Buch: Kathleen McGowan: Das Magdalena-Evangelium (Lübbe)

Rote Haare. Maureen Paschal der Name. Von der ersten Seite an ist die Relevanz der Historikerin und Journalistin für die Geschichte klar. Ein Ring prägt ihre Zukunft und ermöglicht die Identifizierung als Nachkomme von … . Die Antwort darf und kann hier nicht geliefert, sondern muss erlesen werden. Man kann es auch lassen.

Eigene Erfahrungen, Erlebnisse und Krisen verarbeite die amerikanische Autorin Kathleen McGowan in ihrem Erstlingswerk. Warum können Debütanten ihre eigene Biographie nicht vergessen? McGowan konstruiert eine Geschichte um den Marien-Kult. Dabei fallen auf den 540 Seiten des Buches soviele Namen von historischen Personen, dass man glaubt: Wir sind alle Geschwister. Eingebettet in einen unspektakulären Spannungsbogen ergeben die Recherchen von McGowan zwar einen Bestseller. Doch das Material und die Verarbeitung hätte man lieber einem anderen anvertrauen sollen. Die Schriftstellerin hat ihren Glauben an Gott verloren, wiedergefunden und quält nun die Welt mit der „Wahrheit“ über Jesus, seine Mutter, seine Jünger und wer sonst noch alles vor über 2000 Jahren in einer römischen Provinz herum oxidierte. Als Geschichtskonstrukeurin eifert McGowan dem Vorbild Dan Brown nach und schickt ihre Hauptfigur schon in die nächste Schlacht. Wer kauft sich solche Bücher eigentlich?

Geschrieben von Björn Buß

Hörbuch: Peter Steinbach, Ulrich lampen: Die NS-Führung im Verhör

Zum 60. Mal jährte sich in diesem Jahr am 1. Oktober die Urteilsverkündung des Internationalen Militärtribunals (IMT) bei den Nürnberger Prozessen gegen 24 Angeklagte. In der Geschichte hatten sich Politiker, Militärs und führende Personen der Wirtschaft erstmalig persönlich für das Planen und Führen eines Angriffskrieges und den Massenmord in Konzentrations- und Vernichtungslagern zu verantworten.

Einigkeit herrschte zwischen den Alliierten und den vom Zweiten Weltkrieg betroffenen Ländern, eine Vergeltung, wie sie in den vergangenen Jahrhunderten praktiziert wurde, nicht zu vollziehen. Dafür sollten die Verhandlungen nach dem Vorbild der amerikanischen Strafprozesse durch ein eigens eingerichteten Ad-hoc-Gericht durchgeführt werden.
Nürnberg erwies sich dabei aus mehreren Gründen als günstiger Prozessort. Anders als in Berlin befand sich hier ein weitesgehend unbeschädigt gebliebener Justitzpalast und ein dazugehöriges Gefängnis. Zudem besaß Nürnberg als Stadt der Reichsparteitage einen symbolisch nicht unerheblichen Wert.
Von Beginn an erregten die Verhandlungen internationales Interesse.  Rundfunk- und Zeitungsberichterstatter hielten die Welt auf dem Laufenden. Alfred Döblin, Willy Brandt, Erich Kästner, Erika Mann und Markus Wolf wurden beispielsweise eingeladen, um den Prozess beizuwohnen und als Augenzeugen Eindrücke vom Inhalt und Verlauf zu gewinnen. Die Verhandlungsprotokolle wurden nach Abschluss des Prozesses in einer zuverlässigen Textfassung publiziert. Bis heute gelten sie als eine der wichtigste Quellen über die NS-Geschichte.  Doch dem nicht genug. Das Festhalten der Verhandlungen beschränkte sich nicht allein darauf.
Eine neue Dimension der Beschäftigung mit der Neuesten Geschichte ermöglicht die in einer Produktion von Ulirch Lampe herausgegebenen Tondokumente der Verhöre in Nürn-berg. Durch Sendungen des SWR und des MDR wurden die sich in den National Archives von Washington befindlichen Orginial-Tondokumente nun hierzulande bekannt. Trotz des unmittelbaren Eindrucks der Verhandlungen aus den Ver-nehmungen der Angeklagten und Zeugen lagert dieses Stück Zeitgeschichte bruchstückweise gesichtet in unüberschaubarer Dichte in den National Archives.
Anders als bei den Verschriftlichung beziehungsweise den Protokollen, ist es nun in der in Form von acht thematisch  geordneten Box möglich, die öffentliche Konfrontation der bewußt ausgewählten Verantwortlichen in Echtzeit hörend zu begleiten. Die Originalmittschnitte führen die Entwickung der juristischen Aufklärung von Zeitgeschichte, ihrer faktischen Präsentation und der Verarbeitung der Beklagten vor Augen.

Geschrieben von Uwe Roßner

Die Ernst-Moritz-Arndt-Universität und ihre Schwierigkeiten mit der Realität

Pünktlich zum Beginn des Jubiläumsjahres 2006 hat die Universität ihr traditionelles Siegel in ein internet-kompatibles Logo umgewandelt, im April wurde das aufwändig restaurierte Rubenowdenkmal eingeweiht, Mitte Oktober wird die schwedische Königin die frisch renovierte Aula wiedereröffnen. Eigentlich eine ganze Reihe symbolträchtiger Gesten, allein der problematische Namensgeber der Universität veranlasste niemanden zu einer kritischen öffentlichen Reflexion.

Geschrieben von Walter Rothholz

Alter Schwede

„Bland oss – Unter uns“ gibt der schwedisch-deutschen Geschichte ein Gesicht

„Welche Rolle spielt Pommern im heutigen schwedischen Bewusstsein?“ – Dies war eine der Fragen, die am 1. Oktober in einer Podiumsdiskussion im Pommerschen Landesmuseum an die Runde aus Sprach- und Kulturwissenschaftlern, Botschaftsangehörigen und Historikern gestellt wurde.

Die nüchterne Antwort des schwedischen Germanisten Prof. Helmut Müssener lautete: „Eigentlich keine.“ Zwar hätte man den George-W.-Bush-Besuch in Stralsund wahrgenommen und auch der Wahlerfolg der NPD in MV löste einige Diskussionen aus, aber das mit diesem Landstrich „jenseits der Ostsee“ einst eine enge historische Verbindung bestand, kommt kaum einem in den Sinn. Und so würde auch der hierzulande so beliebte Begriff der „Südschweden“ dort nur zu Irritationen mit der Landschaft Schonen führen, die sich historisch wiederum mit Dänemark verbunden fühlt.
Doch woher kommt dann umgekehrt im heutigen Vorpommern das Bewusstsein, das nach der Wende kurzzeitig zu dem Bestreben führte, anstatt zur Bundesrepublik lieber zu Schweden gehören zu wollen – auch wenn es de facto nur ironisch gemeint war? Was bewegte Caspar David Friedrich, in seinem Spätwerk „Die Lebensstufen“ (um 1835) den beiden Kindern in der kompositorischen Mitte des Bildes ein blau-gelbes Fähnchen in die Hände zu geben?
Es ist die bis heute präsente Vorstellung von der „guten alten Schwedenzeit“ – einer Zeit, die in ihrer Gegenwart eigentlich nicht als solche existiert hat was ja generell ein Problem der „historischen Nachbetrachtung“ ist, wobei hier das aktuellere Exempel der „Ostalgie“ zu nennen wäre. Dies unterstrich auch der Historiker Prof. Herbert J. Langer, denn der erste intensivere Kontakt, der sich zwischen Schweden und Pommern durch die Landung Gustavs II. Adolf in Peenemünde 1630 und infolge des Westfälischen Friedens 1648 ergab, war der einer Invasions- und Besatzungsmacht. Das Bild des „Schweden“ wurde also durch die Soldaten geprägt, die häufig gar keine Schweden waren, sondern als Söldner „international“ zusammengekauft wurden.
Pommern wurde bis ins 18. Jahrhundert hinein zum Aufmarschgebiet für die schwedischen Expansionspläne, die häufig jedoch nur dazu führten, dass der Krieg ins Land geholt wurde. Nach dem Ende der schwedischen Großmachtzeit 1720 wurden die vorpommerschen Besitzungen auf den Bereich nordwestlich des Peenestroms reduziert.
Dieses Gebiet war auch weiterhin verpflichtet, Abgaben an die schwedische Krone zu leisten. Erst mit Beginn des 19. Jahrhundert wurden einige Reformen durchgeführt, die unter anderem Ernst Moritz Arndt animierten, ein äußerst positives Bild dieses nordischen Königreichs zu zeichnen. Doch war dieses in gewisser Weise nur ein „Schwanengesang“, denn durch die häufig wechselnden Machtverhältnisse im Zuge der napoleonischen Kriege kam auch das nördliche Vorpommern nach dem Wiener Kongress 1815 an Preußen. Die territoriale Beziehung zu Schweden war nun Geschichte.
Im 20. Jahrhundert sollte Schweden aufgrund eines anderen Phänomens  weit über Pommern hinaus in den Fokus kommen. Die sozialpolitischen Umbrüche im Zuge des 1. Weltkrieges und der russischen Oktoberrevolution stürzten das Land im Gegensatz zu anderen Nationen nicht in eine Krise, sondern formten das Bild eines Gesellschaftssystems, das bis in unsere Tage Präsenz zeigt: der Wohlfahrtsstaat. Die soziale Absicherung aller Bürger war auch ein Diskussionspunkt, der die Beziehungen zur DDR prägte, wobei beide Seiten mit einem, vielleicht etwas verblümten Blick auf die jeweiligen Vorteile schauten. So hatte man auf der einen Seite beispielsweise das schwedische Schulsystem teilweise an dem des sozialistischen Staates orientiert, während man auf der anderen Seite der Ostsee im Saßnitzer Fährhafen allerlei überhöhten Träumen nachsah, die täglich hinter der Stubbenkammer am Horizont verschwanden.
Dass diese heile Welt des „Volksheims“ im globalisierten Zeitalter nicht mehr aufrecht zu erhalten ist, bietet (paradoxerweise) für unsere „strukturschwache Region“ neue Chancen. So hat sich beispielsweise das Greifswalder „Schwedenkontor“ auf die Vermittlung von Arbeitsplätzen ins skandinavische Nachbarland spezialisiert.
Um den Kontakt auch auf kultureller Ebene weiter voranzutreiben, wurde im Jahr 2000 das Projekt „Schwedenstraße“ ins Leben gerufen, durch das auch die aktuelle Ausstellung „Bland oss – Unter uns“ Unterstützung fand, die noch bis zum 31. Oktober im Pommerschen Landesmuseum zu sehen ist.
Der Charakter dieser Ausstellung ähnelt  mehr einer Rauminstallation, die es sich zum Ziel gesetzt hat, den Jahrhunderten schwedisch-deutscher Geschichte konkrete Persönlichkeiten zuzuordnen, dem Abstraktum der Historie also ein „Gesicht“ zu geben. So ist hier der spätmittelalterliche skandinavische Unionskönig Erich von Pommern ebenso zugegen wie der schwedische Generalgouverneur Carl Gustav Wrangel. Als farblicher Akzent wurde – aus aktuellem Anlass – Heinrich Rubenow hervorgehoben.
Den fast lebensgroßen Abbildungen wurde bewusst kein Name beigefügt, um sie möglichst unvoreingenommen als ein „Gegenüber“ zu betrachten.
Mitten unter ihnen steht ein großer Spiegel. In ihm sollen wir erkennen, dass auch wir Teil dieser Geschichte sind und in der alten pommerschen Universitäts- und Hansestadt die schwedische Königin ebenso willkommen heißen wie den deutschen Bundespräsidenten.

Geschrieben von Arvid Hansmann

Kommentar: Ein dreifaches „Hoch!“ auf das Unijubiläum!

War das ein Jahr! Was haben wir unsere Uni lieb gehabt, jeden Tag aufs Neue!

Man wird halt nur einmal 550, und wir haben gefeiert wie die Irren. Wir hatten die Zeichen richtig gedeutet. Die enthusiastischen Studenten, die das ganze letzte Jahr damit zugebracht hatten, das Universitätsjubiläum vorzubereiten, haben es schon damals erahnen lassen: dieses Jahr musste ein ganz Besonderes werden. Vergessen war der Druck, dem Studenten durch die neuen Studiengänge Bachelor und Master ausgesetzt werden. Ignoriert die Folgen, die ein wenig ehrenamtliche Arbeit für den Einzelnen haben muss, wenn er eigentlich in seiner Regelstudienzeit fertig werden will. Die Uni rief zur Aktions- und Aktivitätsoffensive und Tausende folgten dem Ruf. Schon bald gab es kein Amt mehr, das nicht vergeben war, keine Idee, die noch niemand eingebracht hatte. Das Jubiläum sollte ein Erfolg werden, nach Innen wie nach Außen.
Das wirkliche Ausmaß der Festlichkeiten dürfte trotzdem jeden überrascht haben. Weder werden wir vergessen, wie eintausend Studenten das Rubenowdenkmal bei seiner Enthüllung mit Blumen bewarfen. Noch werden die Bilder in unseren Köpfen verblassen, auf denen Rektor Westermann mit Studenten Arm in Arm vor dem Hauptgebäude tanzt und singt, während er eine Fachtagung schwänzt. Und jeder Einzelne wird seinen Enkeln genüsslich davon erzählen, wie der Universität Greifswald und ihren Studenten Tag für Tag und in der ganzen Stadt von Greifswalder Bürgern gehuldigt wurde, wegen der Kaufkraft, der Arbeitsplätze und dem kulturellen Anstrich, den eine Stadt durch eine Universität erhält. Rosen und Kamelle gab’s, und hin und wieder sogar den Kuss einer norddeutschen Schönheit. Viele fragen sich immer noch, wie es zu den Massenkopulationen auf dem Marktplatz kommen konnte, doch können wir diese Frage hier nicht erschöpfend behandeln.
Fest steht: So gebührlich wie zu diesem Universitätsjubiläum wurde die Uni Greifswald in ihrer ganzen Geschichte noch nicht gefeiert. Es wurden Stimmen laut, die behaupteten, einigen Studenten sei das Universitätsjubiläum egal gewesen. Es gab sogar das Gerücht, der Universitätsleitung selbst wäre dieses Jubiläum nicht sehr wichtig gewesen. Solche Gedanken sind infame Lügen! Wer so etwas behauptet betreibt Feindpropaganda und sollte mit Fastfood zwangsgemästet werden! Unser Jubiläum war schön, und zwar für jeden!

Geschrieben von Stephan Kosa