Berit Milah, immer diskutiert wurde und umstritten war, ist es schwierig sich vorzustellen, dass das in Zukunft nicht weiter der Fall sein sollte.

Ich denke, dass das Thema heutzutage so wichtig ist, weil es der individuellen Entfaltung des Menschen zu widersprechen scheint. Die moderne säkulare Gesellschaft basiert auf der Idee, auf dem Mythos könnte man sogar sagen, dass jeder Mensch über sein Schicksal, seine Identität für sich allein entscheidet. Das ist in vielerlei Hinsicht richtig und gut so! Aber darüber wird oft vergessen oder vernachlässigt, inwiefern wir unvermeidlich von den Umständen unseres Lebens, vor allem unserer Familiengeschichte geprägt sind. Unsere Individualität ist nicht so rein oder klar, wie wir uns das einreden wollen. Die überwiegende Mehrheit der Leute wählt nämlich ihre Kultur, Religion und Staatsangehörigkeit nicht aus. Das mag nicht so aufklärerisch oder rational klingen, aber ist tatsächlich so. Beschneidung spiegelt ganz deutlich die Grenze unserer Selbstbestimmung wieder und erinnert uns daran, dass jede Tradition, jede Identität immer von Eltern ihren Kindern überliefert wird. Während manche Leute, vor allem in Europa, auf solche Transmissionsverfahren weitgehend verzichtet haben, zeigt die Beschneidung unter Juden und Muslimen jedoch, dass sich andere Gruppen noch sehr aktiv um das Weiterleben ihrer spezifischen Identität kümmern. Kurz gesagt, was schlussendlich hier auf dem Spiel steht, ist inwiefern Eltern ihre Kinder prägen dürfen. Für manche in Deutschland lautet die Antwort: Nicht sehr viel. Aber eine Gesellschaft, die so entscheidet, hat keine Zukunft. Wie Thilo Sarazzin, nicht genau der Typ, den ich normalerweise gerne zitiere, es formuliert hat: Deutschland schafft sich ab.

Ein Interview von Daniel Focke; Foto und Grafik von Daniel Focke

 

Anmerkung: Der Kommentarbereich zu diesem Artikel musste leider geschlossen werden, da die Beteiligten mehr und mehr in Beleidigungen und Hetze gegenüber anderen verfallen sind und ein Wandel hin zu einer konstruktiven Diskussion nicht mehr absehbar war. Fragen und Anmerkungen bitte an web@moritz-medien.de. (Simon Voigt, Chefredaktion, 3. Februar 2013, 16:30 Uhr)

Lohmanns Lunch #3 – Geflügel an Rosmarinkartoffeln

Juhu, es ist Weihnachtszeit! Fröhliches Gedudel im Radio und in den Kaufhäusern, Geschenke kaufen, alle sind auf einmal nett zueinander und überhaupt – mir geht es meist einfach nur auf die Nerven. Die Musik ist jedes Jahr dieselbe, Geschenke kann man auch so machen und nett sein sollte man immer und nicht, weil es so im Kalender steht. Wie auch immer, eine positive Seite hat die Weihnachtszeit in meinen Augen: Es gibt was Leckeres zu essen. Leider aber erst, wenn man zu Hause ist. Für alle, die schon einen Vorgeschmack auf die Weihnachtsfeier haben wollen, ist das folgende Rezept: Geflügelkeule an Rosmarinkartoffeln. Im Gegensatz zu den aufwändigen Gerichten daheim braucht ihr hier auch nicht viel Zeit und auch keinen Bräter.

Zuerst schneidet ihr die Zwiebel in Ringe, zerhackt den Knoblauch und würfelt Kartoffeln und Gemüse. Spült das Fleisch ab und tupft es trocken, eventuell müsst ihr noch ein paar Federreste aus der Haut zupfen. Dann bratet ihr das Geflügel in etwas Öl an, bis die Haut schön braun ist. Ein klein wenig salzen, aus der Pfanne damit und ab auf einen Teller. Im Anschluss dünstet ihr Zwiebeln und Knoblauch an, gebt die Kartoffeln und das Gemüse dazu und wendet alles ein paar Mal, damit sich das Öl gut verteilt. Mit Salz und Pfeffer würzen.

In der Zwischenzeit setzt ihr einen großen Topf auf. Dort hinein gebt ihr das Gemüse und die Kartoffeln, streut den klein geschnittenen Rosmarin darüber und legt die angebratenen Geflügelteile obenauf. Gießt eine halbe Tasse Wasser hinzu und lasst das Ganze bei mittlerer Hitze schmoren. Ab und zu rühren und nach rund 25 Minuten ist der Vorgeschmack auf Weihnachten fertig.

Welches Geflügel ihr nehmt, sei eurem Geschmack und Geldbeutel überlassen. Ihr müsst auch nicht unbedingt eine Keule nehmen, ein Filetstück tut es auch, dann könnt ihr fünf Minuten kürzer schmoren. Sollte eure Wahl auf Ente fallen, achtet darauf, die Hautseite zuerst anzubraten und vor allem etwas länger zu garen als zum Beispiel Hähnchen. Ihr tut euch auch einen Gefallen, wenn ihr frischen oder zumindest gefriergetrockneten Rosmarin verwendet, der entfaltet einfach mehr Aroma.

Da es ein recht deftiges Gericht ist, passt ein trockener Rotwein dazu. Oder ihr macht euch einen erfrischenden Grün- oder Minztee dazu, das ist auch nicht verkehrt.  Lasst es euch schmecken und habt ein schönes Weihnachtsfest!

Zutaten (für Zwei):

 2 Geflügelkeulen oder –filets

500g Kartoffeln

1 Zwiebel

1 Knoblauchzehe

3 Möhren oder 2 Paprika oder 5 Tomaten

1 EL Rosmarinblätter

 

von Erik Lohmann; Fotos von Milan Salje

Welch ein Theater…

An den Theatern in Mecklenburg-Vorpommern muss viel Geld gespart werden. Das Land ließ ein Konzept mit neun Modellen anfertigen, die Grundlage für die Diskussion sein sollen. Bis Ende des Jahres soll eine Entscheidung fallen.

Viele Zahlenspiele wurden in den letzten Monaten rund um die acht Theater in Mecklenburg-Vorpommern veranstaltet. Schon seit Längerem wird diskutiert, wie eine neue Theaterstruktur in Mecklenburg-Vorpommern aussehen könnte. Grund: Die Landeszuschüsse an Theatern und Orchestern wurde bei knapp 36 Millionen Euro pro Jahr bis 2020 eingefroren und viele der Einrichtungen rutschen immer weiter ins Defizit. Auch die Kommunen können die Theater nicht noch stärker unterstützen. Der Einsparbedarf wird auf rund 12 Millionen Euro im Jahre 2020 gegenüber 2011 geschätzt, vor allem wird dies durch steigende Personalausgaben bedingt.

Wie kann man dieser finanziellen Abwärtsspirale entgegenwirken? Die Metrum Managementberatung aus München hat vom Land den Auftrag bekommen, mögliche Modelle zu entwickeln unter der Prämisse, dass die Landeszuschüsse nicht erhöht werden. Im September stellte der Kultusminister Mathias Brodkorb (SPD) die neun erarbeiteten Modelle vor. Zudem konnten die Bürger Mecklenburg-Vorpommerns online über die Modelle abstimmen. Den wenigsten Zuspruch fanden die Konzepte, bei denen alles so bliebe wie bisher beziehungsweise nur durch Kooperationen Einsparungen vorgenommen würden. Für alle anderen Ideen entschieden sich zwischen 11,23 und 12,43 Prozent der Teilnehmer. Brodkorb wollte damit ein erstes Meinungsbild erhalten.

Auch einige Träger und Vertreter der Theater wurden auf einer Sitzung des Kulturausschusses des Landtags am 21. November zu den Modellen befragt. Dirk Löschner, der Intendant und Geschäftsführer des Theater Vorpommerns, bemängelt, dass nur wenige Vertreter eingeladen wurden sein und dass es nur eine einzige Anhörung gegeben habe: „Da hat man schon den Eindruck bekommen, als ob der Kulturausschuss das nicht sehr ernst nimmt.“ Die Ausschussvorsitzende Ulrike Berger (Bündnis 90/Die Grünen) hielt die Anhörung auf jeden Fall für sinnvoll und insofern erfolgreich, dass noch einmal viele Probleme deutlich geworden seien. Konkret habe sich gezeigt, dass „die meisten Sachverständigen eine Erhöhung der Landesmittel deutlich vor dem Jahr 2020 für notwendig halten.“ Eine Dynamisierung der Zuschüsse hält auch Löschner für essentiell, sonst seien die neuen Strukturen sofort wieder in ihrem Bestand gefährdet.

Zusammenlegung bringt Stellenabbau mit sich

Wenige Tage nach der Anhörung traf sich der Koalitionsausschuss, um eine Entscheidung über die weitere Vorgehensweise zu treffen. Das Ergebnis: Sowohl das Modell der zwei Landesopern als auch das „Zwei-Staatstheater-Modell“ sind in der engeren Auswahl und sollen weiterentwickelt werden. Beiden Modellen gemeinsam ist die Aussicht auf Personalabbau durch Stellenkürzungen, eine mehrheitliche Trägerschaft des Landes sowie die Voraussetzung, dass in Rostock ein Theaterneubau vorgenommen wird.

Die Einrichtung von zwei Landesopern würde bedeuten, dass die Rostocker und Schweriner Sparten Konzert und Musiktheater miteinander fusionieren und eine Landesoper bilden. Die Zweite wird aus den jeweiligen Sparten des Theaters Vorpommerns sowie Neubrandenburg und Neustrelitz gebildet. Die übrigen Sparten wie Schauspiel und Ballett bleiben an allen Spielorten bestehen. Der Einspareffekt wird auf 9,8 Millionen Euro geschätzt, indem unter anderem rund 160 Arbeitsplätze abgebaut werden. Die restlichen 2,2 Millionen Euro müssten dann bei den anderen Sparten gekürzt werden.

Die zweite Lösungsmöglichkeit, die die Landesregierung anvisiert, ist der Aufbau von zwei Staatstheatern. Diese würden aus einer Fusion der Theater Schwerin und Rostock zum einen sowie des Theaters Vorpommern und der Theater- und Orchestergesellschaft Neubrandenburg/Neustrelitz hervorgehen. Der Personalabbau würde sich dabei in einer Größenordnung von ungefähr 220 Stellen bewegen, was zu der Einsparung von rund 13 Millionen Euro pro Jahr beitragen würde.

Distanzen werden zu groß

Trotz des großen Stellenabbaus könne ein gleichwertiges Programm angeboten werden, schreibt die Unternehmensberatung in ihrem Abschlussbericht. „Das halte ich für Zweckoptimismus“, kontert Löschner. Er rechnet hingegen damit, dass das Angebot ausgedünnt werde und die schon bestehenden Lücken im Spielplan sich noch vergrößern würden. „Es passiert sogar jetzt schon mal, dass wir an einem Freitag oder Samstag auch hier in Greifswald nichts anbieten können, weil wir keine Kapazitäten haben. Und das würde sich dann häufen“, so der Intendant Löschner.

Ein weiterer Kritikpunkt sind auch die großen Distanzen zwischen den einzelnen Theaterstandorten. Schon jetzt gebe es laut dem Geschäftsführer der Deutschen Orchestervereinigung Gerald Mertens so viele Programme, dass die Orchester am unteren Rand der Spielfähigkeit seien. Auch Löschner befürchtet, dass die zusätzlichen Reisedienste die Kapazitäten auffressen würden. Man müsste beispielsweise den Einsatz des Orchesters stark auf die einzelnen Standorte aufteilen.

Bei einer Fusion der Theater liegen die Spielorte in verschiedenen Landkreisen, wodurch man noch mehr von der Idee des Stadttheaters abkommt, was auch Berger kritisch sieht: „Die Theater sind für die jeweiligen Regionen sehr identitätsstiftend und deshalb gibt es eine große Verbundenheit der Menschen  mit ‚ihrem’ Theater.“ Durch den größeren Einzugsbereich könne das Angebot nicht mehr speziell auf eine Stadt und ihr Publikum zugeschnitten werden, gibt Löschner zu bedenken: „Man kann dann keine stadtrelevanten Themen mehr aufgreifen und muss sich an dem Gros der Abnehmerstädte orientieren.“

Bis Ende des Jahres will die Landesregierung eine Entscheidung gefällt haben. Brodkorb bleibt bei diesem Ziel nicht mal mehr ein Monat Zeit, um mit den Trägern der Theater zu sprechen. „Das halte ich für völlig unrealistisch“, konstatiert Löschner. Er selbst rechne mit mindestens einem halben Jahr, in dem man sich intensiv mit den Modellen auseinander setzen müsse, um auf ihrer Grundlage praktikable Betriebsmodelle für die jeweiligen Theater ausarbeiten zu können.

Ein Bericht von Katrin Haubold & Susanne Triesch; Portraitfoto von Katrin Haubold