Geldsklaverei, zu viel Internet und kalter Kaffee

Geldsklaverei, zu viel Internet und kalter Kaffee

Meine Mitbewohnerin und ich sitzen gemütlich bei heißem Kaffee in unserer Küche. Doch der Schein von Normalität trügt. Denn anstatt behaglich zu plaudern, starren wir ungläubig auf eine absurde Nachricht, die eben auf ihrem zersplitterten Huawei-Handy aufgetaucht ist. Eine Nachricht, die so grotesk ist, dass wir erst kaum glauben können, was dort zu lesen ist. Ein junger Mann, auf Instagram nennt er sich Unterwürfiger Typ [Name von der Redaktion geändert], ist auf der Suche nach einer Herrin, die sich vorstellen könnte, sich seiner zu erbarmen und ihn zu versklaven.

“Falls ich eine neue Herrin habe, gehöre ich ihr. Sie hat das Sagen über mich und mein Leben. Sie soll mich auslachen, demütigen, fertig machen und ausnehmen.“

Unterwürfiger Typ

Sein Anliegen scheint simpel zu sein. Er ist auf der Suche nach einer Frau, die ihn unterwirft. Er möchte ihr jeden Luxus finanzieren und nebenbei unangenehme Aufgaben in ihrem (also unserem) Haushalt übernehmen. Sie müsse sich nur etwas von ihrer wertvollen Zeit nehmen und ihm antworten. Unser Interesse ist geweckt. Wir brauchen zwar keinen Haussklaven, allerdings wollen wir trotzdem wissen, ob die Anfrage ernst gemeint ist.

Seine nächste Nachricht folgt rasch. Er möchte seiner Herrin am liebsten seinen Tribut in Form von Geschenken oder Überweisungen zollen. Er bietet zusätzlich an, seinen richtigen Namen preiszugeben, damit seine Herrin ihn notfalls erpressen kann. Die konstante Bedrohung öffentlicher Bloßstellung gehört dazu. Außerdem soll seine Herrin ihn “auslachen, demütigen, fertig machen und ausnehmen. Sie [soll ihn] richtig zerstören.” Jetzt wird es uns zu krass. Meine Mitbewohnerin lehnt höflich ab und wünscht ihm weiterhin viel Glück auf der Suche nach einer Herrin.

„Wenn Sie denken es reicht, müssen Sie weiter machen. Wenn ich jammere, mich stärker bestrafen. Frauen sind nun mal das stärkere Geschlecht.“

Unterwürfiger Typ

Mein Kaffee ist mittlerweile lauwarm und ich habe Lust mich in den Tiefen des Internets zu verlieren. Der Laptop wird aufgeklappt. Ich beginne zu recherchieren. Nach einigen Minuten auf Google bin ich bereits auf etliche Foren gestoßen, auf denen Geldherrinnen nach sogenannten Geldsklaven suchen und vice versa. Der Unterwürfige Typ scheint also kein Einzelfall zu ein. Aber erstmal zu den Basics: Ein Geldsklave (auch Paypig, Geldschwein oder Zahlwurm genannt) ist eine meist männliche Person, die ihr sexuelles Vergnügen daraus bezieht, finanziell dominiert und erniedrigt zu werden. Die Geldherrin (auch Gelddomina, Moneymistress oder Gelddiva genannt) ist diejenige, die das Geld freudig entgegennimmt und ihren Sklaven nebenbei auf unterschiedlichste Art und Weise demütigt. Was auffällt, ist, dass Angebot und Nachfrage unausgewogen sind. Man stößt auf mehr suchende Geldherrinnen als auf sich anbietende Geldsklaven. Irgendwo ist das auch verständlich. Noch einfacher kann man an Geld kaum kommen. Das Ganze nennt sich Geldsklaverei und ist eine Form von Sadomaso-Spiel, bei der Geld die zentrale Rolle spielt. Auf den ersten Blick ungewohnt, aber per se vollkommen in Ordnung. An sich darf jede*r tun und lassen, was ihn*sie glücklich macht, solange das Vergnügen auf Gegenseitigkeit beruht. Man stelle sich einen Masochisten mit dem nötigen Kleingeld und eine habgierige Sadistin vor: It’s a match!

Soweit so gut, wenn auch ungewohnt. Zwei grundlegende Fragen stellen sich mir aber trotzdem. Warum sollte sich jemand auf eine so asymmetrische Beziehung einlassen? Und warum sind die Geschlechterrollen hier so klar verteilt? Die Antwort scheint soziokultureller Natur zu sein. Beide Parteien genießen den Kick, den man erhält, wenn man seine alteingesessene Macht- bzw. Ohnmachtspostiton verlässt. Die Frau wird zur Bestimmerin und der Mann zum devoten Objekt. Außerdem basiert die Szene auf dem uralten männlichen Verhalten des Beschenkens, welches dem Erhalt weiblicher Aufmerksamkeit dient. Patriarchische Geschlechterstereotypen werden gebrochen und gnadenlos auf links gedreht. Fast schon bewundernswert.

Ich halte kurz inne und reflektiere die Situation. Wie kam ich noch gleich von Smalltalk und Kaffee zu Sadomaso und Fetisch-Foren? Ach ja, die absurde Nachricht von dem Typen. Ihr wisst schon: der Unterwürfige. Aber ich schweife ab.

Manche Herrinnen verdienen sogar genug mit der Geldsklaverei, um das Ganze hauptberuflich zu betreiben. Und wie pflegt meine Mutter immer zu sagen: Wähle den Beruf, den du liebst – und du musst keinen Tag in deinem Leben arbeiten. Das alles scheint also eine zwar geschmacklich mindestens fragwürdige, aber schöne Sache zu sein, für die, die Spaß dran haben. Na ja, ganz so einfach ist das dann wohl doch nicht.

Richtig besorgniserregend wird es nämlich bei dem sogenannten Blackmailing: Eine scheinbar profane Praktik in der Geldsklaverei (einen kleinen Vorgeschmack hat uns der Unterwürfige Typ bereits gegeben). Hierbei vertraut der Geldsklave seiner Herrin Daten, Geheimnisse oder intime Geständnisse an. Anvertrauen ist in diesem Fall jedoch das falsche Wort. Die Herrin benutzt diese Informationen nämlich, um den letzten Cent aus ihrem Sklaven zu pressen oder besser gesagt, ihn zu erpressen. Das geht manchmal so weit, dass der Geldsklave sich verschuldet, Kredite aufnimmt und sich sogar selbst prostituiert, um mit den Zahlungen hinterherzukommen. Für mich endet hier das einvernehmliche Sadomaso-Spiel. In solchen Fällen wird ein Fetisch aufs Übelste ausgenutzt und die Grenze des moralisch Vertretbaren klar überschritten.

Jetzt klappe ich aber erstmal meinen Laptop zu. Wo bin ich nur gelandet? Genug Internet für heute. Ein kalter Kaffee wartet auf mich.

Anm. d. Verf.: Auf das Gendern wurde in diesem Artikel verzichtet, da die übliche Dynamik folgende ist: Frau = Geldherrin und Mann = Geldsklave. Abweichungen dieser Norm gibt es selbstverständlich trotzdem, sie sind aber sehr selten.

Beitragsbild: freephotoscc