Was passiert mit einem Musikgenre, wenn es in den Blick des Mainstreams fällt? Wenn der Hauptantrieb der Musiker nicht mehr die Leidenschaft oder der künstlerische Anspruch sein muss, sondern plötzlich große Mengen an Geld fließen? Und wie kommt es, dass gerade Rap bei jungen Menschen so ankommt?

Deutscher Rap hat sich in den letzten Jahren von einer in sich geschlossenen Jugendkultur zum erfolgreichsten Genre im deutschen Musikbusiness entwickelt. Der Künstler Capital Bra hat mittlerweile mit zwölf Nummer-eins-Singles in Deutschland die Beatles überholt. Auch wenn diese Zahlen in Zeiten des Streamings nicht wirklich mit der damaligen Zeit und realen physischen Verkäufen vergleichbar sind, legen sie trotzdem eines dar: Deutscher Rap ist aus dem Mainstream nicht mehr wegzudenken. Doch wie kam es zu diesem Aufstieg und wie hat sich im Zuge dessen die Musik verändert?

Rap war in seinem Ursprung in den USA für junge Afroamerikaner die Möglichkeit, ihre Stimme gegen Diskriminierung und Unterdrückung zu erheben und durch die Musik ein Gefühl der Zusammengehörigkeit entstehen zu lassen – oder dieses Gefühl vielleicht auch nur in Worte zu fassen und in eine Richtung zu lenken. Die prägenden Akteure waren dabei Personen, die etwas erlebt und etwas zu sagen hatten. Roh und ungeschliffen von der Logik des Musikmarktes.

Natürlich schalteten sich bald große Labels ein, welche das Potenzial in der sich entwickelnden Jugendkultur sahen, und trotzdem blieb Hip-Hop die Bühne für authentische Künstler und ungeschönte Realität. Auch in Deutschland erkannte der Mainstream bald das Potenzial der aus den Staaten überschwappenden Jugendkultur.

Und doch waren Gruppen wie „Die Fantastischen Vier“ oder „Fettes Brot“, die in den 90er Jahren in Deutschland Erfolg hatten, weit von der eigentlichen Kultur entfernt und waren wohl eher die deutsche, Jugendzentrum-taugliche Übersetzung und Umformung. Authentischen und ungeschliffenen Rap von der Straße gab es dabei parallel durchaus auch in Deutschland, nur wurden dem lange Zeit keine Beachtung und somit auch keine nötigen Ressourcen geschenkt. Dies hat sich in den letzten Jahren verändert. Mittlerweile sind auch die Künstler und Künstlerinnen, die harten Straßenrap repräsentieren, von den großen Labels aufgegriffen worden.

Dies birgt jedoch die Gefahr in sich, dass das Authentische und Ungeschönte der Kunst verloren geht. Denn wenn sichtbar wird, dass nach einem bestimmten Muster, nach einer bestimmten Formel, eine Menge Geld gemacht werden kann, werden immer mehr Musiker versuchen, eben nach dieser Formel das Geld auch zu verdienen. Und auch wenn es grundsätzlich viele eigenständige Künstler und Künstlerinnen mit einem eigenen Kopf gibt, ist der Trend deutlich zu erkennen, dass sich deutsche Rapper daran orientieren, was im Hinblick auf den Musikmarkt funktioniert und was massentauglich ist.

Was funktioniert sind vor allem einfache Melodien und Texte über Dominanz, Geld und Statussymbole. Also Dinge, an denen in unserer Gesellschaft Erfolg festgemacht wird. Es geht oft um den Weg von ganz unten nach ganz oben, um den Traum, den so gut wie jeder in unserer kapitalistischen Gesellschaft verfolgt. Nun möchten wahrscheinlich viele Eltern ihre Kinder vor übermäßig gewaltverherrlichenden oder sexistischen Texten bewahren, doch Kunst und insbesondere Rap war und ist ein Spiegelbild unserer Gesellschaft. Wer sein Kind vor Dingen wie männlicher Dominanz oder Kriminalität bewahren möchte, sollte sich wahrscheinlich eher einmal überlegen, welche Partei er oder sie bei der nächsten Wahl wählen sollte. Und vielleicht wendet man wirklich einmal Zeit für seine Kinder auf und ist selbst Vorbild, als jahrelang acht Stunden am Tag zu arbeiten, um sich letzten Endes das Auto zu kaufen mit dem man gut vor seinen Nachbarn dasteht. Materialismus, männliche Dominanz, Oberflächlichkeit: All das sind reale Probleme unserer Gesellschaft. All das ist ungeschönte Realität.

Rap verkörpert den Traum vieler junger Menschen: Geld, Anerkennung, Selbstbewusstsein, Erfolg. Und doch bleibt er das Sprachrohr für diejenigen, die eigentlich nur von diesen Dingen träumen können. Alles auf eine Karte setzen, Geld mit Musik machen. 

Beitragsbild: Alex Alexander bei Pexels.