von Archiv | 16.04.2008
Leander
Vor ein paar Monaten entdeckte ich durch Zufall das Soloprojekt „This Mess is Mine“ von Lars Kranholdt. Es dauerte nicht lange und ich hatte mich in die Musik verliebt. Als ich mich daraufhin ein wenig mehr mit dem jungen Schwerin auseinandersetzte, fand ich so einiges.
Denn wie es heutzutage so ist, bleibt es meist nicht bei einem Projekt. Lars Kranholdt ist unter anderem auch in „Leander“. Die vierköpfige Band ist das eigentliche Hauptprojekt, fand ich heraus. Eine Band mit seinem Bruder Daniel. Die lernten sich natürlich bei der Geburt des Anderen kennen und fanden irgendwann, nach mehreren Jahren örtlicher und auch musikalischer Trennung heraus, dass man in der eigenen Familie auch gut zusammen Musik machen kann. Das passierte 2005. Seitdem entstanden allerlei Songs und werden Shows im In- und Ausland gespielt. Nach der „Hide and Sleep“ EP im letzten Jahr wagten sie nun den Schritt und nahmen die Besten von ihnen auf. Das erste Album „Pass/Fail” kommt Mitte April in die Läden und ist ein wunderbares Kunstwerk mit elf zarten, filigranen und doch starken Pinselstrichen. Die Musik könnte als elektronische Musik beschrieben werden, doch ist dort viel mehr zu finden als die reinen Beats. Trotz prominentem Einsatz von Synthesizern und Computersamples klingen die Songs erstaunlich handgemacht und ehrlich. Passend dazu spinnen sich die Songtexte um die Musikgebilde. Manchmal schmiegen sie sich an, manchmal übernehmen sie die Oberhand, manchmal stehen sie ganz alleine dort. In jedem Fall gehen sie ins Ohr und finden den Weg direkt ins Herz.
Geschrieben von Esther Müller-Reichenwallner – radio 98eins
von Archiv | 16.04.2008
Various Artists
Frankreichs urbane Jugend tanzt den Tecktonik. Seit dem letzten Sommer auf fast allen öffentlichen Plätzen. Und wer ihn dort nicht tanzt, muss ihn abseits parodieren. Die Zappelfuchtel-Choreographie bildet sich über einer musikalischen Melange aus Jump Style, Hard Trance und Hard Style – pauschal: Techno.
Bevor ein weiteres Wort über die Musik verloren wird, schaue man sich zunächst eines der unzähligen Tecktonik-Videos im Internet an. Es lohnt sich. Markantestes Stilelement sind die Bewegungen der Arme zur Seite und über den Kopf, als ständen die Tänzer auf Droge unter einer imaginären Dusche im Freien. Das sieht so dämlich aus, dass kaum anderes übrig bleibt, als den Franzosen zur abseitigsten Idee des Jahres zu gratulieren. Tecktonik zwingt zum Voyeurismus und ist dabei ansteckend wie eine Seuche. Zwangsläufig klickt man sich weiter durch Lehrvideos à la „Cours Tecktonik“. Entweder, um sich hierzulande auf den Durchbruch des „Tecktonik“ vorzubereiten oder um selbst Glückwünsche auf der nächsten Party für die lächerlichste Pose einzusacken. Die passende Musik zum Tanz liefert die Doppel-CD „Tecktonik Vol. 4“. CD eins versammelt einen „Electro-Tek“-Remix von DJ R.V.B. Auf der zweiten Scheibe hat DJ Dess unter der Sammelbezeichnung „Jumpstyle/Hardstyle“ eine durchlaufende Spur aus 18 Tracks kompiliert. Auf letzterer ist die stampfende Monotonie deutlich abwechslungsreicher, wenn auch alle beide Mixe viel versprechend beginnen. Der Elektro-Teck verliert sich nach guten 60 Minuten Steigerung im Minimalkosmos des Stampfhammers. Letzlich geht es um die neue und völlig verrückte Art des Peinlich-Tanzens. Die Musik reizt dazu.
Geschrieben von Robert Tremmel
von Archiv | 16.04.2008
The Horror The Horror
Komischer Name für eine gar nicht so komische Band. „The Horror The Horror“, das sind fünf in der schwedischen Universitätsstadt Uppsala aufgewachsene Jungs, die inzwischen allesamt in Stockholm wohnen. Und wenn sie nicht Musik machen, dann arbeiten sie in den verschiedensten Berufen.
Während Sänger Joel Lindström in einem Plattenladen arbeitet, tut das ein anderer in einem Verlag und wieder ein anderer macht, laut eigenen Angaben, irgendwas mit Geografie. Doch diese Unterschiede verhindern nicht im Geringsten, dass die fünf einfach gut zusammen Musik machen. Genau zwei Jahre ist es her, dass The Horror The Horror ihr Debüt „The Horror The Horror“ veröffentlichten. „Der neue Schweden-Hype“ hieß es damals. Allerdings darf das schon lange nicht mehr für bare Münze genommen werden. Wer aber trotzdem durch diesen Wirbel ein Freund der fünf Stockholmer geworden ist und das letzte Album mehr als nur einmal gehört hat, wird vermutlich auch jetzt mit dem Nachfolger „Wired Boy Child“ zufrieden sein. Viel Schönes ist geblieben: Die nölige Stimme, der lässige Basslauf, die relaxte Grundstimmung der Songs. Alles Liebgewonnene ist dabei. Durchaus sympathisch und fernab vom geposten glattgebügelten Indierock, den man sonst so gerne vorgesetzt bekommt. Musik, die einen dazu bringt mal wieder die angestaubte Gitarre von der Wand zu nehmen und sich ran zu setzen, die Lieder nach zu spielen und beim nächsten Lagerfeuer zum Besten zu geben. Die Musik ist also gut dafür geeignet sich auf die kommende Festivalsaison vorzubereiten.
Geschrieben von Esther Müller-Reichenwallner – radio 98eins
von Archiv | 16.04.2008
„Zatoichi meets the One Armed Swordsman“ von Kimiyoshi Yasuda
Schema F funktioniert im Film wunderbar. Wie in der James Bond-Reihe kämpft auch der blinde Schwertkämpfer Zatoichi zu Beginn jedes Films gegen Figuren, deren Bedeutung für den weiteren Verlauf der jeweiligen Geschichte unwichtig ist. Dann jettet der britische Agent um die Welt, vergnügt sich mit Gespielinnen, tötet elegant den Oberschurken und rettet so die Menschheit. So wird´s auch im kommenden Bond „Quantum of Solace“ geschehen.
Zatoichi zieht von Film zu Film von einem Dorf ins nächste, ohne dass erklärt werden muss, warum die, offiziell als Masseur arbeitende Figur wieder am Schauplatz einer Unterdrückung auftaucht. Vorher – wie beim Bond-Teaser – zelebriert der körperlich Beeinträchtigte einen Kampf gegen eine Übermacht. Das Schema bleibt bei beiden Reihen erhalten. Nur minimal wird das bewährte Konzept angepasst. Der Spion mit der Lizenz zum Töten darf sich aktuelleren Problemen stellen und erlebte kürzlich einen Neustart. Zatoichi frönt dem Alkohol und Glücksspiel, kämpft gegen Yakuzza und andere dunkle Gestalten und misst sich mit anderen berühmten Schwertkämpfern („Zatoichi meets Yojimbo“) und richtet sich auf deren Stil ein.
In „Zatoichi meets the One Armed Swordsman“ ist es dieses Mal der Star unzähliger Shaw-Brothers-Filme Yu Wang. Seine Figur des einarmigen Kämpfers war in Hong Kong überaus beliebt, doch machte sich Wang seinen früheren Arbeitgeber zum Feind und verlies unfreiwillig die ehemalige britische Kolonie. Da Wang nun neben Zatoichi-Darsteller Shintaro Katsu spielte, sprach der 22. Film der Serie nicht nur das japanische Publikum an, sondern begeisterte auch die Festlandasiaten. Dass für diese ein anderes Ende gedreht wurde – leider auf der deutschen DVD nicht enthalten – war notwendig. Jedenfalls wenn ökonomische Interessen das Handeln leiten. Zwei Figuren, die auf unterschiedlichen Märkten Geld bringen, bedingen auch zwei unterschiedliche Endsieger. Für die japanischen Zuschauer gewann natürlich Zatoichi den Kampf und setzte seinen Erfolg in weiteren Filmen und einer Serie fort.
Erfolgreich war der Einarmige somit vor allem für die Zuschauer, die ihn eh schon kannten. Und bevor der jeweilige Sieger sich Feiern lassen darf, gibt es in diesem Film ein Novum für die ganze Zatoichi-Reihe: Der Masseur hat eine Liebschaft und dass trotz seiner Blindheit, die ihn sonst für die Damenwelt unsichtbar werden lies. Mit dem Film aus dem Jahr 1971 darf nun der zweite Streich des blinden Samurai genossen werden. Hoffentlich dauert es bis zum Erscheinen des Dritten nicht allzu lang, denn Bond-Filme schaffen es auch.
Geschrieben von Björn Buß
von Archiv | 16.04.2008
„Hallam Foe – Anständig durchgeknallt“ von David Mackenzie
Ein kleiner Vogel pickt sich aus seinem Ei und macht sich auf den Weg, die Welt zu entdecken, um schließlich wieder in die schützende Hülle zu schlüpfen. Was den Vorspann zu dem Film „Hallam Foe – This is my Story“ bildet, ist nur der Auftakt einer komisch skurrilen Lebensgeschichte.
Der 17jährige Hallam hat den Tod seiner Mutter vor zwei Jahren noch immer nicht überwunden und versucht ihm auf die Spur zu gehen. Völlig in sich zurückgezogen, beobachtet er seine Welt durch ein Fernglas, wobei diese an ihm vorbeizieht. Schließlich macht er sich allein auf den Weg nach Edinburgh, um sein junges Leben doch noch auf die Reihe zu bekommen. Hinter den oftmals bizarren Szenen verbirgt sich das seelische Dilemma eines Teenagers, der sich nicht von seiner Mutter lösen kann. Ödipuskomplex, Zwangsverhalten und Paranoia verleiten den einfachen Teenager Hallam zu den merkwürdigsten Handlungen. So zieht er sich das Kleid seiner Mutter an, sieht in seiner Stiefmutter ihre Mörderin und fertigt Notizen seiner Beobachtungen über das Leben anderer an. Dabei wird sein durchgeknalltes Wesen durch den Britpop Soundtrack, der einen Silbernen Bären für die beste Filmmusik gewann, auch in musikalischen Klängen gut widergespiegelt.
Für seine Mitmenschen nur ein perverser Spanner, will Hallam mit seinem Fernglas doch nur sehen, wie das Leben der anderen ist. David Mackenzie schafft es durch die pointierten Dialoge der Figuren den Zuschauer immer wieder mitzureißen. Die vielen Perspektiven, aus denen Hallam seine Welt wahrnimmt, machen den besonderen Reiz und die Spannung der britischen Produktion aus.
Auch die jungen Schauspieler wie Claire Forlani, Jamie Sives und Jamie Bell erwecken aus einer traurigen Lebensgeschichte ein emotionales Abenteuer. Ein Abenteuer, das ganz unter dem Zeichen der elementaren Liebe zwischen Mutter und Sohn steht.
Geschrieben von Katja Graf