Theater: Pssst!

Schon gehört? Die neue Konzertsaison hat begonnen. Und wie!

Im neu bestuhlten Saale erfreute das Philharmonische Orchester des Theater Vorpommerns zum Auftakt.  Die Sinfonia concertante für Violine, Viola und Orchester von Wolfgang A. Mozart (KV 364) und die Große Sinfonie in C-Dur von Franz Schubert gerieten unter dem schlichten Fingerzeig der norwegischen Dirigentin Anne Randine Øverby zu einem, ja bewegenden Ohrenschmaus. Doch welcher Bogen wird in dieser Spielzeit gespannt? Generalmusikdirektor Prof. Mathias Husmann bezeichnet sein Konzept „Mozart und -“ und stellt dabei die pikante Frage: „Könnte das Konzertprogramm anders lauten?“
Doch nicht allein die Kompositionen des gebürtigen Salzburgers machen den Reiz aus, sondern die Darbietung der  musikalischen Verbindung zu Lehrern, Mentoren, Nachfolgern und der Tonsprache am Anfang des 20. Jahrhunderts.
So stellt sich die Frage nach der Aktualität des Wunderkindes vielleicht am Schärfsten.

Geschrieben von Uwe Roßner

Im Glanze ihrer selbst

Die Universität feiert sich mit einer Festschrift

Am 6. Juli war es endlich soweit. Mit Stolz geschwellter Brust präsentierten Prof. Dr. Karl-Heinz Spieß und Dr. Dirk Alvermann den erwartungsvoll gespannten Journalisten die zweibändige Festschrift der Universität Greifswald.

Vor 10 Jahren beauftragte der damalige Rektor Jürgen Kohler den Professor für mittelalterliche Geschichte – Prof. Spieß mit der Leitung und Koordination einer Festschrift anlässlich des Jubiläums 2006. So auch geschehen. Fortan recherchierten und befassten sich rund 30 Autoren mit der Geschichte und Entwicklung unserer alma mater. Das Ergebnis sind über 900 Seiten geballte Greifswalder Universitätsgeschichte.
Zielstellung des monumentalen Werkes war, die Bedeutung der Universität im Kontext politischer, gesellschaftlicher und sozialer Umbrüche herauszustellen. Aus diesem Grund beschäftigt sich Band 1 zunächst mit der Geschichte der Fakultäten im 19. und 20. Jahrhundert und anschließend wird in Band 2 die Universität in Stadt, Region und Gesellschaft untersucht.
Sehr aufschlussreich, weil immer wieder erschreckend, sind die Vorgänge an der Universität zur Zeit des Dritten Reiches. Unverhohlen berichtet der Autor dieses Kapitels, Thomas Stamm-Kuhlmann, Professor am Historischen Institut, wie Universitätsangehörige dank der NSDAP aufgestiegen sind und wie der gesamte Lehrbetrieb nach und nach auf nationalsozialistische Ideale umgestellt wurde. Ja sogar, dass sich die Uni und speziell die Juristische Fakultät, „nicht durch besonderen Protest oder Widerstand gegen das nationalsozialistische Regime auszeichnete“. Ab 1933 wurde der Hitlergruß für jeden verbindlich und es folgten Vorlesungen zur „Allgemeinen Vererbungslehre“ und zur „Rassenhygiene“. Die Universität bildete auch keine Ausnahme, als es um den Ausschluss nichtarischer Studenten und Lehrkörper aus dem Universitätsbetrieb ging. Die schwelende Diskussion um den Namenspatron Ernst Moritz Arndt hat in diesen Jahren seinen Anfang und dessen Namensgebung findet in diesem Kapitel ebenfalls Gehör. Der Name ging 1933 von der Hochschulgruppe des Frontkämpferverbandes „Stahlhelm“ aus, also von der Universität selbst. Ernst Moritz Arndt prägte auch den Begriff des „Greifswalder Schlafes“ – seine Bezeichnung für faule Studenten, mittelmäßige Professoren und die provinzielle Rückständigkeit der Universität.
Ebenso lesenswert ist der Aufstieg und Untergang der Arbeiter-und-Bauern-Fakultät, kurz ABF, von 1946 bis 1969. Im sozialistischen Sinne sollten hier die Kinder der Arbeiter und Bauern die Zugangsmöglichkeit zur höheren Bildung erhalten. Betont wird auch der Einfluss der SED, die in ihrem Sinne die Studenten zum Sozialismus erziehen wollte.
Beide Bände der Festschrift verdeutlichen, wie sich Parteien im Laufe des 550-jährigen Bestehens der Hochschule immer wieder der „Erziehungsanstalt Universität“ zur Durchsetzung eigener Interessen bedient haben. Auch auf diesem Aspekt liegt also die Bedeutung der Universität.
Welchen maßgeblichen Einfluss die Universität auch vor dem 19. und 20. Jahrhundert hatte, schildern die Autoren besonders in Band 2. Darin spielt nicht nur die Universität als Gutsherrin und  Kirchenpatronin eine Rolle, sondern auch ihr Einfluss in der juristischen Rechtssprechung und ihre Wirkung zur Zeit der schwedischen Besetzung wird beschrieben. Auch Ehrensenatoren und Ehrendoktoren finden in einem eigenen Kapitel Platz.
Außen vor bleibt dagegen die gegenwärtige Diskussion um Ernst Moritz Arndt und seine Rolle als repräsentativer Namensgeber der Hochschule.
Zwar wird im geschichtlichen Rahmen der Philosophischen Fakultät der Hergang der Namensgebung geschildert. Aber nirgends finden sich kritische Anmerkungen zum Wirken Arndts. Auch der in diesem Zusammenhang stehende Nationalist Hermann Schwarz spielt nur am Rande eine Rolle. Der Philosoph und kurzzeitige Rektor war Verfechter des national-deutschen Gedankenguts, trat bereits 1923 in die NSDAP ein und nutzte den Namen Arndts zur Abgrenzung der Universität gegen die französische Fremdherrschaft.
Vielleicht verzichtete man bewusst auf ein erneutes Entfachen dieser Diskussion, handelt es sich doch immerhin um eine Festschrift, die als Hommage an die Universität gedacht ist. Würde man weitergehen, könnte man auch hinterfragen, weshalb auf dem Umschlag der Festschrift nicht der offizielle Name Ernst-Moritz-Arndt Universität auftaucht. Im mattgrauen Layout ist dort von der „Festschrift zur 550-Jahrfeier der Universität Greifswald“ zu lesen. Nur links davon sitzt ein nachdenklich gestimmter Ernst Moritz Arndt in Form der Seitenfigur des Rubenow-Denkmals.
Dabei ginge es bei der Beschäftigung mit dem Thema nicht um eine Stellungnahme, sondern lediglich um eine selbstkritische Reflexion und eine sensible Aufklärung.  
Denn schließlich zählen der Namenszusatz und dessen Entstehung zu einem der wichtigsten politischen, sozialen und gesellschaftlichen Umbrüche seiner Zeit. Denn vor allem der Name gibt nach außen hin Aufschluss über die Identität einer Hochschule, über den sie sich auch von anderen Hochschulen abgrenzt.
Alles in allem bietet die Festschrift jedoch mit ihrem breiten Spektrum an Artikeln und den zahlreichen Abbildungen einen komprimierten Gesamtüberblick über zweifellos beeindruckende 550 Jahre Universität Greifswald. Und die Herausgeber sowie Autoren und alle Beteiligten können sich zu Recht über eine gelungene Aufbereitung freuen. 

Geschrieben von Katarina Sass

Theater: Realitätsflucht

Dieses Stück ist nicht zum Lachen. Das Eingangsstatement des Schauspielers Karl Maslo ist ernst gemeint. Trotzdem wird geschmunzelt, vereinzelt gelacht, aber auch betroffen geschwiegen.

Maslo stellt im Ein-Mann-Stück „Süchtig“ einen Abhängigen dar – sowohl nach gesetzlich legalen als auch illegalen Stoffen. Mark Lundholm schrieb das Stück über einen Kranken und dessen Lebensweg. Parallel wird auf abstrakter Ebene über Süchtige, Nicht- und Co-Süchtige gesprochen. Der Darsteller bezieht das Publikum mit kritischen Fragen ein und zeigt mit dem Finger wahllos auf Zuschauer. Jeder ist süchtig. Dies wurde durch die Aufführung des Theaterstücks in der Präventionswoche der Hansestadt Greifswald klar.
Den Kampf darf man nicht aufgeben: Karl Maslo hat ihn selbst bestritten. Zahlreiche Entgiftungen und Entziehungskuren    durchlebte der Haupt-darsteller. „Insgesamt 35 Prozent der Geschichte habe ich selbst erlebt.“

Theater: Mein ist die Rache

Dass „etwas faul ist im Staate Dänemark“, wusste William Shakespeare schon zu Beginn des 17. Jahrhunderts als er sein Stück „Hamlet“ schrieb. Vierhundert Jahre später gewann der Ausspruch durch den Streit um Mohammed-kritische Karikaturen, veröffentlicht in einer dänischen Tageszeitung, ungewollte Aktualität. Doch die Fassung des an sich zeitlosen Stoffs, die das Theater Vorpommern auf die Bühne bringt, ist auf andere Weise zeitgemäß. Betont wird das Thema Rache, genauer blutige Rache, die Vergeltung von Gleichem mit Gleichem, Mord mit Mord.

Hamlet, Prinz von Dänemark, muss mit ansehen, wie seine Mutter Claudius, den Bruder ihres gerade erst verstorbenen Mannes, heiratet und dieser zum König gekrönt wird. Doch es kommt noch schlimmer: Kurz darauf erfährt er, dass sein Vater von Claudius ermordet wurde um selbst dessen Nachfolge anzutreten. Vom Geist seines Vaters angestiftet, sinnt Hamlet auf Rache und merkt gar nicht, dass er damit sich selbst und kurz darauf auch sein Land ins Unglück stürzt.
Schon der Auftakt erinnert an die Gegenwart. Wir sehen ein Land in nervösem Alarmzustand, der Krieg liegt in der Luft, es herrscht ein Klima von Angst und Misstrauen. Da werden Gedanken an eine der Terrorgefahr ausgelieferte Gesellschaft wach. Dass Regisseur und Kostümbildner Matthias Nagatis die Schauspieler in Anzüge und Abendkleider steckt, erleichtert dem Zuschauer diese moderne Perspektive. Ansonsten bleibt die Inszenierung jedoch sehr nah am Werk, auch der Text scheint nahezu ungekürzt. Dies lässt das Stück allerdings auf gute drei Stunden Spiellänge anschwellen, was die Aufmerksamkeit des Publikums zum Ende hin auf eine harte Probe stellt. Doch wer durchhält, wird mit dem als modernen Fechtkampf inszenierten blutigen Showdown zwischen Hamlet und Claudius’ Handlanger Laertes belohnt, der zum Tod (fast) aller führt.
Schließlich überwindet also die Rache doch die Vernunft. Der Rest ist Schweigen – und der lang anhaltende Beifall des Premierenpublikums.

Geschrieben von Kai Doering

Sicherheit geht vor …

Die Uni feiert ihr 550-Jubiläum und hoher Besuch hat sich angekündigt.

Am 17. Oktober ist es endlich soweit und Ihre Majestät, die Königin von Schweden Sylvia, und der Bundespräsident, Horst Köhler, werden freudig erwartet.

„Ich finde es eine tolle Sache und große Ehre, dass der Bundespräsident sofort zugesagt hat, als ich ihn letztes Jahr eingeladen habe“, erklärt der Rektor, Prof. Dr. Rainer Westermann begeistert, „ich freue mich wirklich sehr über den Besuch des Bundespräsidenten. Die Universitäten sind ja Landessache und, dass der Ministerpräsident kommt, ist schon fast selbstverständlich.“
Aufgeregt ist er jedoch nicht, der Rektor der Greifswalder Hochschule. Nach fest vorgeschriebenem Protokoll wird er um 9.40 Uhr vor dem Universitätshauptgebäude die Ehrengäste in Empfang nehmen. Das erste, was er sagen wird? „Guten Tag“, denn zum Glück ist Ihre Majestät gebürtige Deutsche.
Seit eineinhalb Jahren laufen die Vorbereitungen und großer Aufwand war nötig. Mit dem  Bundespräsidialamt, der Staatskanzlei, der Deutschen und der Schwedischen Botschaft musste Kontakt aufgenommen werden. Das Protokoll musste erstellt und Einladungen veschickt werden. „War früher ein Jubiläum nur ein feierlicher Anlass, geht es heute weit darüber hinaus. Heute ist es eine Imageoffensive“, weiß Constanze Steinke, die mit ihrer Agentur seit über einem Jahr die ausstehenden Feierlichkeiten vorbereitet. Das Jubiläum soll auch das Bild der Alma mater als funktionierenden Wissenschafts- und Technologiestandort vermitteln und stellt sich damit auch dem knallharten Wettbewerb und besonders an einem solchen Feiertag. Image ist halt wichtig.

Zusätzlich muss der Personen-schutz gewährleistet sein. „Die Sicherheitsauflagen sind angesichts der momentanen Weltlage enorm“, stellt Frau Steinke fest: „Ein Staatsbesuch ist nicht alltäglich.“ Jedenfalls nicht in Greifswald. Die Jubiläumsgäste der Ernst-Moritz-Arndt-Universität werden als hochgradig gefährdet eingestuft, deshalb werden durch alle Veranstaltungsorte Spürhunde geführt und viele Polizisten, vor allem Zivilkräfte, im Einsatz sein.

Zur weiteren Sicherheit werden alle anwesenden Journalisten durch das Bundeskriminalamt gecheckt und die Einladungen gelten nur zusammen mit dem Personalausweis. Auch Rektor Prof. Dr. Westermann hat eine Einladung bekommen und stellt sich nun die Frage: „Was passiert, wenn ich am Dienstag meinen Personalausweis vergesse?“   

Geschrieben von Cornelia Leinhos