Greifswalder rund um den Globus: Verloren in Mumbais Slums

Mittwoch Nacht kam es in Mumbai zu mehreren schweren Terroranschlägen. Der Greifswalder Politikstudent und Ex-AStA-Referent für politische Bildung Alexander Köcher macht in der 14 Millionen Einwohner-Stadt gerade ein Praktikum. Er untersucht u.a. Spannungen in den Slums und berichtet für den webMoritz aus dieser besonderen Stadt…

Ein aktuelles Interview des webMoritz mit Alexander zum Terroranschlag von gestern findet ihr hier.

Greifswalder Politikstudent Alexander Köcher (links) berichtet aus Indien

„You like India, Sir?“ So lautet eine der Standardfragen, die ich als weißer Europäer in Indien fast überall wo ich hinkomme beantworten muss. „Yes, I like India“, antworte ich dem stolz grinsenden Mann, der diese Frage an mich richtet, als ich gerade an einer Bushaltestelle stehe. Ich warte darauf, dass der einem Malstrom gleichende Verkehr meinen Bus vorbeischwemmt.

„Everything neat and clean!“, sagt der grinsende Mann – vom Inhalt seiner Aussage schwer überzeugt, wie mir scheint. Oder ist es eine Ironie, die ich nicht verstehe? Sauber ist es nämlich ausgerechnet hier in Bombay, das heute Mumbai heißt, fast nirgendwo. Und das obwohl unentwegt irgendjemand damit beschäftigt ist die Straße zu kehren, Staub von Tischen zu wischen oder Scheiben zu putzen. (mehr …)

Jusos-Debatte: Gute Bildung ist zu elitär

„Wenn meine beiden Kinder in Deutschland zur Schule gegangen wären, könnten sie jetzt nicht an einer Universität studieren“ – so lautet ein Zwischenfazit von Reinhard Rode, der am Freitagabend vor eineinhalb Wochen im Café Lichtblick zu Gast war. Eingeladen hatten ihn die Jusos Greifswald zu einer Diskussionsveranstaltung unter dem Titel „Gute Bildung ist machbar“ zu der fast 20 Gäste kamen.

Reinhard Rode (rechts) diskutiert engagiert; Stephan Schumann (Jusos) moderiert

Der Freie Autor und Journalist Rode verglich die Bildungssysteme Deutschlands und Finnlands – und gilt als Experte. Zu diesem Thema veröffentlicht er um die Jahreswende das Buch „Schülerflucht“. Viele Jahre lebte der Braunschweiger in Finnland, dem Bildungs-Europameister. Seine ebendort aufgewachsene Tochter Jaana Rode studiert heute in Greifswald. Sie ist Mitglied der Jusos und stellvertretende StuPa-Präsidentin. Trotzdem lässt der 58-Jährige kaum ein gutes Haar am deutschen Bildungssystem.

Wichtig ist für ihn vor allem die Chancengleichheit der Kinder und die Durchlässigkeit des Systems: „Was die Leistungen von Kindern mit Migrationshintergrund angeht, hat bei der PISA-Studie kein anderes Land so schlecht abgeschnitten, wie Deutschland“, sagt Rode und fügt hinzu: „Finnland ist hier auf dem ersten Platz, obwohl diese Studie natürlich auch ihre Probleme hat.“

Vorbildich sei beispielsweise der zwölfmonatige Vorbereitungskurs für Migranten in Finnland, hält Rode dem Argument entgegen, Finnland sei aufgrund der in sich homogeneren Gesellschaft eigentlich nicht zum Vergleich heranzuziehen. Was die Finnen den Deutschen voraus haben, ist dem Journalisten zufolge nicht nur der Abbau bürokratischer Hürden, sondern auch die individuelle Förderung Schwacher, „von der auch die Leistungsstarken profitieren – das lässt sich empirisch nachweisen.“

Die Erwiderung, es fehle Geld, lässt er dabei nicht gelten. Im Schnitt würde in beiden Ländern etwa gleich viel Geld pro Kopf für Bildung ausgegeben – etwas über 8.000 Euro für jeden Schüler. „In MV sind es weniger als 4.000 Euro“, merkt da einer der engagierten Mitdiskutanten aus dem Publikum an. Rode verweist auf das Problem des Föderalismus und meint: „Eigentlich müsste man 16 Vorträge halten – jedes Bundesland ist speziell.“ In Nordrhein-Westfalen würden fast 10.000 Euro pro Kopf ausgegeben.

Auch das Thema Hochschulen spricht er an – für Greifswald besonders brisant: „Mein Sohn studiert in Finnland, meine Tochter in Greifswald. Trotz der neuen Studiengänge, wie beispielsweise den Bachelor, kann er in Finnland viel stärker und intensiver in sein Fach eindringen. Die Freiräume sind größer.“ Problematisch sei in Finnland die Selektion durch Zulassungsbeschränkungen für jeden Studiengang.

Und so endet Rode denn auch ein wenig versöhnlich. Gute Bildung sei in Deutschland schon zu haben, meint er. „Aber sie ist zu elitär – wir haben zu viele Türen zugeschlagen. Und das können wir uns nicht leisten.“ Und wie ist nun „Gute Bildung“ für alle machbar? „Der Leidensdruck scheint noch nicht groß genug zu sein. Vielleicht haben wir mit den Schülerprotesten am vergangenen Mittwoch gerade den Anfang erlebt. Es braucht den Druck der Straße.“

Mit Dank an Fabian Zacharias für die Bereitstellung des Artikels
Fotos: Sebastian jabbusch

„Der Golem“: Fragwürdige Veranstaltung im Greifswalder Dom

Am vergangenen Sonntag wurde im Greifswalder Dom, aus Anlaß des 70. Jahrestages der Reichspogromnacht, der deutschen Stummfilm „Der Golem, wie er in die Welt kam“ gezeigt. Der Film bedient in seiner Darstellung der Juden viele der Vorurteile, die erst zu diesem schrecklichen Ereignis führten.

1920 von Paul Wegener und Carl Boese gedreht, behandelt der Film die Sage um den Prager Golem und gilt als Meisterwerk des expressionistischen Films. Paul Wegener wurde, neben seiner künstlerischen Karriere, später auch durch seinen Widerstand gegen das NS-Regime bekannt.

Filmszene - Quelle: dragonladyslc via flickr

Ende des 16. Jahrhunderts liest Rabbi Löw in den Sternen, dass Unheil für die Juden bevorsteht. Aus Lehm erschafft er die Figur des Golem, der mittels eines magischen Sternes auf der Brust zum Leben erweckt wird. Als das Unheil in Form eines kaiserlichen Dekrets zur Räumung der Judenstadt eintritt, kann der Rabbi beim Rosenfest des Kaisers die Rücknahme erwirken, als durch magische Kräfte das Schloß einzustürzen droht und der Golem die Decke des Thronsaales abstützt. Zurück im Judenviertel entfernt er den lebensgebenden Stern, da veränderte Sternenstellungen den Golem zu Raserei anstiften könnten. Der Golem wird jedoch vom Diener des Rabbi wiedererweckt. In seiner Raserei setzt der Golem das Haus des Rabbi in Brand und geht schließlich aus der Stadt hinaus, wo ein kleines Mädchen seinen Stern abnimmt und ihn so besiegt.

Der Film beeindruckt besonders durch die Filmarchitektur von Hans Poelzig sowie die damals revolutionäre  Tricktechnik. So erscheint zum Beispiel in einer Szene ein rauchender Geisterkopf. Die Musik, live aufgeführt durch Solisten des Theater Vorpommern unter Leitung von Kirchenmusikdirektor Frank Dittmer, war bei dieser Vorstellung die 1997 komponierte Begleitmusik der jüdischen Komponistin Betty Olivero. Sie begleitet in einer Mischung aus jüdischer Klezmer-(Volks)Musik und barocken Elementen den Film größtenteils passend und unaufdringlich, schien aber an einigen Stellen nicht ganz synchron und wies längere Pausen auf. Die Darbietung durch die fünf Musiker war jedoch durchweg sehr gut. (mehr …)

StuPa ist grau – warum?

Die Studentenparlamente, -räte und Vertretungen in Deutschland sind ein buntes Gemisch. Viel stärker als in landes- oder gar bundesweiten Wahlen können an der Universität Personen die Politik prägen. Parteizugehörigkeit gerät da, vielleicht auch zurecht, manchmal zur Nebensache. Im neuen Greifswalder StuPa, das sich Mitte April erstmals trifft, stellen die Parteilosen mit 43 Prozent der Sitze die stärkste Kraft.

Sitzverteilung im StuPa 2008

In der Lokalpolitik sind derzeit grüne Themen auf dem Vormarsch. Man erinnere sich nur an die Demonstrationen und die Volksinitiative (mittlerweile nötige Unterschriftenzahl erreicht) gegen das geplante Kohlekraftwerk in Lubmin. Im Wahlkampf zum Oberbürgermeister Greifswalds gibt es Bewerber jeglicher „Färbung“ und natürlich mit Ulrich Rose auch einen grünen Kandidaten.

Und wie sieht es in der Hochschulpolitik aus? Von 27 Mitgliedern des StuPa ist lediglich einer der grünen Hochschulgruppe zuzurechnen (GHG) – Alexander Schulz-Klingauf. Mit 152 Stimmen erreichte er den 5. Platz. Dem Wahlmoritz konnte man u.a. seine Forderung nach einem stärkeren Umweltbewusstsein an der Uni entnehmen.

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„Wir sind Fans von Egon Krenz“ – Ein Rückblick

Ortstermin Schönwalde. Der Literatursalon Greifswald hatte am 24. Januar 2008 zu einer ganz besonderen Lesung geladen. Egon Krenz, 1989 für kurze Zeit Staatsratsvorsitzender der DDR und Generalsekretär des Zentralkomitees der SED, wollte aus seinem Buch „Widerworte“ und „Herbst 89“ lesen und die Zuhörer kamen zahlreich. Im kleinen Literatursalon im Greifswalder Stadtteil Schönwalde drängten sich weit über 100 Besucher, um der Lesung mit anschließender Diskussion zu lauschen. 8 Euro war ihnen die Geschichtsstunde wert. Die Mehrzahl der Besucher kannte die DDR noch aus eigener Erfahrung. Nur wenige Studenten haben an dem regnerischen Abend in den Literatursalon gefunden.

Unter Freunden
Das Ambiente passt zum Rahmen der Vorlesung. Die Einrichtung wurde zum größten Teil noch zu DDR Zeiten angeschafft. Die Wände sind mit Ölbildern und Aquarellen bedeckt. 15 Minuten vor Programmbeginn trifft schließlich die ehemalige SED-Größe ein. Blumen werden überreicht. Die Chance mit „Genosse Egon“ zu reden, nutzen einige noch vor der Lesung. Photos werden gemacht. Die Stimmung ist locker und gelassen. Bier und Rotwein werden am Eingang verkauft und selbstverständlich mit in die Veranstaltung genommen. Alles wirkt wie ein Treffen unter Freunden und Nachbarn. Und das ist es auch. Seine Grundschullehrerin befindet sich genauso, wie ein ehemaliger Nachbar aus Kolberg, heute Kołobrzeg, unter den Gästen. Vereinzelt kann man DDR-Anstecker unter ihnen entdecken.

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