Der webMoritz wünscht einen guten Rutsch ins Jahr 2011

Liebe Leser,

die webMoritz-Redaktion hofft, ihr und eure Familien hattet ein frohes und besinnliches Weihnachtsfest. Und wünscht nun einen guten Übergang ins Jahr 2011. Die Redaktion des webMoritz blickt auf ein ereignisreiches und erfolgreiches Jahr 2010 zurück. Für das Vertrauen und die Treue unserer Leser, aber auch für deren stete konstruktive kritische Begleitung unserer Arbeit, bedanken wir uns herzlich.

Gleichzeitig bitten wir um Verständnis dafür, dass der webMoritz über die Festtage keine oder kaum neue Artikel veröffentlichen wird – wichtige und dringende Nachrichten sind davon natürlich ausgenommen. Im neuen Jahr geht es dann genauso emsig weiter wie bisher.

Euer webMoritz-Team

Foto: Katharina Lutter (Winterbild),  Tino-Höfert (Aufmacher) beide via jugendfoto.de

Castor-Transport im Zwischenlager angekommen

Für Live-Leser: Direkt zum Ende dieser Seite springen.

Von Christine Fratzke

Der Bahnübergang bei Brünzow.

Nach zweitägiger Tour und etwa 1.800 Kilometer vom französischen Cadarache nach Lubmin ist der Castor in Mecklenburg-Vorpommern angekommen. Am 15. Dezember überquerte dieser die französisch-deutsche Grenze, er rollte über Saarbrücken, Erfurt, Magdeburg. Am heutigen Vormittag führte ihn sein Weg über Schwerin, Rostock und Stralsund. Die Strecke war zuvor nicht  durch die Behörden bekannt gegeben worden.

Vor Magdeburg Buckau stoppte der Castor um 5 Uhr heute morgen. Hier gab es eine Blockade mit 20 Aktivisten, die den Transport für eine halbe Stunde stoppten. In Magdeburg selbst gab es einen Personalwechsel, sowie technische Änderungen am Zug. Kurz vor acht Uhr setzte sich der Castor wieder in Bewegung.

Auf dem Weg von Greifswald nach Lubmin.

Auch in Ludwigslust gab es, laut castorticker.de, eine Zwangspause des Castortransports. Etwa 20 Gegner blockierten die Strecke am Morgen, der  Castor musste etwa eine halbe Stunde anhalten. Die Landeshauptstadt wurde kurz vor elf Uhr passiert. In Vierow, zwischen Lubmin und Greifswald, sowie in Brünzow befinden sich etwa 300 Gegner auf den Gleisen.

Der Zug fährt um Rostock und wird über den Greifswalder Hauptbahnhof fahren.  Von dort aus wird der Zug nach Lubmin weiterfahren.

An der Ecke Neunmorgenstraße Bleichstraße ist nun ein Treffpunkt für einen Schienenspaziergang eingerichtet worden.

*Update 12:47 Uhr*

Unsere webMoritz-Redakteure berichten, dass das Durchkommen nach Lubmin stark erschwert wird. In Lubmin selbst herrsche laut Polizeiangaben Verkehrschaos. Außerdem wurden mehrere Wasserwerfer in Lubmin, aber auch in Greifswald und in Brünzow gesehen.

Ab hier tickert Marco Wagner

12:58  Der Castor-Transport ist mittlerweile auf der Zielgeraden nach Lubmin. Er hat nach Informationen des Castor-Tickers hat der Zug 12:49 Ribnitz-Damgarten passiert. Die voraussichtliche Ankunftszeit des Castors ist 13:36 Uhr.

13:04 Es sind mittlerweile vier Gruppen a 20 Leute von Kräpelin auf den Weg zu den Schienen. Im Moment kommt man noch nach Kräpelin, die Mahnwache in Vierow ist zur Zeit wieder über Ludwigsburg und Gahlkow erreichbar.

13:18 Die Polizei droht mittlerweile den auf den Schienen sitzenden Demonstranten Gewalt an, wenn sie nicht freiwillig die Gleise verlassen. Lubmin-Nixda wirft der Polizei derweil vor, sich „nicht an die Spielregeln zu halten.“ Die TAZ berichtet derweil, dass zur Zeit rund 4.000 Polizeibeamte im Einsatz seien. Greenpeace habe entlang der Strecke mehrere Protestbanner entrollt.

13:20 Der Castor ist durch den Stralsunder Hauptbahnhof gefahren. Bislang gab es keine weiteren Zwischenfälle entlang der Strecke.

Es tickert Thomas Grothe

13:55 Zwischen Kemnitz und Dietrichshagen findet eine Ankettaktion mit Beton statt.

Transport passiert Greifswald


NACHTRAG 19:30: Das obenstehende Video wurde am Abend veröffentlicht. Es stammt NICHT von Mitgliedern der webMoritz-Redaktion.

14:15 Der Castor passiert den Greifswalder Hauptbahnhof ohne jeglichen Widerstand. Nicht einmal Trillerpfeifen bekundeten den Unmut. Die HedonistInnen entrollten neben dem Haus der Markomania ein Atomkraft-wegbassen-Banner.

Der Castor durchfährt den Greifswalder Hauptbahnhof

Der Castor durchfährt den Greifswalder Hauptbahnhof (Foto: C. Fratzke)

14:20 Der Castor hält bis die Aktivisten von den Schienen geräumt werden.

14:35 Demonstranten haben sich nahe Friedrichshagen an einen Betonblock auf den Schienen gekettet.

14:45 Der Kessel in der Nähe von Brünzow wurde aufgelöst und die Aktivisten wurden in Verwahrung genommen.

14:57 Nach Schätzungen von Anwesenden wurden ca. 250 Aktivisten einzeln von den Schienen bei Vierow getragen und, soweit es die Kapazität zulässt, in Polizeibusse gesetzt.

15:03 Von und nach Lubmin sind alle Straßen unzugänglich bis der Castor sein Ziel erreicht hat.

Der Transport steht in Diedrichshagen

15:05 Die Blockade der Robin Woodler wurde gerade durch die Polizei um ihre Betreuer erleichtert. Die Blockierenden sind jedoch trotzdem noch aktiv.

16:01 Nach lubmin-niXda werden die in Gewahrsam genommenen Aktivisten in Bussen nach Greifswald gebracht.

16:04 Der Castor wurde bei Vierow gesehen. Daher muss er sich zwischen Brünzow und Lubmin befinden.

16:13 Die Redakteure des MoritzTV und Torsten Heil sind gegenwärtig aufgrund der Straßensperren in Lubmin gefangen.

16:16 Es wurde ein Schleichweg zwischen Kemnitz, Neuendorf und Vierow gefunden mit dem die Straßensperrungen umgangen werden können.

16:20 In Kräpelin hat sich eine kleine Spontan-Demo mit knapp 20 Leuten zusammengefunden.

16:31 Nach aktuellen Schätzungen eines Polizisten wird der Castor noch 4 bis 5 Stunden bis zum Lager brauchen.

Polizeikräfte räumen eine der Blockaden der Aktivistinnen

Polizeikräfte räumen eine der Blockaden der Aktivistinnen (Foto: Torsten Heil)

16:33 Auf Höhe Neuendorf-Kemnitz gibt es ein Verkehrschaos, welches das Durchkommen stark behindert.

16:43 Die Information von 16:04 hat sich als falsch herausgestellt. Der Castor steht noch still, weil der Betonblock noch nicht beseitigt werden konnte.

17:00 Die Polizei beginnt mit der Beseitigung des Betonblocks. Nach inoffiziellen Polizeiangaben, kann dies 10-11 Stunden dauern.

17:04 Nach Angaben von lubmin-niXda wird Presse an der Blockade zugelassen.

17:30 Erste Studierende der EMAU sind in Wolgast in Polizeigewahrsam. Nach ihren Angaben sollen sie nach dem Castortransport wieder auf freien Fuss gesetzt werden. Zu rechtlichen Konsequnzen konnten noch keine Angaben gemacht werden.

17:36 Redakteure des webMoritz haben gesehen wie ein Traktor den Bahnübergang in Kemnitz passiert hat. Es wird vermutet, dass mit diesem Traktor das Betonblockproblem in kürze gelöst wird.

17:38 Die Pferdestaffel der Polizei verlässt den Schauplatz.

17:40 Nach Angaben einer erfahrenen Demonstrantin wird der Castor in ungefähr einer halben Stunde weiterfahren können.

17:47 Ulrike Berger, Sebastian Jabusch und Florian Geyder befinden sich nach Angaben verschiedener Redakteure in Güstrow in Polizeigewahrsam.

Ab hier tickert Kilian Dorner

18:26 Die TAZ berichtet in ihrem Ticker über Ulrike Berger und anonyme Polizisten ()

Zwischenticker von Carsten Schönebeck

18:44 In Wolgast werden die ersten Gefangenen wieder freigelassen und müssen dort abgeholt werden. Abholpunkt: Am Fuchsberg 4. Derweil wird die Blockade um Lubmin gelockert. Die webMoritz-Redakteure können, wie auch viele andere, die Stadt wieder verlassen.

18:48 Die erste webMoritz-Galerie des Tages: (mit Fotos von K. Dorner, C. Fratzke mit freundlicher Unterstützung von Martin Hackbarth und Julien Radloff, T. Heil)

Ab hier tickert Gabriel Kords

Die Polizei versucht, Robin-Wood-Aktivistin Sarah Ann loszuschneiden. (T. Heil)

18:58 Der Castor-Transport steht jetzt bereits seit über vier Stunden bei Diedrichshagen.

19:01 Unser Redakteur Torsten Heil versucht schon seit längerem, zu den einbetonierten Aktivisten vorzudringen. Nach seinen Angaben ist einer von ihnen soeben befreit worden.

19:03 Die männliche Person ist befreit worden und wurde mit dem Krankenwagen abtransportiert. Torsten Heil befindet sich mit einigen anderen Medienvertretern und Aktivisten in unmittelbarer Nähe des Geschehens, muss aber gehörigen Abstand halten. Fotos von Ort und Stelle können wir wegen überlasteter Mobilfunknetze und Technik-Problemen derzeit nicht zur Verfügung stellen.

19:05 Torsten Heil zur Lage an der Blockade: „Sehr viele Sanitäter, der Zug steht knapp 100 Meter entfernt. Die Polizisten sind unzählbar. Der Ort ist voll ausgleuchtet, die Stelle mit den Aktivisten ist mit einem Zelt überdacht. Es sind sehr wenige Aktivisten und Medienvertreter anwesend. Die Polizisten vermitteln rege Betriebsamkeit“.

Sprecher Daniel Häfner. (T. Heil)

Im Gespräch mit Robin-Wood-Aktivisten19:14 Daniel Häfner von Robin Wood sagt im Gespräch mit dem webMoritz, er sei froh, dass es dem ersten Aktivisten „den Umständen entsprechend halbwegs gutgeht.“ Das Verhalten der Polizei sei „weitestgehend sehr professionell gewesen.“ Über die ‚Technik‘ der Aktion sagt er: „Wir haben einen Tipp bekommen, dass es hier an der Strecke einen Betonblock gibt, an dem sich zwei Aktivisten festgemacht haben. Der Block befand sich im Bahnbett und unsere Aktivisten konnten sich mit den Armen in den Block ketten.“

19:23 Die zweite Aktivistin steht kurz vor der Befreiung. Der so genannte „Schienenstopfzug“ der Bahn zur Reparatur der Gleise steht in Position und wird das Teilstück reparieren, bevor der Zug rollt.

19:26 Torsten Heil konnte kurz mit der zweiten Aktivistin, die noch festgekettet ist, gesprochen. Sie sagte ihm, sie sei wohlauf, könne ihren Körper aber nicht mehr richtig spüren. Von der Polizei werde sie gut behandelt. Leider können wir euch keine Fotos von der Stelle zur Verfügung stellen.

Zug wird wohl noch für Stunden stehen

Das Bahngleis wurde vollständig unterhöhlt. (T. Heil)

19:30 Nach Angaben der Polizei wird der Zug noch mehrere Stunden an der Stelle stehen. Torsten Heil sagt, es sei ein „Riesenloch“ in der Strecke.

19:33 Ex-webMoritz-Chefredakteur Sebastian Jabbusch twittert dieweil rege aus der Gefangenensammelstelle in Wolgast, die er offenbar – im Gegensatz zu vielen anderen – noch nicht verlassen darf. Seine Tweets kann man hier lesen.

Ab hier tickert Christine Fratzke

19:52 Derweil sind wieder unsere Redakteure aus Lubmin wiedergekommen. Dreieinhalb Stunden dauerte die Fahrt aus dem Seebad. Dort seien etwa 300 Demonstrierende gewesen. Bis auf das EWN-Gelände sind sie aber nicht vorgedrungen. Fotos aus Lubmin sind in der Bildergalerie (Simon Voigt, Tjorven Hinzke) zu sehen:

19:55 In Stilow ist, laut Claudia Sprengel,von den Gegnern keiner mehr vor Ort – was der Castorticker derzeit anders darstellt.

19:56 In Lubmin haben die drei webMoritz-Redakteure einen Polizisten aus Lübeck getroffen, der den Einsatz befürwortet, aber schade findet, dass der Einsatz so viel Geld kostet. Mit diesem hätte man anderes anstellen können, beispielsweise in Bildungsprojekte stecken, meinte der Beamte.

20:02 Torsten Heil sprach in der Zwischenzeit mit Reiner Urban, Polizeihauptmeister in der Bundespolizei. Der 59-jährige Beamte berichtete, dass die Polizei seit dem frühen Nachmittag in Friedrichshagen/Diedrichshagen vor Ort war. Die Betonröhre, die von den Aktivisten genutzt wurde, sei zuvor nicht aufgefallen. Die speziell ausgebildeten Polizisten, die sich im Zug befanden, arbeiteten sich stückchenweise mit Spezialwerkzeug vor. Die verbleibende Aktivistin werde demnächst frei kommen. Ein Video, von Torsten Heil mit Handy aufgenommen, zeigt die Aktion.

20:15 Die Tagesschau berichtete ebenfalls über den Castortransport und spricht von 3.000 Polizeieinsatzkräften. Ex-webMoritz-Chefredakteur Jabbusch ist nun auch wieder frei.

Die Aktivistin wird in den Krankenwagen abtransportiert. (T. Heil)

20:37 Wie Torsten Heil eben berichtete, wurde nun nach dem Robin Wood Aktivisten Peter, 28, auch die 27-jährige Sarah aus dem Beton befreit. Es wird jetzt allerdings noch etwa eine Stunde dauern, bis der Castor-Transport sich wieder in Bewegung setzt.

21:14 Das Loch unter den Schienen wird gerade gestopft, der Castorzug wird sich vermutlich bald in Bewegung setzen. Torsten Heil tritt indes den Rückzug an.

21:16 Nur zwei Minuten später setzt sich der Zug nach der sechsstündigen Zwangspause wieder in Bewegung.

21:53 Nach TAZ hat der Castortransport den Bahnübergang Lubmin passiert. Er dürfte damit in Kürze sein Ziel, das Zentrallager Nord bei Lubmin, erreichen.

22:54 Nach einigen Rangiermanövern haben die Castoren nun die Halle des Zwischenlager Nord erreicht.

Artikel-Fotos: Christopher Denda (Brünzow, Lubmin), Torsten Heil (Aufmacher, Blockade, Video_2), Christine Fratzke (Castor im Bahnhof)

Der Castor rollt, die Gegner sind bereit

Zwei Aktivisten besetzten mit einem Strandkorb die Gleise nach Lubmin.

Von Christine Fratzke und Marco Wagner

Der Castor ist am Abend des 14. Dezember im französischen Cadarache gestartet. An diesem Tag gab es mehrere Aktionen: Ein Strandkorb wurde auf die Gleise nach Lubmin gelegt, eine Lichterkette zog sich bis Eldena und am Abend fand eine Demonstration statt.  Unter dem Motto „Atomkraft raus, Nazis abschaffen“ versammelten sich etwa 100 Aktivisten am Greifswalder Bahnhof.

Trotz des massiven Polizeiaufgebots in und um Greifswald ist es einigen Castorgegnern gelungen, sich mit einem Strandkorb auf den Schienen nach Lubmin zu platzieren. Dies geht aus einer Pressemitteilung des Anti-Atombündnisses Nordost hervor. Die Castorgegner wollen mit der Aktion auf den möglichen Imageschaden für die Region Vorpommern aufmerksam machen, der durch den Castortransport in das Zwischenlager Nord entsteht.

Dabei haben die Demonstranten vor allem die beiden großen Tourismusschwerpunkte Mecklenburg-Vorpommerns im Blick: Die Inseln Rügen und Usedom. Es wird allerdings auch auf einen der letzten Fischereihäfen im Nachbarort Freest verwiesen. „Die Folgen eines Zwischenfalls für Mensch und Natur wären katastrophal. Die Kosten (auch für Strommonopolisten und Politiker) unbezahlbar“, heißt es in der Pressemitteilung weiter.

Grund für die Sorgen um einen möglichen Zwischenfall ist die fehlende „heiße Zelle“ im Zwischenlager Nord bei Lubmin. Dabei handelt es sich um einen Isolationsraum für undichte Castoren, in dem Brennstäbe ohne radioaktive Emissionen umverpackt werden können. Aufgrund der Tatsache, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt aus Sicht der Aktivisten immer noch kein Endlager für hochradioaktiv strahlendes Material gefunden wurde, besteht die Sorge, dass Lubmin langfristig ein Endlager für Atommüll wird.

Nazis schottern, Castor raus

Etwa 100 Demonstrierenden versammelten sich auf dem Bahnhofsvorplatz.

300 Polizeibeamte waren dann am Abend am Greifswalder Bahnhof. Ursprünglich waren von Seiten der Organisatoren, der Antifa Greifswald, ebenfalls 300 Demonstranten angemeldet.  Aber 200 weniger waren trotz eisiger Kälte vor Ort: Gekleidet mit Strahlenschutzanzügen und gewappnet mit zahlreichen Flaggen trafen sie sich um acht Uhr vor dem Bahnhof. Ihre Route verlief vom Bahnhof über die Rubenowstraße und Lange Straße, dem Markt bis zum Museumshafen. Auf der ersten Kundgebung am Bahnhof sagten die Veranstalter: „Wir begrüßen es nicht, wenn Nazis auf Atomprotesten demonstrieren.“ Darüber hinaus wurde gefordert: „Nazis schottern, Castor raus!“

Der Castor wird voraussichtlich am 15.  Dezember die französisch-deutsche Grenze erreichen. Der weitere Weg werde, laut Ostsee Zeitung, über Rostock und Stralsund führen. Voraussichtlich erreicht der Castor am Donnerstag Vormittag Lubmin. Weitere Aktionen sind geplant: Vom 15. bis 16. Dezember wird es unter anderem eine Sitzblockade geben.

Foto: Anti-Atom Nordost, Christine Fratzke (Demonstration, Aufmacher Europakreuzung)

Impressionen: Ein Tag gegen Atomkraft in Greifswald

Beitrag von Thomas Grothe, Torsten Heil, Simon Voigt und Marco Wagner

Zu Tausenden zogen heute Demonstranten um die Greifswalder Innenstadt. Tausende, die sich einen gesunden Planeten wünschen. Tausende, die sich nicht mit einer Atomkraftpolitik abfinden wollen, die nicht die ihre ist? Oder gibt es so viele verschiedene Gründe, wie Protestierende? Als alle Augen auf die Bühne gerichtet waren und alle Ohren den verschiedenen Rednern lauschten nutzte der webMoritz die Gelegenheit und fragte nach:

Protest-Familie Reul aus Greifswald.

Wir sprachen mit der Familie Reul aus dem Stadtteil Wieck in Greifswald. Thorsten und Kristina Reul kamen mit ihrem kleinen Sohn Peter: „Es geht doch auch um die Zukunft unseres Kindes.“ Die junge Familie war von der Beteiligung an der Veranstaltung enttäuscht. Sie hätten sich gewünscht, dass mehr Leute für die Zukunft Peters und aller Anderen demonstrieren. Sogar an der deutlich kleineren Fahrraddemo von Greifswald nach Lubmin haben sie schon teilgenommen. Denn sie finden, dass „das Problem der Endlagerung“ ein zu hoher Preis für Strom ist.

Ein anderer erfahrener Demo-Besucher ist Burghart Kleiner. Er besucht Veranstaltungen wie diese seit seinem achtzehnten Lebensjahr und dies war mit Sicherheit auch nicht die Letzte, so der mittlerweile 53-jährige. Trotz des großen Demo-Erfahrungsschatzes war der Wendländer über die Anzahl der Teilnehmer positiv überrascht. Beeindruckend: Kleiner hat ohne Internet, Fernseher und Telefon von der heutigen Anti-Castor-Demo erfahren.

Demo-Veteran Burghart Kleiner aus dem Wendland.

Dagegen ist Franziska Solbrig grade durch eine E-Mail auf den Massenumzug gestoßen. Als Mitarbeiterin der Universität Greifswald freute sie sich über die bunte Zusammensetzung der friedlichen Protestler, denn jede Altersklasse war vertreten. „Mein Problem mit der Atomkraft ist die Risikofrage“, sagte die 26-jährige. Was kann nicht alles passieren, fragte sich Solbrig weiter. Das Spektrum der möglichen Unfälle reiche von einem entgleisten Atommülltransport bis zum Unglück von Tschernobyl, die Uni-Mitarbeiterin.  Jeder hat seine eigene Motivation. Dennoch kämpfen alle Demonstranten für das gleiche Ziel: den Atomkraftausstieg für Deutschland.

Die Teilnehmer machten ihrem Ärger Luft. Mit Trommeln und Pfeifen protestierten die Aktivisten akustisch während des Umzugs. Der Protest verlief gewaltfrei und die Polizei blieb stiller Beobachter. Andere demonstrierten mit Witz: Sie verkleideten sich als Clowns oder offenbarten ihre Meinung mit lustigen selbstgemalten Schildern. Daraus bildete sich vor der Bühne ein buntes Plakat- und

Uni-Mitarbeiterin Franziska Solbrig am Rande der Demo.

Fahnenmeer. Auch das Interesse der Anwesenden an den Reden war durch ihr respektvolles Schweigen hörbar. Nur für zustimmenden Applaus wurde die Konzentration gelegentlich unterbrochen und die Hände gewärmt. Mit Kaffee, Bratwurst, Döner und vor allem warmer veganer Suppe wurde die Kälte bekämpft.

Das tat vor allem den vielen Kindern gut, welche von ihren Eltern mit zur Demonstration genommen wurden. Auffallend viele Kinderwagen fügten sich in den Demonstrationszug mit ein, sodass dieser streckenweise einem gemütlichen Wochenendspaziergang glich. Auf bunten Schildern machte auch der Nachwuchs darauf aufmerksam, dass die Lagerung von Atommüll vor allem ein Problem für die zukünftigen Generationen ist.

Fotos: Simon Voigt, Marco Wagner und Torsten Heil

Anti-Castor-Demo mit Ministerpräsident Erwin Sellering *Update Podcast*

von Torsten Heil

Wer heute vor 13 Uhr in die Innenstadt gefahren oder gegangen ist, dem schien die Morgenruhe trügerisch zu sein. So, wie die Ruhe vor dem Sturm. An allen Ecken und Enden der Straßen positionierten sich dutzendweise Einsatzwagen der Bundespolizei sowie der Landespolizei. Mehrere Hundert Polizisten aus dem gesamten Bundesgebiet sind im Einsatz. Auch schweres Gerät ist aufgefallen: In der Schönwalder Landstraße wurde ein Wasserwerfer gesichtet. Am Bahnhof ist, abgesehen von dem massiven Polizeiaufgebot, nur wenige auf den Straßen.

Greifswald wird zur Festung. (Foto: T. Heil)

Die Polizeidirektion Anklam und die Bundespolizeidirektion Bad Bramstedt haben sich offensichtlich umfassend auf den geplanten Einsatz vorbereitet. Mehrere hundert Polizisten sollen die Anti-Atom-Demonstration absichern. Nach Informationen des webMoritz stammen die Einsatzkräfte vorwiegend aus Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, der Hansestadt Hamburg und der Bundespolizei. „Wir halten starke Reserven aus dem gesamten Bundesgebiet bereit“, teilte der Einsatzleiter Polizeioberrat Gunnar Mächler mit. Insgesamt werden 4000 Demonstranten aus dem gesamten Bundesgebiet erwartet. Der Demonstrationszug beginnt um 13:30 Uhr am Busbahnhof und zieht einmal um die Innenstadt. Der Ministerpräsident des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Erwin Sellering (SPD), hat seine Teilnahme ebenfalls angekündigt.

Auf dem Hof der Polizei hat sich der Katastrophenschutz vorbereitet. (Foto: T. Heil)

Live-Ticker von der Demo:

von Marco Wagner, Torsten Heil, Gabriel Kords, Thomas Grothe und Simon Voigt

Informationen von der Demo im Ticker-Stil erhaltet ihr in Echtzeit auf dem webMoritz-Twitter-Feed. Die wichtigsten Infos gibt’s außerdem hier:

13:20 Zurzeit läuft ein Aufwärm-Konzert von Thomas Putensen. Danach wird es einige Ansprachen geben und dann geht’s los. Die Stimmung ist entspannt und gelöst. Die Polizeipräsenz ist allerdings nicht unerheblich.

13:30 Uhr: Die Kundgebung hat begonnen. Verschiedene Aktivisten halten kurze Wetzlar, Braunschweig, Wien, Hamburg, Rostock und vor allem aus der Greifswalder Umgebung. Es werden einige polizeiliche Auflagen (keine Glasflaschen, kein Laufschritt) kundgetan.

13:35 Uhr: Die Sprecher haben auch einige programmatische Forderungen : Abschaffung aller weltweiten AKWs, Subventionierung der erneuerbaren Energie durch Einnahmen der Kernkraft und keine Transporte ins verstrahlte russische Kernenergie-Zentrum Majak. Gesprochen haben unter anderem Ulrike Berger (Grüne) und Nadja Tegtmeyer.

Auftaktkundgebung am Bahnhof. (Foto: M. Wagner)

13:45 Uhr: Der Bischof der Pommerschen Evangelischen Kirche (PEK), Hans-Jürgen Abromeit, spricht über Verantwortung. Auch fossile Brennstoffe seien keine alleinige Alternative. Und: „Der Mensch ist nicht allein auf der Erde.“ Jede Nation müsse globale Verantwortung übernehmen. Atomkraft sei „ein Verbrechen an den Kindern“.

13:48 Uhr: Die Veranstalter haben übrigens vorhin mit deutlichen Worten darauf hingewiesen, dass Neonazis bei der Demo unerwünscht seien. Die Teilnehmer haben das lautstark unterstrichen.

13:50 Uhr: Die offiziellen korrigieren die Zahlen deutlich nach oben: Die Polizei geht jetzt doch von 1500 Teilnehmern aus (vor einer halben Stunde hieß es noch, wesentlich mehr als 1000 würden es wohl nicht), die Veranstalter wollen bereits über 2000 gezählt haben. Von den von ihnen erhofften 4000 Teilnehmern ist das aber noch weit entfernt.

13:55 Uhr: Ministerpräsident Sellering (SPD) sagte dem webMoritz: „Bei diesem schlechten Wetter kann man nicht mit mehr Leuten rechnen, aber ich bin erfreut über die Leute, die den Weg hierhergefunden haben und das mit großem Ernst verfolgen. Wir können auf Demonstrationstouristen aus anderen Ländern verzichten.“  Er vertrete die Position des Landes, die unter den Parteien im Landtag Konsens sei: Atommüll, der nicht aus Lubmin oder Rheinsberg komme, habe in Lubmin nichts zu suchen. Weiterhin: „Es ist schade,  dass die Landesregierung keine rechtliche Handhabe gegen die Transporte hat.“ Eine Ansprache wird der Landesvater nicht halten.

Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) auf der Demonstration in Greifswald.

14:05 Uhr: Unter den zahlreichen SPD-Mitgliedern, die an dem Protestzug teilnehmen, ist auch der Vize-Bürgerschaftspräsident, Jura-Professor und Landesverfassungsrichter Prof. Wolfgang Joecks. Er hält ein Pappschild mit den Worten „Hände weg vom Atomausstieg!“ und sagte dem webMoritz, dass er betrübt sei über das schlechte Wetter. Da alle dieselbe Meinung hätten, solle die Auftaktkundgebung kürzer ausfallen und stattdessen nun der Demonstrationszug beginnen.

14:10 Uhr: Der Demo-Zug hat sich inzwischen in Bewegung gesetzt. Die Demonstranten ziehen nun über die Bahnhofstraße.

14:20 Uhr: Der Regen hat aufgehört. Die bunt gemischte Gruppe zieht über die Bahnhofstraße. Am Ende des Zuges ziehen zwei Traktoren mit. Man sieht viele originelle Protest-Plakate und -Motive.

14:32 Uhr: Der Tross von Protestlern befindet sich momentan in der Geothe- /Ecke Stephaniestraße. Aufgrund der engen Straßen kam der Demonstrationszug zwischen durch zum stehen, ist aber jetzt wieder in Bewegung.

Die Demonstraten haben sich zahlreiche Ideen für ihren Protest ausgedacht.

Die Demonstraten haben sich zahlreiche Ideen für ihren Protest ausgedacht.

14:41 Uhr: Die Spitze der Demo ist inzwischen auf dem Hansering, in Höhe der Bereichsbibliothek am Schießwall. Demo-Beobachter Peter Madjarov vom Arbeitskreis Kritischer Juristen, der die Demo beobachtet, sagt, dass es keine besonderen Vorkommnisse seitens der Polizisten gibt, was der AKJ überprüfen wollte. Ein Mitglied der Organisatoren will deutlich über 3000 Teilnehmer gezählt haben – die Polizei geht weiterhin von deutlich unter 2000 aus.

14:50 Uhr: Ein Hubschrauber im Tiefflug beobachtet den Protestzug, dessen Ende jetzt die Europakreuzung passiert. Die Organisatoren behaupten inzwischen, es nähmen 3600 Teilnehmer teil.

15:05 Uhr: Das Ende des Protestzugs befindet sich noch auf dem Hansering, während dessen Spitze schon in die Bachstraße einbiegt. Der Tross kommt stellenweise etwas ins Stocken.

Plakat: Caspar statt Castor.

15:12 Uhr: Der Protestzug erreicht in Greifswalds engen Straßen eine beträchtliche Länge: Derzeit zieht die Spitze an der webMoritz-Redaktion in der Wollweberstraße vorbei, das Ende ist indes noch in der Bachstraße. Die Demonstranten produzieren mit ihren Trillerpfeifen und Sirenen erheblichen Lärm, der von den „Häuserschluchten“ in der Innenstadt nochmals verstärkt wird.

15:17 Uhr: Die Teilnehmer rufen „Abschalten, abschalten!“. Der Protestzug nähert sich mit seiner Spitze schon wieder dem Bahnhof.

15:25 Uhr: Das Ende des Protestzuges ist jetzt an der Wollweberstraße vorbei. Der Anfang hat bereits den Bahnhof erreicht.

15:39 Uhr: Alle Demo-Teilnehmer sind nun am Bahnhof angekommen. Nun beginnt dort in wenigen Minuten die Abschlusskundgebung. Derweil werden Spekulationen laut, dass die Anzahl von Teilnehmern aus der Region eher gering sein. Das ist aber ein unbestätigtes Gerücht.

15:44 Uhr: Wir zählen derzeit etwa drei Viertel der Teilnehmer, die zu Beginn der Demo auf dem Bahnhofsvorplatz waren. Ein Teil der Teilnehmer ist wohl  in die Innenstadt diffundiert oder schon abgereist. Kilian Dorner vom Allgemeinen Studierendenausschuss spricht von der größten Anti-Atom-Demo in Greifswald seit 18 Jahren.

15:46 Uhr: Ingo-Schlüter, stv. Vorsitzender des DGB Nord spricht programmatisch gegen Atomkraft. Die schwarz-gelbe Regierung sei „verstrahlt“ und betreibe Klientelpolitik.

15:51 Uhr: Die Polizei geht inzwischen von circa 2500 Teilnehmern aus. Die Veranstalter bleiben bei einer Gesamtzahl von 3600.

Der Träger des Alternativen Nobelpreises Michael Succow.

15:53 Uhr: Die Veranstaltung werde noch ungefähr bis 16:30 Uhr gehen, sagt Mit-Organisator Michael Steiger.

16:05 Uhr: Oskar Gulla von der Klima-Initiative spricht. Anschließend sind noch drei weitere Redebeiträge geplant. Die Stimmung ist gut, die Teilnehmerzahl schrumpft allerdings.

16:13 Uhr: Einige Demonstranten werden derweil militanter und rufen: „Castor schottern, Castor schottern“.

16:16 Uhr: Die Foto-Galerie wurde aktualisiert. Der webMoritz-Ticker reduziert nun seine Frequenz ein wenig.

16:23 Uhr: Auf der Abschlusskundgebung spricht jetzt Kerstin Rudek, die Vorsitzende der Bürgerinitiative Lüchow- Dannenberg. Sie verwies in ihrer Rede auf den erfolgreichen Protest der Anti-Atombewegung und betont: „Kämpfen lohnt sich. Lasst nicht zu, dass Stromkonzerne ihren Dreck bei euch abladen. Lasst nicht zu, dass eure Kinder an Leukämie erkranken und euch dann erzählt wird, es gäbe keinen Zusammenhang.“

17:00 In der Zwischenzeit sprachen Professor Konrad Ott und Michael Succow. Letzterer betont, dass es heute nicht mehr ausreiche, „die Glühbirne auszuwechseln. In der Atomdebatte muss die Führungsmannschaft ausgetauscht werden.“ Und weiter: „Als ich die Polizisten sah, wünschte ich mir, sie hätten heute zu Hause bei ihren Familien sitzen können. Denn in einer gut funktionierenden Demokratie müssten wir jetzt nicht hier demonstrieren.“

Der Umweltethiker und Uni-Professor Konrad Ott.

Konrad Ott verweist in seiner Rede auf den Weg von der Ani-Atombewegung zur Anti-Atompolitik, die vor 20 Jahren eingeleitet wurde. Allerdings habe sich die Regierung mittlerweile wieder von der Anti-Atompolitik entfernt. Um wieder zu einer solchen Politik zurück kehren zu können, müssten sich die Mehrheitsverhältnisse im Parlament ändern. Ott weiter: „Die Laufzeitverlängerung war ein Geschenk, eine ganz lange Brücke für Stromkonzerne wie RWE. Ich halte die Entscheidung der Regierung für einen schweren Fehler.“

17:07 Die Demonstration ist nun zu Ende. Die letzten Redebeiträge kamen von Ulrike Mehl, stellvertretende Vorsitzende des BUND sowie von Verina Speckin vom republikanischen Anwältinnen und Anwälteverband.

Update 20.00 Uhr: Die webMoritz-Redakteurin Christine Fratzke hat sich das Mikrofon geschnappt und die Demonstranten vor Ort befragt. Was dabei herausgekommen ist, ist im folgenden Podcast zu hören:

[podcast]http://webmoritz.de/wp-content/uploads/2010/12/anti-castor-demo-11-12-2010-christine-fratzke.mp3[/podcast]

Fotos: Torsten Heil, Simon Voigt, Marco Wagner und Thomas Grothe