Angiputzt_FlorianBonnDeutschlands Hochschulen fehlt Geld – viel Geld. Während anderenorts schon die ersten Institute und sogar Fakultäten geschlossen werden mussten, begegnet die Universität Greifswald den wohl unvermeintlichen Stellenstreichungen auf innovative Art: Sie führt nun sogenannte “SCTS” ein. 

“SCTS sind ähnlich wie ECTS, nur sozial” heißt es dazu von Seiten der “Social Studies”, einer Untergruppe des Projektes “Inter Studies”. Während bei den ECTS (European Credit Transfer System) die akademischen Leistungen der Studenten mit Punkten bewertet werden, werden mittels  SCTS soziales Engagement beurteilen. Alle Studenten der Universität Greifswald müssen dafür ab dem heute beginnenden Sommersemester das verpflichtende Modul „General Social Practice“ belegen, für das es insgesamt zehn SCTS gibt.

„Ich freue mich, dass die Universitätsleitung das Prinzip der solidarischen Universität auf so innovative Art und Weise umsetzt“, erklärt das studentische Senatsmitglied Erik von Malottki, „ 1000 Stunden in den akademischen Gremien zu sitzen, um dafür die SCTS zu erhalten, sind doch kein Problem.“ Weil zwischen dem Studentenwerk, “Social Studies” und der Referentin für Soziales des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA), Sylvia Mehnert, bis zuletzt ausgearbeitet wurde, wie genau die Punkte vergeben werden, blieb eine Information der Studierenden bisher aus.

Keine kostenlose Arbeitskraft sondern Berufsvorbereitung

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Ob es auch für Sachspenden an den AStA SCTS geben wird, ist noch offen.

Um in der Regelstudienzeit genügend Punkte zu erzielen, gibt es ein sogenanntes Fast-Track-System. Hier können Studenten ihre SCTS mit Arbeiten wie Abwaschdienst in den Mensen, Reinigen von Hörsälen, Fluren oder Seminarräumen, aber auch andere Aufräumaktionen erbringen. Für höhere Semester besteht die Möglichkeit, ihre SCTS durch das Halten von Lehrveranstaltungen oder Sekretariatsdienste zu erhalten. 30 Stunden entsprechen dabei einem SCTS. Den Vorwurf, dass es sich dabei um ein Ausnutzen der Studenten als kostenlose Arbeitskraft handele, wies der Kanzler der Universität, Dr. Wolfgang Flieger, empört zurück. „Einer Alumni-Umfrage zufolge hätten sich viele Absolventen eine solche Vorbereitung auf ihr Berufsleben gewünscht“, erklärt er, „Aus diesem Grund haben wie die SCTS in das Lehrprogramm mit aufgenommen.“ Dass durch dieses Modell massive Stelleneinsparungen vor allem beim nicht-wissenschaftlichen Personal möglich seien, wäre nur ein glücklicher Zufall. Allerdings ist noch nicht genau bekannt, wie hoch genau die Einsparungen sind – das muss sich im Sommersemester erst einmal herausstellen.

Auch von Urgesteinen der Greifswalder Universität gab es begeisterte Zustimmung. So erklärte der Geschichtsprofessor Dr. Horst Wernicke, dass die Ernteeinsätze während seiner Studienzeit immer ein besonderes Highlight waren. „Sie werden ihre Kommilitonen nirgendwo besser kennenlernen als auf einem vorpommerschen Kartoffelacker bei Wind und Regen.“ Seine Vorschläge für eine Ausweitung des Modells fanden aber keine Mehrheit im Senat. Ganz aufgegeben ist seine Vision noch nicht: Mitglieder des RCDS wollen in der nächsten Sitzung des Studierendenparlaments (StuPa) dem AStA einen Arbeitsauftrag erteilen, Public Private Partnership-Modelle mit lokalen Agrarunternehmenzu prüfen. Das neue StuPa-Mitglied Olaf Evers kündigte Unterstützung seitens der Grünen Hochschulgruppe an, so lange die Zusammenarbeit auf Biobauern beschränkt sei.

Fotos: Florian Bonn, Corinna Schlun (Sachspenden, Archiv)