Sophie Lagies (22) schreibt seit über zwei Jahren für das moritz-Magazin, und leitet dort seit Ende letzten Jahres das Ressort "Feuilleton". Die Wahl ihrer Studienfächer Musikwissenschaft & Anglistik/Amerikanistik zeigt ihr Interesse an Kultur und Sprache. Bis 2008 lebte sie im Provinzstädtchen Wittenburg bei Hamburg.

Gerade befinden wir uns mal wieder im größten Prüfungswahn – so viele Prüfungen, so wenig Zeit, so viel schönere Dinge im Leben. Ein ständiges Hin und Her der Gefühle, das schlechte Gewissen omnipräsent im Nacken, den Musterstundenplan im Hinterkopf. „Ich müsste das Buch noch lesen“ und „verdammt, nur noch zwei Wochen bis“ dominieren die Gespräche in der Mensa; vor der Unibibliothek bilden sich bereits vor acht Uhr lernhungrige Studenten und warten auf den Einlass. Nach nunmehr sechs studierten Semestern meinerseits stelle ich langsam, aber sicher fest: Die Idee der Regelnstudienzeit von sechs Semestern ist bei einem Großteil der Studierendenschaft von vornherein zum Scheitern verurteilt.

Mittlerweile bin ich jedoch diesbezüglich zu einem passablen Konsens gekommen. Und der lautet: Scheiß doch drauf!

Ganz im ernst: Welcher Arbeitgeber möchte denn lieber einen Absolventen einstellen, der sein Studium in Rekordzeit abgeschlossen hat, dafür aber keine Zeit mehr für kulturelle Vergnügungen, den Aufbau sozialer Kompetenzen, Horizonterweiterung im Auslandssemester und die eigene Persönlichkeitsfindung hatte? Ich als Arbeitgeber würde Letzteres mit ein paar Semestern mehr auf dem Buckel nun wirklich vorziehen.

Als reine Lernmaschine durchs Studium? Das kann es doch nicht sein, findet Sophie Lagies.

Hierbei gilt natürlich nicht die Parole “Je länger, desto besser”. Das lässt eher auf Lebenschaos und fehlender Selbstdisziplin schließen. Doch bin ich der Meinung, dass diejenigen unter uns, die in ihren Prüfungen nicht nur als wissenauskotzende Musterstudenten fungieren möchten, welche im Endeffekt nichts vom Gelernten verstanden haben, schlichtweg keine fünf bis acht Prüfungen pro Semester machen können. Denn dann bliebe tatsächlich keine Zeit mehr für andere Interessen, man könnte sein eigenes Zimmer in der UB beziehen und den Kontakt zur Außenwelt aufgeben. Nein, danke! Alleine der Fakt, wie sehr ich mich innerhalb der letzten sechs Semester gewandelt habe und was ich vor allem fernab der Unigemäuer gelernt habe. Ich möchte wirklich nicht tauschen mit meinen Kommilitonen, die nun bereits an ihrer Bachelorarbeit feilen.

Jeder ist seines eigenen Glückes’ Schmied und bestimmt den Zeitplan für sein Leben bestenfalls selbst. Das „Müssen“ kommt noch früh genug auf einen jeden von uns zu, da sollte man doch die Zeit des „Noch Könnens“ einfach genießen, der Prokrastination frönen und sich nicht von den Vorzeigestudenten unterbuttern lassen.

Wie ihr seht, kommt es einzig und allein auf den Blickwinkel an, in dem man die Tatsachen betrachtet – und schon wird aus einem nagenden Gewissen ein ausgeklügelter Lebensentwurf…

Foto: Gabriel Kords (Porträt), Mariesol Fumy via jugendfotos.de (Motiv-Foto), Jakob Pallus (Grafik)

Dieser Text ist Teil des webMoritz-Projekts “fünf x fünf – Die Kolumne”. Vom 20. Juni bis 22. Juli schreiben werktags fünf Autoren an je einem festen Tag eine Kolumne für den webMoritz. Weitere Infos gibt es hier. Morgen ist an der Reihe: Oliver Wunder.