Eine Gruppe von fünf Greifswaldern will sich auf den 2.000 Kilometer langen Weg nach Griechenland machen, um ehrenamtliche Hilfe für geflüchtete Menschen zu leisten. 

Claudia, Lisi, Birigit, Laura und Benny stehen in den Startlöchern für eine Reise, die keine gewöhnliche ist. Sie fahren nicht in den Urlaub und erkunden auch keine Landschaften. Sie wollen die wohl größte Herausforderung ihres Lebens antreten. Lesbos, so heisst die drittgrößte Insel Griechenlands, die in der Vergangenheit als beliebtes Urlaubsziel galt. Gelegen an der außeneuropäischen Grenze, unweit des türkischen Festlandes, umgeben vom Mittelmeer, ist sie seit einigen Monaten der traurige Mittelpunkt europäischer Flüchtlingspolitik. Wie auch auf der Insel Lampedusa, vor der bereits viele Geflüchtete auf dem Weg nach Europa ertrunken sind, stranden hier hunderte, gar tausende von Menschen, auf der Flucht vor Vertreibung, Verfolgung und Terror. Sie alle wollen vor allem eines: in Sicherheit sein und ein besseres Leben führen. Doch die Situation vor Ort ist, wie auch in vielen anderen sogenannten Flüchtlingscamps, katastrophal. Die fünf Greifswalder wollen deshalb einen kleinen, aber wichtigen Beitrag leisten und praktische Hilfe vor Ort ausüben. Sie alle haben bereits regionale Erfahrungen in der Geflüchtetenhilfe sammeln können und wollen deshalb auch woanders Hilfe leisten. In einem Gespräch mit Lisi erfahre ich mehr über die aktuelle Planung.

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  • Was hat euch dazu bewegt, eine praktische Hilfsaktion aus Greifswald für geflüchtete Menschen auf Lesbos zu organisieren?

Die meisten von uns haben auch in Greifswald schon viel mit Geflüchteten gemacht und sind so in die Thematik eingearbeitet und interessiert. Da die Lage in Greifswald sich mittlerweile einigermaßen entspannt hat, während auf Lesbos katastrophale Zustände herrschen, kam die Idee auf, dort hin zu fahren und vor Ort zu helfen. Dank der großzügigen Spenden, die uns zukamen, können wir auch einiges an Hilfsmitteln mitbringen, die dort extrem dringend gebraucht werden.

  • Wie bereitet ihr euch darauf vor? 

Wir haben uns schon häufiger getroffen und alles durchgesprochen, von der Autovermietung, über die Unterkunft, bis zu den Hilfsmitteln, versuchen wir alles so gut wie möglich zu planen. Das Problem liegt für uns in der komplizierten und sich ständig ändernden Lage, die auch dafür gesorgt hat, dass wir uns aufgeteilt haben. Wir wissen nur grob, was auf uns zukommt, hoffen aber natürlich, dass wir uns gegenseitig unterstützen und helfen.
Das Netzwerk von Freiwilligen auf Lesbos ist auch ziemlich gut organisiert, weshalb wir über Facebook Kontakte knüpfen konnten und Anlaufstellen auf der Insel haben.

  • Wie lange werdet ihr dort Hilfe leisten? Was sind eure Hauptziele vor Ort? 

Wir werden zwei Wochen vor Ort sein und so viel helfen, wie wir können. Unser Hauptziel ist es den Menschen zu helfen, die dringend Hilfe brauchen. Es gibt viele Aufgaben, die anfallen können, sei es Essen kochen, aufräumen oder ganz andere Dinge. Wir werden uns vor Ort ein Bild von der Lage machen und dann dort mithelfen, wo wir am dringendsten gebraucht werden.


Der Einzelfall zählt

Wer es über die gefährliche Seeroute bis nach Lesbos geschafft hat, harrt aus und wartet, dass sich die europäischen Außengrenzen öffnen, wie beispielsweise entlang der Balkanroute. Die Gefahr der Rückführung und Abschiebung ist groß. Und mit der Zeit des Ausharrens und Wartens wächst zunehmend die Ungewissheit über die eigene Zukunft. Jüngst beschloss die Europäische Union (EU) ein Abkommen namens “Rückführung illegaler Migranten” mit der Türkei, bei dem alle Menschen, die seit dem 20. März 2016 in Griechenland gestrandet sind und kein Asyl beantragt haben oder beantragen werden, in die Türkei zurückzuschicken sind, während die EU im Gegenzug eine äquivalente Zahl von Syrern aufnehmen wolle.  Einem Bericht der Zeit zufolge dauere die Bearbeitung der Asylverfahren jedoch bis zu drei Monate, da die griechische Asylbehörde mit der Einzelfallbearbeitung nicht mehr hinterherkommt. In dieser Zeit müssen alle, egal ob Frauen, Kinder, ältere oder kranke Menschen, ausharren und in menschenunwürdigen Verhältnissen darauf hoffen, dass sich die Grenzen wieder öffnen und/oder sie nicht wieder zurück in die Türkei abgeschoben werden.

Gestrandete Menschen an der griechischen Küste

Gestrandete Menschen an der griechischen Küste

(Foto: Ben White/ CAFOD, October 2015, flickr, CC BY-NC-ND 2.0)

Denn seit 2013 gilt außerdem die Dublin-III-Verordnung, welche die Zuständigkeit für die Bearbeitung eines Asylantrages regelt. Demnach ist derjenige EU-Mitgliedsstaat verantwortlich, den ein Geflüchteter erstmalig betreten hat – in der aktuellen Entwicklung der Fluchtrouten können das also Griechenland oder Ungarn sein. Durch die Registrierung per Fingerabdruck in einem der besagten Staaten ist man in einer europaweiten abrufbaren Datenbank gespeichert, worauf die andere Asylbehörden zugreifen und im Schnellverfahren entscheiden können, ob sie für den Asylantrag zuständig sind oder nicht.  Geflüchtete auf Lesbos haben aktuell zwei Möglichkeiten: entweder sie beantragen Asyl in Griechenland oder sie werden zurück in die Türkei abgeschoben. In jedem Fall ist eines klar: eine geplante Weiterreise in andere europäische Staaten ist auf legalem Wege unmöglich und fördert damit nur die kriminellen Machenschaften von Schleusern. In diesen Wochen und Monaten muss sich die europäische Staatengemeinschaft mehr denn je fragen, wie es eigentlich um den Artikel 1 der europäischen Menschenrechtskonvention, nämlich der Verpflichtung zur Achtung der Menschenrechte, steht.

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Quelle: Tagesschau. de, (von Hubschraubern verfolgt, von Fischern gerettet, Stand: 31.03.2016 20:45 Uhr 

Spendenaktion und Soliparty

Bereits am 24. Februar startete das Vorhaben der fünf Greifswalder auf Deutschlands größter Spendenplattform. Unter “Volunteers for Lesbos – Greifswald hilft” gibt es seitdem die Möglichkeit, allgemein für das Projekt oder einen bestimmten Bedarf, zu spenden. Bis heute (Stand: 06. April) folgten dem Aufruf  60 Menschen und sorgten damit für eine Ausfinanzierung von etwa 78% des Gesamtprojektes. Insgesamt fehlen aber noch etwa 642 Euro, speziell bei der Reiseunterstützung der Helfer. Eine weitere Spendenmöglichkeit bietet die am Samstag stattfindende Soliparty Grenzenlos – Volunteers for Lesbos, deren Gesamterlös komplett in die Initiative fließen wird. Für die musikalische Unterhaltung sorgen an diesem Abend einige DJs sowie ein Überraschungsgast, die garantiert jeden Musikgeschmack und jedes Tanzbein erreichen werden.

Soliparty am 09. April um 22 Uhr im JUZ klex

Soliparty am 09. April um 22 Uhr im JUZ klex (Quelle: Facebook)

Bilder: Laura-Ann Schröder