Die Universität feiert sich mit einer Festschrift

Am 6. Juli war es endlich soweit. Mit Stolz geschwellter Brust präsentierten Prof. Dr. Karl-Heinz Spieß und Dr. Dirk Alvermann den erwartungsvoll gespannten Journalisten die zweibändige Festschrift der Universität Greifswald.

Vor 10 Jahren beauftragte der damalige Rektor Jürgen Kohler den Professor für mittelalterliche Geschichte – Prof. Spieß mit der Leitung und Koordination einer Festschrift anlässlich des Jubiläums 2006. So auch geschehen. Fortan recherchierten und befassten sich rund 30 Autoren mit der Geschichte und Entwicklung unserer alma mater. Das Ergebnis sind über 900 Seiten geballte Greifswalder Universitätsgeschichte.
Zielstellung des monumentalen Werkes war, die Bedeutung der Universität im Kontext politischer, gesellschaftlicher und sozialer Umbrüche herauszustellen. Aus diesem Grund beschäftigt sich Band 1 zunächst mit der Geschichte der Fakultäten im 19. und 20. Jahrhundert und anschließend wird in Band 2 die Universität in Stadt, Region und Gesellschaft untersucht.
Sehr aufschlussreich, weil immer wieder erschreckend, sind die Vorgänge an der Universität zur Zeit des Dritten Reiches. Unverhohlen berichtet der Autor dieses Kapitels, Thomas Stamm-Kuhlmann, Professor am Historischen Institut, wie Universitätsangehörige dank der NSDAP aufgestiegen sind und wie der gesamte Lehrbetrieb nach und nach auf nationalsozialistische Ideale umgestellt wurde. Ja sogar, dass sich die Uni und speziell die Juristische Fakultät, „nicht durch besonderen Protest oder Widerstand gegen das nationalsozialistische Regime auszeichnete“. Ab 1933 wurde der Hitlergruß für jeden verbindlich und es folgten Vorlesungen zur „Allgemeinen Vererbungslehre“ und zur „Rassenhygiene“. Die Universität bildete auch keine Ausnahme, als es um den Ausschluss nichtarischer Studenten und Lehrkörper aus dem Universitätsbetrieb ging. Die schwelende Diskussion um den Namenspatron Ernst Moritz Arndt hat in diesen Jahren seinen Anfang und dessen Namensgebung findet in diesem Kapitel ebenfalls Gehör. Der Name ging 1933 von der Hochschulgruppe des Frontkämpferverbandes „Stahlhelm“ aus, also von der Universität selbst. Ernst Moritz Arndt prägte auch den Begriff des „Greifswalder Schlafes“ – seine Bezeichnung für faule Studenten, mittelmäßige Professoren und die provinzielle Rückständigkeit der Universität.
Ebenso lesenswert ist der Aufstieg und Untergang der Arbeiter-und-Bauern-Fakultät, kurz ABF, von 1946 bis 1969. Im sozialistischen Sinne sollten hier die Kinder der Arbeiter und Bauern die Zugangsmöglichkeit zur höheren Bildung erhalten. Betont wird auch der Einfluss der SED, die in ihrem Sinne die Studenten zum Sozialismus erziehen wollte.
Beide Bände der Festschrift verdeutlichen, wie sich Parteien im Laufe des 550-jährigen Bestehens der Hochschule immer wieder der „Erziehungsanstalt Universität“ zur Durchsetzung eigener Interessen bedient haben. Auch auf diesem Aspekt liegt also die Bedeutung der Universität.
Welchen maßgeblichen Einfluss die Universität auch vor dem 19. und 20. Jahrhundert hatte, schildern die Autoren besonders in Band 2. Darin spielt nicht nur die Universität als Gutsherrin und  Kirchenpatronin eine Rolle, sondern auch ihr Einfluss in der juristischen Rechtssprechung und ihre Wirkung zur Zeit der schwedischen Besetzung wird beschrieben. Auch Ehrensenatoren und Ehrendoktoren finden in einem eigenen Kapitel Platz.
Außen vor bleibt dagegen die gegenwärtige Diskussion um Ernst Moritz Arndt und seine Rolle als repräsentativer Namensgeber der Hochschule.
Zwar wird im geschichtlichen Rahmen der Philosophischen Fakultät der Hergang der Namensgebung geschildert. Aber nirgends finden sich kritische Anmerkungen zum Wirken Arndts. Auch der in diesem Zusammenhang stehende Nationalist Hermann Schwarz spielt nur am Rande eine Rolle. Der Philosoph und kurzzeitige Rektor war Verfechter des national-deutschen Gedankenguts, trat bereits 1923 in die NSDAP ein und nutzte den Namen Arndts zur Abgrenzung der Universität gegen die französische Fremdherrschaft.
Vielleicht verzichtete man bewusst auf ein erneutes Entfachen dieser Diskussion, handelt es sich doch immerhin um eine Festschrift, die als Hommage an die Universität gedacht ist. Würde man weitergehen, könnte man auch hinterfragen, weshalb auf dem Umschlag der Festschrift nicht der offizielle Name Ernst-Moritz-Arndt Universität auftaucht. Im mattgrauen Layout ist dort von der „Festschrift zur 550-Jahrfeier der Universität Greifswald“ zu lesen. Nur links davon sitzt ein nachdenklich gestimmter Ernst Moritz Arndt in Form der Seitenfigur des Rubenow-Denkmals.
Dabei ginge es bei der Beschäftigung mit dem Thema nicht um eine Stellungnahme, sondern lediglich um eine selbstkritische Reflexion und eine sensible Aufklärung.  
Denn schließlich zählen der Namenszusatz und dessen Entstehung zu einem der wichtigsten politischen, sozialen und gesellschaftlichen Umbrüche seiner Zeit. Denn vor allem der Name gibt nach außen hin Aufschluss über die Identität einer Hochschule, über den sie sich auch von anderen Hochschulen abgrenzt.
Alles in allem bietet die Festschrift jedoch mit ihrem breiten Spektrum an Artikeln und den zahlreichen Abbildungen einen komprimierten Gesamtüberblick über zweifellos beeindruckende 550 Jahre Universität Greifswald. Und die Herausgeber sowie Autoren und alle Beteiligten können sich zu Recht über eine gelungene Aufbereitung freuen. 

Geschrieben von Katarina Sass