Adventskalender Fensterchen No. 20: Die unerwartete Empfängnis

Adventskalender Fensterchen No. 20: Die unerwartete Empfängnis

Weihnachtszeit ist Vorfreude und Geheimnistuerei, Nächstenliebe und Besinnung. Sie duftet nach heißem Glühwein, frisch gebackenen Keksen und mühsam gepellten Mandarinen. Der Dezember lebt von kleinen Aufmerksamkeiten und Traditionen, wie den Adventssonntagen mit der Familie, dem mit Süßigkeiten gefüllten Schuh am Nikolausmorgen und dem täglichen Öffnen des Adventskalenders. Weißt du noch, wie du jeden Tag vor Weihnachten aufgeregt aufgestanden bist, um vorfreudig zu deinem Schokoadventskalender zu tappen? Die moritz.medien verstecken das Weihnachtsgefühl hinter 24 Fenstern. Im heutigen Fenster: Die Geschichte eines botanischen Weihnachtswunders.

Coole Musik und noch coolere Frisuren!

“Maria durch ein Dornwald ging, der hat in sieben Jahr’n kein Laub getragen.” Wer auch immer den Text dieses Liedes gedichtet hat, muss sich die Inspiration dafür in den leidvollen Erfahrungsberichten meiner Zimmerpflanzen geholt haben. Ihr Snitches, was hat man euch für den Liedtext geboten, was es bei mir nicht gab? Dünger? Sonnenlicht? Oder gar Wasser?!

Aufmerksame Leser*innen des webmoritz. wussten natürlich auch vorher schon längst, dass Pflanzen (insbesondere Basilikum) in meiner Wohnung keinen leichten Stand haben. Insofern ist es erstaunlich, dass mir ab und zu trotzdem immer noch welche geschenkt werden. Im Frühjahr diesen Jahres zum Beispiel wurde mir mit einem freundlichen Lächeln ein Blumentopf mit drei Hyazinthen überreicht. Tolle Blumen, meine Wohnung hat wochenlang großartig geduftet, was gerade in Anbetracht des – einige von euch erinnern sich vielleicht noch verschwommen daran – kurz darauf beginnenden ersten Lockdowns und der vielen Zeit am Schreibtisch eine der kleinen Freuden war, die die Isolation etwas erträglicher gemacht haben. Zu dieser Zeit war ich sehr um das Wohl dieser Blumen bemüht, sie waren quasi meine Rosen und ich ihr kleiner Prinz auf unserem Planeten der Selbstisolation, meiner Wohnung. Als sich der Lockdown irgendwann doch noch dem Ende zuneigte, verloren aber auch die Blüten der Hyazinthen nach und nach ihre Kraft und ihren Duft und ich damit das Interesse an ihnen. Und so kam es, wie es kommen musste, und auch diese Pflanzen gingen den Weg alles Irdischen. Die Blütenblätter fielen eines nach dem anderen zu Boden, die Stiele wurden braun, vertrockneten und brachen schließlich ab. Übrig blieb ein gelber Umtopf, gefüllt mit vielen welken Blättern, die den eigentlichen Topf im Inneren bedeckten. Die Welt draußen hingegen wurde vorübergehend von ihrem Dornröschenschlaf wachgeküsst, mein Planet wurde wieder zur Wohnung, mein Leben ging relativ normal weiter und der Topf stand etwa ein halbes Jahr lang vollkommen unberührt auf meiner Fensterbank.

Bis vor ein paar Wochen der zweite Lockdown begann und ich plötzlich wieder ungewollt viel Zeit zu Hause verbringen “durfte”. Vom ehrgeizigen Ziel getrieben, all das, was im Haushalt die letzten Monate liegen geblieben war, endlich anzugehen, wollte ich dann auch den traurigen Anblick der toten Blumen beseitigen. Als ich die Blätter in den Mülleimer befördert hatte, fiel mir aber auf, dass die Blumenzwiebeln darunter alles andere als tot aussahen. Aus der mittleren wagte sich sogar bereits ein zarter grüner Spross ans neu entdeckte Tageslicht! Also habe ich ein riskantes operatives Verfahren gewagt: Eine Zwiebeltransplantation. Um der wachsenden Blume all den Platz für eine blühende Entwicklung zu bieten, wurde sie umgepflanzt in den Topf einer Korianderpflanze, die leider viel zu jung bei einem furchtbaren Vertrocknungsunfall (mea culpa) ihre Erde verwaist zurückgelassen hatte. Die neue Zwiebel wurde, dank meines großen chirurgischen Geschicks und wohl auch ein wenig dank der pharmakologischen Unterstützung mit Dünger und Wasser, sofort gut angenommen und gedeiht, unter der strengen Aufsicht meiner zahllosen Gieß-Erinnerungsbenachrichtigungen auf dem Handy, besser als ich es je zu träumen gewagt hätte.

Es weihnachtet sehr.

Durch glückliches Timing bin ich dieses Jahr also ganz unerwartet in den Genuss eines wortwörtlich “wachsenden Adventskalenders” gekommen. Jeden Morgen, wenn ich den Vorhang des Küchenfensters zur Seite ziehe, freue ich mich über die große Entwicklung, die meine kleine Blume in den letzten 24 Stunden gemacht hat. Und inzwischen beginnt sich auch der Duft wieder über meine Wohnung zu verteilen. Genau pünktlich zum neuen harten Lockdown ist meine Rose zurückgekehrt. Bei meiner botanischen Vorgeschichte: Ein echtes Weihnachtswunder!

„Da haben die Dornen Rosen getragen!“ – close enough.

Und das Beste: Im gelben Topf warten immer noch die beiden weiteren Blumenzwiebeln auf ihren großen Moment. Also egal was passiert: Bring it on, Lockdown 3 und 4, wir sind bereit.

Titelbild: Julia Schlichtkrull
Beitragsbilder: Philipp Schweikhard

Montagsdemo: Alopecia Teil 1

Montagsdemo: Alopecia Teil 1

Keine Sorge, das hier ist keine Politik-Reihe, im Gegenteil. Aber in der aktuellen Situation, in der das Demonstrationsrecht leider vielerorts missbraucht wird, um Unwahrheiten und Hass zu verbreiten, ist es an der Zeit, dem Wort „Demo“ wieder zu neuem Glanz zu verhelfen. Und zwar mit guter Musik.

In dieser zweiten Folge der Montagsdemos hören wir genauer in die Demo- und Studioaufnahmen des Albums “Alopecia” von WHY? (nicht zu verwechseln mit Wham!) rein. Damit wird es dieses Mal sowohl inhaltlich als auch musikalisch deutlich wilder als in der vorherigen Ausgabe, in der es um “Transatlanticism” von Death Cab for Cutie ging.

Laut Wikipedia sind WHY? eine Alternative-HipHop/Indie-Rock-Band aus Cincinnati. Und das stimmt zwar auch irgendwie, wird dem Sound – oder besser gesagt dem Feeling – der Band aber trotzdem nicht so wirklich gerecht. Als am 27.08.2017 als Teil meiner Spotify-”Dein Mix der Woche”-Playlist das erste Mal ein WHY?-Song aus meiner Anlage erklang, war mir sofort klar, dass diese Band etwas Besonderes an sich hat. Die Songs auf “Alopecia” (“Haarausfall”) erzählen auf liebevolle Art und Weise sehr persönliche und oft auch äußerst peinliche Geschichten. Geschichten, die in jeder anderen Erzählweise furchtbare Fremdscham verursachen würden, vom WHY?-Songwriter Yoni Wolf aber in sprachlich anspruchsvollen Texten so aufgearbeitet werden, dass sie in ihrer Kombination selbstironisch Aspekte einer komplexen Persönlichkeit darstellen, die am Ende als Album einen ziemlich verrückten, aber noch cooleren Gesamteindruck hinterlassen. Für mich hat sich “Alopecia” musikalisch und sprachlich ein bisschen wie Heimkommen angefühlt. Das ist zum einen insofern erstaunlich, da sich mein Haarwuchs bisher glücklicherweise ziemlich voll präsentiert und zum anderen, weil die Band mit ihren deutlich durch das messianisch-jüdische Elternhaus der Brüder Josiah und Yoni Wolf geprägten Texten eigentlich relativ weit von meinem kulturellen Dunstkreis entfernt ist. Das macht trotz der verrückten Texte nachdenklich und gleichzeitig sehr schwermütig und glücklich, weil die Vertrautheit zeigt, dass es der Nationalsozialismus zum Glück anscheinend nicht geschafft hat, die jüdische Kultur komplett aus der Identität dieses Landes zu entfernen, obwohl viele der Kulturschaffenden damals emigrieren mussten, verfolgt oder sogar getötet wurden. 75 Jahre nach dem Ende des Holocaust bin ich sehr froh, in einem Land leben zu dürfen, in dem Kulturen aus aller Welt zusammenkommen und sich ergänzen. Anschläge wie der in Halle und immer wiederkehrende antisemitische Äußerungen, zum Beispiel auf den Querdenken-Demos, zeigen, dass das aber auch heute alles andere als selbstverständlich ist. Irgendwie dazu passend, wenn natürlich auch nicht in diesem Kontext geplant, ist die seltsame Feel-Good-Atmosphäre, die dieses Album ausstrahlt, während es sich mit sehr ernsthaften Themen beschäftigt. Die Demo-Aufnahmen auf YouTube habe ich euch in den Songtiteln der jeweiligen Absätze verlinkt, die Studioversion des Albums könnt ihr direkt hier über Spotify abspielen!

Den Grundton für das Kommende setzt bereits der energievolle Einstieg in das Album mit dem Song “The Vowels, Pt. 2” (“Die Vokale, Teil 2”, Ihr werdet euch jetzt vielleicht fragen “WHY Part 2?” und genau das ist die Antwort). Das war auch der erste WHY?-Song, den ich gehört habe. Die langsam bis zum Zerreißen aufgedrehte Spannung eines Verstärkerrauschens wird durch einen pumpenden Bass und das Klirren von Ketten durchbrochen, die unverständlich klarmachen: Eine neue Gang ist in der Stadt! Das wird auch in der ersten Line sofort deutlich: “I’m not a ladies’ man, I’m a land mine, filming my own fake death!” Boom! Der Beat ist sehr simpel und treibt das Lied mit viel Elan voran, während Yoni davon berichtet, wie er beim Singles Bingo (einer Datingveranstaltung) keinen Wurf landet und daraufhin vor Ort auf der Toilette weint und hofft, dass ihn niemand hört (“I swear, I care… not.”). Diese Diskrepanz zwischen Musik und Text ist stilprägend für WHY?, aber erstaunlicherweise erst in der Studio-Version des Songs wirklich zu spüren. Während hier die Instrumentalbegleitung und der Beat den Song voranpeitschen, ist es in der Demoversion noch genau umgekehrt. Die Begleitung ist hier vollkommen überladen und sehr chaotisch, mit einem absoluten Home-Recording-Vibe, der vor allem durch das akustische Flimmern im Hintergrund zustande kommt. Zusätzlich ist die Gesangsaufnahme immer einen Hauch schneller als die Begleitung, wodurch die Demo eine Hektik vermittelt, die sich wohl am besten mit einem kleinen Kind vergleichen lässt, das, vollkommen überfordert vom Angebot, seinen Vater am Rockzipfel durch einen Süßigkeitenladen schleift. Die Vorfreude auf das fertige Album? Den Abschluss des ersten Songs bildet der Slogan unserer neuen Gang, mit dem alle peinlichen Situationen in Schach gehalten können werden sollen. Er ist gleichzeitig namensgebend für das Lied:

“Cheeri-A
Cheeri-E
Cheeri-I
Cheeri-O
Cheeri-U”

Weiter geht es in einem nahtlosen, aber dennoch plötzlichen Übergang zum zweiten Song “Good Friday” (“Karfreitag”). Das liegt vor allem am Text: “If you grew up with white boys, who only look at black and Puerto Rican porno, cause they want something that their dad don’t got, then you know where you’re at.” Der fertige Song besticht durch seinen geradlinigen, aber instrumental aufwändig und liebevoll gestalteten Beat, der besonders in den Bridges zwischen der Hook und der nächsten Strophe immer wieder die innere Spannung des Protagonisten untermalt, der sich mit Drogen vollpumpt und Stress sucht, um nach einer plötzlichen Trennung die Wirklichkeit um sich herum auszublenden. Dabei bricht er immer wieder in Lachen aus, um die Traurigkeit zu überspielen. In dem Song werden immer neue, plötzliche und sehr intime Erinnerungen an die Exfreundin aufgearbeitet, mit einer beeindruckenden Schärfe des Textes und vielen klanglich sehr spannenden Wortspielen. Besonders aufgefallen ist mir eine Zeile, die ich immer als “I take her pants on tour” verstanden habe, die tatsächlich aber “At Jacob Hand’s on tour” lautet. Beispiele dieser Art finden sich über das ganze Album verteilt immer wieder. Während die Studio-Version sehr akzentuiert und on point ist, ist die Demo-Aufnahme furchtbar anzuhören, weil der Text sowohl rhythmisch als auch melodisch stark mäandert; sie hat die Vibes einer bekifften Recording-Session in einer Garage. So passt diese Aufnahme perfekt zum durch Drogen vernebelten Inhalt des Textes, ist klanglich aber nicht wirklich zu empfehlen. Tatsächlich ist es sehr beeindruckend, dass jemand das Potential dieses Liedes in der Demo erkannt und ermöglicht hat, dass sie im Studio aufgenommen wurde.

Mit dem dritten Song “These Few Presidents” (“Diese wenigen Präsidenten”) wird das Album melodischer und klanglich versöhnlicher und man fühlt sich zum Mitsingen eingeladen. Das ist deshalb verrückt, weil der Text, sprachlich elegant verschlüsselt, gedanklich verschiedene potentielle Todesszenarien einer Expartnerin in einer unglücklichen Beziehung durchexerziert, nur um dann in der Formulierung “Even though I haven’t seen you in years, yours is a funeral, I’d fly to from anywhere.” zu gipfeln. Bis mir das aufgefallen ist, musste ich den Song sehr, sehr oft hören. Auch in diesem Lied stechen insbesondere die sprachlichen Feinheiten hervor. Spannend ist auch der Aufbau von den ruhigen und klanglich nahbaren Strophen (in denen die Freundin zum Beispiel an einem Gasleck stirbt!) hin zum sehr einnehmenden Refrain, in dem die Präsidenten (quasi als “Moralapostel”) auf den Dollarnoten in seiner Tasche den Protagonisten dazu auffordern, diese Gedanken zu unterbinden, bis zur Entspannung des Gefühls in den Bridges, in denen die Partnerin dann aber gestorben ist. Der Song wirkt auf den ersten Blick sehr schlicht und fast schon fröhlich, ist unter diesem stillen Wasser aber erstaunlich tief. Das ist auch in der Demoaufnahme schon so, die, gerade im Vergleich zu den vorherigen Demos, schon sehr ausgereift wirkt, bis auf ein sehr intensives Piepen im Hintergrund des Refrains, das aber vielleicht sinnbildlich für das schlechte Gewissen gesehen werden kann, das die Präsidenten verursachen.

Beim vierten Song “The Hollows” (“die Hohlen/Leeren”) lohnt sich der Blick auf die Demo wieder einmal besonders. Instrumental ist hier vor allem das Klavier hervorzuheben, das zwar eher unscheinbar im Hintergrund mitläuft, dem Song aber bei genauerem Hinhören eine gewisse Tiefe gibt. In der Studio-Version wurde der Text gerade in der zweiten Hälfte des Liedes deutlich verändert. Zum Glück ist davon meine Lieblingszeile “I curse the last six months, I’ve been hiding behind a mustache” nicht betroffen. Diese Demo wirkt insgesamt wieder ein bisschen träger, aber das passt gut zur Stimmung des Liedes, in dem Yoni das Gefühl der inneren Leere feiert und seine Zuhörer*innen auffordert, es ihm gleich zu tun, auch wenn die Dinge oft nicht wie geplant laufen. Besonders schön sind die Zweit- und Drittstimmen, die dem Gesang zunächst mehr Volumen verleihen und dann ein sehr stimmungsvolles Outro bilden.

Weiter geht es mit “Song of the Sad Assassin” (“Lied des traurigen Assassinen”). Bei diesem Stück gefällt mir persönlich die Demoversion nochmal deutlich besser als die Studio-Variante. Sie ist wie ein Kurzmusical voller Absurditäten. Angefangen beim Fehlstart der Klavierbegleitung im ersten Anlauf, über den ironischen Beatbox-Beat, der ein bisschen klingt, als hätte man die Band draußen zum Zähneklappern in die Kälte gestellt, weiter über die komplett schräge Mundharmonika, bis hin zum übertriebenen Erzählerpathos, mit dem die Geschichte des “Sad Assassin” vorgetragen wird und in einer Choreinlage in der ersten Strophe gipfelt. In dem Song geht es darum, dass Yoni sich nach dem „Tod“ eines anderen Musikprojektes (für den er sich verantwortlich fühlt) mit Lee Harvey Oswald (dem Kennedy-Attentäter) vergleicht, der im Keller der Polizeistation, in der er in Gewahrsam genommen wurde, ermordet wurde. Diese Assoziation kommt auf, als er im Waschkeller seines Hauses steht und Geld in die Waschmaschine wirft. In der Studio-Version ist die Inszenierung der Geschichte auch spannend, aber nicht mehr ganz so eindrucksvoll wie in der Demo.

Das Klavier/Pfeif-Intro und -Outro des Songs “Gnashville” finde ich, seit wir in der Redaktion angefangen haben, “Phasmophobia” zu spielen, sehr gruselig. Es könnte als Soundtrack für ein scheinbar verlassenes Waisenhaus in einem Horrorfilm dienen und der Refrain “That’s what the ghost of someone’s dad might say” (ein Satz, der auch in “The Hollows” bereits auftaucht) schlägt mit in diese Kerbe. Mit dem Einstieg der Drums wird der Song klanglich deutlich gemütlicher, der Beat ist rhythmisch sehr interessant und wird gefühlvoll vom Klavier unterstützt. Sprachlich ist auch dieses Lied wieder ausgesprochen schön verschlüsselt und gespickt von Wortspielen, die sich mit dem eigenen und dem Verhältnis anderer Menschen zur Religion und der Vergänglichkeit beschäftigen. Interessant ist, dass die Demo trotz ihrer großen Ähnlichkeit zur finalen Version, im Refrain noch keinen Text besitzt.

Den Abschluss des ersten Teil dieses Reviews macht mein neuer Lieblingssong dieses Albums “Fatalist Palmistry” (“Fatalistisches Handlesen”), dessen Schönheit ich jetzt erst entdeckt habe. Das ganze Album steckt voller wundervoller Wortspiele und sprachlicher Bilder, aber dieser Song ist pure Poesie. Und in der Demo erzeugt er mit seiner Gitarre, dem Tamburin, dem Klatschen und dem mehrstimmigen Gesang außerdem eine Lagerfeuer-Atmosphäre, die gerade einen schönen Kontrast zur Lockdown-Kälte des Winters bietet. Wie (fast) immer in der Musik geht es auch in “Fatalist Palmistry“ um verflossene Liebe, aber das lässt sich gut ausblenden, wenn man einfach den Namen des neuen Lovers schräg mitgröhlt.
Auch wenn es schwer ist, aus diesem Lied eine Lieblingsstelle auszuwählen, finde ich die erste Strophe angesichts des kommenden Lockdowns und der Spinnereien der Menschen auf den Demos gegen die Maßnahmen so passend, dass ich sie zum Abschluss gerne komplett zitieren möchte:

„I sleep on my back, cause it’s good for the spine
and coffin rehearsal.
I know a psychic, who reads her own palms
and her findings are personal.
She keeps her fists shut tight
and she sleeps on her side.
Well, maybe she knows something I don’t know.“

Und damit fröhliche WHY?nachten und bis in 14 Tagen zu Teil 2!

Beitragsbilder: (alle Künstler*innen auf pixabay.com)
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Jo-B

Verschärfung der Corona-Regelungen ab dem 14.12.2020 (aktualisiert am 14.12.2020 um 14:30 Uhr)

Verschärfung der Corona-Regelungen ab dem 14.12.2020 (aktualisiert am 14.12.2020 um 14:30 Uhr)

Aufgrund der bundesweit anhaltend hohen Covid-19-Inzidenz (Stand 14.12.2020 über 100 Neuinfektionen pro 100.000 Personen in 7 Tagen in Vorpommern-Greifswald) hat die Bundesregierung in Absprache mit den Ministerpräsident*innen der Länder am Sonntag (13.12.2020) neue Beschlüsse für einen zweiten „Lockdown“ verabschiedet. Bereits am Freitag (11.12.2020) hatte das Rektorat der Universität Greifswald neue Regelungen für den Zeitraum vom 14.12.2020 bis zum 10.01.2021 verkündet. Was sich verändert hat und welche Regelungen aktuell gelten, haben wir für euch hier zusammengefasst.

Regelungen an der Universität Greifswald

Das hat sich geändert:

Die bisher bestehenden Ausnahmeregelungen zur Präsenzlehre für Studierende im ersten Semester und für Veranstaltungen, deren Durchführung digital nicht möglich ist, werden ab dem 14.12.2020 außer Kraft gesetzt.

Auch die Ausnahmeregelungen für Lehrveranstaltungen, die Labor- oder Arbeitsräume der Universität erfordern, sowie Prüfungen werden zwischen dem 18.12.2020 und 11.01.2021 ausgesetzt. Diese Veranstaltungen werden auf digitale Alternativformate umgestellt oder entfallen.

Aufgrund des 7-Tages-Inzidenzwertes von über 100 Neuinfektionen pro 100.000 Personen müssen die Lesesäle und Aufenthaltsbereiche der Hochschulbibliotheken ab sofort geschlossen werden. Diese Regelung gilt zunächst bis zum 03.01.2021. Die Ausleihe ist noch bis einschließlich 23.12.2020 möglich.

Die Selbstlernräume für Studierende müssen geschlossen werden.

Ab dem 16.12.2020 wird empfohlen, dass Mitarbeitende der Universität ihre Arbeit im Home Office durchführen.

Das gilt vom 14.12.2020 bis (voraussichtlich) 10.01.2021:

Selbstverständlich sind auch weiterhin Mund-Nasen-Bedeckungen in allen Unigebäuden zu tragen, auch am Arbeitsplatz (ausgenommen sind Einzelbüros), bei Veranstaltungen oder zum Beispiel in der Bibliothek.

Lehrveranstaltungen finden wie bisher digital statt. Ausnahmen gelten noch bis zum 18.12.2020 in Abstimmung mit den Gesundheitsbehörden für Labortätigkeiten, Praktika, praktische und künstlerische Ausbildungsabschnitte und Prüfungen. Voraussetzung ist jedoch jeweils, dass die Hygienevorschriften des RKI eingehalten werden können. Lehrveranstaltungen, für die bisher Ausnahmeregelungen galten und die nicht digital durchgeführt werden können, entfallen.

Für die medizinische Fakultät gilt, dass Praktika und Prüfungen in Präsenz durchgeführt werden (dürfen), Vorlesungen und Seminare jedoch ausschließlich digital stattfinden sollen.

Die Nutzung der Lesesäle und Aufenthaltsbereiche der Hochschulbibliotheken und -archive ist (zunächst) bis zum 03.01.2021 nicht mehr möglich. Eine Ausleihe ist noch bis zum 23.12.2020 möglich.

Die Selbstlernräume für Studierende müssen geschlossen bleiben.

Die Mensen und Cafeterien bieten weiterhin nur einen Außer-Haus-Verkauf an. Ihr könnt also in der Mensa am Beitzplatz und am Loeffler-Campus nun die Mensa-to-go nutzen. Nur die Cafeteria am Klinikum darf weiterhin einen Verzehr vor Ort anbieten, um die Mitarbeiter*innen des Klinikums zu versorgen. Umfüllstationen für einen nachhaltigeren Transport des Essens in eigenen Mehrwegbehältern sind in den Mensen eingerichtet.

Gremiensitzungen finden in digitaler Form statt.

Sprechstunden finden nicht in Präsenz statt, stattdessen sind Telefon-/Video-Sprechstunden und E-Mails zu nutzen.

Wenn umsetzbar, sollen Vorgesetzte an der Universität ab dem 16.12.2020 die Betätigung im Home Office ermöglichen.

Die Kurse des Hochschulsports finden weiterhin nur digital statt.

Chorproben und Proben von Musikensembles müssen weiterhin ausgesetzt werden.

Studentische Clubs müssen weiterhin geschlossen bleiben.

Das Studierendenwerk führt persönliche Beratungen derzeit weiterhin nicht vor Ort durch, sondern nur noch telefonisch, per Mail oder oder über die Video-Sprechstunde. Das gilt für alle Bereiche (BAföG, Wohnen, Sozialberatung, psychologische Beratung, Kasse, Mietbuchhaltung, KfW-Sprechstunde).

Weiterführende Links zu den Maßnahmen der Uni:
Die aktuellen hochschulspezifischen Regelungen der Landesregierung findet ihr auf der Seite „Informationen für Hochschulen und Studierende sowie Forschungseinrichtungen„.
Das FAQ der Uni zum Corona-Virus sowie die aktuellsten Hygieneverordnungen findet ihr auf der Uniwebsite.
Neueste Informationen vom Studierendenwerk findet ihr auf deren Internetseite.

Allgemeine Regelungen

Das hat sich geändert/ändert sich:

Der Einzelhandel wird auf die lebensnotwendigen Bereiche reduziert, die konkreten Regelungen werden derzeit von der Landesregierung ausgearbeitet.

Nicht-medizinische Dienstleitungseinrichtungen im Bereich der Körperpflege werden geschlossen.

Auch der Präsenzunterricht an Schulen soll spätestens ab dem 16.12. wieder auf digitale Formate umgestellt werden. Es werden jedoch zum Teil unterschiedliche Regelungen für die Schüler*innen verschiedener Jahrgänge getroffen. Zudem sollen Notfallbetreuungen eingerichtet werden. Die konkrete Umsetzung kommunizieren die jeweiligen Schulen gegenüber den Schüler*innen und deren Eltern. Für Kindertagesstätten soll analog verfahren werden.

Arbeitgeber*innen sollen prüfen ob, z.B. durch Home Office oder Betriebsferien die Einhaltung der Kontaktbeschränkungen auch im Arbeitsbereich ermöglicht werden kann und dies ggf. umsetzen.

Das gilt ab dem 16.12.2020:

Es gilt weiterhin eine Kontaktbeschränkung. Das heißt, in der Öffentlichkeit darf sich nur noch mit Personen aus dem eigenem und höchstens einem weiteren Haushalt aufgehalten und die Gesamtanzahl von fünf Personen (ausgenommen Kinder unter 14 Jahren) nicht überschritten werden. Die Maskenpflicht bleibt zudem ausgeweitet: In Einkaufscentern, auf Märkten und auf belebten Plätzen wie in der Langen Straße ist ein Mundschutz zu tragen.

Nach aktuellem Stand gelten vom 24.12. bis zum 26.12.2020 leichte Lockerungen der Kontaktbeschränkungen. In diesem Zeitraum darf ein Hausstand von bis zu 4 Personen besucht werden, auch wenn das mehr als zwei Haushalte sind. Kinder bis 14 Jahren werden hierbei nicht mitgezählt. Die Ausnahmeregelung gilt jedoch nur für geradlinig Verwandte (also (Ur-)Großeltern, Eltern und Kinder) sowie deren Haushaltsangehörige. Zudem appelliert die Regierung zur Einhaltung einer „Schutzwoche“ mit minimalen Kontakten vor den Familienbesuchen über die Feiertage.

Geschäfte des Einzelhandels, die nicht der Versorgung mit Produkten des täglichen Bedarfs dienen, müssen ab spätestens 16.12.2020 schließen. Ausnahmen gelten unter anderem für Tankstellen, Auto- und Fahrradwerkstätten, sowie für medizinisch notwendige Einrichtungen wie Optik- und Hörgeräteakustik-Geschäfte, Sanitätshäuser, Apotheken, Physiotherapie-, und medizinische Fußpflegepraxen.

Der Gastronomiebetrieb bleibt ebenfalls stark eingeschränkt. Das bedeutet, Restaurants, Cafés und Bars dürfen ausschließlich Speisen zum Mitnehmen ausgeben oder liefern.
Der Verzehr von alkoholischen Getränken im öffentlichen Raum ist für die Dauer des Lockdowns untersagt und wird mit einem Bußgeld belegt.

Auch Freizeiteinrichtungen bleiben geschlossen. Theater-, Kino- oder Museumsbesuche sind zurzeit nicht möglich. Gleiches gilt für Schwimmbäder und Fitnessstudios. Auch die Stadtbibliothek bleibt geschlossen, bietet aber einen Abholservice und sogar einen Bringdienst an.

Zudem gilt in ganz M-V weiterhin ein Tourismusstop, durch den touristische Betriebe wie Hotels keine Urlaubsgäst*innen annehmen dürfen. Die Einreise in das Bundesland ist nur für Personen mit Haupt- oder Nebenwohnsitz in Mecklenburg-Vorpommern gestattet (oder Personen, die einen Vertrag über mindestens sechs Monate mit einer Ferienwohnungsvermietung etc. geschlossen haben oder einen Kleingarten besitzen). Das heißt, auch private Reisen und Verwandtenbesuche sollen eingeschränkt bleiben, solange keine Dringlichkeit besteht. Dabei sollte sich außerdem auf die Kernfamilie beschränkt werden.

Gottesdienste und Versammlungen von Religionsgemeinschaften sind unter Einhaltung der Abstandsregeln und ohne Gemeindegesang möglich. Bei hoher Auslastung der räumlichen Kapazitäten der Glaubensstätten ist eine vorherige Anmeldung zur Veranstaltung notwendig. Das wird insbesondere für die Gottesdienste an Heiligabend und den Weihnachtsfeiertagen relevant werden.

An Silvester und Neujahr gilt ein An- und Versammlungsverbot. Feuerwerk wird auf bestimmten öffentlichen Plätzen ebenfalls verboten. Zudem ist der Verkauf von Pyrotechnik im Einzelhandel untersagt.

Weiterführende Links zu allgemeinen Maßnahmen:
Die neuesten Verordnungen und weitere Informationen zu der Lage in M-V findet ihr auf der Seite der Regierung Mecklenburg-Vorpommern.
Aktuelle Daten zu Coronafällen in M-V findet ihr auf der Seite des Landesamts für Gesundheit und Soziales.

Titelbild: Philipp Schweikhard

Adventskalender Fensterchen No. 13: Die Geister der Weihnacht

Adventskalender Fensterchen No. 13: Die Geister der Weihnacht

Weihnachtszeit ist Vorfreude und Geheimnistuerei, Nächstenliebe und Besinnung. Sie duftet nach heißem Glühwein, frisch gebackenen Keksen und mühsam gepellten Mandarinen. Der Dezember lebt von kleinen Aufmerksamkeiten und Traditionen, wie den Adventssonntagen mit der Familie, dem mit Süßigkeiten gefüllten Schuh am Nikolausmorgen und dem täglichen Öffnen des Adventskalenders. Weißt du noch, wie du jeden Tag vor Weihnachten aufgeregt aufgestanden bist, um vorfreudig zu deinem Schokoadventskalender zu tappen? Die moritz.medien verstecken das Weihnachtsgefühl hinter 24 Fenstern. Im heutigen Fenster: Die Geister der Weihnacht.

Die Geister der Weihnacht

Entgeistert ist man und sichtlich empört!
Die schrumpligen Schläfen der Grauhaare beben,
dreifaltig kann es doch nur einen Geist geben!
Man hat Welt- und, schlimmer noch, Stadtbild zerstört!

Ein Kinderwagen, zielsicher, flink unterwegs
unter Geister-Graffiti, die lächeln und zwinkern.
Die Eltern sind busy, checken Insta und tindern,
doch das Kind ist begeistert und freut sich ‘nen Keks.

Oh heroischer Anblick, oh teutsches Fanal!
Die rot-weiße Mütze auf weiß-rotem Kopf
und die rechte Hand auf dem Sandstrahler-Knopf.
Zack zack, die Enkel kommen gleich zum Festmahl!

Ein Spuk, ein Knall, ein “Last Christmas” als Tinnitus,
“Lass die Gespenster, das Fest soll beginnen!”
Verkündet der Enkel, es gibt kein Entrinnen
vor den Geistern der Weihnacht und unserem Spiritus:

Moritz.

Titelbild: Julia Schlichtkrull
Beitragsbild: Philipp Schweikhard

Adventskalender Fensterchen No. 8: Wein achten

Adventskalender Fensterchen No. 8: Wein achten

Weihnachtszeit ist Vorfreude und Geheimnistuerei, Nächstenliebe und Besinnung. Sie duftet nach heißem Glühwein, frisch gebackenen Keksen und mühsam gepellten Mandarinen. Der Dezember lebt von kleinen Aufmerksamkeiten und Traditionen, wie den Adventssonntagen mit der Familie, dem mit Süßigkeiten gefüllten Schuh am Nikolausmorgen und dem täglichen Öffnen des Adventskalenders. Weißt du noch, wie du jeden Tag vor Weihnachten aufgeregt aufgestanden bist, um vorfreudig zu deinem Schokoadventskalender zu tappen? Die moritz.medien verstecken das Weihnachtsgefühl hinter 24 Fenstern. Im heutigen Fenster: Wein achten.

Die kalte Jahreszeit hält manchmal unerwartete Überraschungen bereit. Vor ungefähr sechs Jahren zum Beispiel hat meine damalige Freundin im Winter vor unserer Wohnungstür den Geldbeutel eines Anwalts gefunden. Wir hätten damals, ganz im Geiste der neoliberalen Weihnacht, natürlich gerne das Richtige getan, also das Geld herausgenommen und behauptet, es hätte bereits gefehlt, als wir das Portemonnaie gefunden haben. Leider war uns aber tatsächlich schon jemand anderes zuvor gekommen und naja… heute bin ich also Mitglied in einer Ethikkommission… tja, so kann es gehen, keine gute Tat bleibt ungestraft. Als meine Freundin nun aber die nur noch für bargeldloses Bezahlen geeignete Brieftasche bei ihrem Besitzer abgab, war der trotzdem so dankbar, dass er ihr einen sehr edlen Rotwein schenkte.

Wir waren damals ganz frisch in unsere erste eigene Wohnung gezogen und hatten zu diesem Zeitpunkt noch gar keinen Korkenzieher. Und so wurde aus der Not, die Flasche nicht öffnen zu können, im Laufe der Zeit die Tugend, sie für einen besonderen Anlass aufzuheben. Anderthalb Jahre ohne den “richtigen” Moment vergingen und plötzlich hatte der Wein unsere Beziehung überlebt. Im Nachhinein wäre die Trennung vielleicht gar kein schlechter schlechter Zeitpunkt gewesen, ihn zum Abschluss gemeinsam zu trinken. Weinen steckt im Abschied und “Wein” in “Weinen”, es wäre nur logisch gewesen. Trotzdem kam es nicht dazu und obwohl ich Rotwein damals noch nicht einmal mochte, fand die Flasche dennoch irgendwie ihren Weg auf meinen Trennungsstapel. Seither sind mehr als vier Jahre vergangen, es ist verdammt viel passiert, einige durchaus besondere Abende und Anlässe kamen und gingen, aber der Wein blieb. Inzwischen ist er sogar schon zweimal mit mir umgezogen. Er ist eine der kleinen Konstanten in meinem Leben geworden. Und so genieße ich jeden Morgen in meiner Küche den Ausblick auf diese geschichtsträchtige Flasche. Manchmal denke ich, zerknittert und müsli-kauend, darüber nach, welcher Anlass wohl wichtig genug sein könnte, um den Wein schließlich zu öffnen.

Eines Tages…

Weil für mich im kommenden Monat ein einigermaßen runder Geburtstag ansteht und ich momentan in den essentiellen Fragen der Planung dieser gigantischen Geburtstagsfeier ersticke (Welchen einen Haushalt lade ich bloß ein? Und wie erkläre ich den anderen Haushalten nur, dass sie mir trotzdem sehr, sehr wichtig sind? Es ist ein logistischer und sozialer Albtraum!), musste ich dabei vor Kurzem unwillkürlich an eine andere Weinflasche denken, für die in meinem Leben schon einmal eine besondere Rolle vorgesehen gewesen war. Zu meiner Geburt hatten meine Eltern in weiser Voraussicht einen Riesling, meine Lieblingsrebsorte, gekauft, der daraufhin ebenfalls mehrere Umzüge meiner Familie miterleben durfte, bevor er schließlich an meinem 18. Geburtstag getrunken werden sollte.

Die Weinverkostung am Abend bildete damals unverhofft den passenden Abschluss eines Geburtstags, der morgens bereits damit begonnen hatte, dass ein super cooler Mini Cooper direkt vor unserem Haus stand, den ich vorher noch nie gesehen hatte. In Zukunft würde ich ihn aber sehr oft dort sehen, sogar heute noch, wenn ich bei meinen Eltern zu Besuch bin! Welchen bescheuerten Stuttgarter*innen auch immer dieses Auto gehören mag, könntet ihr bitte endlich woanders parken? Der Gag damals war ja ganz gut, aber jetzt nervt es doch etwas, danke! Und so war, entsprechend dieser frühmorgendlichen Enttäuschung vollkommen übertriebener (und warum auch immer vorhandener, das Auto hätte eh nur herumgestanden) Erwartungen, auch der Wein abends leider nicht genießbar. Das ursprüngliche Aroma war nach 18 Jahren in einer Komposition aus Korken, Essig und mehreren überschwemmten Kellern untergegangen. Ich empfehle diesen Wein zu verdorbenem Fisch oder verschimmeltem Obst. Exquisite Kombination.

Es ist eben nicht zwangsläufig so, dass ein realer ebenso wie der sprichwörtliche gute Wein tatsächlich mit dem Alter besser werden muss. Ich habe im Gegenteil eher das Gefühl, dass diese Redewendung nur erfunden wurde, um sie um den bescheuerten Abschnitt “Guter Wein ist wie gute Frauen” ergänzen zu können. Wieso also lassen wir so viele Gelegenheiten verstreichen, uns etwas Besonderes zu gönnen, bis es irgendwann zu spät ist? Wenn uns dieses verrückte Jahr eine Sache gelehrt hat, dann doch wohl, dass sich die Dinge plötzlich ganz anders entwickeln können, als man es erwartet hatte. Wer von uns hätte vor einem Jahr gedacht, dass wir heute in der Situation sein würden, in der wir es sind? Wann, wenn nicht jetzt, haben wir es uns verdient, uns auch ohne speziellen Grund zu feiern? Muss es wirklich immer ein besonderer Abend für einen besonderen Wein sein? Oder kann nicht im Gegenteil gerade ein besonderer Wein vielleicht sogar auch einen normalen Abend zu etwas Besonderem machen?

Ich denke, in diesem Advent haben wir uns genau so einen Abend verdient.
Und ich glaube, viele von uns horten irgendwo noch so einen Wein.

Also lasst uns alle gemeinsam trinken, darauf einen Toast:
Auf die Achterbahnfahrt 2020.
Auf uns.

Titelbild: Julia Schlichtkrull
Beitragsbild: Vinotecarium auf pixabay