von Archiv | 16.04.2008
„Mr. Brooks“ von Bruce Evans
Was Kevin Costner anfasst wird entweder zu filmischem Gold („Dances with Wolves“) oder versinkt im Meer („Waterworld“). Der ewige Hollywood-Beau kennt kein Mittelmaß. Gleichzeitig schwankt er zwischen Hollywoodstandards („The Guardian“) und unkonventionellem Trash („3000 Miles to Graceland“). Mit „Mr. Brooks“ ist dem Produzenten Costner ein Werk aus der zweitgenannten Sparte ausnahmsweise außerordentlich gut gelungen.
Mittelstandsunternehmer Earl Brooks (Costner) lebt an und für sich den amerikanischen Traum: Ihm gehört ein ziemlich dicker Vorstadtpalast, eine kleine Firma, Frau und Tochter sind mehr als nur vorzeigbar und gerade ist er zum „Man of the Year“ gewählt worden. Dass Earl hinter dieser hochglanzpolierten Fassade ein bisschen schizophren ist und außerdem regelmäßig die anonymen Suchtkranken aufsuchen muss, erscheint in Relation zu seinem formidablen Lebenswandel wenig tragisch. Zu blöd nur, dass Marshall, die andere Seite seiner multiplen Persönlichkeit (gespielt von William Hurt), ihn immer wieder dazu bringt, seinem unstillbaren Verlangen nachzugeben: Earl findet seine Erfüllung im Morden.
Bei seinem letzten „Rückfall“ schlampt Earl jedoch und wird fortan von einem unliebsamen Zeugen erpresst. Und während sich gleichzeitig eine bärbeißige Polizistin (Demi Moore) an seine Fersen heftet, scheint zu allem Überfluss Töchterlein Jane nur allzu vertraute Neigungen zu entwickeln…
„Mr. Brooks“ spielt gekonnt mit dem Reiz des Morbiden und der verschämten Faszination für den perfektionistischen Lustmörder. Im Gegensatz zu Tim Burtons überflüssiger Mördermär „Sweeney Todd“ bleibt der Film dabei aber konsequent bösartig. Passend zu den eiskalten Bildern wummert die düstere – und weitgehend elektronische – Musik von Ramin Djawadi und komplettiert eine ganzheitlich verlockende Ästhetik des Bösen. Auch das Zusammenspiel von Costner und Hurt, als dessen diabolisches Alter Ego, macht dabei einen Heidenspaß und Lust auf mehr. Bleibt also nur zu hoffen, dass die Abenteuer des „Mr. Brooks“ zu einer satten Trilogie der Finsternis ausgebaut werden.
Geschrieben von Johannes Kühl
von Archiv | 16.04.2008
„Human Trafficking“ von Christian Duguay
Seit in Deutschland Mitte der Neunziger Jahre bei den Fernsehanstalten der große Boom der Eigenproduktionen einsetzte ist das Niveau der klassischen Fernsehfilme massiv gesunken. Nicht nur dominieren unerträgliche Schmonzetten, die im historischen Selbstmitleid absaufen, die Fernsehlandschaft („Die Flut“, „Die Gustloff“). Hochwertige ausländische Produktionen schaffen den Sprung auf unsere Bildschirme meist gar nicht mehr („Uprising“, „The Lost Room“) oder nur sehr spät und versauern dann auf abseitigen Sendeplätzen (wie etwa Mike Nichols „Angels in America“ mit Al Pacino und Meryl Streep).
Gleichzeitig ist die Qualität amerikanischer TV-Filme auf einer weit höheren Stufe angelangt als die so mancher Hollywoodmachwerke. Das ist nicht zuletzt dem Bedeutungsgewinn kapitalträchtiger Pay TV-Sender wie HBO und den daraus resultierenden pompöseren Besetzungslisten zu verdanken.
Gegenüber Kinofilmen weisen diese Werke den nicht zu unterschätzenden Vorteil auf, dass sie nicht in das enge Korsett eines einzelnen Abends gepresst werden müssen, sondern wenn nötig als Mehrteiler epische Breite entwickeln dürfen.
Auch das Drama „Human Trafficking“, das ganze drei Jahre nach seiner Erstausstrahlung bei uns nun zumindest auf DVD erscheint, thematisiert sein Thema („globaler Menschenhandel“) in stolzen 176 Minuten, wird dabei aber nie langweilig. Das liegt zum einen wiederum an der vorzüglichen Besetzung (Mira Sorvino, Donald Sutherland und Robert Carlyle als herrlich widerwärtiger Kopf eines Menschenhändlerkartells), zum anderen daran, dass auf die im deutschen Fernsehen übliche Schönfärberei, die eine Gefährdung der „feierabendlichen Behaglichkeit“ des Fernsehzuschauers offenbar verhindern soll, verzichtet wird. In mehreren miteinander verschränkten Handlungssträngen zeigt der Film schonungslos aber nicht effektheischend viel menschliches Leid und braucht sich dabei hinter vergleichbaren Kinoproduktionen wie „Trade“ oder „Traffic“ nicht zu verstecken.
Geschrieben von Johannes Kühl
von Archiv | 16.04.2008
„Horton hört ein Hu!“ von Jimmy Hayward und Steve Martino
Animationsfilme begeistern erfahrungsgemäß Klein und Groß. Mit „Horton hört ein Hu!“ soll wieder einmal auch das Kind in jedem Erwachsenen angesprochen werden. Das Drehbuch basiert auf dem gleichnamigen Kinderbuch des amerikanischen Autors Theodor Geisel, „Dr. Seuss“.
Bereits andere seiner weltbekannten Geschichten wie „Der Grinch“ und „Ein Kater macht Theater“ fanden ihre filmische Umsetzung. Der von Christoph Maria Herbst gesprochene Elefant Horton, nimmt eines Tages Stimmen aus einem Staubkorn wahr. Während ihn die anderen Dschungeltiere für verrückt erklären, leben tatsächlich in einer mikroskopisch kleinen Welt mitten im Staubkorn Lebewesen, die sich als Hus bezeichnen. Aufgrund ihrer Winzigkeit sind die Hus einer Menge an riesigen Gefahren ausgesetzt. Horton nimmt sich der Aufgabe an, ihr Leben zu retten. Die ursprüngliche Science-Fiction-Idee von der Existenz von Parallelwelten wurde hier aufgegriffen und in eine kindgerechte Geschichte eingebaut. Sowohl die Dialoge als auch das Aussehen der Figuren wurden von den Drehbuchschreibern Cinco Paul und Ken Daurio fast identisch an das Kinderbuch angelehnt, wodurch dem Film eine gelungene und getreue Umsetzung der literarischen Vorlage zugesprochen werden kann. Die Darstellung grenzt wider den Erwartungen technisch und optisch, wohl dank den Animateuren von „Ice Age“, an Perfektion. Der Unterhaltungsfaktor ist passabel. Der Film besticht nicht durch seine Pointen und seinen Humor. Vielmehr glänzt er durch die kreative Darstellung und liebenswürdigen Charakterzüge seiner Figuren. Dennoch wirkt das Werk weder kitschig noch plump.
Auf die fingerzeigende „Moral der Geschicht“ wurde auch nicht verzichtet. Mit „Ein Mensch ist ein Mensch, wie klein er auch sei“, wird dem Zuschauer nicht zuletzt die Reflexion über das eigene Leben und die Welt, in der er lebt, ans Herz gelegt. Somit kann der Einzelne dem Animationsfilm „Horton hört ein Hu!“ etwas Positives abgewinnen. Ob dieser dadurch auch ein Gang ins Kino wert ist, sollte jeder selbst entscheiden.
Geschrieben von Cornelia Bengsch
von Archiv | 16.04.2008
„Juno“ von Jason Reitman
Juno McGuff (Ellen Page) ist bei ihren ersten sexuellen Gehversuchen mit ihrem Langzeit-Kumpel Paulie gleich etwas übers Ziel hinaus geschossen: Die Sechzehnjährige ist ungewollt schwanger und die Lösung dieses Problems erweist sich erwartungsgemäß als schwierig. Denn die örtliche Abtreibungsklinik ist auch der des Öfteren in spröden Zynismus abgleitenden Juno dann doch zu unsympathisch. Und auch der Plan, das Kind an ein Bilderbuchehepaar (Jason Bateman, Jennifer Garner) aus der Hochglanz-Vorstadt abzugeben, entwickelt bald seine ganz eigenen Tücken…
Jason Reitman, Sohn des Komödien-Veteranen Ivan Reitman und Regisseur der Public Relations-Satire „Thank you for smoking“, gelingt mit geschliffenen Dialogen und sympathischen Charakteren ein konstant amüsanter Film. Besonders die ungewohnt seriöse Jennifer Garner und der herrlich nerdige Marathon-Bubi Paulie, gespielt von Michael Cera („Superbad“), stechen aus dem Ensemble hervor. Die durch eine Oscar-Nominierung gehypte dauer-lakonische Perfomance von Ellen Page als Juno wirkt dagegen bisweilen ein wenig zu eindimensional.
Als großer „Indie“-Erfolg wandelt „Juno“ auf den Spuren des Vorjahreshits „Little Miss Sunshine“ – ohne allerdings dessen Klasse vollends zu erreichen. Gelang diesem der Spagat zwischen sperriger Indie-Komödie und souveräner Massentauglichkeit, kommt „Juno“ bereits ein bisschen zu kalkuliert und wohltemperiert daher. Nichtsdestotrotz: Wer auf leichte, schräge Komödien mit feinsinnig konstruierten Charakteren steht, der kommt bei „Juno“ – wie übrigens auch bei dem neuesten Pseudo-Indie „Dan in Real Life“ – voll auf seine Kosten. Wer das Genre in Hochform erleben will, dem sei eher der Griff in die DVD-Kiste („Station Agent“, „Garden State“, „Transamerica“) ans Herz gelegt.
Geschrieben von Johannes Kühl
von Archiv | 16.04.2008
„Die Welle“ von Dennis Gansel
Lehrer Wenger (Jürgen Vogel) ist Projektwochenleiter einer Gruppe von Gymnasiasten aus dem gehobenen Mittelstand. Die sind aus Beispielen eines ausgeprägten Individualismus, wie auch Abbildern der Unfähigkeit zu diesem zusammengesetzt. Im Rahmen einer Projektwoche diskutieren sie autokratische Systeme und auch das „Dritte Reich“. Die Aussage eines Schülers, dass „wir viel zu aufgeklärt“ wären, so etwas erneut zuzulassen, veranlasst Wenger zu dem Versuch, autokratische Elemente in den Unterricht einzubinden. Das wird zunächst auch akzeptiert.
In den nächsten Tagen entwickelt dieses „Spiel“ jedoch ungeahnte Konsequenzen. Grundlage des Films von Dennis Gansel ist ein Experiment eines US-amerikanischen Lehrers von 1967. Dieses wurde schon 1981 zu einem „One-hour-drama“ für das Fernsehnetwork ABC verarbeitet und nun ins heutige Deutschland verlegt. Dem unbefangenen Zuschauer wird hier der Spiegel vorgehalten, so gern er sich insgeheim die genannte Aufgeklärtheit bescheinigen würde. Jene, die das Original kennen, muss die zeitgemäße und starke Authentizität des Verhaltens von Lehrer und Schülern beeindrucken. Es bleibt wenig Platz für ein ehrliches „Das hätte ich als Schüler nie mitgemacht“. Wer heute das Original belächelt oder das nachfolgende Buch schlecht fand, für den macht dieser Film den Gedanken über unsere eigene Aufgeklärtheit zum Thema. Es fehlt ihm zuletzt nur eine Aussage darüber, wo zwischen übertriebenem Individualismus, Egoismus und zu starkem Gemeinschaftsdenken der richtige Weg entlangführt: Die Moral von der Geschicht.
Geschrieben von Arik Plazek