Christine Fratzke (22) schreibt gerne und viel - klar, sie studiert ja auch Germanistik. Zum Beispiel: To-do-Listen, Artikel, Postkarten (zuletzt aus Kopenhagen), facebook-Nachrichten und Bachelorarbeit. Seit 2007 ist sie bei den moritz-Medien und gehört mittlerweile zum Inventar.

Vergangenes Wochenende feierte eine Freundin ihren 21. Geburtstag – zum dritten Mal. Witze, die auf ihr Alter anspielten, fand sie nicht sehr lustig. Nach der Party konnte ich lange nicht schlafen und dachte nach: Warum steht sie nicht zu ihrem neuen Lebensjahr? 24. Das ist doch kein Alter! Und wie sieht das bei mir aus? Habe ich mich nicht neulich über die Lachfältchen, die sich bei mir so langsam um die Augen- und Mundpartie schleichen, erschrocken? Bei anderen finde ich sie sympathisch, bei mir eher überraschend und irgendwie auch unheimlich. Kann ich auch nicht zu meinem Alter stehen? Ein wenig verunsichert fragte ich am Freitagabend dann in einer gemütlichen Runde meinen Gegenüber: „Wie alt, denkst du, bin ich?“ Er, keine Sekunde später: „35!“ Was ein Scherz sein sollte, fand ich gar nicht mal so witzig. Blitzschnell um 13 Jahre älter. Und das, obwohl ich einen Hello Kitty-Ohrring trug und beim Lottospielen immer nach meinem Ausweis gefragt werde! Nachdenklich fragte ich mich so langsam – frei nach Britney Spears – selbst, was ich eigentlich bin: Kein Mädchen mehr, aber auch noch keine Frau?

Ich wollte es wissen und machte den Teenager-Test mit DER Zeitschrift für Jugendliche. Etwas verschämt ging ich in einen Kiosk, schnappte mir die Bravo und kaufte noch eine Alibi-Neon dazu. Zuhause angekommen war ich neugierig. Fing an zu blättern: „Goldgang – die Twilight-Clique“. Die Filme habe ich nicht gesehen. Weiter geht’ s. „Jetzt zerbricht die DSDS-Clique!“ Nicht so spannend. Sehe mir die Bilder an, dann blättere ich weiter. Es folgt ein „aufrüttelnder“ Bericht über Miley Cyrus: „Frecher BFF-Tausch!“ Was ist denn jetzt BFF*? Ich google den Begriff, bin zunächst aber auch nicht klüger. Bund Freischaffender Foto-Designer ist das erste Suchergebnis. Verwirrung. Die Hälfte der „Stars“ kenne ich auch gar nicht. Frustration macht sich breit, da hilft auch das „tolle“ Extra nicht – „18 coole Star-Nagelsticker“ im Zebralook. Vielleicht gibt es ja bei Dr. Sommer was Interessantes. Erst einmal fehlen die Nackten, die es zu meiner Bravo-Zeit noch gab und die ich vor zehn Jahren sehr spannend fand. Dann: „Muss ich mir meine Schamhaare rasieren?“, fragt Marlene, 14. Ich schlage die Zeitschrift zu.

Die Nackten gibt es nicht mehr in der Bravo. Dafür aber auf dem aktuellen NEON-Magazin.

Ich bin kein Teenager mehr, das merke ich schnell. Vor zehn Jahren las ich die Bravo regelmäßig, fütterte mein Fan-Wissen und hing Poster in mein Zimmer. Heute war die Lektüre der Jugendzeitschrift eher verwirrend. Aber so richtig erwachsen fühle ich mich auch nicht, obwohl ich seit ein paar Jahren nicht mehr zu Hause wohne und mein Leben größtenteils alleine im Griff habe. Ist etwas Wahres an dem alten Spruch dran, den mir meine Freundin Mareike neulich beim Mittagessen sagte: „Man ist so alt, wie man sich fühlt“? Klingt zwar abgedroschen, aber irgendwie macht er für mich Sinn. Es ist doch egal, welches Geburtsjahr im Ausweis steht!

Ich fühle mich wie Anfang 20 und bin beruhigt. Nachdem ich dann die Bravo weglegte, stellte ich fest: Eigentlich bin ich zu jung, um mir Sorgen über mein Alter zu machen. Und fing an, in der Neon zu lesen.

* BFF, das sagte mir später Tim beim Bier, heißt übrigens „Best Friend Forever“.

Fotos: Gabriel Kords (Porträt), Jakob Pallus (Grafik), Christine Fratzke

Dieser Text ist Teil des webMoritz-Projekts “fünf x fünf – Die Kolumne”. Vom 20. Juni bis 22. Juli schreiben werktags fünf Autoren an je einem festen Tag eine Kolumne für den webMoritz. Weitere Infos gibt es hier. Morgen ist an der Reihe: Torsten Heil.