Perspektivwechsel

Festgefahrene Bilder hinterfragen, den Blick hinter die Kulissen, auf die tatsächliche Beschaffenheit der Dinge wagen. Was bei Wikileaks ein in höchstem Maße gespaltenes Echo hervorrief, dürfte in Mecklenburg-Vorpommern eher auf breites Desinteresse stoßen. Doch nicht an der politischen Fassade wollen wir rütteln, sondern das Bild des Bundeslandes aufhellen, dem Klischee zum Trotz. Wir haben uns nicht mit der Annahme zufrieden gegeben, dass MV außerhalb der großen Städte nur braunen Sumpf, Fisch und gähnend weite Landschaften zu bieten hat.

Was steckt hinter den Bahnhöfen, an denen nie jemand ein-, geschweige denn aussteigt? Was steckt hinter den Gebäuden, die wie große, einsame Zeugen menschlichen Scheiterns den natürlich Horizont durchbrechen? Was kann man wirklich im vermeintlichen Niemandsland Mecklenburg-Vorpommern finden? Unsere Redakteurinnen haben sich auf die Suche nach dem Klischee des nordöstlichen Bundeslandes gemacht. Fernab der üblichen Haltestellen zogen sie durch weitläufige Landschaften und fanden neben aufgegebenen Bahnhöfen und beinahe isolierten Wohngebieten auch historische Touristenattraktionen oder eine Sternenwarte auf dem Land (Seite 26).

Wer das Aussteigen an den kaum beachteten Orten wagt, wird mehr finden, als die Scheuklappen-Schablone hergibt. Aber nicht nur unumstritten Positives gilt es im nordöstlichen Bundesland zu entdecken: Neben den von den Zugfahrten bekannten, riesigen Feldern tendiert auch der tierzüchtende Agrarbetrieb Mecklenburg-Vorpommerns zur rationalisierten und überdimensionierten „Intensivtierhaltung“. In Alt Tellin im Landkreis Demmin wird nun eine so genannte „Ferkelaufzuchtanlage“ gebaut, die in ihren Ausmaßen jede Vorstellungskraft sprengt (Seite 29).

Um die Geheimnisse des Nachbarlandes Polen zu ergründen, muss man als Greifswalder nicht einmal in den Zug steigen. Der Greifswalder PolenmARkT zeigt Jahr für Jahr, dass man in Polen nicht nur billige Zigaretten kaufen und sein Auto wieder finden kann. Das Kulturfestival bietet ein umfangreiches Programm. moritz hat mit ausgewählten Künstlern über ihre Arbeit und ihre Heimat gesprochen, das Ergebnis könnt ihr auf Seite 36 lesen.

Es gibt noch viel zu entdecken in Mecklenburg-Vorpommern und Umgebung, man muss nur den Schritt an der richtigen Stelle aus dem Zug wagen.

Patrice Wangen

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