Der König des Greifswalder Deutsch-Raps

Der König des Greifswalder Deutsch-Raps

Diese Ausgabe der moritz.playlist ist eine besondere. Heute geht es um jemanden, der in seiner Musik einen unvergleichbaren Bezug zu seiner Heimatstadt herstellt. Er ist der Greifswalder Deutsch-Rapper. Der König des Greifswalder Deutsch-Raps, wenn man so will und ich habe mich mit LEX177 auf ein Interview getroffen.

Wie wir den König gefunden haben

Einleitend möchte ich aber eine Geschichte erzählen. Sie beginnt an einem Donnerstag, kurz vor 19:15 Uhr. Eine Redaktionssitzung des webmoritz. steht an. Um aber die Zeit zu überbrücken und auch um ein wenig zu socializen, werden meisten lustige Videos auf YouTube geschaut. Gut, zugegeben, meist finden nur die Chefredakteure diese lustig, das ist aber ‘ne andere Geschichte. Auf jeden Fall sollte ein Video mit Bezug zu Greifswald über den Beamer flimmern. Also Greifswald in die Suchleiste eingeben und der dritte Suchvorschlag war “Greifswald Rap”. Wir wurden neugierig. Und dann fanden wir ihn. Den Track “Ich bin Greifswalder”. Zugegeben; den Reupload. Wir hatten in der Gruppe direkt einen Gedanken. Ein Interview wäre mega. Als wir dann wussten, wer der Urheber dieses Meisterwerkes ist, war klar: es wird eine moritz.playlist geben.

Wie der König zu rappen begann

Wir machen eine kleine Zeitreise ans Ende der 90er. LEX177 ist zu diesem Zeitpunkt fünf oder sechs Jahre alt. Als Geschenk seiner Schwester bekommt er das Album „Flesh of my Flesh, Blood of my Blood“ von DMX in die Finger. Nach eigener Aussage habe „er nicht geschnallt, was da erzählt wurde“. Aber gerade der „Groove und die Energie dahinter“ hatten es dem kleinen Lex angetan. Bis heute zähle DMX zu seinen absoluten Lieblingsrappern. LEX177 beginnt also schon früh mit dem bloßen Hören von Rap. Die spätere Ära um die 2000er herum war der bloße Traum für ihn.

[Die] 2000er Ära mit Eminem und 50 Cent […] war die Definition von Coolness und das wollte ich sein.

LEX177

Den Entschluss gefasst, selber mit dem Rappen anzufangen, habe er, als er “Mein Block” von Sido in die Hände bekommen hatte. Der allererste Text aus seiner Feder ging dann auch gleich um eine ominöse Stadt mit dem Greifen, weil über seinen Block zu schreiben nach seiner Aussage keinen Sinn ergeben habe.

Was soll ich erzählen? Meine Nachbarin ist 70 und bringt uns Mittagessen vorbei, ist ja totaler Quatsch, will kein Mensch hören. Also habe ich meinen ersten Text über Greifswald geschrieben. […] Dann standen da halt so Sachen drin, wie: ich treffe mich mit meinen Freunden und wir fahren BMX.

LEX177 über seinen ersten Text

Zeitlich befinden wir uns im Dezember 2005. Erste Aufnahmen machte LEX177 2007 mit einem Headset. Thematisch ging es nach seiner Aussage amerikaorientiert zu. So wusste er, dass er das darstellen wolle, was die Amerikaner darstellen.

Ich will Wert auf Klammotten legen. Schon die Frauenthemen haben, auch mit 13, 14, [..] Ketten. Alles. Hauptsächlich Amerika.

LEX177 über seine ersten Anfänge

Aber eins war ihm damals und ist ihm heute immer noch wichtig: Dass er “keinen Scheiß erzählt”. Wenn er kein Geld habe, könne er nicht rappen, dass er Geld habe, so LEX177 weiter.

So sind damals schon die Tracks vor 2007 entstanden. Mit ein paar Freunden seien sie damals durch die Stadt gelaufen, hätten Videos gedreht und ihre Texte in die Kamera gerappt, ohne Beat, nur der rohe Rap. So hätten sie am Ende ihr Album gehabt und dieses auch auf DVD verewigt. Ab 2007 wurden dann auch die ersten Songs, immer noch mit Headset aufgenommen, für 3€ in seiner Schulklasse verkauft. Ab 2008 sind dann die ersten Tracks als Free-Download erschienen. Möglich war dies, weil LEX177 sich genügend Geld für eben erwähntes Headset zusammengespart und seine Schwester ihm Magics Music Maker geschenkt hatte.

Eigentlich ist alles immer rausgekommen. Irgendwie. Ob als CD oder als Free-Download im Internet. Irgendwie kam es immer raus.

LEX177 auf die Frage, ob Rap erst nur eine Sache für sich war oder ob er auch gleich seine Tracks veröffentlichte.

LEX177 beginnt also, erste Tracks zu veröffentlichen. Damals noch bis zu drei Mixtapes im Jahr. Dass man so viele Songs produzieren konnte, habe daran gelegen, dass man zu einem keine hauseigenen Produzenten gehabt habe und Zeit bei den Beats sparte.

Wir hatten ja keine hauseigenen Produzenten. Das heißt: wir haben uns die Beats von den Amerikanern gerippt und haben die Instrumentals heruntergeladen oder sind extra in den MediaMarkt gelaufen und haben die Maxi Single gekauft, weil meistens das Instumental da mit drauf war.

LEX177 dazu, wie ein Track damals entstanden ist

Wie heute ein Track entsteht

Heute sei die Arbeitsweise eine ganz andere. Anfangen würde es damit, das LEX177 heute keinen fertigen Beat mehr habe, sondern LEX177 baut sich ein Sample zusammen, schreibt den Text und lässt seinen Produzenten TyZe die Magie machen und einen Beat bauen.

Dann sitzt du schonmal zwischen einer und vier Stunden an nem Beat. Aufnehmen ist immer ruckzuck. Ich bin One-Taker. Aufnehmen ist ne Sache von zehn, fünfzehn Minuten. Je nachdem, ob wir viel mit Effekten arbeiten.

LEX177 über den Prozess hin zu einem fertigen Song

Mit TyZe arbeitet LEX177 seit 2015 zusammen. Die “Geheimformel” für ihre Zusammenarbeit auf Augenhöhe sei, dass man die Meinung des anderen gelten lasse.

Er ist viel wichtiger als ich. Also da spiel ich mich gar nicht auf. Also Rapper gibt’s wie Sand am Meer, aber [nicht] so einen Produzenten. TyZe ist schon Bombe.

LEX177 über den Stellenwert von TyZe

Neben TyZe und LEX177 ist aber noch eine weitere Person an den Tracks beteiligt. Rico Scheunemann, von 25ART, als Videograph.

Heutzutage machst du ja nicht mehr die Über-High-Budget Videos. Du versuchst halt, das Beste rauszuholen mit dem, was du hast. Wir haben einfach ne stabile Kamera und wenn auch noch das Licht stimmt und die Story hinter dem Video stimmt, kann dann gar nichts mehr schiefgehen. Du brauchst nicht viel.

LEX177 auf die Frage, warum er kein riesiges Kamerateam hat

Auch sei Rico Scheunemann “ein Genie” und liebe das Anfertigen von Musikvideos.

Früher habe ich keinen rangelassen. Da war [es] so: “Ok, Ey film mal, aber gib mir das alles. Ich schneid’ das”. Weil ich keinem vertraut hab. Heute ist [es] so: Rico macht das schon.

LEX177 über sein Vertrauen in die Arbeit von Rico Scheunemann

Wie der König zum König wurde

Bekannt wurde LEX177 gerade in Greifswald und Umgebung durch seinen Song “Ich bin Greifswalder”. Eine Lobenshymne auf die Hansestadt. Ein Song, der nach Meinung von LEX177 gerade aufgrund des Gemeinschaftsgefühls funktioniert habe. Damals hätten sie nicht gewusst, dass der Song so funktionieren würde.

Wir haben das Video nur gemacht, weil ich Werbung für mein Album brauchte. Weil ich mein Album angekündigt habe und ich hatte noch keine Single draußen, kein Video, nichts. Und dann saß uns die Zeit im Nacken und dann war so: Kacke, was machen wir? Das einfachste was geht ist, schnappt dir die Kamera und wir rennen durch Greifswald und filmen die Stadt. Mach den “Ich bin Greifswald”-Song, “Ich bin Greifswalder”. Und er hat gezündet.

LEX177 über die Entstehung des Videos zu “Ich bin Greifswalder”

Der breiten Masse ist LEX177 gerade aber noch unter seinem alten Namen “RohlexXx” aus Battle-Rap Turnieren, wie dem JBB oder dem JMC bekannt. Dort trat er nicht unerfolgreich an. Auch sei die Aufmerksamkeit, die ihm durch das Publikum, welches teilweise jenseits der Million lag, später vorteilhaft für Bookings geworden.

Aufgrund der JBB-Geschichte, weil das ja auch nochmal Millionen von Klicks sind, konntest du halt auch dementsprechend die Gagen anpassen und die Anfrage war halt höher.

LEX177 über die Nachwirkungen seiner Teilnahmen

Im Verlauf der Zeit wollte LEX177 aber nicht mehr nur mit Battle-Rap in Verbindung gebracht werden. Weshalb er sich zu einem drastischen Schritt entschied. Er macht einen klaren Cut. Löscht den YouTube-Kanal und ändert seinen Namen. Aus “RohlexXx” wurde “LEX177”.

Ich wollte irgendwann mit diesem nur Battle-Rap [aufhören]. “Du kannst nur Battle-Rap”, [damit] wollte ich nicht mehr so hardcore in Verbindung gebracht werden. Es war irgendwann so: Ey, ich hab auch andere Songs. Ich kann nicht nur die Mutter von dem und dem, ich kann nicht den ganzen Tag nur batteln, ich hab auch ein bisschen was zu erzählen und das hat aber keinen Anklang gefunden. Also dachte ich: Ok, mach ich Reset.

LEX177 über seine Beweggründe

Die Entscheidung habe er sich gut überlegt und den Gedanken des Resets schon länger gehabt, aber sich dennoch die Entscheidung nicht leicht gemacht.

Ich habe schon viel länger mit dem Gedanken gespielt, mich aber nie getraut, weil da ja auch was dran hing. Ich hab den Kanal seit 2009 gehabt, da war “Ich bin Greifswalder drauf” mit am Ende 150.000 Klicks. Das war halt für uns das Ding, für uns hier alle. Ich weiß nicht, wie viele Abonnenten, 7.000 oder so. Damals war es halt alles krass irgendwie. Und dann war aber so: Ey, ich kann jetzt den tollsten Song der Welt hochladen und dir von meinem Herzschmerz erzählen, aber es juckt dich einfach nicht, weil ich darauf niemanden beleidige oder battle, weil ich immer nur der Battle-Rapper bin und dann hab ich die Schnauze voll gehabt.

LEX177 über die Entscheidungsfindung zum Reset

Der endgültige Cut sie bei dem ersten Release bei TyZe im Studio dann passiert. Bei der “RedCup”-EP. Da habe man dann gemerkt, dass diese nichts mehr mit RohlexXx zu tun habe.

Was man noch erwarten kann

Aktuell arbeitet LEX177 im Rahmen seiner neuen EP an einem Mammutremix eines Songs mit 19 weiteren Künstlern. Daneben laufen die Arbeiten an seinem neuen Album “Zuhause”. Und natürlich dürfen auch Liveauftritte nicht fehlen. Der nächste Auftritt findet bereits am 16.03.24 in der Kulturvilla hier in Greifswald statt.

Die Top 3 Tracks des LEX177

Abschließend wollte ich von LEX177 wissen, welche seine eigenen Track für ihn persönlich die Top 3 darstellen. Die Wahl fiel auf die Tracks “Zuhause”, “Trigger” und “Eine Millionen”.

“Zuhause”. Ein Track, der noch nicht veröffentlich ist und als Intro des demnächst erscheinenden gleichnamigen Albums dient.

“Trigger”. Ein “Rumprollsong des Grauens”, wie LEX177 ihn selbst beschreibt. Aber dies würde auf eine lustige Art und Weise geschehen mit brutal stumpfem Humor, dem er freien Lauf gelassen habe.

“Eine Millionen”. Ein Track, den LEX177 seinen Eltern widmet und bei dem das gesamte Musikvideo ein Zusammenschnitt aus alten Videos aus seiner Kindheit sind.

Meine Eltern sind alles für mich. Natürlich muss ich den Song nehmen.

LEX177 über den Song “Eine Millionen”

Abschließend bleibt mir nur, mich bei LEX177 für das Interview zu bedanken. Also, vielen Dank! Natürlich hoffen wir auch, dass wir euch einen lokalen Künstler nähergebracht haben. Kennt ihr denn noch mehr Künstler*innen? Dann schreibt sie uns gerne in die Kommentare.

Beitragsbild: Jan-Niklas Heil

Die musikalische Revolution eines genialen Exzentrikers: Aphex Twin

Die musikalische Revolution eines genialen Exzentrikers: Aphex Twin

Selbst in der Welt der Musik gibt es Figuren, die das gewohnte Bild auf den Kopf stellen. Einer von ihnen ist Richard David James, ein irischer Musiker, Komponist und DJ, der in Großbritannien geboren wurde. Dennoch nennt ihn kaum jemand bei diesem Namen. In der Musikgemeinschaft bleibt er für immer Aphex Twin oder AFX.

Seine Biografie ist ebenso ungewöhnlich wie sein Schaffen. Bei seiner Geburt erhielt er den Namen Richard, den sein verstorbener Bruder trug. Dies geschah auf Wunsch seiner Mutter, die den Tod des Bruders nur schwer akzeptieren konnte und daher ihrem Sohn einen ähnlichen Namen gab. Als Kind, das von der Welt abgeschottet aufwuchs, experimentierte der junge Richard schon früh mit Musik.

Seine Karriere begann er in Cornwall im Südwesten Großbritanniens, wo er auf kostenlosen, geheimen Partys auflegte. Diese Partys wurden mit Cannabis bezahlt. Die erste dieser Partys fand noch in einem Schuppen statt. Trotz ihrer Wildheit erinnert er sich gerne an diese – an die “beste Zeit”. Nach seinem ersten EP-Debüt unter dem Namen “Analogue Bubblebath” im Jahr 1991 begann er seine Reise durch das Vereinigte Königreich und Europa. In seiner Musik kombinierte er verschiedene Genres der elektronischen Musik wie Techno, Ambient und Jungle.

Besonders bemerkenswert ist sein Debüt-Ambient-Album “Selected Ambient Works 85-92”, das als innovativ und wegweisend galt und bis heute als bedeutend angesehen wird.

“Xtal” gibt mir ein Gefühl von Frische, als ob reines Wasser durch meine Ohren fließen würde. Witzigerweise, kann man viele seine Tracks in speed up, oder slowed an machen und sie werden sich immer noch gut anhören.

Wenn man weiter über Technomusik diskutieren möchte, lohnt es sich, die “Digeridoo EP” zu erwähnen, die 1992 veröffentlicht wurde. Zusammen mit anderen Künstlern wie Plastikman, Hardfloor und Dave Clarke gilt Aphex Twin als Pionier des Acid-Techno-Genres.

Seine Popularität schoss in den späten 90ern regelrecht in die Höhe, als James sogar für MTV Interviews gab.

In späteren Interviews äußerte er, dass er ungern Kommentare abgibt und der Meinung ist, dass über elektronische Musik nicht diskutiert werden sollte.

Elektronische Musik ist zu abstrakt, und man unterhöhlt sie, wenn man darüber spricht.

Aphex Twin

Es ist auch wichtig anzumerken, dass seine Musikcover eine unglaubliche Kraft und Geschicklichkeit in der Komposition aufweisen. Sogar seine Alben beginnen mit spöttischen Konturen und witzigen Titeln wie “I Care Because You Do”, “Wax the Nip” und “Alberto Balsalm”, die nicht nur wegen ihrer guten Musik, sondern auch wegen ihrer amüsanten Namen gehört werden sollten. Sein Track “Ventolin” ist mit Geräuschen gefüllt, die an Noise-Musik von Künstlern wie Merzbow oder Masonna erinnern.

Er fordert seine Zuhörer heraus und prüft ihre Festigkeit und Treue, was natürlich nur zu einer Verschärfung des Fankults führt. Einige seiner Musikvideos erzeugen stilles Entsetzen und schreien “Was zum Teufel”, wie z.B “Come to Daddy”. Gleichzeitig überrascht es andererseits, wie er mit so naiven Tricks die Trägheit einiger Zuhörer*innen ausnutzt, die sich nicht weiter mit der Musik auseinandersetzen.

Die Musikvideos sind im Horrorstil gerahmt, enthalten jedoch ironische Elemente, die sie weniger gruselig machen.

1993 unterzeichnete er einen Vertrag mit Warp Records und veröffentlichte mehrere Veröffentlichungen unter dem Namen Polygon Window. Er konzentrierte sich auch auf die Veröffentlichung von Musik unter dem Namen AFX und The Tuss, später unter seinem eigenen Label Rephlex.

In den letzten Jahren wurde er vor allem durch TikTok und Instagram Reels beliebt. Sein Track “Avril 14th” ist besonders erwähnenswert.

Doch auch abseits der Musik inszeniert sich Aphex Twin als recht mystischer Künstler durch unterschiedlichste Performances. Der Zugang zum zukunftsrechten Teaser seines Albums “Blackbox Life Recorder 21f/in a room7 F760” wurde über Poster vermittelt, deren Zugang über QR-Codes möglich war.

Letztendlich fragt man sich, was sein Logo bedeutet.

“Es ist der Buchstabe A, aber isoliert betrachtet ist es nicht wirklich ein Buchstabe, sondern eher ein geheimnisvolles Symbol, eine organische Raumgestalt aus einer anderen Welt.”

Aphex Twin

Das Logo spiegelt in Fülle und Gänze seine Musik und seine Identität wider.

Man kann nur darauf warten und hoffen, dass Aphex Twin auch in Zukunft neue, kreative Meisterwerke schafft und in der Zwischenzeit können wir die Werke genießen, die wir schon haben.

Für mich ist er die Musik der reinen Liebe, Ehrlichkeit und die seelische Begleitung, eine Art Spirit Animal in der Musikwelt, der tröstet, wenn es einem schlecht geht, Kraft in manischen Phasen für kreativen Schub gibt oder mich bei meinen Gedanken während eines abendlichen Spaziergangs begleitet.

Beitragsbild: 453169 auf pixabay

Adventskalender-Türchen 4: moritz.playlist: Rolf Zuckowski

Adventskalender-Türchen 4: moritz.playlist: Rolf Zuckowski

Musik – Töne mit Zusammenhang, oder gerne auch ohne. Im Prinzip systematischer Krach. Jede*r hat schon mal Musik gehört, aber was ist die Geschichte hinter den einzelnen Stücken, auch Lieder genannt, und womit verbinden wir sie? Was lösen sie in uns aus, und wer hat sie erschaffen? webmoritz. lässt die Pantoffeln steppen, gibt vor, was angesagt ist, und buddelt die versteckten Schätze aus. Unsere Auswahl landet in eurer moritz.playlist.

Die Vorweihnachtszeit ist geprägt von thematisch passender Musik, welche im Radio und auf Weihnachtsmärkten auf- und abgespielt wird. Ein deutscher Künstler hat es dabei geschafft, Generationen mit seinen Weihnachts- sowie auch Kinderliedern zu prägen: Rolf Zuckowski. Mit seinen Liedern hat er seit über 40 Jahren nicht nur die Kindheit vieler musikalisch untermalt, sondern den Kindern auch durch kleine versteckte Lehren das alltägliche Leben nähergebracht. 

Musikalischer Anfang

Rolf Zuckowski wurde am 12. Mai 1947 in Hamburg geboren. Schon während seiner Schulzeit sammelte er mit seiner Band „The beAthovens“ musikalische Erfahrungen. Diese gewann im Jahr 1966 bei einem Bandwettbewerb nicht nur einen Plattenvertrag, sondern bekam auch die Möglichkeit, im Vorprogramm der „Beach Boys“ aufzutreten. Im darauffolgenden Jahr erschien das erste und einzige Album der Band mit dem Titel „Happy To Be Happy“, bevor sich die Band 1968 letztendlich auflöste. 
Zuckowski studierte nach seiner Schulzeit Betriebswirtschaftslehre in Hamburg und schloss das Studium 1972 mit Diplom ab. Anschließend wurde er Assistent der Geschäftsführung im Musikverlag Hans Sikorski. Er schrieb Texte für andere Künstler und konnte sich als Produzent und Dirigent über Erfolge beim Eurovision Song Contest freuen.

Vom Familienvater zum erfolgreichen Kinderliedermacher 

Mit der Geburt seiner Kinder in den 1970er Jahren wandte sich Zuckowski immer mehr der Kindermusik zu. Seine Kinder sangen auch viele der Lieder mit ihm zusammen ein und sind auf den Alben zu hören. 
Zuckowski wollte mehr Alltägliches in die Welt der Kinderlieder einführen, da nach seinem Geschmack die alten Lieder wenig mit dem zu tun hatten, was die Kinder im Alltag erlebten. Seine Musik handelt von Themen wie den unterschiedlichen Jahreszeiten und ihren Festen, der Natur, dem Umgang miteinander sowie auch Verkehrssicherheit. Er versucht außerdem, durch Lieder wie Ich schaff‘ das schon, welches durch seinen Sohn inspiriert ist, den Hörer*innen Mut zu machen und ihnen wieder aufzuhelfen. 

Sein erstes Album für Kinder, „Rolfs Vogelhochzeit“, produzierte er im Jahr 1977.  Das Album basiert auf der Bilderreihe „Der Vogelkreislauf“ von Peter Meetz, einem weiteren ehemaligen Bandmitglied der „The beAthovens“. Die Bilder hat dieser im Rahmen seines Studiums zum Graphikdesigner erstellt. Zuckowski kreierte basierend auf diesen Bildern eine Liedergeschichte, die von einem Vogelmännchen handelt, welches nach einem Weibchen sucht und nach erfolgreicher Suche mit ihm Hochzeit feiert. Das Vogelpärchen bekommt Nachwuchs, welcher am Ende der Geschichte auch nach einem Partner sucht.  Der Name „Rolfs Vogelhochzeit“ wurde ausgewählt, um sich von der traditionellen Vogelhochzeit abzugrenzen. Das Album war sehr erfolgreich und wurde Ende der 1980er für das Kinderprogramm des ZDF verfilmt. 

Durch Sendungen beim Radio Luxemburg sowie Auftritte bei der Fernsehsendung „Wetten, dass…?“ stieg der Bekanntheitsgrad von Zuckowski in den 80er Jahren rasant an. Lieder wie Du da im Radio sowie …und ganz doll mich erlangten große Bekanntheit. 
Vor 40 Jahren, im Jahr 1983, entstand aus der Feder von Peter Maffay, Rolf Zuckowski und Gregor Rottschalk der kleine grüne Drache Tabaluga, der die Welt entdeckt. Die drei entwickelten um die Figur ein Rockmärchen für Kinder, welches zunächst nur ein Album werden sollte, aber aufgrund des Erfolges wird die Geschichte um den kleinen Drachen bis heute immer noch weitererzählt.

Eines seiner bis heute erfolgreichsten und gleichzeitig eines der erfolgreichsten deutschen Weihnachtsalben ist das 1987 erschiene Album „Winterkinder“. Neben eigenen neuen Liedern finden sich auf diesem Album auch Cover von traditionellen Weihnachtsliedern wie Leise rieselt der Schnee oder Kling Glöckchen. Das Album behandelt Themen wie das sehnsüchtige Erwarten von Schnee (Winterkinder), das Chaos in der Küche, welches beim Plätzchenbacken entsteht (In der Weihnachtsbäckerei) und die generelle Vorfreude auf Weihnachten (Auf der Suche nach Weihnachten). Seit 2010 findet sich das Album jährlich zur Weihnachtszeit in den deutschen Top 100 Albumcharts wieder und ist eines der meistverkauften Weihnachtsalben in Deutschland. 

Rolf Zuckowski veröffentlichte außerdem neben seiner Kindermusik seit 1985 auch Alben für Erwachsene und gründete 1995 sein eigenes Musiklabel „Musik für dich“.  Insgesamt veröffentlichte er über 40 Studioalben und zusätzlich dazu noch Noten, Bücher und Musikfilme. Er war regelmäßig auf Tour und trat in Fernsehsendungen auf, bevor er sich 2012 aus dem Showgeschäft zurückzog. Seitdem tritt er nur noch vereinzelt zu besonderen Anlässen beziehungsweise für gemeinnützige Zwecke auf.  2022 erschien seine Biografie „Ein bisschen Mut, ein bisschen Glück. Mein musikalisches Leben“, in der er auf über 40 Jahre Musikkarriere zurückblickt. 

Soziales Engagement

Neben seiner Musik ist Zuckowski auch sozial sehr engagiert. Abseits der Musik setzt er sich im Sinne der Kinder ein. So unterstützt er unteranderem die SOS-Kinderdörfer und mehrere Kinderhospize. 
Des Weiteren setzt sich Zuckowski für die musikalische Förderung junger Musiker*innen und Kinder ein. Dafür gründete er die Stiftung „Kinder brauchen Musik“, diese setzt sich unter anderem dafür ein, dass auch Kinder aus benachteiligten Verhältnissen die Möglichkeit bekommen, Musik zu machen und zu erleben. Für seinen unermüdlichen Einsatz für die musikalische Bildung wurde er 2005 mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande gewürdigt und bekam 13 Jahre später das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse. 

In der Weihnachtsbäckerei

Das wohl bekannteste Weihnachtslied Rolf Zuckowskis, das man mittlerweile auch als Klassiker deutscher Weihnachtsmusik bezeichnen kann, ist das Lied In der Weihnachtsbäckerei. Es erschien 1987 auf dem Album „Winterkinder“ Entstanden ist das Lied auf einer Autofahrt, nachdem Zuckoswkis Frau ihm am Telefon erzählt hat, dass sie und die Kinder gemeinsam Plätzchen backen.

Ich verbinde kein anderes Lied so sehr mit der Vorweihnachtszeit wie dieses. Bereits wenn die ersten Töne erklingen, bekomme ich ein nostalgisches Gefühl, welches mit dem Geruch von frisch gebackenem Stollen sowie dem Glücksgefühl, erfolgreich den rohen Keksteig aus der Schüssel auf dem Küchentisch stibitzt zu haben, verbunden ist. 
Das Lied handelt vom Chaos, welches beim Plätzchenbacken ohne Rezept entsteht, da dieses abhandengekommen ist. Letztendlich verbrennen den Bäcker*innen die Plätzchen im Ofen, aber dennoch wird der Zuhörenden die Freude am gemeinsamen Backen vermittelt. Außerdem sind kleine Lehren für Klein und Groß in den Text mit eingebaut, wie zum Beispiel vorsichtig mit Eiern umzugehen oder sich die Hände zu waschen. 

„Sind die Finger rein? 
Du Schwein.“ 

In der Weihnachtsbäckerei (1987)

Aus dem Lied entstand 2019 das gleichnamige Musical, welches zur Weihnachtszeit aufgeführt wird. Es handelt von drei Geschwistern, deren Eltern aufgrund von Schnee nicht rechtzeitig nach Hause kommen können, um die Weihnachtsleckereien zu backen. Mit viel Chaos und Improvisation übernehmen deshalb die Kinder diese Aufgabe. 

Es schneit 

Ebenfalls auf dem Album „Winterkinder“ erschien das Lied Es schneit. Es handelt von der kindlichen Freude, die entsteht, wenn die Umgebung von einer Schneedecke bedeckt ist und die graue triste Welt durch eine glitzernde weiße Pracht ersetzt wurde. 

„Aus grau wird weiß, aus laut wird leis
Die Welt wird zugedeckt
Und von der Frühlingssonne
Wird sie wieder aufgeweckt“

Es schneit (1987)

Zuckowski erfasst in dem Lied die Gedanken, die Kinder beim Anblick von Schnee bekommen: ans Rodeln, Schneemänner-Bauen und an Schneeballschlachten. 

Zuckowski schafft es, in seinen Liedern nicht nur Kindern, sondern auch Erwachsenen Freude auch in tristeren Zeiten zu schenken, was seine Musik für mich immer besonders machte. Die Musik von Rolf Zuckowski ist ein großer Teil der Kindheit von vielen und ruft bei Erwachsenen nostalgische Gefühle hervor. Doch auch wenn man nicht mit seiner Musik aufgewachsen ist, kann ich nur empfehlen, sich ein paar seiner Lieder anzuhören und vor allem während der Weihnachtszeit nicht auf das Album „Winterkinder“ zu verzichten. 

Beitragsbild: Laura Schirrmeister

moritz.playlist: Slipknot

moritz.playlist: Slipknot

Musik – Töne mit Zusammenhang, oder gerne auch ohne. Im Prinzip systematischer Krach. Jede*r hat schon mal Musik gehört, aber was ist die Geschichte hinter den einzelnen Stücken, auch Lieder genannt, und womit verbinden wir sie? Was lösen sie in uns aus und wer hat sie erschaffen? webmoritz. lässt die Pantoffeln steppen, gibt vor, was angesagt ist, und buddelt die versteckten Schätze aus. Unsere Auswahl landet in eurer moritz.playlist.

In der weiten und vielfältigen Welt der Musik gibt es Bands, die nicht nur Klänge erzeugen, sondern auch ganze Bewegungen formen. Eine solche Band ist zweifellos Slipknot. Mit ihrer einzigartigen Kombination aus intensiven Klängen, verstörenden Masken und explosiver Live-Performance haben sie nicht nur das Genre des Nu-Metal geprägt, sondern auch eine treue Anhängerschaft rund um den Globus erobert. Slipknot etablierte sich nicht nur als eine der einflussreichsten Metal-Bands, sondern auch als eine Quelle der Inspiration für Generationen von Musiker*innen und Fans. Egal, ob man von ihren energiegeladenen Konzerten, den tiefgründigen Texten oder der künstlerischen Innovation fasziniert ist – Slipknot ist zweifellos eine Band, die ihre Spuren in der Musikgeschichte hinterlassen hat und weiterhin hinterlassen wird!

Die Anfänge von Slipknot

Die Ursprünge von Slipknot reichen zurück ins Jahr 1995, als sich in Des Moines, Iowa, eine Gruppe von unkonventionellen Musikern zusammenfand, die entschlossen waren, eine völlig neue Art von Metal zu erschaffen. Die Bandmitglieder trugen von Anfang an nummerierte Overalls und maskierten sich, was nicht nur zur Essenz ihrer Identität, sondern auch zu einem visuellen Markenzeichen werden sollte. Doch erst im Jahre 1999 gelang ihnen mit ihrem selbstbetitelten Debütalbum Slipknot der Durchbruch. Die Mischung aus aggressiven Riffs, donnernden Schlagzeugen und der charakteristischen Aggressivität von Sänger Corey Taylor schuf eine einzigartige Klanglandschaft, die die Hörer*innen sofort in ihren Bann zog.

Musikalische Entwicklung und Einflüsse

Im Laufe der Jahre hat sich die Musik von Slipknot kontinuierlich weiterentwickelt, ohne dabei ihre ursprüngliche Essenz zu verlieren. Elemente aus verschiedenen Genres wie Metal, Industrial und sogar Punk verschmelzen zu einem vielschichtigen Klangspektrum, das die Band vielfältig und innovativ erscheinen lässt. Alben wie Iowa, Vol. 3: (The Subliminal Verses) und All Hope Is Gone zeugen von dieser kreativen Vielfalt und Reife in ihrer Musik, während sie dennoch ihre rohe Intensität bewahren.

Masken, Musik und Mystik: Slipknots Einzigartigkeit

Was Slipknot von anderen Bands unverkennbar unterscheidet, sind nicht nur ihre musikalischen Innovationen, sondern auch die ikonischen Masken und Kostüme, die jedes Mitglied während ihrer Auftritte trägt. Die Masken dienen nicht nur dazu, die Anonymität der Band zu bewahren, sondern spiegeln auch die individuelle Persönlichkeit eines jeden Mitglieds wider. Sie verstärken die visuelle Dimension ihrer Performances und schaffen eine einzigartige Atmosphäre, die das Publikum von Anfang an in ihren Bann zieht. Die maskierten Gesichter werden zu Leinwänden für Ausdruck und Kreativität, während die Musik in den Ohren der Zuhörer*innen eine raue, aber dennoch kunstvolle Reise darstellt.

Ein Slipknot-Konzert ist weit mehr als eine bloße musikalische Darbietung. Es ist ein intensives Erlebnis, bei dem die Bandmitglieder ihre Energie und Leidenschaft direkt auf das Publikum übertragen. Die Kombination aus einer explosiven Bühnenshow, ausdrucksstarken Performances und der direkten Interaktion mit den Fans schafft eine Atmosphäre, die man nur schwer vergessen kann. Die Bühne wird zur Arena des Ausdrucks, in der sich die emotionalen Strömungen der Musik mit der Euphorie der Menge vereinen.

Snuff

Das allererste Lied, welches ich mir von der Band vor einigen Jahren angehört habe, war Snuff. Ein Song, der tief in die Seele eindringt und einen emotionalen Strudel auslöst. Dieses Lied zeigt eine ungewöhnliche Facette von Slipknot, eine Band, die oft für ihre Aggressivität und ihr gruseliges Aussehen – im Grunde der schlimmste Albtraum jeder Mutter – bekannt ist. Snuff ist aber ganz anders. Es ist eine ruhigere Ballade, die von verletzlicher Ehrlichkeit und Herzschmerz geprägt ist. Die sanfte Melodie, begleitet von Corey Taylors eindringlicher Stimme, schafft eine intime Atmosphäre, die die Hörer*innen in einen Strudel von Gefühlen zieht. Gääänsehaut pur garantiert!

Was Snuff besonders macht, ist die Art und Weise, wie die Bandmitglieder die Spannung zwischen der ruhigen Musik und den emotionalen Texten nutzen. Der Text drückt die Qual einer gescheiterten Beziehung aus und reflektieren die Dunkelheit der menschlichen Emotionen. Der Song gibt Raum für Selbstreflexion und ermöglicht es den Zuhörer*innen, sich in den lyrischen Zeilen zu verlieren. Snuff erinnert daran, dass Slipknot nicht nur laute Klänge, sondern auch tiefe Emotionen beherrscht.

Hintergrund des Liedes: Während der Vorbereitungen für ihr viertes Album All Hope Is Gone durchlebte Corey Taylor eine schmerzhafte Scheidung und Liebeskummer. Seine Depression zwang ihn förmlich dazu, sich auszudrücken. Taylor beschrieb die Trennung als eine der härtesten Enttäuschungen seines Lebens. Der Verlust fühlte sich an wie ein schmerzhaftes Loch in seiner Brust, und er musste mit diesen Gefühlen umgehen. Snuff wurde Coreys einzigartige Art, diesen Schmerz und die Wut auszudrücken. Im Gegensatz zu früheren Werken von Slipknot zeigt er hier eine melancholische und introspektive Seite anstatt reine Wut.

“It was one of the heaviest disappointments, one of the heaviest heartbreaks I had ever felt. It was one of those things where you knew you weren’t supposed to be together. There was just something there that felt so good and when it was ripped away from you, it just felt like there was a hole in your chest, and knowing that and having to discard those feelings was tough.”

Corey Taylor (2021)

Vermilion, Part 2

Ein Lied, was meiner Meinung nach auch unbedingt in der moritz.playlist drin sein muss, ist Vermilion Part 2. Falls du mal durch eine harte Trennung gehst oder gerade einfach Lust hast auf etwas Melancholie, dann solltest du unbedingt reinhören!

Das Lied ragt als ein markantes Beispiel für die Fähigkeit der Band heraus, komplexe Geschichten und Emotionen in ihrer Musik zu verweben. Dieser zweite Teil der Vermilion-Reihe ist eine düstere und eindringliche musikalische Odyssee und ein Beispiel dafür, wie Slipknot ihre musikalische Vielseitigkeit nutzen, um komplexe Emotionen auszudrücken. Der Song beginnt mit einer düsteren Gitarrenmelodie, die von einem tiefen Bass unterlegt wird. Corey Taylors Gesang drückt eine tief verwurzelte Verzweiflung und Dunkelheit aus, während er die emotionalen Hürden einer obsessiven Besessenheit thematisiert. Die Kombination aus den intensiven Klängen und Taylors Gesang verleiht dem Song eine Art hypnotische und unheimliche Qualität.

Vermilion Part 2 ist eine introspektive Auseinandersetzung mit den Schattenseiten der Liebe und des Verlangens. Der Text beschreibt eine düstere Sehnsucht nach einer verlorenen Liebe, die in einer Spirale aus Dunkelheit und Obsession gefangen ist. Die Zeilen sind von einer tiefsitzenden Melancholie durchzogen, die die Hörer*innen in eine emotionale Tiefe mitreißt. Die musikalische Gestaltung des Songs verstärkt die düstere Stimmung und lässt die Emotionen förmlich aus den Lautsprechern herausfließen.

Dieser Song ist mehr als nur Musik – er ist eine emotionale Reise, die die Hörer*innen dazu bringt, die dunklen Ecken der eigenen Gefühlswelt zu erkunden. Slipknot zeigt mit diesem Lied, dass sie nicht nur laute Härte bieten können, sondern auch in der Lage sind, musikalisch tiefgreifende Geschichten zu erzählen, die in der Seele widerhallen.

She is everything to me
The unrequited dream
A song that no one sings
The unattainable
She’s a myth that I have to believe in
All I need to make it real is one more reason
I don’t know what to do
I don’t know what to do
When she makes me sad

Vermilion Part 2 (2004)

Beitragsbild: Luuk Wouters auf Unsplash

moritz.playlist: Angels & Airwaves

moritz.playlist: Angels & Airwaves

Musik – Töne mit Zusammenhang, oder gerne auch ohne. Im Prinzip systematischer Krach. Jede*r hat schon mal Musik gehört, aber was ist die Geschichte hinter den einzelnen Stücken, auch Lieder genannt, und womit verbinden wir sie? Was lösen sie in uns aus und wer hat sie erschaffen? webmoritz. lässt die Pantoffeln steppen, gibt vor, was angesagt ist, und buddelt die versteckten Schätze aus. Unsere Auswahl landet in eurer moritz.playlist.

Menschen, die Musik wie blink-182, Box Car Racer, Thirty Seconds To Mars, Lostprophets, the Offspring oder American Hi-Fi hören, dürfte die Band Angels & Airwaves (kurz: ΛVΛ) nicht vollkommen unbekannt sein. Die ΛVΛ-Bandmitglieder spielten unter anderem in genau diesen genannten Bands. Der Frontsänger, Tom DeLonge, ist Gitarrist und Sänger der Bands blink-182 und Box Car Racer.

Doch auch Menschen, die weniger mit Skate-Punk, Pop-Punk oder Alternative Rock in Berührung gekommen sind, könnte die Band etwas sagen. Die beiden Songs Lifeline und Everything‘s Magic waren Teil des Soundtracks von Keinohrhasen, einem Film von Til Schweiger aus dem Jahre 2007. Auch in Schweigers 2011 erschienenen Film Kokowääh war mit Epic Holiday ein Song der amerikansichen Band zu hören. Damit wurden Angels & Airwaves in Deutschland ein wenig bekannter.

Spread Love Like Violence

ΛVΛ gründeten sich 2005 – kurz nach der Trennung DeLonges von blink-182. Bereits ein Jahr später erschien das erste Album We Don‘t Need To Whisper. Doch ΛVΛ machen nicht nur Musik, sondern auch Film- und Grafikprojekte. So erschien 2011 der von ΛVΛ produzierte Film Love, welcher Songs des gleichnamigen Albums enthält. Okay, eigentlich sind es zwei Alben: Love (2010) und Love: Part Two (2011). 2015 wurde dann das Projekt Poet Anderson veröffentlicht: Ein animierter Kurzfilm, ein Comic-Buch und – natürlich – das fünfte Studioalbum. 2021 hat die Band mit Lifeforms ihr bereits sechstes Studioalbum veröffentlicht. Zusätzlich erschienen drei EPs, darunter eine Acoustic EP mit Songs des ersten Albums.

Von dieser Acoustic EP – We Don’t Need To Whisper (Acoustic) – möchte ich den ersten Song für die moritz.playlist auswählen. Dieser Song ist The Adventure. Mit seinen positiven Lyrics ist das ein Song, den man immer wieder hören kann, wenn es einem gerade nicht so gut geht. Die Message des Songs ist auch unmissverständlich: Genieß das Leben mit den wunderbaren Menschen, die es begleiten und die dich unterstützen. Zusätzlich ist es eine Akustikversion, was dem Ganzen nochmal einen anderen Blickwinkel (oder Hörwinkel?) gibt.

Finding A Light In A World Of Ruin

Besonders faszinierend finde ich die Andersartigkeit der Musik. Wobei sie gar nicht so andersartig ist. Der Stil ist bekannt – aus den späten 60ern bis frühen 70er Jahren. Space Rock. Progressive Rock mit ein wenig mehr 21. Jahrhundert – Neo-Progressive Rock. Eine angenehme Abwechslung.

Für mich persönlich beschreibt der Song Spellbound vom 2021 veröffentlichten Album Lifeforms den Stil am besten. Schwerelos, synthetisch, ein ruhiger Beat, aber äußerst stark. Es wird das Gefühl vermittelt, man höre Musik aus einer anderen Zeit.

Ein weiterer Faktor, der definitiv hineinspielt: Ich mag Tom DeLonges Stimme wirklich sehr. Während er sich bei blink-182 den Gesang mit Mark Hoppus teilt, ist bei ΛVΛ ausschließlich seine Stimme zu hören. Großer Pluspunkt für Angels & Airwaves.

Doch auch die Lyrics treffen den (meinen) Ton. Meist handeln die Songs von Liebe oder Krieg oder beidem. Weswegen die Alben Love und Love: Part Two vermutlich lange Zeit meine favorisierten Alben zwischen all den Bands, die ich so höre, waren. Man kann mitsingen oder einfach nur zuhören und nachdenken. Es funktioniert einfach. Die beiden Alben waren jedoch auch melodisch ein kleines Meisterwerk und haben mich doch ein wenig an Pink Floyd erinnert. Abgelöst wurden die Love-Alben in meiner Favoritenliste übrigens von Lifeforms.

“The music of Love. It’s like blending Radiohead and U2 together with these kind of Pink Floyd movements. Things happen unpredictably and take you to these epic soundscapes. It’s very much in the spirit of Angels & Airwaves, but it sounds way, way more thought-out and way more ambitious.”

Tom DeLonge über das Album Love

Hope When Things Get Dark

Einen Song, den ich ganz dringend noch in diesem Artikel einbauen möchte, ist All That’s Left Is Love. Veröffentlicht wurde der Song im April 2020, direkt zu Beginn der COVID-19-Pandemie. Das Video folgte im Juni 2020. Die Einnahmen der Single gingen an Feeding America, speziell an deren COVID-19 Relief Fund.

Abgesehen davon, dass der Song aufgrund der Spendenthematik einen sehr netten Hintergrund hat, ist er auch wieder einmal lyrisch und melodisch ein Fest. Die Band hat es sich schon sehr früh zur Aufgabe gemacht, Liebe und Hoffnung auszudrücken und auszusenden. Mit dem Fortschreiten der Pandemie ist das ein noch wichtigerer Faktor geworden. Mit All That’s Left Is Love haben ΛVΛ genau für diesen Zweck eine hervorragende Hymne erschaffen.

Den letzten Song für die moritz.playlist stellt Shove dar. Mit einer ähnlichen Botschaft wie schon The Adventure trifft auch dieser Song meinen Nerv. Außerdem kann man bei Shove hervorragend mitsingen. Hört gern aber auch in weitere Songs der Band hinein, denn die hier ausgewählten vier Lieder sind wirklich nur eine kleine Auswahl.

She said show me the world that’s inside your head.
Show me the world that you see yourself, you could use some help.
‘Cause sometimes it comes with a shove, when you fall in love.

Shove (2010)

Beitragsbild: Tanner Vonnahme auf Unsplash

moritz.playlist – Vini Baby

moritz.playlist – Vini Baby

Musik – Töne mit Zusammenhang, oder gerne auch ohne. Im Prinzip systematischer Krach. Jede*r hat schon mal Musik gehört, aber was ist die Geschichte hinter den einzelnen Stücken, auch Lieder genannt, und womit verbinden wir sie? Was lösen sie in uns aus und wer hat sie erschaffen? webmoritz. lässt die Pantoffeln steppen, gibt vor, was angesagt ist und buddelt die versteckten Schätze aus. Unsere Auswahl landet in eurer moritz.playlist.

Habt ihr schon einmal von Vini Baby gehört? Nein? Nicht schlimm, denn das hat bisher kaum jemand. Auf Soundcloud hat sein meistgehörter Track gerade einmal 1.800 Plays, auf Youtube um die 2.000 Aufrufe. Ihr fragt euch bestimmt, warum ein bisher so unbekannter Künstler in der legendären moritz.playlist einen Platz bekommt. Ganz einfach: das Bauchgefühl des Autors ist der festen Überzeugung, dass der Berliner Rapper 2023 ziemlich steilgehen wird. Dieses Bauchgefühl manifestiert sich allein aus der heftigen Zuneigung, welche er dem Stil und den Texten des Künstlers gegenüber empfindet.

Vini Baby besitzt eine gute Beobachtungsgabe, sowie ein phantastisches Gespür für chillige Beats, welche in ihrer Lo-Fi-Ästhetik einen verdammt kühlen (im Sinne von “cool”) Vibe erzeugen. Wenn diese Lo-Fi-Beats mit der sonoren Stimme des Rappers vermischt werden, entsteht eine spannungsgeladene Melange, welche die Message des Künstlers erkennbar werden lässt.

Aber worin besteht diese Message? Lieder wie “Kiffer” oder “Jedes Mal” sind explizite Kritik an der Berliner Drogenkultur. In “Kiffer” singt er aus der Perspektive einer Person, die versucht vom Gras loszukommen. Er schildert Entzugserscheinungen und kritisiert die Verherrlichung der Droge, beispielsweise mit einer Referenz zu Sammy Deluxe’s Song “Grüne Brille”, in welchem ebenfalls ein ambivalentes Verhältnis zu Weed erkennbar ist.

Vini Baby grenzt sich vom hemmungslosen Konsum, der um ihn herum stattfindet, ab. Er kritisiert in “Toilette #3” die Gleichgültigkeit dieser Szene gegenüber Politik und Gesellschaft. Der Lieblingstrack des Autors – “Love in Berlin” – schlägt in diesselbe Kerbe. Der Rapper erzählt einen Schwank aus seiner Berliner Datingerfahrung der tief blicken lässt. Die Frauen, mit denen er sich im Song trifft, sind typische Berlin-Klischees; sexuell freizügig, Partydrogen nicht abgeneigt und mit einem fragwürdigen Verständnis von gesellschaftlichem Engagement. Sie sind Menschen, die vom hedonistischen Sog Berlins mitgerissen wurden und so jegliche eigene Identität abgelegt haben. Vini Baby ist unterschwellig angewidert von dieser homogenen Berliner Partyidentität seiner Dates. Im Refrain fleht er beinahe: “Ich will doch nur einen Mensch, der mich liebt…”.

Vini Baby steht noch ganz am Anfang seiner Rapkarriere, aber das was er in den letzten Monaten abgeliefert hat, macht ihn zu einem der vielversprechendsten Cloud- und Consciuosrapper im deutschsprachigen Raum. Falls euer Interesse geweckt ist, dann schaut gerne mal bei unserer moritz.playlist vorbei. Dort findet ihr eine erlesene Auswahl der Künstler*innen, welche die Redaktion des webmoritz. bewegt.

Beitragsbild: Elsa Olofsson (Unsplash)