von Archiv | 15.12.2004
„No Exit“ in unserer Stadt
Wenn es im öffentlichen Diskurs mal wieder um das Thema Rechtsextremismus geht, scheinen die Fallbeispiele immer furchtbar weit weg, unbedeutend, irgendwie banal und teilweise sogar lächerlich. Aber leider trügt der Schein. Rechtsextreme Gruppierungen sind oft gut organisiert und auf dem Vormarsch. ?Salonfähig? geworden, treten sie als Kameradschaften und Bürgerinitiativen auf oder übernehmen bei Volksfesten die Ordnerfunktion.
In den ländlichen Gegenden Vorpommerns gehören sie dabei vielfach schon zur Gemeinschaft und zum Straßenbild. Bei ihren Auftritten machen sich die Rechtsextremisten häufig aktuelle Themen zunutze und versuchen auf teils plumpe, teils subtile Weise, aus den Ängsten der Menschen vor Arbeitslosigkeit, Altersarmut oder der omnipräsenten Europäisierung politisches Kapital zu schlagen.
Kay Bolick von der Organisation LOBBI (Landesweite Opferberatung, Beistand und Information für Betroffene rechter Gewalt in Mecklenburg-Vorpommern) weist in seinen Vorträgen auf diese alarmierenden Strategien hin. Er gehört zu den Gründungsmitgliedern von LOBBI und berät seit drei Jahren Opfer rechter Gewalt. In seiner Präsentation im IKUWO am 5. November illustrierte er deutlich, dass sich längst rechte Strukturen etabliert haben, welche sich aus Kameradschaften, nationalistischen Bündnissen und Parteien zusammensetzen, die erstere politisch ergänzen. Obwohl verboten, arbeiten diese Netzwerke sehr effizient: Es gibt gut funktionierende Verbindungen zwischen Gruppierungen in Nord-, Süd-, Ost- und Westdeutschland und darüber hinaus den ?Nationalen (mehr …)
von Archiv | 15.12.2004
Ein Buch geht der Frage nach, warum Ost und West aneinander vorbeireden
Nach 15 Jahren Einheit spaltet sich unser Land immer noch in zwei Teile. Ost und West. Dass dies nicht an Einkommensverhältnissen oder politischen Ansichten liegt, behauptet Olaf Georg Klein, der Autor des Buches ?Ihr könnt uns einfach nicht verstehen – Warum Ost- und Westdeutsche aneinander vorbeireden?. Klein, der auch ?personal coach? in Berlin ist, bewegt sich auf dem Gebiet von zwischenmenschlicher Kommunikation, wozu schon Paul Watzlawick entscheidende Axiome aufgestellt hat.
Die wichtigsten zwei Grundannahmen: ?Man kann nicht nicht kommunizieren? und ?Jeder Dialog besitzt einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt? werden von Klein voll und ganz aufgegriffen. Auf diese Aussagen gestützt, begründet er, warum ?Ossis? und ?Wessis? aneinander vorbeireden. Hier sind auf nonverbaler Ebene die Länge des Blickkontaktes, der Abstand zweier Personen im Gespräch, spontane Berührungen und Pausen während des Sprechens entscheidend. In diesen Punkten soll es kulturelle Differenzen geben, so dass in der östlichen Kommunikationskultur ein Blickkontakt von vier Sekunden als normal gilt während in der westlichen Kommunikationskultur alles über einer Sekunde als unangenehm empfunden wird. Anhand dieser Beispiele sieht Klein die Begründung, warum Ost und West sich einfach nicht verstehen können.
Denn selbst wenn auf nonverbaler Ebene eine Übereinstimmung erreicht wird, folgt die nächste Hürde der Kommunikation, das Gespräch. Schon in den ersten Worten liegt die Schwierigkeit auf Symphatie zu stoßen, denn in der Gesprächseröffnung gehen westliche und östliche Kulturen verschiedene Wege. Im Osten hebt man sich nicht zu sehr hervor, im Westen hingegen beginnt man ein Gespräch positiv und auf sich selbst bezogen. Kommt es dann auch noch zu einer Diskussion, stehen sich wieder einmal kommunikativ zwei verschiedene Menschen gegenüber. Der eine geht auf Konsens und Übereinstimmung, der andere lebt seine Streitkultur aus und versucht, Probleme offen anzusprechen um sie lösen zu können. Spätestens wenn alle nur noch schweigen, versteht der Wessi den Ossi nicht mehr und umgekehrt. Denn während in der östlichen Kommunikationskultur das Schweigen als ?Nein? interpretiert wird, versteht die westliche Kommunikationskultur stillschweigende Zustimmung.
Diese Ja-Nein-Falle beendet dann schließlich auch das letzte Gespräch und Olaf Georg Klein kommt zu Hilfe. Zu dieser Ansicht kommt auch die Frankfurter Rundschau, wo Birgit Loff den Autor hoch lobte. Doch nicht immer werden die Ansichten von Klein vertreten und so meint die Süddeutsche Zeitung, dass Klein den Osten zu sehr liebe und den Westen zu wenig kenne um ihn scharfsinnig analysieren zu können. Olaf Georg Klein scheint jedenfalls hinter seinem Konzept zu stehen, das er nach jahrelanger Erfahrung im Praxisbereich mit Wirtschaftsunternehmen gesammelt hat.
Bleibt nur noch die Frage offen, ob es denn sinnvoll erscheint, das Problem zwischen Ost- und Westkulturen allein von einer einzigen Seite aufzurollen und sein Gesichtsfeld auf den Aspekt der Kommunikation zu beschränken oder ob man vielleicht auch die politischen, soziologischen und kulturellen Faktoren miteinbeziehen sollte.
Klein trägt sicherlich zu den Problembehebungen zwischen Ost und West bei, jedoch schließt man aus rein kommunikativer Sicht leicht Aspekte aus, die zur Lösung beitragen würden.
Zum Schluss ist der politische Wandel nicht zu unterschätzen. Denn wie kann eine Generation, die seit der Weimarer Republik nicht auf demokratischen Boden gelebt hat in gerade einmal 15 Jahren Demokratie lernen?
Und auf der anderen Seite, kann eine Generation, die 40 Jahre länger das Gut der Demokratie besaß, kann nicht meinen, von heute auf morgen ein sozialistisch geprägtes Land zu vereinnahmen und die Ansicht vertreten, dass der Ossi zum Wessi werden muss, weil er dann ein besserer Mensch ist.
Nach 15 Jahren der Einheit gibt es eines ganz gewiss: Zwei Kulturen, die lernen müssen einander zu tolerieren und kennenzulernen. Denn wer sich nicht kennt, kann auch nicht über den anderen urteilen und nur so kann es in Richtung einer wirklichen Einheit gehen. Wenn man dazu Kommunikationstheorien in praktischen Nutzen umsetzt um dem anderen aufgeschlossen entgegenzutreten, dann kann auch Kommunikation zwischen Ost und West funktionieren.
Geschrieben von Kilian Jäger
von Archiv | 15.12.2004
Vorgestellt: Das LEI Greifswald
– Mit Langzeitwirkung
Für alle, die es noch nicht wissen, sei es jetzt einmal gesagt: Tutor werden ist nicht schwer. Wer jetzt an die Belange seines Institutes denkt, an die Erstsemesterwoche oder die ersten Hinweise für all, jene die ihr Studium in Greifswald beginnen, der ist schon auf dem richtigen Weg. Aber nur fast. Mit dem Wort ?Tutor? sind vielmehr all jene gemeint, die sich fürsorglich um die ausländischen Studenten, die an unsere alma mater kommen, kümmern und sie durch die ersten Wochen, durch ein oder zwei vielleicht sogar Semester begleiten. Wenn der Kontakt dann auch schließlich länger hält, dann auch ein Leben lang. Als Tutor für ausländische Studenten kann man viel Erleben und lernt Neues hinzu. Aber dazu kommen wir noch. Fangen wir erst einmal an.
Auf der Seite des Akademischen Auslandsamts findet sich eine Rubrik, die heißt LEI Greifswald. Hinter LEI verbirgt die Lokale-Erasmus-Initiative. Weiter heißt es da: ?Erasmus von Rotterdam reiste gern in Europa und wünschte sich ein Zusammentreffen der europäischen StudentInnen, so dass sie miteinander und voneinander lernen und ihre Kulturen gegenseitig kennen lernen sollten.? Gaststudenten, die nach Greifswald kommen, erhalten eine Bezugsperson, die ihnen hilft, Rat gibt und Probleme wälzt. Jemand, der möglichst passt.
Seit dem Wintersemester 2000 gibt es LEI in Greifswald. Am Ende eines Semesters treffen sich die TutorInnen und besprechen die Planung für das kommende Semesterprogramm. Jeder erklärt sich für ein oder zwei Sachen bereit, die er dann organisiert. Adressen, Telefonnummern und Email werden ausgetauscht. Das Akademische Auslandsamt schlägt jedem die zu betreuenden Studierenden vor. Auf einer Liste kann man seine Wunschländer angeben, die dann möglichst berücksichtigt werden.
Zwischen Planung und Anreise steht dann der erste Kontakt. Meist per Mail. Man kommt ins Gespräch, tauscht sich über Anreisetag und Art der Anreise aus. Gut ist dabei, einige Ratschläge zu. Beispielsweise bräuchte dann in Greifswald erst ein unter Umständen teures Vorhängeschloss gekauft werden. Das kann ja von zu Hause mitgebracht werden.
Dann geht es ziemlich rasch. Der Zug rollt in den Bahnhof ein, ein Treffen auf dem vereinbarten Parkplatz vor dem Wohnheim oder ein kurzer Anruf aus der Domstraße 8 – die erste Begegnung führt vorerst einmal in das Akademische Auslandsamt. Die Zimmerschlüssel für die Unterkünfte wechseln den Besitzer, gelegentlich ist eine Passkopie noch notwendig. Wenn dann noch Fragen verbleiben, helfen die Beraterinnen vom Akademischen Auslandsamt gern und freundlich.
Nach der Anreise fallen zuerst die behördlichen Gänge an. Ein Bankkonto wird eröffnet, die Einschreibung erfolgt, der Mietvertrag wird abgeschlossen, ein Besuch beim Einwohnermeldeamt und der Ausländerbehörde. Im bürokratischen Papierkrieg tut es gut, wenn dann jemand, einmal kurz über die Schulter schaut, ein Wort oder eine Frage der Sachbearbeiter rasch erklärt. Die/ der eine oder andere unter den Schützlingen besucht noch einen auffrischenden Deutschkurs in der Makarenkostraße.
Sind die offiziellen Dinge geregelt, dann lockern Fahrten beispielsweise nach Berlin, Partys oder Weihnachtsfeiern den gaststudentischen Alltag auf. Spaß gehört schließlich zum Studium. Dazu kommen Angebote wie beispielsweise der Stammtisch oder das Sprachtandem.
Jede Woche am Dienstagabend findet im Internationalen Kultur- und Wohnprojekt (IKUWO) der LEI-Stammtisch statt. Ausländische und deutsche Studierende treffen hier bei einem guten Gläschen und sich über ihre Kulturen austauschen. Seit diesem Wintersemester gibt es das Sprachtandem wieder. Wer immer schon einmal beispielsweise Polnisch, Spanisch oder Finnisch mit und von einem Muttersprachler lernen wollte, der sollte sich für weitere Infos an folgende Adresse wenden: EMAU_tandem@hotmail.com
Das gilt natürlich auch für alle, die gern einmal Tutor werden wollen, um auf die Gastfreundlichkeit unseres Landes unter Beweis zu stellen. (Adresse siehe unten) Denn das LEI und der Studienort genießen im Ausland ein gutes Ansehen. Daher sollte es nicht verwundern, wenn in jedem Semester die Zahl der Gaststudenten steigt. Daraus lassen sich Kontakt knüpfen, aus den langfristig gepflegten Beziehungen entstehen. Für die Greifswalder Universität als Tor zum Ostseeraum und darüber hinaus, ist dies nicht ganz unwichtig. Außerdem ist es schön, zu Weihnachten eine Karte mit einem Gruß aus der Ferne zu erhalten. Wie gut, dass es die Initiative seitens des Akademischen Auslandsamtes gibt.
Bei Fragen bitte eine E-Mail an lei@uni-greifswald.de oder direkt beim Akademischen Auslandsamt vorbeischauen.
Geschrieben von Uwe Rossner
von Archiv | 15.12.2004
Wer ihnen in Brüssel auf der Straße begegnet hält sie für ein ganz normales belgisches Pärchen, das sich beim ?Slow? tanzen* kennen gelernt hat, das ordentlich abgeschlossene Studium dazu nutzt bald beruflich durchzustarten und demnächst eine kleine Familie gründet. Wer ihnen in Greifswald begegnet, am Institut oder auf Partys, stellt bald fest: Sophie Martens und Michiel vanHee erfüllen dieses Schema nicht und sind irgendwie was Besonderes.
Um sich dem geregelten Leben noch einige Zeit zu entziehen, Neues auszuprobieren und noch mindesten 3 weitere Sprachen zu lernen, haben sich die beiden entschlossen nach dem abgeschlossenen Dolmetscherstudium nach Deutschland an die Uni zu kommen. Falsche Zeugnisübersetzungen in Kombination mit hohen NCs haben den Traum von Berlin schnell zerplatzen lassen. Durch Zufall erfuhren sie von Greifswald, das durch sein gutes Angebot im Bereich der Nordistik und Slawistik und seine formale Unkompliziertheit bestach. ?Außerdem hatte es einen Hauch von Exotismus und hat nach Urlaub gerochen” sagt Michiel, den der Osten Deutschlands schon seit längerem interessierte. Mit einem riesigen Anhänger machten sie sich also bald auf nach Greifswald um Polonistik, Nordistik und Russistik zu studieren. Unterschlupf gefunden haben sie stilecht studentisch in einer Platte in Schönwalde, und haben somit die Chance täglich nicht nur mit den Greifswalder Studenten, die sie als sehr offen, diskutierbereit und freundlich empfinden, in Kontakt zu treten, sondern auch andere Deutschen zu treffen, die sich teilweise als schwierige, gefrustete Zeitgenossen entpuppen. Mit offenkundiger Ausländerfeindlichkeit wurden sich allerdings nicht konfrontiert.
Wenn Sophie und Michiel nicht gerade ihrer Leidenschaft nachgehen Sprachen zu lernen und Vokabeln aus kiloschweren Wörterbüchern lernen oder kleine Comics zu deutschen und niederländischen Sprichwörtern zeichnen, verbringen sie ihre Zeit z.B. beim Ausländerstammtisch im IKUWO, in der ?Tschaika?, sehen sich ausländische Filme, ‘bitte in Originalsprache’, an, oder beschäftigen sich mit ihrer anderen Leidenschaft, der Musik, sowohl passiv als auch aktiv.
Greifswald gefällt ihnen sehr gut, aber empfehlen hierher zu kommen würden sie nur Leuten, die tolerant und absolut offen für Neues sind. Eine gute Priese Humor hilft außerdem alles merkwürdige etwas leichter zu nehmen und bricht das Eis. In diesem Sinne: ?Man muss kein Elch sein um sich als Weihnachtsmann zu verkleiden, aber es liegt halt viel näher.” juli
* langsamer Paartanz zu romantischer Musik, bei dem sich alle belgischen Pärchen kennenlernen
Geschrieben von Juliane Hesse
von Archiv | 15.12.2004
Das psychologisches Kabinettstückchen ?Die fetten Jahre sind vorbei? überfordert deutsche Jungstars
Wenn ?die neue deutsche Hoffnung?, ?der Newcomer?, ?der Jungstar? Daniel Brühl einem Film seine mimischen Fähigkeiten zur Verfügung stellt, ist das ein Leise-Töne-Revoluzzer-Produkt mit einem Extra an Weltverbesserungspotential. Aber: Die fetten Jahre sind vorbei. So gesehen im neuen Film von Hans Weingartner.
Julia (Julia Jentsch) darf nach einem selbstverschuldeten Unfall für die nächsten Jahre den Mercedes eines reichen Managers (Burghard Klaußner) abzahlen, ihr Freund Peter (Stipe Erceg) bricht derweil mit seinem besten Kumpel Jan (Daniel Brühl als Daniel Brühl) in vornehme Villen ein. Dabei sind die beiden nicht auf Beutefang, sondern vielmehr auf Erziehungstour: Teure Vasen, mondänen Kitsch und edle Sessel verknäulen sie zu einem modernen Konsumturm zu Babel. Darauf hinterlassen sie wahlweise die Botschaft ?Die fetten Jahre sind vorbei? oder ?Sie haben zuviel Geld. Die Erziehungsberechtigten?.
Verwickelt wird die Situation, als sie in das Haus des Neureichen geraten, an den Julia ihre Schuld abzutragen hat. Eins kommt zum anderen und schwuppdiwupp befinden sich die Drei mit dem Manager als Geisel auf einer Alm in den Bergen. Dass der Gekidnappte ein Alt-68er ist, der seine Ideale irgendwann wie Ballast abgeworfen hat, macht die Situation nicht leichter. ?Das Rebellieren ist schwieriger geworden?, stellt Jan fest. Che-Guevara-Shirts als Modeobjekt, Anti-Haltung als Lebensgefühl, komplette Meinungsfreiheit als Diskussionskiller. Der Film beschreibt das Dilemma vieler Rebellen: Denn sie wissen nicht was sie tun. Das ?Dagegen? ist klar, das ?Wofür? nicht. Die Reflektion der Protagonisten verliert sich zu oft in diffuser Anklage gegen das Establishment, ihr Beitrag zu verantwortungsvollerem Miteinander ist das Möbelrücken und Fernsehantennenkappen. Immerhin, möchte man sagen, immer noch entgegnen.
So ziellos wie die Suche nach dem gelobten Staat wirkt stellenweise auch der Film. Die darstellerische Kraft der Schauspieler reicht nicht, um das psychologische Kabinettstückchen zu tragen, dessen Anlagen sich zumindest vermuten lassen. Und die unvermeidliche Liebesgeschichte zwischen Jan und Julia lässt erschaudernd wünschen: Herr Brühl, den nächsten Film ausnahmsweise nicht als Gutmensch!
Geschrieben von Britta Voß