Ein Gespräch mit Katja Bartel über Friedrich, Koeppen und ihre Künstler- und Forschungsarbeit in Greifswald

Ist Caspar David Friedrich heute noch aktuell?
Auf jeden Fall. Es gibt viele zeitgenössische Maler, sowohl der figurativen (z.B. Wolfgang Mattheuer, Arnulf Rainer) als auch der non-figurativen  Kunst (z.B. K.R.H. Sonderborg, Mark Rothko), deren Werke geistige Bezüge zum Oeuvre von Caspar David Friedrich aufweisen. Darüber schätzen viele Kunstinteressierte und Kenner Friedrichs Leistungen.
Seine Werke sind vielschichtig und verleiten den Betrachter zum Träumen, Mitempfinden und Reflektieren. Der Romantizismus ist mit dem Ende der romantischen Bewegung nicht verloren gegangen. Ganz im Gegenteil. Im 20. und 21. Jahrhundert hat er neue Wurzeln geschlagen.

Was fasziniert Dich an Caspar David Friedrich?
Seine Persönlichkeit, seine Arbeits-weise und seine Aussagen zur Kunst. Wenn ich Caspar David Friedrichs Gemälde betrachte, habe ich einen ernsten, eigensinnigen, anspruchsvollen, selbstkritischen und zugleich einen humorvollen, treuherzigen, einfühlsamen und ehrlichen Menschen vor Augen, der ein zurückgezogenes, einsames Leben führte, aber auch dem Frequentieren von geselligen Kreisen nicht abgeneigt war und stets seine sozialen Kontakte pflegte.
Ich bewundere Friedrichs von Ausdauer geprägtes Arbeiten, sein rastloses Ringen um Anerkennung seiner künstlerischen Lei-stungen und die Tatsache, dass er beim Malen seinem eigenen Gesetz folgte. Friedrichs Gemälde, die reichhaltig an Formen, Inhalten und Mo-tiven sind, halten Themen bereit, die Menschen jeden Zeitalters bewegen können. Ich teile außerdem Caspar David Friedrichs Auffassung, dass aus ästhetischen Objekten ersichtlich werden sollte, dass der Künstler handwerkliche Fähigkeiten besitzt und in der Lage  ist, persönliche Botschaften auf überzeugende Weise an den Rezipienten heranzutragen. Zudem sollte das Kunstwerk das Wesen des Künstlers widerspiegeln. Ein Leitspruch lautete in der Tat: ?Der Maler soll nicht bloß malen, was er vor sich sieht, sondern auch, was er in sich sieht. Sieht er aber nichts in sich, so unterlasse er auch zu malen, was er vor sich sieht.?
Friedrichs dargestellte Landschaften sind immer ein Spiegel seiner Seele und keine reinen Abbilder, wie vermutet werden könnte.

Wie kamst Du mit Friedrich in Kontakt?
Erstmalig in der Schule. Genauer gesagt während der Auseinanderset-zung mit der Landschaftsmalerei, speziell mit Empfindungs- und Stimmungslandschaften, wenn ich mich recht erinnere. Die Tiefe, die in Friedrichs Gemälden wohnt, begeisterte mich bereits damals. Durch die wissenschaftliche Auseinanderset-zung mit d e m Greifswalder Künstler schlechthin – dem Begründer der romantischen Landschaftsmalerei -, erhielt ich entscheidende Impulse und Anregungen für meine eigene künstlerische Tätigkeit.

Wie hast Du Dich mit Friedrich während Deines Studiums auseinandergesetzt?

Im Rahmen meiner ersten Beleg- und Studienarbeit, die im ersten Semester erfolgte, setzte ich mich mit dem geistesgeschichtlichen Ansatz bei Friedrich auseinander.  Mein Interesse an der Künstlerpersönlichkeit wuchs seit diesem Zeitpunkt, und ich begann,  mich auch kunstpraktisch mit Caspar David Friedrich und dem romantischen Gedankengut zu beschäftigen. Dabei bin ich bis heute, kann ich sagen, geblieben, was nicht heißen soll, dass ich mich nicht weiterentwickelt habe und über keine anderen, das heißt, über die Romantik hinausgehenden, Interessenschwerpunkte verfüge. Meine Erste Staatsexamensarbeit, die ich im März 2004 beendete, setzte sich noch einmal mit Caspar David Friedrich auseinander.

Gab es von Dir Ausstellungen in Bezug auf Caspar David Friedrich?

Einzel- und Gruppenausstellungen. Im letzten Jahr beispielsweise stellte ich im Café Koeppen Malereien aus, die sich generell auf  die romantische Weltsicht sowie speziell auf das von Friedrich häufig verwendete Motiv der Rückenfigur beziehen.

Was kann man von ihm als Maler lernen?

Caspar David Friedrichs Werke sind im Grunde genommen sehr realitätsbezogen und gesellschaftskritisch, auch wenn dieser Aspekt nur unterschwellig in seinen Arbeiten zum Tragen kommt. Dominant ist stets Ruhe und Ausgewogenheit. Kurz, die melancholische Stimmung. Der Be-trachter schlussfolgert demzufolge oft sehr voreilig, es würde sich bei Friedrichs Arbeiten nur um die Wiedergabe von Gemütsstimmungen oder um die Schilderung eines Natureindrucks handeln. Dies ist verkehrt. Caspar David Friedrich ließ sich nicht ausschließlich von seinem Gefühl während des Schaffenspro-zesses leiten, sondern er hat sich gleichzeitig auf seinen Intellekt berufen und den Blick von der Realität nicht ganz abgekehrt.
Es lohnt sich, Friedrichs Bilder während der Beschäftigung mit Farb- und Formkontrasten sowie mit der Kom-position heranzuziehen. Die Gemälde zeugen davon, dass Friedrich die grundlegenden  künstlerischen Ge-staltungsregeln beherrscht und im-stande ist, die sichtbare Realität naturgetreu wiederzugeben, aber diese auch entsprechend seiner persönlichen Aussageabsichten mittels der Anwendung der Montagetechnik abzuwandeln.

Warum hast Du über Friedrich geforscht?
Dies geschah aus einem inneren Bedürfnis heraus nach der langjährigen kunsttheoretischen und kunstpraktischen Auseinandersetzung mit Caspar David Friedrich und mit dem Geist der Romantik. Die europäische Geistesströmung der Romantik markiert den Beginn des Zeitalters der Moderne und fungiert als Quelle schöpferischer und geistiger Impulse für viele Kunstströmungen, die bis in die Gegenwart hineinreichen. Daher sollte dem Werk Friedrichs auch in der heutigen Zeit noch große Aufmerksamkeit geschenkt werden und keinesfalls in eine Schublade getan werden.

Was bedeutet für Dich der Preis des Caspar-David-Friedrich Instituts unser alma mater, der Dir im Sommer 2004 überreicht wurde?

Bei der Wahl des Themas meiner  Ersten Staatsexamensarbeit war es erforderlich,  eine in der Forschung bis dahin offen gebliebene  Fragestel-lung zu finden. Während der Recherchen bin ich auf das Prinzip der Polarität gestoßen. Daraufhin war es mir wichtig, Friedrichs mögliche Quellen geistiger und künstlerischer Anregungen  hinsichtlich dieses Prin-zips aufzuzeigen. Das Thema ist äußerst komplex. Leider muss in diesem Rahmen eine Andeutung der Breite der Arbeit genügen:  Polarität äußert sich in Friedrichs Oeuvre vor allem anhand der formalen Gestaltung seiner Kompositionen, in der Wahl der Themen, in dem Reichtum an symbolhaltigen  Motiven sowie in dem umfangreichen Bestand von Bild- und Gegensatzpaaren. All dies gründet sich maßgeblich auf seine psychische Verfassung.
Meine Abschlussarbeit, für die ich im vergangenen Sommer einen Instituts-preis erhielt, konzentriert sich auf den Zeitraum von 1800 bis 1818. Die Wertschätzung meiner Leistung während der Preisverleihung durch die Jury aus dem Bereich der Kunstwissenschaften des Caspar-David-Friedrich-Institutes hat mich sehr geehrt und gefreut.
 
Gibt es andere Studenten, die sich ähnlich intensiv wie Du, sich mit Friedrich auseinandersetzen? Ist er unter Studierenden noch interessant?
Wie empfindest Du diese Situation?

In der Bibliothek des Instituts für Kunstgeschichte, das heißt im Regal der Magister- und Staatsexamensar-beiten, habe ich bislang keine Hin-weise darauf gefunden, dass sich jemand  in ähnlicher Form mit Caspar David Friedrich auseinandergesetzt hat. Aber ich möchte keine falsche Auskunft geben,  zumal sich das in der Zwischenzeit wieder geändert haben kann.
Darüber bin ich jedoch nicht auf dem Laufenden. Sicher bin ich mir, dass Friedrich für viele Studenten noch interessant ist. Allein schon deshalb, weil er in Greifswald geboren  wurde, weil das Kunst-Institut seinen Namen trägt und weil aus seinen Werken eine Stimmung hervorgeht, die sich mit dem Greifswalder Klima und den allgemeinen Ansichten über die Stadt deckt. Aber es muss letztlich gesagt  werden, dass die Studenten, vor allem diejenigen, die künstlerisch-praktisch tätig sind, im allgemeinen doch eine größere Begeisterung für eine möglichst skurrile und ungegenständliche  Kunst hegen, wobei die Malerei als Gattung sowie die traditionellen Werte und Gestaltungsweisen etwas an Wert verloren haben. Schade.

Welcher Zusammenhang be-steht zwischen Caspar David Friedrich und Wolfgang Koep-pen? Woran lässt sich dies nachweisen?
Wolfgang Koeppen sah in Caspar David Friedrich ein großes Vorbild. Dies spiegelt sich in der Wahl der Themen und Motive, welche kennzeichnend für seine Romane sind, wider. So trifft der Leser häufig auf Themen wie Melancholie, Einsamkeit, psychische Zerrissenheit, Zerbrech-lichkeit, Schmerz und Angst. Das Motiv des Todes und des Friedhofes spielt auch keine unwesentliche Rolle bei Wolfgang Koeppen. Außerdem verknüpfte Wolfgang Koeppen wie Caspar David Friedrich in seinen künstlerischen Arbeiten Gegensätze wie Reales und Irreales, Wirklichkeit und Traum, Endliches und Unend-liches. Werk und Biographie bilden auch bei ihm eine Einheit.
Wie bist Du darauf gestoßen?
Im Rahmen des Kunststudiums habe ich mich etwas näher mit Wolfgang Koeppen beschäftigt, insbesondere mit seinen Romanen „Jugend“ und „Morgenrot“.
Im letzten Jahr habe ich im Rahmen künstlerisch-praktischer Seminare drei Künstlerbücher geschaffen. Zwei, im Siebdruckverfahren erstellte Bücher, die jeweils den Titel „Flucht“ und „Wie sprödes Glas“ tragen, beziehen sich auf Koeppens Roman „Jugend“. Das Künstlerbuch „Manch-mal noch Sterne“, welches Tiefdruckarbeiten enthält, ist in Anlehnung an die Lektüre „Morgenrot“ entstanden. Mein Ziel war es, die sich in Koeppens Romanen manifestierende romantische Welt-sicht sowohl durch die Wahl der Text-passagen, als auch durch die Wahl der Farben, Formen und Motive zu verdeutlichen. Ich bin froh, dass ich die Möglichkeit hatte und genutzt habe, mich mit Wolfgang Koeppen zu beschäftigen.

Was ist Koppen und Friedrich gemeinsam? Was unterscheidet sie? Was fasziniert Dich an ihnen?

Ihre Handschriften sind ähnlich, aber unverwechselbar. Beide Persönlich-keiten reflektierten sehr tiefgründig über Existenzfragen. Beide waren Einzelgänger. Sie fühlten sich von den meisten Menschen ihres Umfeldes nicht verstanden und thematisierten oft den Konflikt zwischen dem Individuum und der Gesellschaft. Sie waren auf der Suche nach Harmonie, nach der Überwindung ihrer inneren Unruhe und Unausgeglichenheit. Wolfgang Koeppens Werk ist im Gegensatz zu Friedrichs Kunst eher laut und expressiv. Die Kontraste treten stärker hervor. Der Umgang mit den künstlerischen Mitteln ist freier und offener; die künstlerische Formensprache abstrakter und fragmentarischer. Der hohe Anspruch, den beide an sich selbst stellten und dem sie sich während ihrer künstlerischen Tätigkeit auch gerecht geworden sind, fasziniert mich. Koeppen und Friedrich hielten nichts vom Mitläuferdasein.
Sie wollten etwas Innovatives, Ori-ginelles und Geniales hervorbringen. Dies ist ihnen allemal gelungen.

Vielen Dank für das Gespräch.

(Katja Bartel (24) ist Lehramtsstu-dentin für Kunst und Gestaltung und Französisch. Derzeit befindet sie sich im Prüfungssemester und beendet im Sommer ihr Studium.)

Geschrieben von Uwe Roßner