Institut auf Abstellgleis

Eine Reportage von Marco Wagner und Christine Fratzke

Aufs Abstellgleis geschickt: Das Historische Institut

Eine alte, arg ramponierte Pflasterstraße. Links das ehemalige Institut für Organische Chemie. Es ist abgesperrt. Nicht nur, weil es baufällig ist; das Gebäude und der Boden sind durch Chemikalien verseucht. Die umliegenden Gebäude stehen einsam und verlassen hinter der Fleischerwiese. Im Botanischen Garten, gleich gegenüber der Alten Chemie, wird ein neues Gewächshaus gebaut.

Überhaupt ist das ganze Areal von Tristesse geprägt. Ein Ort, der Regisseure zum Drehen von Horrorfilmen und Weltuntergangsszenarien animiert. Der Putz bröckelt von den Wänden eines langgestreckten Flachbaus ab. Bunte Aufkleber an den Fenstern. Überall wuchert wild und ungestüm das Gras. Mittendrin wachsen irgendwo, irgendwie Bäume. Manche Studentinnen haben Angst, im Dunkeln diesen Ort zu betreten. Viel zu unheimlich ist es dort, wo in diesen Tagen das Historische Institut zwangsverlagert wird. Die neuen Schilder und Wegweiser zu den neuen Institutsräumen sind bereits aufgestellt, die Gebäude immer noch die gleichen. Immer noch im selben Zustand. Seit Jahren nichts mehr renoviert. Seit Jahren verlassen. Und nun kommt unerwartet neues Leben in diesen Geistercampus.

Unmut und gedrückte Stimmung

Die Stimmung ist gedrückt bis gereizt unter Mitarbeitern und Studierenden. Eigentlich hätte das Institut in der Domstraße 9a bereits Mitte der 90iger Jahre saniert werden sollen. So hört man es zumindest. Jedes Jahr wurde gebaut, gemalert, gestrichen, der Putz erneuert, Bibliotheksbestände erweitert. Plötzlich kam die Decke runter. Zuerst im Dachgeschoss. Dann gleich zwei Mal in der Institutsbibliothek. Statiker wurden heran gezogen. Das nüchterne Urteil: Das Gebäude ist stark baufällig, darf nicht mehr betreten werden. Wutentbrannt räumen Dozenten ihre Büros aus.”Ich muss jetzt ein wenig improvisieren, da ich aus meinem Büro ausgesperrt wurde”, erklären nicht wenige Dozentinnen und Dozenten während eines Seminars ihren Studierenden. Viele Hauarbeiten und Klausuren können deshalb auch nicht korrigiert werden. Schließlich liegen diese noch in der Domstraße.

Der Handapparat wurde in das erste Obergeschoss der Universitätsbibliothek ausgelagert. Das Institut in die Wildnis. Irgendwo in der Soldmannstraße, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen und der Hund begraben wird. Wo man im Dunkeln nicht gerne alleine unterwegs ist. Die neuen Büroräume sollen Badewannen haben, wird gesagt. Schließlich handelt es sich hierbei um zu Büroräumen umgebaute Einbettzimmer der Kinderklinik. Dementsprechend ziert auch die eine oder andere Bürotür eines Universitätsprofessors Donald Duck, oder Mickey Mouse. An den Fenstern der Seminarräume klebt noch Winnie Pooh, der pummelige gelbe Teddybär, der immer nur an Honig denkt. Oder Ferkel, das kleine Schweinchen der selben Trickfilmserie. Und neben dem Schild von Professor Horst Wernicke, Lehrstuhlinhaber für Mittelalterliche Geschichte und Hansegeschichte, ist ein rosa Elefant, der offenbar friedlich schläft, zu sehen.

Hier ist auch ein Seminarraum: Die leer stehende Poliklinik

Die Flure riechen immer noch, wie sie vor Jahren schon rochen. Nach Krankenhaus. In diese alten, grauen, längst vergessenen Gebäude jenseits der Eisenbahn, irgendwo im Nirgendwo zwischen Fleischerwiese und Grimmer Landstraße. Hier wird mal ein Seminarraum reaktiviert, dort ein Hörsaal. Ansonsten herrscht gespenstische Leere auf dem Gelände des neuen historischen Instituts. Irgendwo ein paar Fahrräder von Studierenden und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, in der Ferne bellt ein Hund, ein Bagger schlägt Lärm. In unmittelbarer Nähe die psychatrische Klinik der Universität. In der Universitätspoliklinik ist auch ein Seminarraum untergebracht. Fast alle Flure sind verschlossen. Man läuft nur durch Leere. Nichts Lebendiges, nichts, was an den wissenschaftlichen Betrieb erinnert, den es in der Domstraße gab. Als noch gemalert und gestrichen wurde. Als es so aussah, als sei in den vergangenen Jahren renoviert worden. Doch scheinbar wurde nur der Verfall übermalt und überputzt.

Hilflosigkeit

Dazu sind die Studenten und Studentinnen oft ein wenig hilflos, wissen nicht, wo nun beispielsweise der Seminarraum 046 sein soll. “Da gehen Sie hinten rum, dann rein, dann nach oben, dann nach rechts, da isses schon”, erklären die Mechaniker, die an den Schlössern der Türen arbeiteten. Manche Kommilitonen sehen verzweifelt aus. Greifen zum Handy, fragen andere Studenten. “Wo ist denn hier die Fachdidaktik?”, fragte eine Geschichtsstudentin verzweifelt. Schulter zucken von den anderen, wobei die Hilfsbereitschaft unter den Geschichtsstudierenden groß ist.

Auch besteht starke Verwechslungsgefahr: Kinderklinik, Augenklinik, Frauenklinik. Drei Namen an drei Standorten, aber ein ähnlicher Name. “Ich muss noch auf Anne warten, die ist gerade in der Augenklinik”, sagt eine Geschichtsstudentin, die gerade herausgefunden hat, dass ihre Vorlesung in der Frauenklinik stattfinden wird. Der Hörsaal, den sie dort vorfindet, ist zugegeben gewöhnungsbedürftig. Weiße Fliesen, alte Holzverkleidungen und -sitze, in der Mitte steht der Dozent, rechts und links sind die Vorlesungsreihen. Ein staubiger Polylux steht in der Mitte, einen Beamer gibt es nicht. Die Akustik ist schlecht, jedes Geräusch hallt drei Mal wieder. So ist es schwierig für die Studierenden, der Vorlesung konzentriert zu lauschen. Selbst in den ersten Reihen versteht man den Lehrenden kaum, eine Mikrofonanlage fehlt.

Jenseits der strahlenden Gebäude am Bertold-Beitz-Platz, jenseits von einer der modernsten Universitätskliniken Deutschlands, jenseits des Campus, den Bildungsminister Tesch fortwährend besucht, um neue Fördermittelbescheide zu überreichen, gibt es noch eine andere Universität. Eine Universität, in der nur vier Menschen die Treppe betreten dürfen, weil sie einsturzgefährdet ist. Eine Universität in der den Wissenschaftlern die Decke auf den Kopf fällt. Das Gebäude des Historischen Instituts sieht dabei noch bei weitem nicht so baufällig aus, wie einige in der Bahnhofstraße, Gebäude des Botanischen Instituts oder der Anglistik. Ein Campus, der fast vergessen ist und den der Bildungsminister nur dann aufsucht, wenn er es wirklich muss: Ein paar Mal innerhalb von zehn Jahren, um mit dem Rektorat über die neuen Zielvereinbarungen zu verhandeln. Während man traditionsbewusst den Patron der Universität beibehält, wird ein Großteil denkmalgeschützter Gebäude dem Verfall Preis gegeben. Wissenschaftler und Studierenden ihres Instituts, ihrer Forschungseinrichtung beraubt.

Fotos: Marco Wagner

Teeranschlag auf Burschenschaft Markomannia

von Carsten Schönebeck und Marco Wagner

Die Verunreinigungen am Markomannen-Haus

In der Nacht zum Donnerstag verübten unbekannte Täter einen Farbanschlag auf das Haus der Burschenschaft Markomannia am Karl-Marx-Platz. Bei dem Material, mit dem die Fassade beschädigt wurde, soll es sich um Teer handeln. Mit Sicherheit bestätigen konnte Pressesprecher Mario Schuldt diese Vermutung jedoch nicht. Die Tat soll sich nach Aussagen des Pressesprechers zwischen zwei  und halb vier ereignet haben. Der Tatzeitraum konnte durch Zeugenberichte zurück verfolgt werden. Die Hausbewohner selbst bemerkten den Schaden an ihrem Haus erst am nächsten Morgen. Es wurde Anzeige gegen unbekannt erstellt.

Ob die Tat politisch motiviert war, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch unklar. Einen politischen Hintergrund möchte er nicht unterstellen. In den vergangenen Semestern ereigneten sich ähnliche Vorfälle. So verübte im Oktober 2009 eine Gruppe gewaltbereiter Demonstranten am Rande einer nicht angemeldeten Veranstaltung einen Steinanschlag auf das Haus der Burschenschaft, im April diesen Jahres wurden vor dem Haus Mülltonnen in Brand gesteckt, wobei in diesem Zusammenhang das Feuer auf die Tür des Gebäudes übergriff. Die Motivation für diese Tat ist weiterhin ungeklärt.

Fotos: Marco Wagner

In eigener Sache: Mediencafé am 9. Oktober *Update* Fotogalerie

Flyer zum Mediencafé.

Im Rahmen der Erstsemesterwoche haben die moritz Medien einiges geplant und laden nun am Sonnabend, dem 9. Oktober, zum Mediencafé in der Wollweberstraße 4 ein. Die Redaktionen von moritzTV, dem moritz Magazin und der webMoritz stellen sich und ihre Arbeit vor. Dabei können die Redaktionsräume angesehen und die Arbeit hinter den Kulissen kennengelernt werden. Kaffee und Kuchen gibt es auch.

Die Redaktionen suchen nach wie vor Verstärkung. Dabei können sich Neugierige in verschiedenen Bereichen ausprobieren: Schreiben, fotografieren, filmen, zeichnen, schneiden, programmieren, layouten – Vorkenntnisse sind nicht unbedingt notwendig.

Das Mediencafé beginnt um 11 Uhr, dauert voraussichtlich bis 16 Uhr und findet in der ersten Etage in der Wollweberstraße 4 statt.

Flyer: moritz Medien

Fotos: Marco Wagner, Annegret Adam

In eigener Sache: Änderung der Kommentarregeln

Liebe Leserinnen und Leser,

Der webMoritz ändert die Kommentarregeln.

in den vergangenen Wochen und Monaten tauchten im Kommentarbereich besonders massiv Kommentare auf, die rechtsextreme Inhalte verbreiteten oder Rechtsextremismus verharmlosten oder leugneten. Vielen Nutzern des webMoritz ist dies negativ aufgefallen und reporteten entsprechende Kommentare. Ein Teil der Leserinnen und Leser verglich den Kommentarbereich des webMoritz bereits mit der rechtsextremistischen Plattform “Altermedia”. Sowohl ein Teil unserer Stammleserschaft, als auch ein Teil unserer Autorenschaft ging uns durch die neurechten beziehungsweise radikalkonservativen Kommentatoren verloren.

Aus diesem Grund haben wir entschieden, in den Kommentarregeln unter dem Punkt “Verzichtet bitte auf:” um folgenden Stichpunkt zu ergänzen:

“Rechtsextremismus und Verharmlosung von Rechtsextremismus in euren Kommentaren.”

Unter Rechtsextremismusverharmlosung fallen sämtliche Kommentare, welche die Gefahr des Rechtsextremismus für die Zivilgesellschaft leugnen oder verharmlosen, Kommentare, die unverhältnismäßige Vergleiche zwischen Linksextremismus und Rechtsextremismus ziehen sowie das Beschönigen und Leugnen von Tatsachen bezüglich des Rechtsextremismus. Darüber hinaus wird die Verharmlosung oder Leugnung von Mitteln und Methoden Rechtsextremer, ihre Ideologie in der Mitte der Gesellschaft verankern zu wollen, von uns als Unterstützung rechtsextremistischer Bestrebungen gewertet. Kommentare diesen Inhalts werden folglich ebenfalls von den Moderatoren gelöscht. Ziel dieser Regelung ist eine Versachlichung der Kommentardebatten.

Unabhängig davon möchten wir an dieser Stelle noch anmerken, dass uns in den vergangenen Wochen der Umgangston, in dem auf dem webMoritz diskutiert wird, besonders negativ aufgefallen ist. Wir bitten daher um einen höflicheren Umgang miteinander.

Foto: Wikimedia, Grafik: Sebastian Jabbusch.

Sommerinterviews: Die AG Gender Trouble stellt sich vor

Nach der AG Satzung stellt sich die Arbeitsgruppe Gender Trouble vor, die älteste AG der Greifswalder Studierendenschaft. Seit Mai 2010 ist Tommy Kube Vorsitzender. Er studiert BWL im 1. Fachsemester und ist seit Kurzem AStA-Referent für Wohnangelegenheiten.

webMoritz: Wie lange gibt es diese AG schon?

Tommy Kube: Es gibt seit 1999 eine Initiative, Gender Trouble. Diese wurde dann im Jahr 2002 zu einer ständigen Arbeitsgemeinschaft eingerichtet.

webMoritz: Wie viele Mitglieder zählt die AG Gender Trouble?

Tommy: Aktuell sind wir 13 aktive Mitglieder.

webMoritz: Wie kam es zur Gründung der AG?

Tommy: Das kann ich leider nicht beantworten, denn das ist weit vor meiner Zeit.

webMoritz: Was sind die Ziele und Aufgaben der AG und mit welchen Inhalten wird sich beschäftigt?

Tommy: Die AG Gender Trouble hat sich im Allgemeinen einige Grundziele gesetzt. Zu einem bereichert die AG mit den monatlichen Queer-Parties die -wohl bemerkt einzige- Lesben- und Schwulenszene in Greifswald. Dadurch bietet die AG einen Treffpunkt, wo man Gleichgesinnte trifft und feiern kann. Denn es ist immer noch der Fall, dass Homosexuelle beispielsweise in Diskotheken angepöbelt werden und manchmal leider auch mehr passiert. Auf unserer Party braucht man keine Angst davor zu haben. Außerdem haben wir auch sehr viele heterosexuelle Besucher auf unserer Veranstaltung, dass zeigt Toleranz und Akzeptanz. Man glaubt nicht, was man alles mit einer Party im Monat erreichen kann. Es sorgt auch für eine bessere Lebensqualität und Akzeptanz.

Tommy Kube ist seit Mai 2010 Vorsitzender der AG Gender Trouble.

Leider wird uns nachgesagt, dass wir die „Party AG“ sind, aber da muss ich einschreiten und sagen, dass diese eine Veranstaltung im Monat für Homosexuelle eine etwas andere Bedeutung hat, als nur zu feiern. Man braucht sich nicht verstecken, Angst vor Pöbeleien zu haben oder sich zu verstellen, wie es einige vielleicht gerne haben möchten.

Zudem plant die AG mehrere Projekte beziehungsweise sind einige schon veranstaltet worden, wie das Drachenbootfest, der Christopher Street Day, die Anti-Homophobie- und Sexismuswoche im November und der Welt-Aids-Tag.

webMoritz: Welchen Nutzen hat die AG für die Studierendenschaft?

Tommy: Wie gesagt bereichert die AG die homosexuelle Szene in Greifswald. Wir bieten auch viel Infomaterial über Homosexualität, Coming Out und vieles mehr.

webMoritz: Was wurde bisher erreicht?

Tommy: Ich denke, die AG hat bis jetzt viel Toleranz und Akzeptanz geschafft. Denn innerhalb der Uni ist es nicht mehr schlimm, wenn man sagt „Ich bin homosexuell!“ Es wird größtenteils einfach angenommen und akzeptiert.

webMoritz: Was steht in Zukunft auf dem Plan? Gibt es bestimmte Ziele, die in nächster Zeit verwirklicht werden sollen – oder sind Aktionen, Veranstaltungen etc. geplant?

Tommy: Also bei uns steht die große Veranstaltungswoche im November in Planung, es geht dabei um Anti-Homophobie und -Sexismus. Hierfür arbeiten wir mit dem AStA-Referat Gleichstellung, dem Landesverband LSVD und Regenbogen e.V. Stralsund zusammen. In dieser Woche soll es verschiedene Veranstaltungen geben, die informieren und aufklären sollen. Wir werden einige Erfahrungsberichte und Workshops vorstellen. Dann steht in diesem Jahr noch der Welt-Aids-Tag am 1. Dezember an.

webMoritz: Wie kann man euch erreichen oder mehr über die AG erfahren?

Tommy: Grundsätzlich erreicht man uns unter der E-Mail kontakt@gender-trouble.de. Auch haben wir Clubaccounts auf lesarion.de und gayromeo.com. Die AG Gender Trouble hat sogar eine eigene Website: gender-trouble.de. Also erreichen kann man uns auf jeden Fall.

webMoritz: Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führten Marco Wagner und Christine Fratzke.

Fotos: DerStephan (Aufmacher, via jugendfotos.de), Kilian Dorner (Tommy Kube)