Das Studierendenparlament ist das höchste beschlussfassende Gremium der studentischen Selbstverwaltung. Es wählt unter anderem den AStA (Allgemeiner Studierendenausschuss) und entscheidet über Satzungen und Ordnungen sowie über die Finanzen der Studierendenschaft. Klingt nach einem wichtigen Organ, oder? Ist es auch, nur ist das scheinbar nicht allen Mitgliedern bewusst.

Ein Kommentar von Annica Brommann und Laura Schirrmeister

Doch fangen wir ganz am Anfang an: Die Arbeit im Studierendenparlament (StuPa) ist schon seit längerem extrem erschwert. Die Sitzungen gleichen einander, die Debatten bleiben größtenteils aus, nicht alle scheinen mit den grundlegenden Satzungen und Ordnungen vertraut zu sein und so mancher Tagesordnungspunkt muss wochenlang immer wieder aufgerufen werden. Bei AStA-Referaten sowie unbesetzten Posten in Ausschüssen und weiteren Gremien ist das leider relativ normal, doch geht es hier um etwas ganz anderes: Es scheitert schlichtweg wieder an der Anwesenheit einiger gewählter StuPist*innen.

Unwort des Jahres: Beschlussfähigkeit

Das StuPa ist beschlussfähig, sobald mindestens die Hälfte der stimmberechtigten Mitglieder des Gremiums anwesend ist. Derzeit umfasst das StuPa nur noch 24 Mitglieder, demnach reichen mindestens 13 Stimmen erstmal aus – das bedeutet bei den aktuell gerade so zusammengekratzten 13 Stimmen allerdings auch, dass bei einer Abstimmung alle Anwesenden mit „Ja“ stimmen müssten. Das kann natürlich schnell scheitern und sollte in einer Demokratie einerseits keinen indirekten Druck zur Einstimmigkeit erzeugen. Andererseits ist auch nur eine enthaltene Stimme häufig Grund zur Frustration bei grundlegenden Satzungsänderungen oder ähnlich wichtigen Beschlüssen, die dadurch sehr schnell blockiert werden. Aber dazu später mehr.

Grundlegend wird für die meisten Abstimmungen eine einfache Mehrheit benötigt. Für Satzungsänderungen und Anträge außerhalb der Frist müssen jedoch zwei Drittel der Mitglieder des StuPa zustimmen. Zwei Drittel in absoluten Zahlen umfassen 16 Mitglieder, eine momentan kaum erreichbare Zahl an anwesenden Stimmen und Ja-Stimmen. Schaut man sich die Teilnahmeliste an, waren die Mitglieder für die ersten fünf Sitzungen scheinbar noch motiviert, denn dort war tatsächlich immer eine Zweidrittelmehrheit gegeben. Davon sind wir momentan allerdings weit entfernt.

Wenn auch die kreativsten Lösungen nicht mehr helfen

Die Anwesenheit und damit die Beschlussfähigkeit des StuPa ist traurigerweise immer wieder ein Problem und wird ebenso häufig diskutiert, wie beispielsweise in diesem Artikel aus dem letzten Jahr. In dieser Legislatur wurde aus gegebenem Anlass aber schon einiges vom Präsidium probiert, um dem entgegenzuwirken. Dazu am Rande: Das StuPa-Präsidium sollte sich eigentlich um die für sie vorgesehenen Aufgaben kümmern können und nicht den eigenen Mitgliedern hinterherlaufen müssen. Eigentlich.

Schon vor Monaten wurde beschlossen, dass eine Sitzungsprämie über einen Mensagutschein von 5 Euro neben der Wertschätzung auch einen Anreiz schaffen soll, zur Sitzung zu kommen. Wenn es schon Geld braucht, um die Leute dazu zu motivieren, dem absoluten Minimum ihres Amtes nachzugehen und wenigstens zu den Sitzungen zu erscheinen – na hoch lebe die Demokratie! Ebenfalls in dieser Legislatur eingeführt ist eine mittlerweile hochschulöffentlich einsehbare Anwesenheitsliste: Wer war da, wer hat seine*ihre Stimme übertragen und (ja, das gibt es tatsächlich auch) wer hat sich wählen lassen und war noch NIE anwesend? Auch die Mail-Einladungen zur Sitzung wurden immer drängender, um zur Teilnahme, Stimmübertragung oder auch zum Rücktritt vom Mandat aufzurufen. Trotz des vollen Ausreizens aller Unterstreichungs-, Fettdruck- und Rotfärbe-Tools von Groupware saßen wir meistens immer noch mit mehr AStA- und moritz.medien-Leuten als mit StuPist*innen da, während gleichzeitig die Telefone heiß liefen, um wenigstens noch ein paar Stimmübertragungen zu organisieren – einfach grandios.

Wie wir in „Stell dir vor, es ist Demokratie und keiner geht hin“ vor 2 Monaten bereits berichteten, wurde auch versucht, die Sitzungen selbst zu verändern: So wurde eine außerordentliche Sitzung einberufen und die Sitzungszeit von 20:15 Uhr auf 17 Uhr verschoben (da waren dann ganze vier StuPist*innen anwesend, vier!), woraufhin ein Umlaufverfahren per Mail gestartet wurde, bei dem die Mitglieder jeweils nur ein formloses Ja oder Nein antworten mussten. Dabei ging es um Satzungsänderungsanträge zur Wahlordnung und Fachschaftsrahmenordnung und um die Satzung zur Aufrechterhaltung der Handlungs- und Beschlussfähigkeit der Organe und Gremien der Studierendenschaft (verkürzt Corona-Satzung). Ob das funktioniert hat? Na aber natürlich nicht, denn eine Person hatte anscheinend zu große, wenn auch gänzlich unkommunizierte Einwände gegen die zwei Satzungsänderungen. Ist allerdings auch schwierig, diese zu kommunizieren, wenn man laut Anwesenheitsliste das letzte Mal im Mai bei einer Sitzung war. Auch zur Corona-Satzung und damit zur Aufrechterhaltung der gesamten Arbeit der Hochschulpolitik fand sich eine Nein-Stimme.

An dieser Stelle sei kurz erwähnt, dass alle drei Satzungen bzw. Ordnungen bereits eine 1. Lesung hinter sich gebracht hatten. Die Satzungen und Ordnungen stellen die Basis für die Arbeit der unterschiedlichen Organe der Studierendenschaft dar. Egal ob Studierendenparlament, Fachschaftsräte, moritz.medien oder AStA: Ohne aktuelle Satzungen und Ordnungen funktioniert nichts. Die Corona-Satzung stellt beispielsweise sicher, dass während einer “angeordneten Unterbrechung des regulären Lehr- und Prüfungsbetriebes” oder bei Kontaktbeschränkungen durch die Corona-Pandemie eine Beschlussfassung mittels Telefon- und Videokonferenzen möglich ist. Von daher ist es wichtig, dass solche Dokumente regelmäßig aktualisiert und abgestimmt werden. Aber keine Sorge, die zwei Satzungsänderungsanträge und die Corona-Satzung konnten schließlich in der zweiten außerordentlichen StuPa-Sitzung am 04. Oktober abgestimmt und (zum Glück!) beschlossen werden – nachdem sie Ende Juli eingereicht wurden. Das hat ja … gar nicht so lange gedauert.

Was kann das StuPa überhaupt noch machen?

Tja, nicht all zu viel. Der größte Witz an der Sache ist, dass sich das Parlament nach aktuellem Stand noch nicht mal selbst auflösen könnte – dafür bräuchte es nämlich eine Zweidrittelmehrheit. Welch schöne Ironie. Zum Glück können einige Angelegenheiten auch mit einfacher Mehrheit beschlossen werden, so etwa der Haushaltsplan. Man mag sich gar nicht vorstellen, was wir (im Prinzip die gesamte Studierendenschaft) machen würden, wenn es dafür die Zweidrittelmehrheit bräuchte. Mit Ach und Krach konnte schließlich wenigstens auch noch die Wahlordnung verabschiedet werden, mit der wir in der nächsten Legislatur hoffentlich zu einem motivierteren Studierendenparlament kommen werden. Also wirklich, hoffentlich! Aber was sendet es für ein Signal nach außen, wenn die eigenen Mitglieder das Gremium erneut nicht wichtig genug nehmen, um überhaupt zu erscheinen?

Das dachte sich anscheinend auch das Präsidium, welches in der vorletzten Sitzung geschlossen zurückgetreten ist. Ein Grund: Im Vergleich zum Ergebnis der Sitzungen sei der organisatorische Aufwand einfach nur traurig. Glücklicherweise konnten sich bereits zwei Mitglieder für ein neues Präsidium finden, doch ob das auch etwas bei den bisher nicht anwesenden StuPist*innen bewirken wird? Man mag es bezweifeln. Übrigens wurde auch das neue Präsidium nur mit dem Minimum an möglichen Stimmen gewählt, weil nicht mehr StuPist*innen dafür anwesend waren. Eine dritte Kandidatin, Sophie, scheiterte an der weiter oben beschriebenen, sehr schnell nicht erreichten Mehrheit: Da sich eine Person enthalten hat, wurde sie nicht in das Präsidium gewählt.

Was bleibt?

Wir können diese Umstände nicht mehr schön reden. Die motivierten und engagierten Mitglieder der Greifswalder Hochschulpolitik sind genervt und ihre wie unsere Stimmung leidet unter diesen Zuständen. Da hilft auch unser StuPa-Bingo nicht mehr wirklich, um sich aufzuheitern – auch wenn wir fast jede Sitzung das Feld „Noch keine Beschlussfähigkeit, Sitzung beginnt später“ ankreuzen können.

Teile dieser Redaktion haben noch „die alte HoPo“ miterlebt, in der regelmäßig mit Paragraphen aus dem Landeshochschulgesetz um sich geworfen wurde. Es wurden GO-Anträge auf Schließung der Redeliste gestellt, weil die Sitzung schon so fortgeschritten war, dass der USD bereits wiederholt vor der Tür stand. Doch bevor das hier nach „Früher war alles besser“ klingt: Wir erinnern uns sicher auch noch an eine Zeit, als der AStA geschlossen zurücktrat, Wahlen und Beschlüsse aufgehalten wurden, weil sich Mitglieder für besonders witzig hielten oder Teile der HoPo sich gegenseitig mit wirklich wilden Beschimpfungen angegangen sind. Vielmehr wünschen wir uns einfach nur mehr als einen Minimalbetrieb dieses Gremiums. Inhaltliche Auseinandersetzungen, sachliche Diskussionen, anwesende Mitglieder und eine vernünftige Zusammenarbeit sollten doch eigentlich nicht zu viel verlangt sein. Oder?

Beitragsbild: Annica Brommann