Oleg Maximov (23) studiert in Greifswald Kunstgeschichte und Wirtschaft auf B.A. Er arbeitet seit 2008 vor und hinter der Kamera bei MoritzTV. Nebenbei interessiert er sich für jegliche (pop-)kulturelle Bereiche und das Feiern.

„Mama, was ist eigentlich Sperma?“, fragte das kleine Mädchen. Vor ihr war ein Glaskasten, in dem 18 Liter dieser Substanz in Glaszylindern ausgestellt waren. Ich stand daneben und fragte mich, was ich eigentlich in meinem desaströsen Zustand hier zu suchen hätte. Und dass ich mein Vergangenheits-Ich nicht mag.

Den Abend davor hatte ich Musik im Ravic aufgelegt. Es gibt dabei nicht viel zu beachten. Sie sollte nicht zu laut und nicht zu grenzwertig sein. Es sei denn, das Publikum will es so. Dem Publikum war es an diesem Abend scheißegal.

Neben mir an der Bar saßen „die drei Weisen“. Sie waren Spezialisten darin, einem auf den Sack zu gehen. Während „Weiser Nr. 1“ nach einem Song fragte, der irgendwas mit Ibiza hieße, grinste der „Weise Nr. 2“ hämisch in meine Richtung. Der Dritte saß die ganze Zeit nur grenzdebil strahlend daneben. Den Interpreten oder den Titel konnte mir „Nr.1“ natürlich nicht nennen. Stattdessen fuchtelte er mit seinem Smartphone vor meinem Gesicht herum, auf dem er per Google herausgefunden hatte, wie Ibiza richtig ausgesprochen wird: „Ibitsa“ nämlich und dass er hier auch sehen könne, wie es aussieht. Oha.

Wahrscheinlich hatte er diesen Song irgendwann bei einem dieser 3-Sterne-Hotel-Partys gehört. Ein Mitt-40er Animateur hatte diesen auf seinem, auf Automatik gestellten Piano gespielt. „Nr.1“ versicherte mir ja , dass er schon fünf Mal auf Ibiza gewesen sei. Und dass er sowieso alles besser wisse.

Literweise Haifischsperma dürfen im Ozeaneum selbst von kleinen Kindern bestaunt werden.

Meine Verwirrung amüsierte die drei Methusalems. So wurde zwei Stunden lang, wie auf dem Schulhof, über die Musik und den DJ gelästert. Dem Eremiten von den Dreien war die Musik nicht intensiv genug. „Sie muss Dich tief treffen, BÄM, hier drinnen“ – erklärte dieser, während er auf seine Brust einschlug. Ihr wisst schon: Wie in den Tierfilmen, in denen es um das Paarungsverhalten von Grausilberrückengorillas geht. Leider interessierten ihn meine Erklärungen, warum ich diese meine Songs mag, überhaupt nicht. Ich trank einen weiteren Cuba Libre. Meinen sechsten zu diesem Zeitpunkt. So nach und nach leerte sich die Bar. Der Bärtige mit dem intensiv ignoranten Musikgeschmack saß noch auf seinem Platz. Seit über 30 Minuten sprach er kein Wort. Stattdessen musterte er mich, während er im maschinellen Tempo eine Salzstange nach der nächsten zerkaute.

Die Erlösung kam mit meinen Freunden. Betrunken und gut drauf. Vernünftigerweise hätte ich zu diesem Zeitpunkt nach Hause gehen sollen. Meine Eltern waren zu Besuch in der Stadt und wollten morgen früh nach Stralsund ins Ozeaneum fahren.
Egal. Ich wollte feiern. Das Zukunfts-Ich war mir egal. Was zählte, war das Jetzt. Der Suff. Die Musik. Die Party. Erst nach weiteren drei Longdrinks war ich endlich im Bett.

Da war ich also, müde, verkatert und halbbesoffen in einem Museum für Nord- und Ostseefische. Wenn eure Eltern Ausflüge mit euch machen wollen, versucht nicht auch noch, Party bis zum Morgengrauen zu feiern! Ihr wollt nicht in einem Meer aus Familien mit kreischenden Kindern und sinnlos vor sich hin brabbelnden Rentnern mit euren fischbegeisterten Eltern landen. Ich muss jedoch zugeben, dass die etlichen Becher der Pimmelrotze vom Riesenhai, der zweitgrößte lebende Fisch der Welt, schon irgendwie faszinierend sind. Aber das sind Greifswalder Abende auch.

Foto: Oleg Maximov (Pimmelrotze), Gabriel Kords (Porträt), Jakob Pallus (Grafik)

Dieser Text ist Teil des webMoritz-Projekts “fünf x fünf – Die Kolumne”. Vom 20. Juni bis 22. Juli schreiben werktags fünf Autoren an je einem festen Tag eine Kolumne für den webMoritz. Weitere Infos gibt es hier. Am Montag ist wieder an der Reihe: Christine Fratzke.