Demo_Schwerin-Carsten_SchönebeckAnmerkung der Redaktion: Schwerin hier, Schwerin da, überall ist nur noch von der landesweiten Demo in der kommenden Woche die Rede. Auf dem webMoritz hatten bisher vor allem die Befürworter und Organisatoren viel Platz bekommen, um ihre Meinung zu verbreiten. In folgendem Gastkommentar vertritt Student Oliver Gladrow die Gegenposition.

Liebe Freunde der gepflegten Debattenkultur,

Mathias Brodkorb (SPD) hängt den Brotkorb der Hochschulen dieses Bundeslandes höher. Oder auch nicht. Man weiß es nicht. Es ist mit der Finanzierung der Hochschulen ein bisschen wie mit Schrödingers Katze. Man weiß nicht, ob die Hochschulen leben oder tot sind. Wegen dieses Schreckensszenarios der sterbenden Uni sind wir alle wütend. Mit Recht! Und wenn Studenten wütend sind und sich Gehör verschaffen wollen, dann veranstalten sie eine Demonstration. Doch sollte man wirklich am Dienstag nach Schwerin fahren, wie es zum Beispiel die Moritze hier, hier und hier nahe legen? Mit drei guten Gründen sage ich „Nein“! Der Klimawandel, die Landtagswahl in 2016 und das öffentliche Bild des Studenten geben keinen Anlass gen Mecklenburg zu ziehen.

Zu meinem ersten Punkt, dem Klimawandel: Die Universität und insbesondere die Studierendenschaft haben sich auf die Fahnen geschrieben, eine CO2-neutrale Uni zu werden. Dieser Anspruch ist maßgeblich für viele (nicht kostenlose) Bemühungen der Vergangenheit und Zukunft. Welches Zeichen wäre es jetzt, wenn wir (des schnöden Mammons wegen) auf dem Weg nach Schwerin mit zahlreichen Bussen CO2 in die Luft blasen? Wenn dies das Mittel der Wahl ist, dann wird die einzige Spur, die diese Demo in der Universitätsgeschichte hinterlässt, ein ökologischer Fußabdruck sein.

2. Landtagswahl 2016: Kluge Geister mögen anregen, dass wir die Uni schon einmal gerettet haben. 2010 war das. In zeitlicher Nähe zu einer Landtagswahl, aus der Erwin Sellering (SPD) als direkt gewählter Abgeordneter in Greifswald und Ministerpräsident Mecklenburg Vorpommerns hervorging. Wo ist Erwin Sellering heute? Man weiß es nicht. Wenn man in der webmoritz-Suche das Suchwort „Sellering“ eingibt, dann ist die letzte Eintragung vom 5. September 2011. Die Landtagswahl 2016 werden viele Studenten von heute in einem anderen Bundesland miterleben und für die Kommunalwahl 2014 braucht der Ministerpräsident sich (im Gegensatz zu studentischen Interessenvertretern) auch nicht zu profilieren. Welchen Effekt hätte so eine Demo also? Vermutlich keinen.

3. Bild des Studenten: Studenten stehen zur Mittagszeit auf, gehen in die Mensa und genehmigen sich eine Runde Mittagsschlaf, um schließlich für die Party/Kneipentour am Abend fit zu sein – so das gängige Klischee. Wie soll eine stundenlange All-inclusive-Demo (Transport, Verköstigung, musikalisches Rahmenprogramm) dieses Bild nachhaltig aufbrechen? Es geht schlicht nicht.

Aus diesen drei Gründen: Weil die Demo dem Ziel der CO2-Neutralität entgegenläuft, weil vor 2015 kein effektiver Druck auf die entscheidenden Akteure ausgeübt werden kann und weil das Bild des Studenten in der Öffentlichkeit sich weiter verschlechtern würde gegen die Demo!

 

Disclaimer des Autors: Dieser Beitrag ist ein Debattenbeitrag wie er sich zum Beispiel bei der Debatte eines Debattierclubs wiederfände. Die dargestellte Meinung gibt nicht zwingend die Meinung des Autors wieder. Tatsächlich würde der Autor vermutlich am Dienstag nach Schwerin fahren, wenn er denn Zeit hätte.

Foto: Carsten Schönebeck/ webMoritz-Archiv (Lehramtsdemo in Schwerin 2010)