Am letzten Wochenende fand in der Nacht vom 16.11. auf den 17.11. die vom AStA organisierte 24-Stunden-Vorlesung statt. Die Veranstaltung erfreute sich auch in diesem Jahr wieder großer Beliebtheit bei den Studierenden. Insbesondere zu Beginn war der Andrang groß. Es lohnte sich früh zu kommen, denn die Plätze im Hörsaal waren heiß begehrt. Ergo: Wer auf den letzten Drücker hereingeschlichen kam, musste stehen.
Bei dem bunten und abwechslungsreichen Programm war für jeden was dabei. Zumeist fanden mehrere Vorlesungen gleichzeitig statt. Das Angebot reichte von ernsten Themen wie „Ewiger Krisenherd Naher Osten? – Ursachen für das heutige Konfliktpotenzial in der arabischen Welt“ zu mehr unterhaltsamen, aber dennoch lehrreichen Vorträgen wie „Science Slam: Wie Pokémon dich zum Lernen motivieren“.

Ein Erlebnisbericht von Jule Tappmeyer, Anne Müller und Jennifer Voß   

Hier folgen unsere Eindrücke der Vorlesungsreihe:
Den Auftakt machte um 18 Uhr Dr. Gregor Gysi von der LINKEN. Er wurde von den Studierenden mit reichlich Applaus im vollen Hörsaal empfangen und redete „Über Gott und die Welt und die Probleme, die am 16. November 2018 konkret anstehen“. Sein Vortrag endete mit dem Appell: „Ihr müsst rebellischer werden. Lasst Euch nicht alles gefallen!“
(Für diejenigen unter Euch, die nicht mehr in den Hörsaal kamen: Keine Sorge, moritz.tv war exklusiv vor Ort. )

Wer es nicht mal mehr stehend zu Gysi geschafft hat, der war bei „Russische Medien in Deutschland“ auch gut aufgehoben. Ein sehr kritischer Blick auf die Nachrichten von Russia Today und Co, die im deutschen Fernsehen laufen, wurde mit Beispielen und Forschungsansätzen untermalt. Auch die neuen Facebook-Kanäle der Mutterkanäle wurden analysiert und skeptisch betrachtet.

Gleich im Anschluss dazu gab es den passenden Vortrag „Macht der Sprache – Demokratie im Zeitalter von Twitter, AfD und Trump“. Gehalten wurde der Vortrag von Dr. Serge Embacher von der Friedrich-Ebert-Stiftung. Der Dozent hat nach ausführlichen Definitionen von Demokratie, der Sprache der Macht und der Sprache der Demokratie, die Problemfelder der heutigen Massenkommunikation beleuchtet. Mit Beispielen, bei denen er sich selbst sehr pikiert hatte, untermalte er das selbst benannte Phänomen der „Plastiksprache“. Eine Sprache, mit der Politiker heute Ereignisse beschönigen oder dramatisieren zu versuchen. Als Lösungsansatz gab er uns mit, sich selbst im privaten Sprachgebrauch an der Erneuerung der politischen Sprache zu beteiligen. So soll das Argument wieder mehr wiegen als der Effekt.

Auch beim Science Slam von Dr. Daniel Hunold haben wir vorbeigeschaut. Als Experte für Pokémon zeigte er uns „Wie Pokémon dich zum Lernen motivieren“. Dafür nahm er uns mit in die Pokémon-Arena und lehrte, wie wir den Prokrastinator, den inneren Schweinehund und das Panikhuhn überlisten können. Außerdem konnten wir am Ende des Vortrags alle unsere Einkaufsliste tanzen. Eine simple Lernstrategie – und sind wir mal ehrlich: Wer will das nicht können?

Um 20 Uhr sollte der Vortrag des Bundestagsabgeordneten Philipp Amthor (CDU) zum Thema „Zu geheim für den Rechtsstaat? Aktuelle Fragen des Nachrichtendienstrechts“ stattfinden. Hörsaal 3 war gut gefüllt, jedoch mussten die Interessierten 25 Minuten warten, bis Amthor seinen Vortrag ohne Entschuldigung für die Verspätung eröffnete. (EDIT 21.11.: Zudem gab es auch technische Probleme in den Räumen, die den Beginn ebenfalls verzögerten) Der Vortrag, den er aus Zeitgründen abkürzte, trug Amthor souverän und sprachgewandt vor. Es war deutlich erkennbar, dass er mit der Thematik sehr vertraut war. Verfrüht beendete er dann jedoch den Vortragsteil, um in eine Fragerunde überzugehen. Nachfragen kamen sowohl zu den Inhalten der Präsentation, die vorangegangen war, als auch zu kontroversen Aussagen, die Amthor in einem Beitrag des Y-Kollektivs getätigt hatte. Mit erfrischender Offenheit, aber zum Teil auch nach bekannter Politikermanier ausweichenden Antworten, gab er so einigen Interessierten die Möglichkeit, sowohl seine Arbeit, als auch den Menschen Amthor besser kennenzulernen. Gegen halb 10 wurde die Fragerunde dann pünktlich beendet, auch wenn noch mehr Meldungen im Raum zu sehen waren.

Der Vortrag von Stefan Lukas vom Lehrstuhl für Allgemeine Geschichte der Neuesten Zeit wurde etwas nach hinten verschoben. Die „Ursachen für das heutige Konfliktpotenzial der arabischen Welt“ mit dem Titel „Ewiger Krisenherd Naher Osten?“ wurden auf historischer, ethnischer und religiöser Basis erläutert. Es wurden die wichtigen Knotenpunkte des Handels, Datenaustausches und des Öls auf der arabischen Halbinsel erläutert. Die Blockbildung zwischen dem Iran und Saudi-Arabien wurde erklärt und außerdem auf den Jemen-Krieg eingegangen. Viele neue und frische Aspekte, die in den Medien oft nicht erwähnt werden. Die Erklärung der Konflikte, die von der Aufteilung der arabischen Halbinsel der westlichen Großmächte im Ersten Weltkrieg ausgehen, wurde ausgeweitet und dessen Folgen gezeigt. Jeder einzelne von uns wurde aufgefordert, sich in noch so kleinen Diskussionen über Fremdenfeindlichkeit zu empören, materielle Unterstützung, und sei es ein Brief an die Ärzte ohne Grenzen, zu leisten und den Humor nicht zu verlieren.

Bei dem Vortrag „Gebraut und Unvergällt – was die Welt im Innersten zusammenhält“ von Hendrik Mengers wurden wir in die Bierbraukunst eingeführt. Folglich verließen wir den Vortrag mit dem nötigen Wissen, um unser eigenes Bier zu brauen. Welch eine Erleuchtung.

Um 24 Uhr ging es weiter mit PowerPoint-Karaoke. Im Prinzip handelte es sich hier um Karaoke, nur ohne Karaoke. Stattdessen gab es eine PowerPoint-Präsentation, die von Freiwilligen aus dem Publikum gehalten werden musste. Je lustiger, desto besser natürlich.

Nach einer kurzen Nachtruhe, waren wir um 12 Uhr wieder bei dem Vortrag von Roy Knocke aus dem Lepsiushaus in Potsdam über den „Völkermord an den Armeniern 1915/16: Genese – Verlauf – Folgen.“ Das Vortragsende ging auf die religiöse Einteilung im Osmanischen Reich im 19. Jahrhundert ein, in der Christen, also u. a. die christlichen Armenier, systematisch diskriminiert wurden. Auf das eigentliche Verbrechen der systematischen Ermordung der armenischen Minderheit 1915/16 ging der Referent etwas verkürzt ein, dafür wurden die vielfältigen, mehrschichtigen Hintergründe sehr detailliert erläutert. Obwohl Herr Knocke sehr bewandert in dem Thema wirkte, schien seine Vortragsweise etwas durcheinander. Nichtsdestotrotz war der Vortrag informativ und hat neue Einblicke in die Thematik geboten.

Unser letzter besuchter Vortrag war „Kapitalismus verstehen, um ihn im Interesse der Masse der Bevölkerung zu managen“. Der Professor Hartmut Elsenhans aus Leipzig begann damit, dass er extra nach Greifswald gekommen war, um uns zu schocken. Denn der Kapitalismus sei reformfähig. Er kritisierte das System Geld als Wertaufbewahrungsmittel, erklärte die unterschiedlichen Einkommen weltweit aufgrund des Wechselkurses und ging dem Kapitalismus mathematisch auf den Grund. Ein Vortrag mit etwas vollen PowerPoint-Folien, was aber doch sehr löblich für den 77-jährigen Referenten war.

Auch dieses Jahr war die 24-Stunden-Vorlesung wieder empfehlenswert. Manchmal eher packend und lustig, manchmal ernst und zum Nachdenken anregend. Und mit vom AStA bereit gestelltem Speis und Trank ließ sich alles gut durchhalten. Damit beenden wir diesen Artikel und freuen uns schon auf das nächste Jahr.

Beitragsbilder: Till Junker und Anne Müller