Der Wind weht kräftig in Friedland. Leicht, aber nur kurz kommt Sonnenschein auf, bis dieser von einem leichten Sprühregen weggespült wird. Am Samstag ziehen NPD-Anhänger und Gegendemonstranten durch die Friedländer Straßen. Am Stadtrand soll ein ehemaliger Wohnblock in ein Asylbewerberheim umgebaut werden. Rund 80 Flüchtlinge sollen darin Anfang 2014 unterkommen. Als Reaktion darauf meldete die NPD für den 9. November eine Demonstration durch Friedland an, die sich gegen das Asylbewerberheim und die deutsche Flüchtlingspolitik richtet.
Dabei wurde der Tag der Reichspogromnacht vor 75 Jahren gewählt, in der bei vom nationalsozialistischen Regime gelenkten Gewaltausschreitungen hunderte Synagogen und andere jüdische Einrichtungen zerstört und angezündet wurden. Allein in dieser Nacht fielen über 300 Juden der Gewalt zum Opfer.
Als Gegenreaktion organisierten Friedländer Bürger das Bündnis ”Friedland – friedliches Land”, das sich von der NPD-Demo distanziert und Solidarität mit den Flüchtlingen bekundet. Man müsse die Angst vor Überfremdung überwinden, meint Friedlands Bürgermeister Wilfried Block beim Friedensfest an der Ruine der Nikolaikirche. “Man braucht Mut dazu, um ein Zeichen für Toleranz und Menschenrechte zu setzen und darum sind wir hier. Wir sind mehr”, rief Block den Bürgern an der Mahnwache zu.
An den Infozelten verteilt Karoline Preisler Zahnbürsten mit dem Aufdruck “Schlechter Geschmack? NPD wegputzen!”. Sie ist Zahnärztin in Barth und kam, um ihre Solidarität mit den Flüchtlingen kundzugeben. In Barth soll bald auch ein Asylbewerberheim errichtet werden und zukünftige NPD-Aktivitäten scheinen darum nicht unwahrscheinlich zu sein, ”ich hoffe, dass eine ähnliche Unterstützung von den Bürgern in Barth ausgeht.”
Friedland ist eine Kleinstadt im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte und hat, wie viele andere Dörfer und Kleinstädte in der Region, mit dem demographischen Wandel zu kämpfen. Ein hoher Altersdurchschnitt und eine stetige Abwanderung lässt die Stadt in eine skeptische Zukunft blicken. So etabliert sich in Friedland seit einigen Jahren eine aktive rechte Szene.
”Unsere Kneipe ist keine Plattform für politische Aktivitäten. Hier steht der Spaß an der Musik und am Feiern im Vordergrund” – so wirbt die Musikkneipe ”Endstation” um Besucher. Ein Blick auf die Veranstaltungen scheint etwas anderes zu verraten, viele der aufgelisteten Musikgruppen stammen aus der rechten Szene, mit dabei auch die Gruppe ”Limited Booze Boys”. Über den Gitarristen kursieren Gerüchte, er habe Ende der neunziger Jahre in Verbindung mit dem späteren NSU-Trio Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe gestanden.
NPD-Mobilisierung fehlgeschlagen
An verschiedenen Stationen der NPD-Route sind Mahnwachen angelegt, die von diversen Bündnissen, Vereinen, Parteien und Privatpersonen organisiert werden. Die Polizei schätzt, dass dabei und bei dem Friedensfest “deutlich über 300 Personen” beteiligt sind. Außerdem zogen mehrere Gruppen durch die Straßen. Daniel E. hat eine Mehrzahl von Gründen, warum er sich am Protest beteiligt: ”Natürlich ist es auch die NPD-Demo, da bin ich gerne bereit, meinen Mund klar und deutlich aufzumachen.” Zudem findet er es erschreckend, wie stark sich Rassismus in der Mitte der Gesellschaft etabliert habe.
Julia Gärtner, Sprecherin des “Rassisten Stoppen”-Bündnis, wertet die Proteste als Erfolg. ”Vor einigen Jahren wäre so etwas in MV kaum denkbar gewesen. Da gibt es eine positive Entwicklung.” Jedoch kritisiert Gärtner das Vorgehen der Polizei. Die Vorkontrollen an den Bussen, mit denen viele Protestler anreisten, sollen von einem Beamten mit Maschinenpistole begleitet worden sein. ”Hier wird ein völlig absurdes Szenario gezeichnet, dass durchaus geeignet ist, Menschen zu verängstigen und sie davon abzuhalten, gegen Neonazis auf die Straße zu gehen”, meint Gärtner.
In vier Gruppen aufgeteilt ziehen die, laut Bündnis, rund 300 Protestler durch die Friedländer Straßen, um den NPD-Demonstrationszug zu stören. Dies hatte vor allem eine symbolische Wirkung. Sitzblockaden gibt es nur vereinzelt. Die Demoroute wird fast wie geplant abgelaufen. Allerdings haben die 350 eingesetzten Polizeibeamten trotzdem Schwierigkeiten, die Gegendemonstranten vom NPD-Umzug fernzuhalten. “Unser Ziel war es eine ungestörte Ausübung der Versammlungs- und Meinungsfreiheit aller Veranstaltungen in Friedland zu gewährleisten. Dementsprechend war auch unser Einsatzkonzept entwickelt worden. Störversuche wurden von uns im Ansatz erkannt und unterbunden, sodass es zu keinen schädigenden Ereignissen kam”, erzählt Kriminaldirektor Siegfried Stang, verantwortlicher Polizeiführer des Einsatzes, der sich mit dem Gesamtverlauf zufrieden zeigt.
Von den Passanten werden die Aktivisten mit gemischten Reaktionen empfangen. Manche winken, klatschen und bedanken sich, andere rufen ihnen ”Sieg Heil!” zu.
Zwischen den Bannern und Schildern, die mit Aufschriften wie ”Wir sagen nein. Schwerin gegen Überfremdung” und ”Nein zum Asylheim. Deutsche Gelder für Deutsche Interessen” versehen wurden, erblickt man einige NPD-Kader, unter anderem den stellvertretenden Bundesvorsitzenden und Landtagsabgeordneten Udo Pastörs, sowie Stefan Köster, der NPD-Landesvorsitzender ist. Mit rund 200 Teilnehmern bleibt der NPD-Aufmarsch unter den Erwartungen. Zwar gelingt es, einige Bürger zum Mitlaufen zu überzeugen, jedoch besteht der Großteil des Protestzugs aus angereisten NPD-Anhängern. Ein ähnlicher Erfolg wie in der sächsischen Stadt Schneeberg misslang.
Am Ende der Demonstration stehen auf dem Marktplatz etwa 230 NPD-Anhänger über 400 Gegendemonstranten, sowohl aus dem linken als auch aus dem bürgerlichen Lager, gegenüber. Mit viel Lärm versuchen sie die Rede Pastörs zu übertönen, der in gewohnter Manier gegen alles Fremde hetzt. Er lässt es sich nicht entgehen, die Gegendemonstranten zu denunzieren, in dem er ihnen vorwirft, Jugendliche durch Alkohol und Drogenkonsum dazu zu verleiten, bei solchen Aktionen teilzunehmen.
Kurz geht er auf außenpolitische Themen ein und bezeichnet Washington und Tel Aviv als Völkermordzentralen. Als Pastörs das Wort “Israel” in den Mund nimmt, wird der Stecker aus den Verstärkern gezogen. Offenbar möchte die NPD vermeiden, dass es auf etwaige Beiträge zur ”jüdischen Weltverschwörung” hinausläuft. Pastörs schaut daraufhin verwirrt in die Menge. Er tauscht sich kurz mit einem Mitarbeiter zu seiner Rechten aus. Pastörs nickt. Die Verstärker werden wieder angeschaltet und er fährt mit seiner Rede fort, wendet sich aber bis zum Ende der Veranstaltung nur noch der Kriminalisierung von linken Aktivisten und Flüchtlingen zu.
Entstanden unter Mitarbeit von Laura Hassinger.
Fotos: Natalie Rath, Anton Walsch, Simon Voigt
Die Redaktion hat sich entschieden, die Gesichter der Gegendemonstranten unkenntlich zu machen. Dies geschah auf Wunsch Einzelner und dient ihrem Selbstschutz.
Warum macht Ihr Euch die Mühe die Postion eines unabhängigen Beobachters zu simulieren? Die NPD hatte laut Nordkurier 200 Personen zu der Demonstration angemeldet. Wenn nun 240 aber kamen, wie bemißt sich da das Scheitern. Schneeberg?
Wenn Euer Unkenntlichmachen von Gegendemonstranten dem “SELBSTschutz” dient, dann seid ihr ja in der Tat die gleichen Leut` 😉
Während Pastörs der Gegenseite vorwirft, Alkohol und Drogen als Lockmittel zu nutzen, befanden sich in der NPD-Demonstration Berichten zufolge zahlreiche stark alkoholisierte Personen, die in ihrem Rauschzustand mehrmals versuchten, die Situation zu eskalieren. Besoffene als Mobilisierungspotential der Neonazis, hinterher wieder rumheulen, dass alle Medien angeblich falsche Zahlen nennen und mit knapp 200 Leuten denken, man vertrete die schweigende Mehrheit. Alles in allem wieder eine ziemlich peinliche Nummer, eine versandete Provokation, eine Selbstdemontage. Weiter so!
Sebastian Schmidtke, der am Samstag als Redner auftrat, steht übrigens diese Woche u.a. wegen Volksverhetzung, Gewaltdarstellung und Verstößen gegens Jugendschutzgesetz vor Gericht. http://www.rbb-online.de/politik/beitrag/2013/11/…
Noch etwas Käse zum Whine?