Weihnachtszeit ist Vorfreude und Geheimnistuerei, Nächstenliebe und Besinnung. Sie duftet nach heißem Glühwein, frisch gebackenen Keksen und mühsam gepellten Mandarinen. Der Dezember lebt von kleinen Aufmerksamkeiten und Traditionen, wie den Adventssonntagen mit der Familie, dem mit Süßigkeiten gefüllten Schuh am Nikolausmorgen und dem täglichen Öffnen des Adventskalenders. Weißt du noch, wie du jeden Tag vor Weihnachten aufgeregt aufgestanden bist, um vorfreudig zu deinem Schokoadventskalender zu tappen? Die moritz.medien verstecken das Weihnachtsgefühl hinter 24 Fenstern. Im heutigen Fenster:einige Fakten und Gedanken zu Weihnachtsfilmen.
Alle Jahre wieder werden die Weihnachtsklassiker geguckt. Aber was wird da eigentlich geguckt und warum? Über wenig Abwechslung und die Trivia zu dem Weihnachten, das auf unseren Bildschirmen flackert.
Weihnachten, das bedeutet schon im Normalfall den exzessiven Konsum von kitschigen Filmen. Jetzt, wo wir ohnehin nur noch zuhause sein sollten, können wir uns jeden einzelnen Film gönnen. Aber welche Filme lohnen sich überhaupt? Eigentlich egal, es laufen schon seit Jahrzehnten immer nur die gleichen. Statista hat dieses Jahr die zehn meistgeguckten Weihnachtsfilme der Deutschen 2018 veröffentlicht. Was sagt diese Ansammlung über uns? Eine neuere Statistik, als die von 2018 gibt es leider nicht und eine kulturelle Stagnation hat es wahrscheinlich auch nicht gegeben. Trotzdem ist diese Liste ziemlich aussagekräftig.
Platz 10 Muppets Weihnachtsgeschichte (1992)
Eine überdrehte Adaption von Charles Dickens‘ Weihnachtsklassiker „A Christmas Carol“. Der geizige Geschäftsmann Ebenezer Scrooge, der seinen Mitmenschen das Leben schwer macht, wird von Michael Cane gespielt. Ansonsten sind nur die Rollen von Scrooges Familie und seiner Jugendliebe Belle mit Menschen besetzt. Die anderen Rollen, inklusive der drei Geister der Weihnacht sind Puppen. Kermit stellt Scrooges Angestellten und Miss Piggy natürlich dessen Frau.
Disney fand die Szene, in der sich die Jugendliebe Belle vom jungen Ebenezer trennt, nicht geeignet für Kinder, deswegen wurde sie aus der Kinofassung gekürzt und der Tränenausbruch von der Ratte Rizzo am Ende ergibt keinen Sinn mehr.
Platz 9 Die Geister, die ich rief… (1988)
„Scrooged“ (im Original) ist noch eine Charles Dickens Adaption. Dieses Mal ist das Setting komplett ins 20. Jahrhundert verlegt. Ein geld- und machtgieriger Produzent (Bill Murray) quält ein Filmteam, das einen an „A Christmas Carol“ angelehnten Werbespot drehen soll, und merkt nicht, dass er keine Freunde hat, bis ihn drei Geister besuchen.
Bill Murray hat mit 6 Millionen Dollar nicht nur eine höhere Gage als Regisseur, Produzenten und die restlichen Darsteller*innen zusammen, er hatte auch einen enormen Einfluss auf Drehbuch und Besetzung. Er sorgte dafür, dass sein enger Freund die Rolle eines der Geister bekam und brachte auch seine drei Brüder unter. Außerdem schrieb er die erste Fassung des Drehbuchs komplett um. Trotzdem improvisierte er die meisten seiner Szenen und machte damit, ironischerweise, seinen Kolleg*innen die Arbeit schwer. Mehr Meta ist eigentlich nicht möglich.
Platz 8 Das Wunder von Manhattan
Hier ist es ein bisschen schwierig, über einen Film zu schreiben, es gibt nämlich zwei. Das Original ist von 1947, mit Nathalie Wood in einer ihrer ersten großen Rollen. Ein Kaufhausweihnachtsmann namens Kris Kringles in New York muss vor Gericht beweisen, dass er der echte Weihnachtsmann ist, um seine Entmündigung und seine Einweisung in die Psychiatrie rückgängig zu machen. Das Remake von 1994, in dem Richard Attenborough Kris Kringles spielt, übersetzt die Geschichte in die 1990er Jahre, behält den grundsätzlichen Plot allerdings bei. Beide Filme zeigen, dass sich die amerikanische Kultur um Weihnachten viele Jahrzehnte kaum verändert hat. Die Kritiken zum Remake sind sich einig, dass es nicht an das Original herankommt, aber trotzdem „süß“ sei und die schauspielerischen Leistungen der meisten Hauptdarsteller*innen sehr gut waren.
Platz 7 Tatsächlich… Liebe (2003)
Der erste Film aus dem 21. Jahrhundert, der es in diese Liste geschafft hat. Neun Liebesgeschichten, die meisten im vorweihnachtlichen London, werden in diesem extrem hochkarätig besetzten Episodenfilm miteinander verknüpft. Die Szenen, in denen sich Menschen im Flughafen Heathrow begrüßen, sind übrigens echt. Ein Filmteam hat einen Tag lang Aufnahmen für den Film eingefangen. Auch die Szenen, in denen der 13-jährige Sam (Thomas Brodie-Sangster) durch den Flughafen rennt, um seiner Mitschülerin seine Liebe zu gestehen, wurde im echten Flughafen gedreht. Die restlichen Szenen am Flughafen wurden an einem Set gedreht, dessen Bau der teuerste des ganzen Films war. Brodie-Sangster hat übrigens acht Jahre später noch einen 13-jährigen gespielt – dieses mal in Game of Thrones. Die Hochzeitsszene mit der Überraschungsdarstellung von „All You Need Is Love“ wurde übrigens von einer realen Situation inspiriert: Als der Erfinder der Muppets Jim Hensons beerdigt wurde, gaben die Puppenspieler mit den Puppen spontan ein Lied zum besten.
Platz 6 Der Polarexpress (2004)
Der Film, nach einer Buchvorlage, spielt 1955, wo ein Junge, der nicht an den Weihnachtsmann glaubt, in einen magischen Zug einsteigt, und auf dem Weg zum Nordpol, wo er den Weihnachtsmann trifft, mit seinen neuen Freunden und einem Geist in Hobo-Form Abenteuer erlebt. Es gibt im Film zahlreiche Anspielungen auf „A Christmas Carol“.
Es ist der erste Film ist, der komplett in Motion Capture gedreht wurde. Dabei werden Schauspieler*innen real gefilmt und ihre Bewegungen und Mimik auf die animierten Charaktere übertragen. Tom Hanks, ein Lieblingsschauspieler des Regisseurs, spielt gleich sieben Rollen, darunter auch den namenlosen Hauptprotagonisten. Den spielt er allerdings nicht alleine, sondern mithilfe von zwei Kinderdarsteller*innen.
Platz 5 Santa Clause – eine schöne Bescherung (1994)
Der erste Teil einer Weihnachtsfilm-Reihe mit Tim Allen. Der Hauptprotagonist muss, nach dem plötzlichen Tod vom Weihnachtsmann, dessen Rolle übernehmen. Der Originaltitel ist ein Wortspiel mit einer Gesetzesklausel (engl. Clause) und dem Namen des Weihnachtsmanns Santa Claus. Die erste Version für das Drehbuch stand schon 1989, wurde aber in eine weniger düstere Komödie umgeschrieben. Weil der Film im Frühsommer gedreht wurde, mussten bei den Außenaufnahmen künstliche Schneedecken über alles mögliche gelegt werden.
Platz 4 Sissi (1955)
Der erste Film einer Reihe über die österreichische Kaiserin Elisabeth, die Romy Schneider zum Star kürte. Später litt sie allerdings unter dem dadurch entstandenen Image als Heimatfilm-Darstellerin. Ihre Filmmutter, Herzogin Ludovica, wird von Schneiders echter Mutter Magda gespielt. Warum ausgerechnet dieser Film in Deutschland zu den Weihnachtsfilmen gehört, ist umstritten. Weihnachten wird im ganzen Film nicht einmal erwähnt. Erst im zweiten Teil reden Sissis Eltern kurz darüber, dass ihre Tochter an Heiligabend geboren wurde. Besonders historisch korrekt ist dieses Märchen allerdings nicht.
Platz 3 Der kleine Lord (1980)
Ein Film nach einem fast hundert Jahre alten Roman. Der junge Cedric, der mit seiner Mutter in den USA lebt, wird darüber informiert, dass er der Erbe vom Adelstitel seines Großvaters Earl von Dorincourt wird, und soll nun von ihm weiter erzogen werden. Durch die unschuldige Naivität Cedrics blüht der geizige und verbitterte alte Mann, gespielt von Alec Guinnes, auf, schmeißt ein großes Weihnachtsfest für Freund*innen und Verwandte und kümmert sich sogar um seine verarmten Pächter. Der süße Kinderdarsteller Ricky Schroder hat 2020 andere Schlagzeilen gemacht. Er bezahlte anteilig die Kaution für einen 17-jährigen, der bewaffnet zu einer Black-Lives-Matter nach Kenosha gefahren ist und dort zwei Menschen der Bewegung erschossen hat, weil er fand, dass die Untersuchungshaft „das Leben des 17-jährigen zerstören“ würde.
Platz 2 Kevin – Allein zu Haus (1990)
Die Großfamilie des namengebenden Hauptprotagonisten will über Weihnachten Urlaub in Frankreich machen, übersehen im Aufbruchschaos aber, dass ein Kind noch schläft und lassen ihn deswegen zurück. Diese Komödie um ein vergessenes Kind, das mit sadistischen Fallen das Haus gegen Einbrecher verteidigt, ist ein klassisches Beispiel dafür, dass auch in kurzer Zeit erfolgreiche Werke geschrieben werden können. Der Drehbuch Autor John Hughes schrieb das Drehbuch in nur zehn Tagen runter. Für die letzten 44 Seiten brauchte er sogar nur noch acht Stunden. Auch in diesem Film gibt es einen Hinweis auf Charles Dickens‘ legendäre Geschichte: Der „alte Marley“, den Kevin fälschlicherweise für einen Mörder hält, ist nach Ebenezer Scrooges verstorbenen Geschäftspartner und einzigem Freund Jacob Marley benannt.
Platz 1 Drei Haselnüsse für Aschenbrödel (1973)
Auch diese Märchenverfilmung hat nicht viel mit Weihnachten zu tun und ist trotzdem der beliebteste Weihnachtsfilm der Deutschen. Die Geschichte ist eine fantastische Adaption von Grimms Aschenputtel und der Namensgebenden tschechischen Variante von Božena Němcová. Aschenbrödel wird als Waise von ihrer Stiefmutter und deren Tochter wie eine Magd behandelt, kann sich aber selbstbewusst behaupten und hat viele Freunde, die ihr helfen. Die Heldin trifft ihren Märchenprinzen in dieser ČSSR-/DDR-Koproduktion mehrmals im Tiefschnee und schließlich auf einem Ball, wo sie ihm immer ebenbürtig und selbstbewusst entgegentritt. In der tschechischen Fassung singen Karel Gott als Prinz und Aschenbrödel nebeneinander durch den Schnee reitend „Wo kleiner Vogel ist dein Nest?“, das den Deutschen allerdings zu schmalzig erschien und deswegen durch das Instrumentalthema ersetzt wurde. Das Drehbuch wurde von František Pavlíček verfasst, der namentlich nicht erwähnt werden durfte, weil er nach der Niederschlagung des Prager Frühlings Berufsverbot erhalten hatte. Nur drei Leute wussten Bescheid und wahrten das Geheimnis bis 1989.
Eines scheint deutlich: Ohne Charles Dickens würde das Genre ganz anders aussehen. Durch fast alle Filmklassiker zieht sich das Motiv, dass der Glaube an das Gute im Menschen sich lohnt. Die Aufrichtigen und Direkten erleben am Ende Liebe, wie in Sissi, Drei Haselnüsse für Aschenbrödel und dem Kleinen Lord und erweichen die geizigen und kalten Herzen des Establishments, sei das nun eine Aristokratie oder der Kapitalismus. Feiertage sind traditionell, traditionsreich und eine Tradition scheint es auch zu sein, sich fiktive Werke über Weihnachtsstress und überzogene Erwartungen anzugucken, wie etwa in Santa Clause, Das Wunder von Manhattan , Tatsächlich… Liebe, oder Kevin – Allein zu Haus, wo Weihnachtskonsum ein implizites Motiv wird und der Bezug auf Popkultur und Weihnachtsdarstellungen Teile der Handlung werden.
Auffällig ist, dass es zwar jedes Jahr neue Weihnachtsfilme gibt, in dieser Liste aber nur Filme auftauchen, die über fünfzehn Jahre alt sind. Tradition ist eben auch das: ein konservatives Publikum, das nur selten Neues zulässt.
Titelbild: Julia Schlichtkrull Beitragsbild: Anne Frieda Müller
In diesem Semester ist einiges anders. Unter anderem können die Studierenden und Mitarbeiter*innen an der Universität nicht zwangsläufig ihren Hunger in den Mensen stillen. Da wir ohnehin viel mehr Zeit zuhause verbringen, können wir also auch kulinarische Experimente wagen. Kocht sie nach und kommentiert mal wie es war und was ihr verbessert habt!
Eigentlich ist das einzige, was an diesem Gericht etwas mit Curry zu tun hat, Teile der Gewürze. Ein Curry, obwohl es hier als Gewürzmischung (aka Currypulver) bekannt ist, ist eigentlich ein Sammelbegriff für Gerichte mit sämiger Soße. Mit Curry-Ketschup hat das nix zu tun! Was genau reinkommt unterscheidet sich massiv. Ohne allzuviel darüber zu wissen, denke ich jedoch nicht, dass die Steckrübe ein typisches Gemüse in den Teilen Asiens ist, wo Currys herkommen. Thailand, Indien, Malaysia … Aber es ist ein Gemüse, dass aus unserer Region kommt, günstig ist und zu unrecht ein bisschen in Vergessenheit geraten ist. Unsere Vorfahren hatten Steckrübenwinter nach dem Krieg – wir können unsere eigene Steckrübengeschichte schreiben.
Zutaten fürs Curry:
1 kleine Steckrübe
1 Shotglas voll roter Linsen
1 halbe Paprika
3 cm Ingwer
1 Knoblauchzehe
1 kleine Zwiebel
½ TL Currypulver
½ TL Korianderpulver
½ TL Kreuzkümmel (Cumin)
Salz
Pflanzenöl
Zutaten für den Gewürzreis:
1 Tasse Reis
1/3 TL Anispulver
Salz
Pflanzenöl
Wie wird’s gemacht?
Zunächst werden Zwiebel, Ingwer und Knoblauch fein gewürfelt. Ingwer und Knoblauch kann man auch reiben – nervt aber dann beim Abwasch. Dann kann die Steckrübe gewaschen, geschält und in etwa 1 Zentimeter große Würfel geschnitten werden. Richtig geil an dieser Stelle wäre Chili. Hab ich aber nicht.
Meine Rezepte entstehen im Kochprozess und deswegen kaufe ich selten gezielte Zutaten. Improvisation ist alles!!!!!
Reis mit Salz, Anis und einem EL Pflanzenöl in einen kleinen Topf geben und kurz bei starker Hitze anschwitzen. Den Reis mit Wasser bedecken (eigentlich ist das Verhältnis 1 Teil Reis 2 Teile Wasser, aber ich finde es so einfacher), bis der Reis circa zwei Fingerbreit unter Wasser ist. Deckel drauf. Wenn es aufkocht, die Temperatur runter drehen auf eine kleine Flamme und mit geschlossenem Deckel weiter köcheln lassen. (Niemals umrühren!!!!!)
In einem größeren Topf die vorbereitete Zwiebel mit dem Ingwer, dem Knoblauch und den Gewürzen in Öl anbraten. Das Öl sollte den Boden vom Topf bedecken, also ca. 2 ½ EL Öl. Wenn die Gewürze angebraten werden, entfalten sie ihren Geschmack anders, als wenn sie erst später hinzugegeben werden. Aber aufpassen, dass nichts anbrennt! Wenn die Zwiebeln leicht glasig und die Gewürze leicht (!!) gebräunt sind, kommt die Steckrübe dazu. Kurz mit umrühren und dann die Linsen hinzugeben. Rote Linsen müssen nicht eingeweicht werden, deswegen können sie auch spontan verwendet werden. Das Ganze dann mit Wasser auffüllen, salzen und auf mittlerer Hitze köcheln lassen. Jetzt die Paprika schneiden und würfeln und auch in den Topf schmeißen. Geil! Das einzige, das noch geiler wäre, wäre Kokosmilch. Hab ich aber auch nicht. Pech gehabt.
Hin und wieder mit einem Löffel den Reis vorsichtig auseinander schieben und gucken, ob noch Wasser im Topf steht. Wenn keines mehr da ist und der Reis noch nicht durch ist, einfach ein bisschen Wasser nachgießen. Ist der Reis durch und noch Wasser im Topf, den Deckel abnehmen und die Temperatur hochdrehen, bis das Wasser verkocht ist. Den fertigen Reis abgedeckt zur Seite stellen.
Wie schmeckt’s?
Leider brauchen die Steckrüben wesentlich länger als ich gedacht hätte. Insgesamt fehlt es ein bisschen an Flüssigkeit und Schärfe im Curry. Falls ich das ganze nochmal kochen würde, würde ich definitiv Chili und Kokosmilch mit reinnehmen. Kein Essen für den schnellen Hunger, aber es gibt Schlimmeres. Wenigstens duftet die Küche richtig geil!
Bilder: Veronika Wehner Banner: Julia Schlichtkrull
Das Greifswalder Festival rund um nordische Kultur, das alljährlich im Mai Leben in die Stadt bringt, findet in diesem Jahr in den Wohnzimmern statt – COVID-19 hat auch den Nordischen Klang ins digitale Abseits gedrängt. Am 8. Mai fand die Eröffnungszeremonie auf YouTube statt.
Jeden Mai stellen sich in Greifswald Künstler*innen aus dem Norden Europas vor. Die Ausstellungen, Filmvorführungen und Konzerte locken zahlreiche Besucher*innen in die Stadt. Wegen der aktuellen COVID-19-Pandemie können die Veranstalter*innen in diesem Jahr das Festival nur digital ermöglichen. Von den ursprünglich Eingeladenen beteiligen sich zur Zeit etwas über die Hälfte mit eigenen Beiträgen. Einige schicken Grußworte, andere, wie zum Beispiel Rosa Cruz, spielen exklusive Konzerte ein. Durch den Wegfall der Tickets brechen nicht nur dem Festival wichtige Einnahmen weg, sondern auch den gebuchten Künstler*innen. Für die exklusiven Konzerte bekommen sie zwar immer noch etwas, allerdings „eher eine Aufwandsbeschädigung“ wie Prof. Dr. Pantermöller von der Festivalleitung erklärt. Immerhin bekommen durch die Onlineperformance alle Aufmerksamkeit, Künstler*innen wie Festival. Die Festivalleitung hofft durch die extensive Nutzung aller Kanäle auf eine größere Reichweite, die sich dann auch nachhaltig ins folgende Jahr überträgt. Der erwartete höhere Lokaltourismus im folgenden Jahr könnte deswegen zu mehr Besucher*innen beim 30-jährigen Jubiläum des Nordischen Klangs 2021 sorgen. Einige der für 2020 gebuchten Künstler*innen wurden direkt für 2021 wieder eingeladen. Die Organisation arbeitet zur Zeit noch daran, zwei Konzerte im Herbst nachzuholen. Welche das sind und wann genau die stattfinden können, ist noch nicht sicher. Da die Flugsituation noch lange nicht absehbar ist, können keine Künstler*innen eingeflogen werden. Wer kommt, muss daher über den Landweg anreisen können.
Programm in Evolution
Einige Programmpunkte wurden bereits seit Beginn des Monats online gestellt. Der Schwerpunkt der Beiträge wird aber vom 8. bis zum 17. Mai bleiben. Am 8. Mai um 18.00 Uhr hatte auf YouTube die Feierliche Eröffnung Premiere. Alle ursprünglich eingeplanten Redner*innen sind dabei geblieben und haben ihren Beitrag geleistet. Im Anschluss gab es dänischen Jazz. Dänemark ist in diesem Jahr „Schirmherrenland“ und wurde zusätzlich am Freitag durch die Swingbassistin Ida Hvid vertreten. Es gibt aber schon fest eingeplante Pop- R&B- Folk- Jazz oder Funkkonzerte. Darüber hinaus wird es auch Fotostrecken, Rezepte, Poesie, einen Podcast, Filme und eine DJ-Nacht geben. Es lohnt sich immer ein Auge auf die Webseite und die sozialen Medien des Nordischen Klangs zu haben. „Es gibt immer wieder auch positive Überraschungen“ erzählt Pantermöller. Künstler*innen, die ursprünglich keinen Beitrag einspielen konnten, kommen spontan zurück ins Programm. Neben den Beiträgen auf YouTube, Facebook, Twitter und Instagram gibt es auch einen Blog mit Hintergrundberichten.
Der erste Mai ist der internationale Tag der Arbeit. In fast allen Ländern und Städten dieser Welt wird an diesem Tag für bessere Arbeitsbedingungen demonstriert und auf Misstände in verschiedenen Branchen hingewiesen. In Greifswald demonstrierten über 200 Menschen unter strengen Hygieneauflagen, was damit die größte Veranstaltung in Mecklenburg-Vorpommern war.
Die Bushaltestellen am Südbahnhof sind vorsorglich mit Bändern abgesperrt. Nur über eine Eingangskontrolle, bei der sich die Demonstrierenden in Listen eintragen müssen, können sie sich um den Lautsprecherwagen versammeln. Kurz nach dem offiziellen Beginn der Veranstaltung unter dem Motto „Maifeiertag ist auch #TagderUnsichtbarenArbeit: Für die Sicherheit der unbezahlten #Carearbeit. #CareRevolution #1Mai #1mHGW #FridaysForGrundrechte“ sind bereits über 150 Demonstrierende vor Ort und werden mit voraufgezeichneten Reden und Arbeiterkampfliedern aus dem letzten Jahrhundert beschallt. Alle, Polizist*innen wie auch Demonstrierende, haben Mund und Nase bedeckt, wie es am ersten Mai auch Tradition ist. Ein älteres Paar, das mit dem Fahrrad am Südbahnhof vorbeifährt, kommentiert, die Covid-19 Pandemie sei die „perfekte Ausrede sich zu vermummen“. Tatsächlich wurde erst am Vortag in einem Eilverfahren die Demonstration durch das Verwaltungsgericht Greifswald genehmigt, unter strengen Auflagen. Die maximale Anzahl der Teilnehmenden darf die 200 nicht überschreiten, es soll immer ein Mindestabstand von 1,50 Metern eingehalten werden und alle Teilnehmenden müssen einen Mundschutz tragen. Was in vergangenen Jahren und Jahrzehnten zu Festnahmen wegen des Vermummungsverbot führte, ist in diesem Jahr eine Pflicht. Laut der Polizei werden drei Teilnehmende aus der Demonstration ausgeschlossen, da sie nicht ausreichend maskiert waren.
Wütende rechte Pöbeleien
Gegen 15.45 Uhr setzt sich der, vom Regen durchnässte und von allen Seiten durch Polizist*innen eingekreiste Zug in Bewegung. Durch den Mindestabstand, an den vom Lautsprecherwagen regelmäßig erinnert wird, zieht sich der Zug über mehrere Straßenzüge. Vom Ende aus sind die Sprechchöre der Spitze kaum zu hören. Vom Lautsprecherwagen aus werden die Anwohner*innen immer wieder direkt angesprochen. Nach mehreren leeren Straßenzügen in Schönwalde II kommen Sonnenstrahlen raus und damit auch die Anwohner*innen. Von den Bürgersteigen, Fenstern und Balkonen aus filmen und beobachten sie den Demonstrationszug. Im Ernst-Thälmann-Ring kommt es gleich drei Mal zu wütenden Beschimpfungen durch, vermutlich rechte, Anwohner, die von den Sprechchören niedergebrüllt werden. Zu einer direkten Auseinandersetzung kommt es bei der Zwischenkundgebung am Gabenzaun beim Labyrinth. Eher amüsiert beobachten die Teilnehmenden, wie sich ein „stadtbekannter Nazi“ über die Ansage aufregt, auch er habe „selbstverständlich“ bei der Essensausgabe, die Aufgrund der aktuell geschlossenen Tafel in Schönwalde organisiert wurde, Essen erhalten. Er wird von der Polizei durchsucht und von den Demonstrierenden fern gehalten bis die Demonstration weiterzieht. Das schönere Wetter scheint auch mehr Menschen zur Teilnahme motiviert zu haben. Die Teilnahmelisten müssen zwischendurch angepasst werden. Von Beginn an Mitlaufende werden an der Ecke zur Makarenkostraße am Ende plötzlich von der Polizei abgedrängt und müssen weit hinter der Demonstration herlaufen, was von einer Reihe Polizist*innen abgeschirmt wird. Auf Nachfrage erklärt ein Polizeibeamter, dass inzwischen die maximale Teilnehmerzahl von 200 Menschen erreicht sei und deswegen niemand mehr in den eigentlichen Zug reinkomme. Neugierige und abgedrängte Demonstrierende folgen dem Zug mit einigem Abstand.
Solidarität, Systemwechsel und SOG
Die Themen der abgespielten Reden rangieren von dialektischen Auseinandersetzungen mit dem Arbeitsbegriff bis in die aktuelle Landespolitik. Viel Applaus bekommen die Reden, in denen sich die Sprecher*innen für die Geflüchteten und eine Evakuierung der Lager auf den griechischen Inseln einsetzen. Auch die Situation von zentralen Unterkünften für Geflüchtete in Mecklenburg-Vorpommern wurde thematisiert. Dort können die Menschen die Sicherheitsabstände nicht einhalten, deswegen fordern die Demonstrierenden auch eine dezentrale Unterbringung. Andere Redner*innen stellen sich gegen die Gentrifizierung der Stadt und fordern die Vergesellschaftlichung von Wohnräumen. Weitere Kapitalismuskritik wird im Zusammenhang mit der aktuellen Pandemie deutlich. Systemrelevante Berufe, die bereits vor der Krise in der Regel unter schwierigen Bedingungen ausgeführt wurden, würden jetzt noch härter. Unter den aktuellen Bedingungen werden teilweise Zwölf-Stunden Schichten verlangt. „Das war es dann wohl mit dem Arbeitsschutz“. Konkret wird eine bessere Bezahlung und die Einhaltung der Arbeitnehmer*innenrechte gefordert. Besondere Aufmerksamkeit setzen viele auf die unbezahlte Care-Arbeit, die nach wie vor hauptsächlich von Frauen geleistet wird. Die Abschaffung des Patriarchats, eine weitere Forderung, solle über den Sozialismus geschehen, da dieser „dem Patriarchat wenigstens die kapitalistische Grundstütze nimmt.“
Auch der Klimaschutz wird nicht vergessen. Von den Aktivist*innen von Fridays for Future wird gefordert, dass sie sich klar als eine antikapitalistische Bewegung positionieren, weil inzwischen alle Parteien auf den Klimaschutz aufspringen und dabei vom Lobbyismus der großen Industrien beeinflusst würden. Zu guter Letzt nehmen sich die Demonstrierenden noch einmal das neue Polizeigesetz Mecklenburg-Vorpommerns vor und erinnern daran, dass der Polizei zwar weitreichende Befugnisse für die Gefahrenabwehr eingeräumt wurden, aber keine Beschwerdestelle für den Fall von Missbrauch der Daten oder Polizeigewalt eingerichtet wird. In den letzten Monaten sind immer wieder Fälle publik geworden, in denen Polizeibeamt*innen sensible Daten an gewaltbereite Gruppierungen weitergeleitet haben oder diese für persönliche Motive missbraucht haben. Die Ankündigung „die Verfassungsbeschwerde ist in Arbeit, denn so ein Quatsch machen wir nicht mit!“ wird mit großem Applaus aufgenommen.
Die Demonstration ist inzwischen am Platz der Freiheit angekommen, wo die Europakreuzung für die Schlusskundgebung gesperrt ist. In alle Richtungen staut sich der Verkehr für 45 Minuten, bis die Polizei ihn nach langem Hupen der Autofahrenden um die Demonstrierenden herum leitet. Um 17.55 Uhr löst sich die Veranstaltung zum ersten Mai friedlich auf.
Um gegen die Abschottung der Europäischen Union und die katastrophalen Zustände um die Situation der Geflüchteten in Griechenland zu demonstrieren hat der Lokalverband von SEEBRÜCKE zu eine spontanen Mahnwache aufgerufen.
Seit Ende Januar spitzt sich die Lage der Geflüchteten an der griechischen Außengrenze der EU dramatisch zu. Berichte nach denen ein Kind vor der Küste Griechenlands bei der Überfahrt aus der Türkei starb, ohne dass die zuständige Küstenwache eingriffen habe sowie gewaltsame Übergriffe durch Rechtsextreme auf Geflüchtete, Hilfsorganisationen und Journalist*innen haben in zahlreichen Städten Deutschlands zu Solidaritätsaktionen geführt.
Am 3. März um 18.00 Uhr rief unter dem Motto „Grenze auf, Leben retten!“ auch der Lokalverband der SEEBRÜCKE Greifswald zu einer spontan organisierten Mahnwache auf dem Markt auf. Über 120 Menschen folgten der Einladung und versammelten sich im leichten Nieselregen vor der Touristeninformation. Neben zwei Beiträgen aus den eigenen Reihen, in denen deutsche Politiker*innen, die sich in den vergangenen Tagen beim griechischen Grenzschutz bedankten, scharf kritisiert wurden, kamen auch Stimmen zu Wort, die in Radiobeiträgen und einem Text über die Lage vor Ort berichteten. Die Organisator*innen erklärten, dass sie es wichtig fanden, diejenigen anzuhören, die sich direkt mit der Situation auf Lesbos auseinandersetzen.
Die SEEBRÜCKE ist eine breite Bewegung, die sich unter anderem für die zivile Seenotrettung und die dauerhafte Aufnahme von Geflüchteten in Deutschland einsetzt. Zentrale Fordeungen an die Bundesregierung und insbesondere an die Europäische Union, die 2012 einen gemeinschaftlichen Friedensnobel erhalten hat, sind:
Menschenrechte sind unverhandelbar und enden nicht an den europäischen Außengrenzen. Die Lager in Griechenland und anderen Staaten an den EU-Außengrenzen sollen geschlossen und die Menschen sofort evakuiert werden.
Grenzen jetzt öffnen; die Bundesregierung muss sich dafür einsetzen, dass die EU die griechisch-türkische Grenze öffnet und die Menschen auf der Flucht ungehindert einreisen lässt.
Europa darf sich nicht von Erdogan erpressen lassen und muss den EU-Türkei-Deal aufkündigen.
Der Ortsverband möchte, dass auch hier in Greifswald kontrekt Verantwortung übernommen wird: „Wir können und wollen diese Menschen willkommen heißen und sie aufnehmen. Wir geben den Menschen eine Zukunft und lassen uns nicht von den faschistischen Salvinis, Orbans und Erdogans dieser Welt erpressen! Menschenrechte für alle! Gegen die Festung Europa und die Krise der Menschlichkeit!“
Seebrücke Greifswald
Greifswald gehört seit 2018 zu den über 140 deutschen Städten und Gemeinden, die sich zu „Sicheren Häfen“ erklärt haben und in denen Geflüchtete aufgenommen werden können.
Die Chance, spontan etwas zu sagen, nutzte niemand der Menschen auf dem Markt. Trotzdem blieben fast alle und hörten noch einen weiteren Radiobeitrag zu der Lage auf Lesbos. Nach etwa 45 Minuten wurde die Mahnwache beendet.