Endlich: Die Bundestagswahl 2017 ist vorüber und alles bleibt beim Alten. Halt, Stop!
Nach der Wahl ist vor der Wahl: die Union holte am vergangenen Sonntag mit 32,9%* der Stimmen den Sieg bei den diesjährigen Bundestagswahlen. Nun steht sie vor der Aufgabe, eine mehrheitsfähige Regierung zu bilden, was rechnerisch mit der SPD oder der FDP und den Grünen möglich wäre. Erstere erreichte am Sonntag ganze 20,5%**: das entspricht immerhin fast dem Anteil der Nichtwählergruppe mit 23,8%. Es würde also für eine Fortführung der Großen Koalition reichen. Doch, Halt Stop: Die Notbremse des Schulzzuges wurde an der Haltestelle Bundestag gezogen. Der Täter, Martin Schulz, erklärte dazu: „Es ist völlig klar, dass der Wählerauftrag an uns der der Opposition ist.“ Heisst also: Die SPD steigt aus den Koalitionsverhandlungen aus, bevor der Zug am absoluten Tiefpunkt entgleist wäre. Was bleibt, ist eine mögliche Jamaika-Koalition aus Union, FDP und Grünen, die allesamt ein gemeinsames, vor allem gutverdienendes und bürgerliches Wählerklientel bedienen. Und auch in den Wahlprogrammen von Gelb und Grün lassen sich viele Gemeinsamkeiten im wirtschaftspolitischen Bereich finden. Wäre da nicht die Forderung nach einer Obergrenze für Geflüchtete, die seitens der CSU als Teil der Union laut werden, könnte man sagen: Es kommt zusammen, was zusammen gehört. Das gilt auch für die Opposition, zumindest für Linke und Sozialdemokraten: Endlich könnte man gemeinsam für die sozialen Belange der Bevölkerung kämpfen, auf deren problematische Lage zumindest Erstere in den vergangenen Jahren immer wieder hingewiesen haben. Angefangen von Kinder- bis Altersarmut, fehlendem sozialen Wohnraum bis hin zu prekären Beschäftigungsverhältnissen gibt es genügend Probleme in diesem Land. Doch, Halt Stop, nicht nur das: nun muss man sich auch zwangsläufig fragen, warum die AfD am rechten Rand als zweitstärkste Oppositionskraft eingezogen ist. Und mit ihnen teilweise Rechtsradikale, überzeugte Neonazis. Da reicht es jedoch nicht auf altbekannte Art und Weise, die man oftmals im öffentlichen Diskurs wahrnimmt, zu sagen: Alle AfD-Wähler sind Nazis. Demnach müssten laut ARD-Analyse von Infratest dimap die Wechselwähler von SPD und Linke sowie die Gruppe der Nichtwähler, insgesamt also über 2 Millionen Menschen, aus denen die AfD Stimmen bekommen hat, zwangsläufig überzeugte Rechtsradikale sein. Auch das Wahlergebnis der AfD lediglich auf Sachsen oder Mecklenburg-Vorpommern zu schieben und den gemeinen Ossi dafür zur Verantwortung zu ziehen wäre fatal. Das wird dem Problem der Protestwahl, aber auch der Billigung und Sympathisierung der Wählerschaft für rechtsradikale Kandidaten in der AfD, nicht gerecht. Fest steht jedoch eines, nach der Wahl ist vor der Wahl. Wenn die Jamaika-Koalition zustande kommt, stehen die roten Oppositionsparteien in der Pflicht, bis zur nächsten Bundestagswahl 2021 für eine spür- und wählbare „soziale Gerechtigkeit“ zu kämpfen. Sollten die Jamaika-Koalitionsverhandlungen jedoch scheitern, gibt es Neuwahlen. So oder so: die Probleme in diesem Land muss man benennen und mit inhaltlichen Lösungen angehen, um populistischen Phrasen Paroli zu bieten und damit nicht alles beim Alten bleibt. Denn spätestens mit dem Einzug der AfD ist eine rote Linie überschritten.
*Im Vergleich zu 2013 -8,6 Prozentpunkte; unter der Berücksichtigung der Nichtwähler insgesamt 25,1%
**Im Vergleich zu 2013 -5,2 Prozentpunkte; unter der Berücksichtigung der Nichtwähler insgesamt 15,6 %
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