Stranger in Greifswald: Justyna Zagrodzka

Name: Justyna Zagrodzka
Alter 26:
Herkunft: Polen
Studienrichtung: Deutsch als Fremdsprache


moritz: Warum bist Du nach Deutschland gekommen?
Ich habe in Polen angefangen Germanistik zu studieren. An meiner Uni war viel los. Wir haben eine Germanistenkonferenz, DaF-Studierendentagung und verschiedene Austauschprogramme organisiert und Studenten aus der Ukraine, Slowakei und Deutschland empfangen, Inzwischen war ich mit einem Studentenaustauschprogramm in Saarbrücken, Bayreuth und Ostrova. Jeweils nur für 1 Woche. Und ich hatte Verlangen nach mehr….

Warum gerade nach Greifswald?
Ich habe so gut wie alle Internetseiten von deutschen Unis durchgewühlt, Angebote verglichen und dann wusste ich nicht weiter. An der Uni, die ich wählen wollte, sollte DaF angeboten werden und die Stadt sollte auch nicht zu groß sein. Dann bin ich auf Greifswald gestoßen. Das passte – und dann noch die Ostseeküste – herrlich.

Was gefällt Dir an Greifswald und an unserer Uni?
Als ich das ersten Mal hier war und aus dem Zug ausgestiegen bin, war mein erster Gedanke: ?Bin ich jetzt falsch ausgestiegen?? Ganz schnell habe ich meine Meinung geändert. Es war an einem sehr warmen, sonnigen Septembertag und die Stadt sah so frühlingshaft und sonnig aus.
Greifswald ist die perfekte Stadt zum Studieren, alles ist in der Nähe, es gibt viele Studierende und die Stadt lebt. Das merkt man vor allem in der vorlesungsfreien Zeit, wenn alle plötzlich weg sind.

Gibt es Unterschiede zwischen Deiner polnischen Uni und der deutschen?
Ja, und zwar sehr viele. Hier hat man mehr Freiheit. In Polen dagegen habe ich jedes Semester einen neuen Stundenplan in die Hand gedrückt bekommen und alles was drin stand, alle Seminare und Vorlesungen musste ich besuchen. Unabhängig davon, ob ich die interessant gefunden habe oder gar nicht.
Das Beste kommt jetzt: am Ende jedes Semesters ist Prüfungszeit, man hat 2-4 Prüfungen (manchmal auch mehr) innerhalb von 2 Wochen zu bestehen. Jeder ist voll im Stress. Ich finde es aber leichter ein Studium in kleineren Schritten zu schaffen, als sich hier, zum Beispiel für die Zwischenprüfung vorzubereiten und alles, was man in 2 Jahren gelernt hat auf einmal zu wiederholen.

Wie feiert man in Polen das Weihnachtsfest?
Weihnachtszeit in Polen? Ist ähnlich, wie in Deutschland, die Zeit, die man mit der Familie und den engsten Freunden verbringt. Am wichtigsten ist der Heilige Abend. Man setzt sich an den festlich gedeckten Tisch, wenn der erste Stern am Himmel aufleuchtet. Man teilt den Weihnachtsoblaten miteinander und wünscht sich Frohe Weihnachten. Am Tisch ist noch ein zusätzliches Gedeck bereit gelegt, für einen Gast, der vielleicht noch unerwartet vorbeikommt. Dieses Gedeck soll auch an die Verstorbenen erinnern. Unter der Tischdecke sollte sich ein kleines Heubündel befinden. Das polnische Abendmahl ist fleischlos. Meist werden 12 Gerichte serviert, weil 12 Apostel Christus gefolgt sind. Die Zahl der Gerichte wird heute nicht immer eingehalten. Der Abend endet meistens mit der feierlichen Mitternachtsmesse in der Kirche. Da ist die ganze Familie, selbst die  Kleinkinder mit dabei. Das hat etwas Mystisches an sich.

Geschrieben von Jens Kirch

Stranger in Greifswald: Bienvenido a Greifswald!

Marta Lobato und Adrián Álava haben ihre Schönwetter-Heimat Spanien gegen den rauen Winter Deutschlands eingetauscht. Und doch: Die beiden Erasmus/ Sokrates Studenten leben und studieren gern hier.

moritz: Wie seid ihr auf die Idee gekommen in Deutschland und vor allem in Greifswald zu studieren?
Marta: Ehrlich gesagt, hatte ich keine große Auswahl, aber mir gefällt es hier sehr gut.
Adrián: Das ist jetzt schon mein drittes Semester hier in Greifswald. Ich interessiere mich sehr für die deutsche Sprache und die deutsche Kultur.

So ein Auslandssemester kann ziemlich lang werden, was vermisst ihr am meisten?
Marta: Natürlich meine Freunde und meine Familie. Mir fehlt aber auch das Sonnenlicht. Es wird hier immer so früh dunkel und die Nacht ist sehr lang.
Adrián: Ich vermisse den Geruch des Meeres, es ist einfach eine andere Seeluft bei uns. Vor allem fehlt mir jedoch das Nachtleben. Ab neun Uhr abends kann man in Spanien in den Straßen kaum noch treten. Alle sind unterwegs, hier ist dagegen ziemlich ruhig.

Gibt es noch mehr worin sich eurer Meinung nach die deutsche Kultur von der spanischen unterscheidet?

Adrián: Die Deutschen sind distanzierter. Einfach strenger. Ich glaube, dass viele Europäer gern in Spanien Urlaub machen, weil sie dort mit soviel Wärme empfangen werden.  Die Deutschen sind etwas kühler, aber dafür sind wir eigentlich nie pünktlich.

Ihr sprecht beide kein Deutsch, ist das ein Problem im Alltag? Was macht ihr zum Beispiel, wenn ihr euch beim Bäcker ein paar Brötchen kaufen wollt?

Marta: Ich gehe nur in den Supermarkt. (lacht) In der Freizeit ist das mit der Sprache kein Problem. Aber an der Uni ist das schon ein bisschen schwierig, da meine Psychologievorlesungen alle auf Deutsch abgehalten werden. Oft versteht man jedoch mehr als man denkt und Hilfe habe ich auch. Außerdem kann ich meine Hausarbeiten auf Englisch schreiben.
Adrián: Ich verstehe zwar viel, spreche aber nur ein paar Sätze Deutsch. Für mich ist das aber kein Problem. Ich studiere Anglistik und mehr als Englisch muss ich da nicht sprechen.
 
Es ist Adventszeit. Wie verbringt man in Spanien die besinnlichste Zeit des Jahres.
Adrián: Den Heiligen Abend und die Weihnachtsfeiertage verbringen wir im Kreise der Familie. Geschenke gibt  es da jedoch noch nicht. Erst in der Nacht vom 5. zum 6. Januar bringen die Heiligen Drei Könige Geschenke. Man stellt ihnen dann abends Milch und Kekse hin.
Marta: Am Tag zuvor hat unser König Geburtstag. Abends schauen sich die Kinder die Königsparade im Fernsehen an und gehen ins Bett. Am nächsten Morgen stehen sie besonders früh auf, um nach ihren Geschenken zu sehen.
Adrián: Aber da wir dann wieder in Deutschland sein müssen, werden wir diesen Tag wohl in der Uni verbringen.

Und Sylvester?
Marta: Wir sind eigentlich die ganze Nacht unterwegs. Außerdem ist es bei uns Brauch, wenn es Mitternacht schlägt, zwölf Weintrauben zu essen, diese bringen einem dann Glück für das kommende Jahr.

Geschrieben von Anne Schuldt

Immer das Theater mit den Frauen/Männern!

„Falsch gepaart“ – Ein musikalischer Geschlechterkampf im Theater Vorpommern

Liebe Kati,

manchmal kommt es mir vor, als wäre es ein Traum, die Vorstellung, dass Mann und Frau gleichberechtigt und glücklich zusammenleben könnten.
Wohin ich auch schaue, überall teilt sich die Welt in Männlein und Weiblein. Das ZDF bringt den ?Pisageschlechterkampf?, in Berlin stellt ein einzelner Schauspieler in ?Caveman? die Urinstinkte von Mann und Frau dar und selbst hier in Greifswald bringt das Theater ein Stück auf die Bühne, in dem Mann und Frau stets aneinander vorbei reden.
Doch warum? Sind wir denn alle falsch gepaart?
In diesem Stück, wovon ich gerade sprach, ?falsch gepaart?, gab es eine Silberhochzeit zu feiern und zu Gast waren drei Paare und ein Single. Eine amüsante Konstellation. Aber noch nicht genug; diese Leute schafften es den ganzen Abend ein Vorurteil nach dem anderen zu bestätigen und nach kurzer Zeit fragte ich mich, warum man eigentlich in einer Beziehung lebt, wenn man sich nur Vorwürfe macht und hinter dem Rücken des Partners mit anderen herumknutscht.
Lange Rede, kurzer Sinn: Am Ende hatte ich den Glauben an die wahre Liebe verloren und sah keine große Aussageabsicht des Boulevardtheaters.
Ich ging an diesem Abend hinaus und stellte fest, wie verletzlich der Mensch doch ist, wenn er sich auf das andere Geschlecht einlässt.
Vielleicht weißt Du mir ja weiter zu helfen und siehst die Welt als Frau mit anderen Augen.

Mit freundlichen Grüßen –
Kilian Jäger
Lieber Kilian,

da gebe ich Dir Recht. Mann und Frau passen eben wirklich nur in der Mitte zusammen. Frauen verstehen nicht, wie Männer funktionieren und Männer werden nicht aus den Frauen schlau. Warum das so ist? Ich glaube, diese Frage wird auch in Zukunft nie beantwortet werden können. Allerdings wird es auch nicht besser, wenn immer die gleichen Klischees bedient werden; die verheiratete, sexuell frustrierte Frau geht fremd und der sexuell befriedigte Mann sitzt ahnungslos mit Bier und Fernbedienung vorm Fernseher und guckt Fußball.
Aber haben diese ganzen Vorurteile und Klischees nicht auch ihr Gutes? Was wären wir denn ohne sie? Mann und Frau würden bis an ihr Lebensende in aller Seligkeit friedlich nebeneinander leben bis das der Tod sie scheidet oder zumindest bis zur Silberhochzeit, die dann im tödlichen Dilemma um ein Salzfass endet, wie in dem Theaterstück ?Falsch gepaart?.
Aber wollen wir denn diese ganze Harmonie und das alles denn wirklich? Schließlich ist es doch nur der leidige Perfektionismus des Menschen, seine Sehnsucht nach Idylle, die ihm vorgaukeln, alles müsse eitler Sonnenschein sein.
Ich meine, ist es da nicht viel aufregender, wenn man während eines Streits auf die altbackenen Klischees zurückgreifen kann? Vielleicht ist es ja heutzutage auch gar nicht mehr möglich, ohne Klischees zu leben. Denn welcher Topf sucht sich seinen Deckel denn nicht mehr nach den gängigen Klischees aus? Ohne sie wären die Suche nach einem Partner und die anschließende Beziehung doch langweilig.
Was würden Alice Schwarzer, Simone de Beauvoir und die ganzen anderen Frauenrechtlerinnen dazu sagen, die Begriffe wie Feminismus, Gleichberechtigung und Sexismus prägten? Ich glaube, auch sie würden unsere Sorgen teilen.

Mit freundlichen Grüßen –
Kati Sass

Geschrieben von Kilian Jäger, Katharina Sass

CD: Elvis Costello – Il Sogno (Deutsche Grammophon)

Auf den ersten Blick passen Elvis Costello und William Shakespeares nicht so recht zusammen. Ein bekehrter U-Musiker komponiert Musik für ?Ein Sommernachtstraum?? Doch, es geht. Und die mit dem Stift auf das Notenpapier gebrachte Klangwelt hat etwas. Die Welterstaufnahme erschien unter dem Titel ?Il Sogno?.

Die Ballettmusik ist eine Bestellung der italienischen Ballettgruppe Aterballetto. ?Ich war total überrascht von dem Auftrag, Ballettmusik zu schreiben?, gesteht Costello. Am 31. Oktober 2000 wurde die Produktion im Teatro Comunale in Bologna uraufgeführt. Sein Kommentar zum Orchestererstlingswerk: ?Meine Orchestrierung verstößt vielleicht gegen einige Konventionen, aber sie klingt genau so, wie ich es mir vorgestellt habe.? Innerhalb von 4 Tagen im April ging die Einspielung des Werks in der Abbey Road, London, über die Bühne. Beeindruckt äußert sich der Dirigent Tilson Thomas über den Allroundmusiker Costello: ?Es gibt viel Jazz in dieser Musik, und manche Passagen klingen ganz impressionistisch oder russisch. Elvis hat sich für die Figuren in Shakespeares Stück jeweils unterschiedliche Welten vorgestellt: Pop, Jazz oder Klassik. Er kommt immer wieder auf diese ungewöhnlichen Debussy´schen Harmonien des Anfangs zurück.? Glückwunsch. Ein guter Anfang. Dennoch: Spannender ist das Werk Nr. 2. Hoffentlich hören wir bald davon.

Geschrieben von Uwe Roßner

Der lange Weg zum Studium

Wijdan Glaidos (20) aus Eritrea hat sich zwei Semester lang am Studienkolleg der Universität Greifswald auf ein Medizinstudium vorbereitet. Den nachfolgenden Text verfaßte sie im Rahmen des Deutschseminars. Er wurde vom Seminarleiter geringfügig überarbeitet.

An einem sonnigen Tag saß ich bei meiner Mutter. Wir redeten viel und plötzlich kam mein Vater und fragte mich, ob ich in Deutschland studieren wolle. Meine Mutter konnte sich das kaum vorstellen, in einem fremden Land und sogar in Europa zu leben. Nein, das kam ihrer Meinung nach für mich nicht in Frage. Alle redeten und redeten, meine Onkel, Tanten und Cousinen. Wie kann ein kleines Mädchen allein nach Europa fliegen? Meine Meinung dazu interessierte die anderen wenig. Außer meinen Vater, der aus meiner Sicht der beste Vater ist. Er sagte mir, dass es meine Entscheidung sei, einen langen Weg mit vielen Schwierigkeiten zu wählen. Aber ich hatte eigentlich keinen Mut zu entscheiden, wußte nicht, ob ich es schaffen würde, das komplizierte Leben in Europa ertragen zu können. Am Ende, nach vielen Diskussionen , bin ich mit viel Angst doch geflogen, obwohl die meisten zu Hause meine Wahl abgelehnt haben. Ich bin eine Herausforderung für meinen Vater.

Jetzt, nach zwei Jahren in Deutschland, kann ich bestimmter sagen, warum ich hierher gekommen bin. Ich denke, damit ich meine Persönlichkeit und meinen Charakter bilde und lerne, mit verschiedenen Typen von Menschen umzugehen und mich an jede Situation anzupassen. Inzwischen bin jetzt stark genug, um für mich selbst verantwortlich zu sein. Auch die Arbeit in der Semesterpause hier ist eine neue schöne Erfahrung für mich, da ich niemals im Leben gedacht habe, dass ich mit 19 Jahren anfangen würde zu arbeiten. Ich war ein verwöhntes Mädchen. Wenn ich mich an mich selbst vor zwei Jahren erinnere, war ich sehr streng und leise, schwach, mit wenigen sozialen Kontakten. Ich bin total anders geworden. Ich habe also endlich das gefunden, was ich gesucht habe: mich selbst. Ich bin nun sicher: irgendwann werde ich mein großes Ziel, Medizin zu studieren, erreichen. Auch wenn es viele Jahre dauern sollte – auch wenn meine Mutter immer davon spricht, dass meine Freundinnen in meiner Heimat schon mit ihrem Studium fertig oder verheirat sind. Manche haben sogar schon Kinder bekommen. Auch wenn es der Fall sein sollte, dass ich ein oder zwei oder drei Semester nicht bestehen werde. Ich werde meinen Traum nie aufgeben, an dem ich zu Anfang zweifelte, ihn verwirklichen zu können.

Geschrieben von Wijdan Glaidos