True Crime Stadtführung in Greifswald: Auf den Spuren eines historischen Mordfalls

True Crime Stadtführung in Greifswald: Auf den Spuren eines historischen Mordfalls

Zwei Kindermorde, umstrittene Prozesse, ein bahnbrechender Bluttest: Die neue Greifswalder Krimi-Führung macht True Crime erlebbar.

Greifswald – Es ist ein milder Sommerabend. Das Licht der untergehenden Sonne taucht den Rubenowplatz in goldenes Licht. Vor dem Denkmal haben sich Menschen versammelt – neugierig, lauschend. Ein Mann tritt vor, in der Hand ein vergilbtes Foto, auf dem das alte Schwurgerichtsgebäude zu erkennen ist. Was folgt, klingt wie die Szene eines Krimis – ist aber passiert. Genau hier.

Zwei Kinder verschwinden auf Rügen beim Brombeerpflücken. Wenig später tauchen ihre Leichen auf – verstümmelt, und die Körperteile verstreut. Ein Verdächtiger ist schnell gefunden: Dessen blutverschmierte Kleidung reicht den Ermittlern als Beweis. Doch der Beschuldigte hat eine Erklärung: Es handle sich gar nicht um Blut, sondern um sogenannte Tischlerbeize. Ein Mittel zum Einfärben von Holzflächen.

Die Ermittler zweifeln, und stehen vor einem großen Problem: Anfang des 20. Jahrhunderts konnte niemand nachweisen, ob es sich bei den dunklen Flecken wirklich um Blut handelte – geschweige denn um menschliches.

True-Crime mitten in Greifswald: Zwei Morde, eine Führung

An diesem Punkt der Geschichte, verlagert sich die Handlung nach Greifswald. Und heute – knapp 100 Jahre später – beginnt auch Fabian Kleinkes Krimi-Führung „Dem Täter auf der Spur“. Die einzigartige Stadtführung lädt jetzt dazu ein, einen spektakulären Kriminalfall aus der Zeit um die Jahrhundertwende hautnah zu erleben.

Die Tour führt vom Rubenow-Denkmal über die Domstraße bis zum alten Hygiene-Institut – vier Stationen, die alle eng mit dem Fall verknüpft sind. Kleinke erzählt dabei nicht nur, er rekonstruiert, erklärt, zeigt Originalfotos und archivierte Gebäudechroniken. Seine Tour ist keine klassische Stadtführung, sondern ein True-Crime-Fall im Stadtraum.

Im Interview mit den moritz.medien spricht Kleinke von seinem Anspruch, „Geschichte erfahrbar zu machen“ – über bloße Fakten hinaus. Seit über zehn Jahren lebt er in Greifswald, und doch sei es „faszinierend zu sehen, wie stark dieser Fall mit der Stadt verknüpft ist“. Als Tourguide für die dunkleren Kapitel des Heimathafens berichtet er davon, wie „hier in der Stadt“ einst Wegweisendes geschah – juristisch, wissenschaftlich und gesellschaftlich.

Was die Tour besonders macht, ist Kleinkes akribische Vorbereitung. Er hat Gebäudechroniken aus dem Stadtarchiv kopiert, historische Aufnahmen recherchiert, Fundstücke gesichtet. Alles bringt er mit zur Führung – zum Anfassen und Nachfühlen. „Ich will, dass Geschichte greifbar wird“, erklärt er. „Nicht als Faktentext – sondern als Erleben.“ Dass dabei auch Diskussionen entstehen, ist gewollt. „Oft bleiben die Leute nach der Führung noch stehen. Es ist spannend, was für Gespräche daraus entstehen.“

Im Interview erzählt Kleinke von seinen eigenen umfassenden Recherchen zu dem historischen Mordfall, der später vor dem Greifswalder Schwurgericht (s. Foto links) verhandelt wurde.

Dort ging es um weit mehr als Schuld oder Unschuld – es prallten ganze Welten aufeinander: Medizin gegen Jurisprudenz, Fortschritt gegen Dogma, Zweifel gegen Härte. Am Ende standen zwei Prozesse und zwei Todesurteile.

Das ist kein erfundener Krimi. Das ist passiert – hier, in diesen Straßen“

„Ich will, dass die Leute verstehen: Das ist kein erfundener Krimi. Das ist passiert – hier, in diesen Straßen“, sagt Kleinke. Auf seiner rund 45-minütigen Tour erzählt er nicht nur vom Mordfall selbst, sondern auch von den Orten, an denen sich die Geschichte entfaltet hat: von der Untersuchungshaft im Greifswalder Gefängnis, vom Streit zwischen Gutachtern und Staatsanwälten, und von einem Urteil, das sogar unter den Nationalsozialisten Bestand hatte – bis diese selbst das letzte Kapitel schrieben.

Die Geschichte endet bei einer Gedenktafel in Stralsund – und mit dem dunklen Kapitel des NS-Euthanasiewahns.

„Der Fall zeigt, wie stark ein Verbrechen ein System herausfordern kann“, so Kleinke. „Und wie tief die Spuren noch über 100 Jahre später reichen.“

Die Greifswalder Krimi-Tour läuft „solange es abends warm ist“

Ursprünglich handelte es sich bei Fabian Kleinkes Führung, um eine Art Sommerprojekt. Doch inzwischen ist „Dem Täter auf der Spur“ fester Bestandteil im Greifswalder Veranstaltungskalender – und Kleinke denkt noch nicht ans Aufhören: „Ich mache das, solange es abends warm ist“, erzählt er lachend. Termine gibt es über den Sommer hinweg regelmäßig, neue Daten werden laufend ergänzt.

Die nächste Tour findet am Mittwoch, 30. Juli um 18:30 Uhr und am Sonntag, 3. August um 15:30 Uhr statt.

Treffpunkt: Rubenow-Denkmal

Dauer: etwa eine Stunde

Kosten? 12 Euro regulär, 10 Euro für Studierende, Schüler und Azubis. Bezahlt wird vor Ort – bar oder per PayPal

Was passiert sonst?
Uni & Wissenschaft:
Geschichte der Virologie – Am Sonntag, den 3. August 2025, lädt der Naturerlebnispark Gristow (Wiesenweg 1A, Mesekenhagen) von 14:00 bis 17:00 Uhr zu einer wissenschaftlichen Führung durch die Geschichte der Virologie ein. Der Rundgang bietet Einblicke in historische Entwicklungen und zentrale Etappen der Virusforschung.

Region und Politik:
Fotoausstellung „Inhabited Spaces“ – Am 28.07.2025 zeigt eine Ausstellung eindrückliche Fotografien über das Leben in Gaza und dem Westjordanland. Eine künstlerische Auseinandersetzung mit politischen Realitäten und regionalen Konflikten.

Kultur & Sport:
KinoAufSegeln: THE RIDER – Am Samstag, den 2. August 2025, wird um 21:15 Uhr auf der Museumswerft der vielfach ausgezeichnete Film The Rider gezeigt. Das Open-Air-Kinoformat KinoAufSegeln verbindet großes Kino mit maritimer Atmosphäre. Direkt am Wasser, unter freiem Himmel.

Bild: Canva, Idee (Fabian Kleinke), KI-generiert, Konstantin Ochsenreiter (collage)

Korrupte Geschäftsführung bei den moritz.medien?

Korrupte Geschäftsführung bei den moritz.medien?

Am 15. November war es wieder so weit: Wir, die moritz.medien, sind zu unserem alljährlichen Workshop-Wochenende nach Glashagen aufgebrochen. Im Gepäck hatten wir 35 hoch motivierte moritz.Mitglieder, gefälschte Kontoauszüge und 60 Liter Mate. 

Alle Jahre wieder fahren die moritz.medien traditionell nach Glashagen. Dieser Termin ist eine gute Gelegenheit, damit sich die einzelnen Redaktionen – und neue Redakteur*innen – besser kennenlernen. Studentisch stilecht bei Kerzenschein, Tee und veganem Essen (Apropos: Am 26.11. findet die Vollversammlung statt. Die moritz.medien drücken dem diesjährigen Antrag für vegane Mensen die Daumen. Toi, toi, toi.)

In diesem Jahr sollte allerdings alles anders werden. Zum ersten Mal in der langen Geschichte der moritz.medien, veranstalteten wir eine Schnitzeljagd. Im Zentrum: Ein zwielichtiger Geschäftsführer, radioaktiver Müll und ein großes Geheimnis.
Die Teilnehmer*innen wurden in vier verschiedene Mediengruppen eingeteilt, für welche sie zielgruppenorientierte Artikel verfassen mussten. Die Gruppen BILD, Handelsblatt, Ökologisches Wirtschaften und moritz.medien begaben sich daraufhin zu verschiedenen Stationen, welche ihnen bei der Aufklärung einer Greenwashing-Verschwörung halfen. 

Am Abend gab es eine Bestenehrung, bei welcher in perfekter Let’s Dance Manier Punktzahlen von eins bis zehn verteilt wurden, um das beste Team zu bestimmen. Mit in die Wertung flossen Quellenschutz, Stil und das Ansprechen der Zielgruppe. 

Besonders erfreulich war für uns auch der Besuch von Emily und Oli. Die beiden sind Mitglieder des Medienausschusses und machten sich mit der Arbeit der moritz.medien vertraut. Das ist insofern besonders, als dass Emily den Vorsitz aus einer prekären Lage heraus übernahm. Umso schöner finden wir es, dass sie sich die Zeit genommen hat, um die Redaktionen, Redakteur*innen und den Geist der moritz.medien kennenzulernen. 

Auch wollen wir uns herzlich bei Ole Kracht bedanken. Unser Alumnus leitete einen Fotografie-Workshop. Dabei gelang es ihm in kurzer Zeit, die Basics der Fotografie und Nachbearbeitung zu vermitteln. 

Nun reicht es aber auch von unserer Seite. Caro und ich legen uns jetzt drei Tage in die Eistonne. Nachfolgend findet ihr zwei der verfassten Artikel. Ein stilechter Artikel aus dem Team BILD sowie der Siegartikel des Teams Handelsblatt.

Bis Greifsbald!

Interessiert? Team-BILD verfasste einen Artikel, der kaum noch von einem echten BILD Artikel zu unterscheiden ist (sollten wir uns Sorgen machen?).

Das Team-Handelsblatt konnte mit diesem Artikel einen klaren Sieg einfahren. Wir gratulieren (nochmal) ganz herzlich, und bedanken uns bei allen Teilnehmern der Schnitzeljagd!

Beitragsbild: Ole Kracht


Zur Person des Autoren

Die Falle des schnellen Geldes: Wie junge Menschen in die Schuldenfalle tappen

Die Falle des schnellen Geldes: Wie junge Menschen in die Schuldenfalle tappen

Junge Menschen suchen oft nach Möglichkeiten, schnell Geld zu verdienen. Doch die vermeintlich einfache Lösung kann schwerwiegende Folgen haben.

Berlin-Die moritz.medien hatten die Möglichkeit, einen Staatsanwalt zu interviewen. Dieser berichtet von einer wachsenden Zahl junger Menschen, die durch Betrügereien in Schwierigkeiten geraten sind. Er beschreibt, wie die Masche der Online-Betrüger funktioniert: Junge Menschen werden mit harmlos klingenden Nebenjobangeboten angelockt, die nur eine Aufgabe beinhalten: die Nutzung des eigenen Kontos für Geldüberweisungen. „Die Arbeit besteht darin, Gelder zu empfangen und dann an ein anderes Konto weiterzuleiten“, erklärt er nüchtern.

Die Strategie der Betrüger

Die Methode der Betrüger ist perfide: Über gefälschte Online-Shops werden unschuldige Käufer mit Schnäppchenangeboten geködert. Besagte Shops wirken täuschend echt – die Preise liegen oft weit unter dem Marktwert, was viele Käufer anzieht. Das Geld fließt dann nicht direkt an die Betrüger, sondern auf das Konto der Jugendlichen. Junge Menschen, die oft nur eine geringe Provision erhalten, leiten die Beträge gutgläubig an das Konto der Kriminellen weiter. Dabei glauben sie, einen einfachen Job gefunden zu haben, oft ohne die kriminellen Hintergründe zu verstehen.

Der Staatsanwalt beschreibt die Tragweite dieses Szenarios: „Die Seiten sind ganz gut gemacht. Sehen aus wie ein ganz seriöser Online-Shop.“ Erst wenn die ersten Warnungen im Internet auftauchen oder die Bank unerwartete Rückbuchungen vornimmt, beginnen die Jugendlichen, misstrauisch zu werden. Doch zu diesem Zeitpunkt haben sie sich meist bereits strafbar gemacht und blicken ungewollt in die Schuldenfalle.

Die Nachverfolgbarkeit der Initiator*innen gestaltet sich für die Ermittelnden mehr als schwierig. Das Geld wurde längst ins Ausland transferiert, die betroffenen Konten existieren nicht mehr, oder die involvierten Banken handeln unkooperativ. Eine solche „internationale Schnitzeljagd“ ist verzwickt und größtenteils aussichtslos. Im Interview wird uns erklärt: „Unsere Ermittlungen enden praktisch meistens an der deutschen Grenze.“ Selbst innerhalb der EU sind die Strukturen komplex, was die Strafverfolgung erschwert.

Die Folgen der Geldwäsche für die Jugendlichen

Die Folgen dieser vermeintlich harmlosen Tätigkeit können dramatisch sein: Jugendliche, die lediglich als „Geldübermittler“ fungieren, begehen den Straftatbestand der Geldwäsche. Sobald sie das Geld weiterleiten, geraten sie nicht nur ins Visier der Justiz, sondern können auch zivilrechtlich zur Verantwortung gezogen werden:

  • Finanzielle Belastungen: Mit zivilrechtlichen Klagen und Schadenersatzforderungen entstehen für die Jugendlichen oft Schulden, die sie über viele Jahre abzahlen müssen.
  • Zivilrechtliche Konsequenzen: Geschädigte Käufer haben das Recht, ihr verlorenes Geld zurückzufordern – oft direkt von den Jugendlichen.
  • Strafrechtliche Konsequenzen: Die Jugendlichen riskieren eine Verurteilung wegen Geldwäsche, was schwerwiegende Einträge im Strafregister bedeuten kann.

„Der Hintergrund ist, dass wenn man ein bisschen nachgedacht hätte, mitbekommen würde, dass die Sache stinkt. [… Dadurch, dass] mehr als Fahrlässigkeit vorliegt – [wird der Sachverhalt] damit eine Leichtfertigkeit. Das ist eine Schuldform, die für den Tatbestand der Geldwäsche ausreicht.“

Der Staatsanwalt im Interview mit den moritz.medien

Ermittlungen und Prävention

Um präventiv zu wirken, appelliert der Staatsanwalt an ein kritisches Hinterfragen solcher Jobangebote: „Man muss sich doch immer die Frage stellen, warum hat der kein eigenes Konto? Warum will der mir Geld geben fürs Konto zur Verfügung stellen?“ Eltern, Schulen und Banken sind also gefordert, Jugendliche frühzeitig über diese Masche aufzuklären und ihnen ein gesundes Maß an Misstrauen mitzugeben.

Ein Kreislauf aus Täuschung und Konsequenzen

Mit scheinbar einfachen Angeboten schaffen es die Betrüger, Jugendliche in eine Schuldenfalle zu locken, die sie erst spät erkennen. Die Täuschung ist gut durchdacht, doch die Konsequenzen treffen am Ende vor allem die jungen Opfer. Der Staatsanwalt bleibt mit seinen Warnungen an Eltern und Jugendlichen engagiert, um diesem perfiden Kreislauf entgegenzuwirken – ein Kreislauf, in dem viele erst viel zu spät den echten Preis der „leichten Nebenjobs“ verstehen.