von Archiv | 15.01.2005
m 20. Januar wird in den USA George Bush offiziell seine zweite Amtszeit antreten und während sich die Europäer und ihr Held Michael Moore noch genüsslich über die Unrechtmäßigkeit des IrakFeldzuges auslassen, tobt innerhalb Amerikas schon lange ein ganz anderer Krieg: Ein Krieg um Moral und Werte.
Und wie alle Kriege, die im Namen der Religion ausgefochten werden, wird mit harten Bandagen und allen Mitteln gekämpft. Doch wurde dieser Konflikt mit seinem Helden George Bush an der Spitze bis jetzt vor allem unter der Oberfläche und unter dem Radar der meisten Amerikaner ausgefochten, wird er wohl in den nächsten vier Jahren ganz offen zu Tage treten. George Bush hat nichts mehr zu verlieren, seine zweite Amtszeit wird (nehmen wir jetzt mal an, er schafft es nicht, die Verfassung zu ändern) seine letzte sein. Und die Möglichkeit, Amerika für die nächsten Jahrzehnte seinen Stempel aufzudrücken, wird er sich nicht entgehen lassen.
Bei seiner Vereidigung als 44. Präsident der Vereinigten Staaten am 20. Januar (die mit der Hand auf einer Bibel und nicht auf der Verfassung geleistet wird) werden für George W. Bush und seine Wähler die Schlussworte ?…so help me God? (die übrigens nicht als vorgeschrieben in der Verfassung stehen wie die restlichen 36 Worte des Schwurs) nicht nur eine Formalie, sondern ein Versprechen sein. Für den liberalen Teil der Bevölkerung ist es dagegen eher eine Drohung, denn an den jetzt schon republikanisch regierten Bundesstaaten können sie sehen, wie sich Bush die Zukunft des ganzen Landes vorstellt: Homosexualität gilt als Verbrechen, Abtreibung ebenso, Darwin und Aufklärungsunterricht sucht man an vielen Schulen vergebens. Schon bei den Wahlen wurden 10 Referenden gegen die Homoehe mit großer Mehrheit angenommen.
One Nation, under God – mit Gottes Gesetzen in der Auslegung von Bush und den anderen so genannten ?Born Again Christians?. Ihr mächtigster Verbündeter könnte dabei das höchste Gericht der Vereinigten Staaten, der Supreme Court, werden. Von den neun Richtern, die auf Lebenszeit ernannt werden, ist schon heute nur einer jünger als 65 Jahre, ihre Vorsitzender, der noch unter Nixon ernannte Rehnquist, ist 80 und schwer krank. Es ist also mehr als wahrscheinlich, dass Bush die Gelegenheit bekommen wird, mindestens einen, wenn nicht sogar mehrere der Posten neu zu besetzen und sich damit eine Schar von Aposteln zu schaffen, die seine Politik auch noch lange nach dem Ende seiner zweiten Amtszeit sichern und fortführen werden. Besonders den in den Augen der Republikaner viel zu liberalen (er verfasste die Entscheidung, nach der die Gefangenen von Guantánamo ihre Inhaftierung von amerikanischen Gerichten prüfen lassen dürfen) Richter Stevens, mit 84 der Älteste, sähen sie nur zu gerne im Grab, um ihn mit einem Richter vom Schlage des erzkonservativen Trios Rehnquist, Scalia, Thomas zu ersetzen. Damit würde das sowieso schon fragile 5-4 Verhältnis, mit dem die meisten Entscheidungen des Gerichts getroffen werden, endgültig zu Gunsten der Konservativen kippen. Vor allem Minderheitenrechte und das Recht auf Abtreibung stehen dann auf dem Spiel.
Doch Widerstand formiert sich. Langsam aber stetig erwacht Amerika aus seinem 9/11 Schock und macht seinem Ärger über die Veränderungen im Land der schon lange nicht mehr unbegrenzten Möglichkeiten Luft. Die Demonstranten während des Parteitages der Republi-kaner und der ?March for Women’s Lives? im April letzten Jahres sandten das deutliche Si-gnal an die Bush-Administration, dass viele Amerikaner nicht bereit sind, sich von der Regie-rung Bush entmündigen zu lassen.
Angesichts der derzeitigen Übermacht erzkonservativer Republikaner bleibt allerdings so manchem Demokraten nur ein hoffendes: ?May God bless America!?
Geschrieben von Sara Rieser
von Archiv | 15.01.2005
Was zeichnet das Koeppenhaus als einen Ort der Kultur aus?
Das Koeppenhaus bietet eine gelungene Synthese von Veranstaltungsort, Forschungs- und Gedenkstätte. Diese Kombination, ergänzt durch das Literaturcafé, ist einzigartig in diesem Bundesland.
Welche Entwicklung nahm das Koeppenhaus nach der Sanierung im Jahre 2002?
In den vergangenen zwei Jahren, also in verhältnismäßig kurzer Zeit, hat sich das Koeppenhaus als eine feste Größe in der regionalen Kulturlandschaft etabliert.
Welche Rolle hat dabei das Literaturzentrum Vorpommern?
Das Literaturzentrum bietet seit seiner Gründung 2002 wöchentlich Veranstaltungen zu aktuellen und auch klassischen literarischen Themen – wenn wir uns die Besucherzahlen ansehen, scheinen wir dabei auf großes Interesse des Greifswalder Publikums zu stoßen. Im vergangenen Jahr ist daneben vor allem der Ausstellungsbereich ausgebaut worden: Wechselausstellungen zum Spannungsfeld zwischen Kunst und Literatur werden im Erdgeschoss gezeigt.
Welches Ziel verfolgt ihr mit eurer Arbeit und welches Konzept steht dahinter?
Der Trägerverein IKAZ e.V. ist vor zwei Jahren angetreten mit dem Ziel, ein Haus zu schaffen, in dem die literarische Erinnerung an Wolfgang Koeppen wach gehalten wird. Daneben möchten wir unser Publikum mit der aktuellen Literatur zu konfrontieren und interessante Autoren nach Greifswald zu holen. Von Beginn an wollten wir verschiedene Generationen in unserem Haus zusammenführen und ein vielfältiges Publikum ansprechen. Das scheint gelungen.
Welche wichtigen Höhepunkte gab es in der Geschichte des Koeppenhauses bisher?
Natürlich werden uns die Tage mit Günter Grass und Peter Rühmkorf im November 2003 (moritz Nr. 40) immer als großartig in Erinnerung bleiben. Aber auch die Lesungen und Begegnungen mit Wladimir Woinowitsch, Monika Maron, Max Goldt, Lars Gustafsson oder der Abend, an dem Greifswalder aus Koeppens Roman ?Jugend? lasen, waren Erlebnisse, nach denen wir irgendwann spät in der Nacht glücklich nach Hause gegangen sind. 2004 fallen mir die ?Nacht im Norden? mit dem DeutschlandRadio ein, Ausstellungen und Lesungen zu Arno Schmidt und F. W. Bernstein, der großartige Bloomsday, die Lesungen mit Viktor Jerofejew und Wibke Bruhns und die Kulturnacht, bei der Hunderte von Besuchern bis spät in die Nacht bei uns waren.
Wie viele Besucher kamen im vergangenen Jahr in das Koeppenhaus?
Es werden ungefähr 6000 gewesen sein – ohne diejenigen, die zur neuen Lesereihe ?TresenLesen? mit dem Theater Vorpommern in’s Café kommen.
Wie viele Veranstaltungen gab es insgesamt?
Mit den Lesungen, Vernissagen, Vorträgen und Kinderveranstaltungen sind es 2004 über 80 Veranstaltungen geworden.
Was versteckt sich hinter dem Literaturfestival im Koeppenhaus?
Die Greifswalder Koeppentage fanden erstmals im vergangenen Jahr statt zum Thema ?Osteuropäische Gedächtnisräume?. Hier fällt mir der beeindruckende Abend mit Herta Müller ein und natürlich die grandiose Lesung Christian Brückners aus Koeppens Reisebeschreibung ?Nach Russland und anderswo?. Die Koeppentage haben ihren Platz in der Woche um den Geburtstag Wolfgang Koeppens am 23. Juni. In diesem Jahr wird das ?Meer? thematisch die Koeppentage bestimmen – wir hoffen sehr, dass wir zumindest eine Lesung auf dem Wasser organisieren können.
Koeppen, sein Geburtshaus und der Koeppenpreis – Was gab es da Besonderes im vergangenen Jahr?
Hier ist vor allem die Eröffnung des sogenannten Münchner Zimmers zu nennen, das Möbel, literarische und Tondokumente und Erinnerungsstücke Wolfgang Koeppens präsentiert und das seit dem vergangenen Jahr hiesige und zunehmend auswärtige Besucher über Person und Werk Koeppens informiert.
Der Koeppenpreis wird alle zwei Jahre von der Hansestadt Greifswald verliehen – in diesem Jahr erstmals im Geburtshaus Koeppens. Das Besondere an diesem Preis ist, dass der neue Preisträger jeweils vom letzten Preisträger bestimmt wird: So hat Susanne Riedel 2004 den Wiener Autor Ludwig Fels vorgeschlagen, der wiederum den Preisträger des großen Koeppen-Jubiläumsjahres vorschlagen wird: Koeppen würde am 23. Juni 2006 100 Jahre. An dem Tag wird im Koeppenhaus übrigens eine große Koeppen-Ausstellung eröffnet.
In welcher Situation befindet sich das Koeppenhaus?
Die Situation des Hauses ist sehr zwiespältig: Auf der einen Seite haben wir Erfolg mit unserer Arbeit, was natürlich enorm motiviert; auf der anderen Seite ist das Haus durch den IKAZ in freier Trägerschaft, das heißt, dass wir keine institutionelle Förderung erhalten. Wir finanzieren unsere Veranstaltungen zum größten Teil aus den Eintrittsgeldern, sind also auf unser Publikum dringend angewiesen. Es gibt im Haus zwei Stellen, die von Anett Hauswald, die für den Ausstellungsbereich zuständig ist, und die der Programmleiterin, also meine. Beide sind SAM-Stellen, werden also bisher öffentlich gefördert. Anetts Stelle läuft im Sommer dieses Jahres aus, was de facto auch das Aus für Ausstellungsbereich bedeutet. Meine Stelle läuft noch bis zum Sommer 2006.
Welche Hoffnungen gibt es angesichts der angespannten Situation?
Ich neige nicht zum Pessimismus, aber hier von Hoffnungen zu reden fällt schwer. Der Verein bemüht sich nach allen Kräften, Mittel zur Finanzierung von Personal aufzubringen. Realistisch muss man aber sagen, dass es uns nicht gelingen wird, die Personalkosten für zwei Stellen aufzubringen, obwohl wir uns bemühen, so kostengünstig wie nur möglich zu arbeiten. Dabei ist wahrlich genug Arbeit für zwei Leute da!
Was wissen eigentlich die Gäste darüber? Ist ihnen die Situation bewusst?
Wahrscheinlich wissen sie viel zu wenig. Ohne arrogant klingen zu wollen: Vielleicht läuft das Haus zu gut, als dass man sich vorstellen kann, dass wir im Sommer 2005 hinter uns die Tür abschließen.
Was ist aus dem Förderantrag an die Stadt und dem EU-Literaturprojekt im Ostseeraum geworden?
Über unseren Förderantrag bei der Stadt ist noch nicht entschieden worden. Das EU-Projekt mit dem Titel ?Literaturhäuser rund um die Ostsee?, zum dem das Koeppenhaus vom Bildungsministerium eingeladen wurde, steckt noch in der Antragsphase.
Worauf dürfen sich die Besucher in diesem Jahr freuen?
In diesem werden wir Anfang April den 200. Geburtstag Andersens feiern mit einer Ausstellung von ca. 40 Lithographien, die uns von Günter Grass zur Verfügung gestellt werden. Im Rahmen des Nordischen Klangs werden wir ein Andersen-Klangprojekt aufführen, Max Goldt wird bei uns sein neues Programm vorstellen, die Koeppentage zum Thema ?Meer?, eine Ausstellung mit Werken von Henri Michaux und natürlich Schiller -Lyrik als Open Air-Veranstaltung. Trotz all der wirtschaftlichen Probleme, die wir in diesem Jahr zu bewältigen haben: Es ist großartig, im Koeppenhaus zu arbeiten!
Ruth Mülleans ist Programmleiterin des Literaturzentrums Vorpommerns (www.literaturzentrum.org).
Geschrieben von Uwe Roßner
von Archiv | 15.01.2005
Ein Gespräch mit Katja Bartel über Friedrich, Koeppen und ihre Künstler- und Forschungsarbeit in Greifswald
Ist Caspar David Friedrich heute noch aktuell?
Auf jeden Fall. Es gibt viele zeitgenössische Maler, sowohl der figurativen (z.B. Wolfgang Mattheuer, Arnulf Rainer) als auch der non-figurativen Kunst (z.B. K.R.H. Sonderborg, Mark Rothko), deren Werke geistige Bezüge zum Oeuvre von Caspar David Friedrich aufweisen. Darüber schätzen viele Kunstinteressierte und Kenner Friedrichs Leistungen.
Seine Werke sind vielschichtig und verleiten den Betrachter zum Träumen, Mitempfinden und Reflektieren. Der Romantizismus ist mit dem Ende der romantischen Bewegung nicht verloren gegangen. Ganz im Gegenteil. Im 20. und 21. Jahrhundert hat er neue Wurzeln geschlagen.
Was fasziniert Dich an Caspar David Friedrich?
Seine Persönlichkeit, seine Arbeits-weise und seine Aussagen zur Kunst. Wenn ich Caspar David Friedrichs Gemälde betrachte, habe ich einen ernsten, eigensinnigen, anspruchsvollen, selbstkritischen und zugleich einen humorvollen, treuherzigen, einfühlsamen und ehrlichen Menschen vor Augen, der ein zurückgezogenes, einsames Leben führte, aber auch dem Frequentieren von geselligen Kreisen nicht abgeneigt war und stets seine sozialen Kontakte pflegte.
Ich bewundere Friedrichs von Ausdauer geprägtes Arbeiten, sein rastloses Ringen um Anerkennung seiner künstlerischen Lei-stungen und die Tatsache, dass er beim Malen seinem eigenen Gesetz folgte. Friedrichs Gemälde, die reichhaltig an Formen, Inhalten und Mo-tiven sind, halten Themen bereit, die Menschen jeden Zeitalters bewegen können. Ich teile außerdem Caspar David Friedrichs Auffassung, dass aus ästhetischen Objekten ersichtlich werden sollte, dass der Künstler handwerkliche Fähigkeiten besitzt und in der Lage ist, persönliche Botschaften auf überzeugende Weise an den Rezipienten heranzutragen. Zudem sollte das Kunstwerk das Wesen des Künstlers widerspiegeln. Ein Leitspruch lautete in der Tat: ?Der Maler soll nicht bloß malen, was er vor sich sieht, sondern auch, was er in sich sieht. Sieht er aber nichts in sich, so unterlasse er auch zu malen, was er vor sich sieht.?
Friedrichs dargestellte Landschaften sind immer ein Spiegel seiner Seele und keine reinen Abbilder, wie vermutet werden könnte.
Wie kamst Du mit Friedrich in Kontakt?
Erstmalig in der Schule. Genauer gesagt während der Auseinanderset-zung mit der Landschaftsmalerei, speziell mit Empfindungs- und Stimmungslandschaften, wenn ich mich recht erinnere. Die Tiefe, die in Friedrichs Gemälden wohnt, begeisterte mich bereits damals. Durch die wissenschaftliche Auseinanderset-zung mit d e m Greifswalder Künstler schlechthin – dem Begründer der romantischen Landschaftsmalerei -, erhielt ich entscheidende Impulse und Anregungen für meine eigene künstlerische Tätigkeit.
Wie hast Du Dich mit Friedrich während Deines Studiums auseinandergesetzt?
Im Rahmen meiner ersten Beleg- und Studienarbeit, die im ersten Semester erfolgte, setzte ich mich mit dem geistesgeschichtlichen Ansatz bei Friedrich auseinander. Mein Interesse an der Künstlerpersönlichkeit wuchs seit diesem Zeitpunkt, und ich begann, mich auch kunstpraktisch mit Caspar David Friedrich und dem romantischen Gedankengut zu beschäftigen. Dabei bin ich bis heute, kann ich sagen, geblieben, was nicht heißen soll, dass ich mich nicht weiterentwickelt habe und über keine anderen, das heißt, über die Romantik hinausgehenden, Interessenschwerpunkte verfüge. Meine Erste Staatsexamensarbeit, die ich im März 2004 beendete, setzte sich noch einmal mit Caspar David Friedrich auseinander.
Gab es von Dir Ausstellungen in Bezug auf Caspar David Friedrich?
Einzel- und Gruppenausstellungen. Im letzten Jahr beispielsweise stellte ich im Café Koeppen Malereien aus, die sich generell auf die romantische Weltsicht sowie speziell auf das von Friedrich häufig verwendete Motiv der Rückenfigur beziehen.
Was kann man von ihm als Maler lernen?
Caspar David Friedrichs Werke sind im Grunde genommen sehr realitätsbezogen und gesellschaftskritisch, auch wenn dieser Aspekt nur unterschwellig in seinen Arbeiten zum Tragen kommt. Dominant ist stets Ruhe und Ausgewogenheit. Kurz, die melancholische Stimmung. Der Be-trachter schlussfolgert demzufolge oft sehr voreilig, es würde sich bei Friedrichs Arbeiten nur um die Wiedergabe von Gemütsstimmungen oder um die Schilderung eines Natureindrucks handeln. Dies ist verkehrt. Caspar David Friedrich ließ sich nicht ausschließlich von seinem Gefühl während des Schaffenspro-zesses leiten, sondern er hat sich gleichzeitig auf seinen Intellekt berufen und den Blick von der Realität nicht ganz abgekehrt.
Es lohnt sich, Friedrichs Bilder während der Beschäftigung mit Farb- und Formkontrasten sowie mit der Kom-position heranzuziehen. Die Gemälde zeugen davon, dass Friedrich die grundlegenden künstlerischen Ge-staltungsregeln beherrscht und im-stande ist, die sichtbare Realität naturgetreu wiederzugeben, aber diese auch entsprechend seiner persönlichen Aussageabsichten mittels der Anwendung der Montagetechnik abzuwandeln.
Warum hast Du über Friedrich geforscht?
Dies geschah aus einem inneren Bedürfnis heraus nach der langjährigen kunsttheoretischen und kunstpraktischen Auseinandersetzung mit Caspar David Friedrich und mit dem Geist der Romantik. Die europäische Geistesströmung der Romantik markiert den Beginn des Zeitalters der Moderne und fungiert als Quelle schöpferischer und geistiger Impulse für viele Kunstströmungen, die bis in die Gegenwart hineinreichen. Daher sollte dem Werk Friedrichs auch in der heutigen Zeit noch große Aufmerksamkeit geschenkt werden und keinesfalls in eine Schublade getan werden.
Was bedeutet für Dich der Preis des Caspar-David-Friedrich Instituts unser alma mater, der Dir im Sommer 2004 überreicht wurde?
Bei der Wahl des Themas meiner Ersten Staatsexamensarbeit war es erforderlich, eine in der Forschung bis dahin offen gebliebene Fragestel-lung zu finden. Während der Recherchen bin ich auf das Prinzip der Polarität gestoßen. Daraufhin war es mir wichtig, Friedrichs mögliche Quellen geistiger und künstlerischer Anregungen hinsichtlich dieses Prin-zips aufzuzeigen. Das Thema ist äußerst komplex. Leider muss in diesem Rahmen eine Andeutung der Breite der Arbeit genügen: Polarität äußert sich in Friedrichs Oeuvre vor allem anhand der formalen Gestaltung seiner Kompositionen, in der Wahl der Themen, in dem Reichtum an symbolhaltigen Motiven sowie in dem umfangreichen Bestand von Bild- und Gegensatzpaaren. All dies gründet sich maßgeblich auf seine psychische Verfassung.
Meine Abschlussarbeit, für die ich im vergangenen Sommer einen Instituts-preis erhielt, konzentriert sich auf den Zeitraum von 1800 bis 1818. Die Wertschätzung meiner Leistung während der Preisverleihung durch die Jury aus dem Bereich der Kunstwissenschaften des Caspar-David-Friedrich-Institutes hat mich sehr geehrt und gefreut.
Gibt es andere Studenten, die sich ähnlich intensiv wie Du, sich mit Friedrich auseinandersetzen? Ist er unter Studierenden noch interessant?
Wie empfindest Du diese Situation?
In der Bibliothek des Instituts für Kunstgeschichte, das heißt im Regal der Magister- und Staatsexamensar-beiten, habe ich bislang keine Hin-weise darauf gefunden, dass sich jemand in ähnlicher Form mit Caspar David Friedrich auseinandergesetzt hat. Aber ich möchte keine falsche Auskunft geben, zumal sich das in der Zwischenzeit wieder geändert haben kann.
Darüber bin ich jedoch nicht auf dem Laufenden. Sicher bin ich mir, dass Friedrich für viele Studenten noch interessant ist. Allein schon deshalb, weil er in Greifswald geboren wurde, weil das Kunst-Institut seinen Namen trägt und weil aus seinen Werken eine Stimmung hervorgeht, die sich mit dem Greifswalder Klima und den allgemeinen Ansichten über die Stadt deckt. Aber es muss letztlich gesagt werden, dass die Studenten, vor allem diejenigen, die künstlerisch-praktisch tätig sind, im allgemeinen doch eine größere Begeisterung für eine möglichst skurrile und ungegenständliche Kunst hegen, wobei die Malerei als Gattung sowie die traditionellen Werte und Gestaltungsweisen etwas an Wert verloren haben. Schade.
Welcher Zusammenhang be-steht zwischen Caspar David Friedrich und Wolfgang Koep-pen? Woran lässt sich dies nachweisen?
Wolfgang Koeppen sah in Caspar David Friedrich ein großes Vorbild. Dies spiegelt sich in der Wahl der Themen und Motive, welche kennzeichnend für seine Romane sind, wider. So trifft der Leser häufig auf Themen wie Melancholie, Einsamkeit, psychische Zerrissenheit, Zerbrech-lichkeit, Schmerz und Angst. Das Motiv des Todes und des Friedhofes spielt auch keine unwesentliche Rolle bei Wolfgang Koeppen. Außerdem verknüpfte Wolfgang Koeppen wie Caspar David Friedrich in seinen künstlerischen Arbeiten Gegensätze wie Reales und Irreales, Wirklichkeit und Traum, Endliches und Unend-liches. Werk und Biographie bilden auch bei ihm eine Einheit.
Wie bist Du darauf gestoßen?
Im Rahmen des Kunststudiums habe ich mich etwas näher mit Wolfgang Koeppen beschäftigt, insbesondere mit seinen Romanen „Jugend“ und „Morgenrot“.
Im letzten Jahr habe ich im Rahmen künstlerisch-praktischer Seminare drei Künstlerbücher geschaffen. Zwei, im Siebdruckverfahren erstellte Bücher, die jeweils den Titel „Flucht“ und „Wie sprödes Glas“ tragen, beziehen sich auf Koeppens Roman „Jugend“. Das Künstlerbuch „Manch-mal noch Sterne“, welches Tiefdruckarbeiten enthält, ist in Anlehnung an die Lektüre „Morgenrot“ entstanden. Mein Ziel war es, die sich in Koeppens Romanen manifestierende romantische Welt-sicht sowohl durch die Wahl der Text-passagen, als auch durch die Wahl der Farben, Formen und Motive zu verdeutlichen. Ich bin froh, dass ich die Möglichkeit hatte und genutzt habe, mich mit Wolfgang Koeppen zu beschäftigen.
Was ist Koppen und Friedrich gemeinsam? Was unterscheidet sie? Was fasziniert Dich an ihnen?
Ihre Handschriften sind ähnlich, aber unverwechselbar. Beide Persönlich-keiten reflektierten sehr tiefgründig über Existenzfragen. Beide waren Einzelgänger. Sie fühlten sich von den meisten Menschen ihres Umfeldes nicht verstanden und thematisierten oft den Konflikt zwischen dem Individuum und der Gesellschaft. Sie waren auf der Suche nach Harmonie, nach der Überwindung ihrer inneren Unruhe und Unausgeglichenheit. Wolfgang Koeppens Werk ist im Gegensatz zu Friedrichs Kunst eher laut und expressiv. Die Kontraste treten stärker hervor. Der Umgang mit den künstlerischen Mitteln ist freier und offener; die künstlerische Formensprache abstrakter und fragmentarischer. Der hohe Anspruch, den beide an sich selbst stellten und dem sie sich während ihrer künstlerischen Tätigkeit auch gerecht geworden sind, fasziniert mich. Koeppen und Friedrich hielten nichts vom Mitläuferdasein.
Sie wollten etwas Innovatives, Ori-ginelles und Geniales hervorbringen. Dies ist ihnen allemal gelungen.
Vielen Dank für das Gespräch.
(Katja Bartel (24) ist Lehramtsstu-dentin für Kunst und Gestaltung und Französisch. Derzeit befindet sie sich im Prüfungssemester und beendet im Sommer ihr Studium.)
Geschrieben von Uwe Roßner
von Archiv | 15.01.2005
Auch das beste und schönste Gemälde kommt einmal in die Jahre, gibt es doch vor dem Verfall des Materials kein Entrinnen. Die ?Klosterruine Eldena im Riesengebirge? von Caspar David Friedrich, das er in den letzten Jahren seines aktiven Schaffens um 1830/34 gemalt haben soll, war bis vor Kurzem ein Paradebeispiel dafür.
Zwar gingen die Ansichten über eine durchzuführende Restaurierung auseinander. Manch einer hielt solch eine Restaurierung einfach nicht für notwendig. Andere wiederum waren der Auffassung, dass kleine Mankos wie die feinen Bläschen, die die Ecke unten rechts im Gemälde seit einem Brand im Caspar David Friedrich-Haus im Jahre 1901 zierten, nun auch Teil der Geschichte des Bildes seien. Die Entscheidung sollte allerdings anders ausfallen.
?Hilft alles nichts!?, sagten sich nämlich Frau Dr. Frenssen, die freundliche Kunsthistorikerin im Pommerschen Landesmuseum, sowie viele andere, die dazu befragt wurden. Ihre Entscheidung sollte sich während der Arbeiten noch als gerechtfertigt erweisen. Man suchte sich also einen Restaurator. Herr Prof. Tim aus Berlin, der als ein Meister seines Fachs gilt und häufig Aufträge von der Nationalgalerie ausführt, hatte auch schon den ?Watzmann? von Friedrich restauriert. Er nahm den Auftrag begeistert an und verwendete 2003 ca. 9 Monate darauf, der Klosterruine wieder zu neuem Glanz zu verhelfen.
Dr. Frenssen hatte als Ansprechpartnerin alle Hände voll zu tun, auch wenn sie an der Restaurierungsarbeit kaum beteiligt war. Spenden wurden gesammelt und der Kontakt zu Prof. Tim aufrecht erhalten. Das letzte Wort zu einzelnen Arbeitsschritten sollte den Kollegen aus Greifswald gelassen werden. Auch eine vorbereitende Strahlendiagnostik wurde noch hier in Greifswald durchgeführt. Letzten Endes machte sich das Gemälde dann aber doch noch auf den Weg nach Berlin, wo der spannendste Teil der Arbeit stattfinden sollte.
Im ersten Arbeitsschritt wurde die so genannte Duplierung vom Gemälde getrennt. Das ist eine zweite Leinwand, die von hinten mittels einer Wachsschicht auf der bemalten ersten Leinwand aufgetragen wird. Die Leinenfasern drücken dadurch allerdings bis zu den obersten Ölschichten hindurch, so dass auf dem Gemälde selbst die Maserung der Leinwand zu sehen ist. Nicht schön, aber bekannt von vielen Werken früherer Künstler. Also musste die Duplierung ab. Danach wurde der Firnis abgenommen, eine dünne Stoffschicht, die der Künstler unter die letzten Ölschichten legt. Darunter kam also das original-Original zum Vorschein. Nun wurden in einer Röntgenbehandlung winzige Löcher in der Leinwand gesucht. Als davon keine gefunden wurden, entfernte Herr Tim die alten Retuschen, welche laut Frau Frenssen zum Teil sehr schlecht gewesen sein sollen. Irgendwann zwischen diesen Arbeitsschritten soll sich auch das wahre Ausmaß der Schäden am Werk offenbart haben, die eine Restauration notwendig machten und im Nachhinein rechtfertigten. Nachdem alle Schäden, wie zum Beispiel die Brandblasen, ausgebessert waren, war die Professionalität von Herrn Tim besonders gefordert. Er musste alle nötigen Retuschen von Hand und in Kleinstarbeit auftragen, eine schwere und langwierige Prozedur. Am Ende kam natürlich noch ein neuer Firnis drauf, die letzten Farben wurden aufgetragen: Voilà! In neuem Glanz erstrahlte die Klosterruine. Jetzt darf sie wieder im Pommerschen Landesmuseum bewundert werden, wo sie einen ganzen Raum dominiert.
Herr Tim soll laut Frau Frenssen ein wirklich starkes Interesse an der Restauration der Gemälde Friedrichs gehabt haben. Nachdem er den ?Watzmann? restauriert hatte, habe er die Restauration der ?Klosterruine? als wahre Bereicherung empfunden.
Geschrieben von Stephan Kosa
von Archiv | 15.01.2005
Caspar David Friedrich war einer der größten Maler der Romantik. Deshalb bekam er pünktlich zu seinem 230. Geburtstag endlich eine neue Wohnungseinrichtung geschenkt, gestiftet von der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung.
Die Stadt Greifswald stellt die Räumlichkeiten mietfrei und auf unbestimmte Zeit zur Verfügung. Gegen ein kleines Entgelt von 1,50 Euro (ermäßigt 1 Euro) kann man nun seit dem 5. September 2004 das Caspar David Friedrich-Zentrum in der Langen Straße 57 auf eigene Faust erforschen. Dies taten wir dann auch prompt. Eine freundliche ältere Dame saß am Empfangstisch und freute sich über studentisches Interesse. Sie erklärte sich freundlicherweise bereit, uns nach Möglichkeit Auskunft über das Caspar David Friedrich-Zentrum zu geben. Auch die lichte, freundliche Atmosphäre machte den Besuch sehr angenehm. Wir nahmen uns zuerst eine Schiebetafel vor, der man alles Wissenswerte über Caspar, David und Friedrich entnehmen kann. Diese füllt nebst Museumsshöppchen und Sitztischchen (die Kissen sind mit Motiven Friedrichs bedruckt) den Eingangsraum auch schon aus. Highlights im Shopangebot sind unter anderem Seifen mit dem Originalwappen der ehemaligen Friedrichschen Seifensiederei sowie eine Briefsammlung Friedrichs in Buchform und ein bebilderter Kalender. Nachdem man diese Fülle kleiner Schmankerl eingehend bewundert hat, zieht es einen in den nächsten Raum des Zentrums. Hier wird ein Bezug zwischen Friedrichs zahlreichen Rügenreisen und seinem Werdegang hergestellt. Eine Karte von der Insel Rügen zeigt die verschiedenen Stationen seiner Reisen. Exemplarisch werden einzelne Zeichnungen Friedrichs jener Orte gezeigt, an denen er auf diesen Reisen verweilte.
Wir gehen in den Keller. Hier erwartet den Besucher der erste von zwei Kellerräumen, in denen die Friedrichsche Seifensiederei einst untergebracht war. Dieser wurde zur Eröffnung des Zentrums insbesondere für (Dia-) Vorträge hergerichtet. Den zweiten Raum hat man weitestgehend in seinem ursprünglichen Zustand belassen. In ihm befinden sich ein alter Siedekessel, ein Ofen, diverse Kellen sowie ein großer Bottich voller Pottasche. Man kann alle Arbeitsschritte der Seifenherstellung einfach nachvollziehen. Relativ neu ist der Holztisch zum Kerzenziehen, der in der Mitte dieses Raumes steht. An ihm kann der Besucher auch heute noch in angebotenen Workshops die eine oder andere Kerze für sich ziehen, wie es schon zu Friedrichs Zeiten gemacht wurde. Hier endet der Besuch des Zentrums mit einigen interessanten Eindrücken in das Leben Friedrichs.
An manchen Wochenenden, Ende letzten Jahres speziell in der Adventszeit, bietet das Zentrum Vorträge und Workshops an. So konnte man sich zum Beispiel an den Samstagen der Adventswochen von Herrn Dr. Lissok viel Wissenswertes über ?Friedrichs künstlerische Zeitgenossen in Vorpommern? erzählen lassen oder ?Last-Minute-Geschenke bei Caspar David Friedrich? basteln.
Seit dem Jahr 2001 schreibt die Caspar-David-Friedrich-Gesellschaft e.V. jährlich den Caspar-David-Friedrich-Preis aus, der studentischen Künstlern aus Orten, an denen Friedrich gewirkt hat, verliehen wird. Der Preis wird dotiert mit 2.000 Euro. Die Künstler sollen einen geistigen Bezug zu den Werken Friedrichs herstellen und sich in ihrer Arbeit aus dem Bereich der Bildenden Kunst mit aktuellen Fragestellungen zum Verhältnis von Mensch Natur und Kunst auseinandersetzen. Letztes Jahr wurde der Preis am 5. September verliehen, dem 230. Geburtstag Caspar David Friedrichs. Er wurde dem jungen Künstler Martin Mannig im Pommerschen Landesmuseum überreicht. Wie alle Gewinner des Preises durfte auch er seine Arbeiten dort eineinhalb Monate ausstellen.
Friedrichs 230. Geburtstag
Die Preisverleihung fand im Rahmen der Feier zu Friedrichs 230. Geburtstag statt. An diesem Sonntagnachmittag veranstaltete das Pommersche Landesmuseum am Schießwall unter strahlend blauem Himmel ein Hoffest, dessen Themenschwerpunkt Caspars Bruder Christian Friedrich war und zu dem auch Familien mit ihren Kindern eingeladen waren.
Die Kleinen durften sich im Hof an Mitmachständen versuchen, zum Beispiel an der Holzschnitttechnik. Alternativ konnten sie das auch bei Bildbetrachtung und dem Anfertigen von Collagen tun, Betreuung natürlich inklusive. Wem das nicht reichte, der schaute sich das niedliche Figurentheater in der Galerie an.
Für die Großen lief dort anschließend ein Diavortrag über ein Bildnis, welches Friedrichs Bruder Christian darstellt. Später waren in der Museumsstraße einige musikalische Beiträge und Gedichte nicht alltäglicher Art zu genießen. Den Abschluss des Abends bildete die Vorführung eines Films des WDR, der anlässlich des 200. Geburtstags Friedrichs gedreht wurde. Sein Titel, bezeichnend für das, wofür Friedrich meist versinnbildlicht wird, was aber sein Schaffen und seine Interpretation der Kunst exakt beschreibt: ?Caspar David Friedrich – Leben und Werk des romantischen Malers?.
Öffnungszeiten des Zentrums in der Langen Strasse 57 / Eingang Turmgasse von Januar bis Mai 2005:
Dienstag bis Samstag 11.00 – 16.00 Uhr
www.caspar-david-friedrich-gesellschaft.de
Geschrieben von Anne Bingezu und Stephan Kosa