“Ich bin kein netter Mensch und das wird nicht der Wohlfühlfilm des Jahres.”

Was will uns der weißhaarige Mann auf dem Bild sagen? „Ich hatte im Frühjahr 2008 Zeit für ein Filmprojekt und meine Agenten machten mir den neuesten Woody Allen-Film schmackhaft. Würde ich Allen nicht schon seit Jahren kennen, ich hätte ihm niemals zusagt, denn sein Drehbuch ist scheußlich.“ Natürlich sagt der Abgebildete nicht diese Worte. Er durchbricht zu Beginn von „Whatever Works“ (2009) in brechtscher Manier stattdessen die vierte Wand zwischen Darstellern und Publikum, faselt seinen Monolog über den Sinn des Lebens und sagt uns als Zuschauern direkt ins Gesicht: „Dies wird nicht der Wohlfühlfilm des Jahres“. Leider hat er damit Recht.

Wenn ein Regisseur wie Allen jedes Jahr einen neuen Film schreibt, inszeniert und teilweise darin auch mitspielt, ist diese Leistung hoch anzurechnen. Und ebenfalls hoch anzurechnen ist es europäischen Finanziers, die den Filmemache aus seiner New Yorker-Stube herausholten. „Match Point“, „Scoop“ und „Cassandras Traum“ wurden in Großbritannien gedreht und für „Vicky Cristine Barcelona“ zog es Allen in die titelstiftende spanische Metropole. Seinen jetzt auf DVD und Blu-Ray-Disc erhältlichen Film drehte er hingegen wieder in New York und die filmische Rückkehr in die heimischen Gefilden scheint ein künstlerischer Rückschritt zu sein.

Fehlende Überraschungen

Woody Allen holte mit „Whatever Works – Liebe sich wer kann“ ein in den 1970er Jahren geschriebenes Drehbuch wieder aus der Schublade hervor. Diese Zeit gehört zu seinen kommerziell und künstlerisch erfolgreichsten Schaffenszeitraum. In „Der Stadtneurotiker“ (1977) kreierte der Filmemacher die typische männliche Hauptfigur seiner Werke, einen intelligenten, pessimistischen Großstadtbewohner, der ohne den regelmäßigen Besuch beim Psychiater keine sozialen Beziehungen pflegen kann. Auch der für zwei Oscars nominierten Film „Manhattan“ (1979) entstammt Allens erster kreativer Hochphase.

Und nun erscheint „Whatever Works“, der – so wird es kolportiert –nur geringe Änderungen am Drehbuch gegenüber dem Entstehungszeitpunkt aufweist. Auch wenn mit Larry David ein bekannter Schauspieler (Macher und Darsteller der US-Serien „Seinfeld“ und „Lass es, Larry!“) die Hauptrolle übernahm, scheint den ganzen Film über Allen in Davids Körper zu stecken.

Die Hauptfigur ist der klassische Pessimist aus Allens vorherigen Filmen. Neben einem negativen Menschenbild leidet der gescheiterte Physik-Professor Boris auch an eingebildeten Krankheitsbildern und sieht sein eigenes biologisches Ende, welches ja bekanntlich jeden Menschen treffen wird, als Bestätigung für den Unsinn namens Leben.

Viele Worte mit “Wahrheiten” über das Leben spricht Boris Yellnikoff (Larry David) aus, doch für Melody (Evan Rachel Wood) steckt mehr Wahrheit in ihrem Eis von Ben & Jerry’s.

Wie kann es anders sein, wird sein Leben durch eine junge und für ihn geistig minderbemittelt Frau aus den Südstaaten durcheinandergebracht. Die von Evan Rachel Wood dargestellte Melody ist neu in New York und steht auf einmal vor Boris Tür. Unfreiwillig nimmt er die Südstaatenprinzessin bei sich auf, möchte sie aber so schnell es geht wieder los werden. Doch aus zwei Tagen werden mehr. Boris erweist seine Stadtführungsfähigkeiten – die Sehenswürdigkeiten von Woody Allens Heimatstadt New York werden abgeklappert – und bald sind beide sogar miteinander verheiratet. Und dass obwohl Boris zwei Generationen älter als Melody ist und Sex für ihn keine Rolle mehr spielt.

Als dann Melodys Eltern vor der Tür stehen, erleben die religiösen Südstaatler anfänglich einen Kulturschock bei der Begegnung mit dem liberalen und wenig gottesfürchtigen Ostküstenbewohner. Die urbane Umgebung übt seine Wirkung auf die Eltern aus und dabei ist ein weiteres Mal spürbar, dass Allens Drehbuch aus der Vergangenheit stammt. Melodys Mutter legt ihre spießigen Kostüme ab, kleidet sich einer Künstlerin entsprechend und legt sich in ihrem zweiten Frühling zwei neue Partner gleichzeitig zu. Melodys Vater hingegen erkennt, dass die langjährige Ehe nicht die Erfüllung war, für die er diese hielt. Welche Wandlung der Vater durchmacht, dürfte nicht schwer zu erraten sein.

Zurück nach Europa

Gelangweilt von der Handlung folgt nun ein Blick auf die DVD-Ausstattung. Mit einem rund 15 Minuten langen Interview mit dem Regisseur und dem deutschen Kinotrailer bestückt, kann das Bonusmaterial als gewöhnlich bezeichnet werden. Wiederholt kann nur darauf verwiesen werden, einen Film in der Originalsprache zu sehen. Dies gilt auch für „Whatever Works“. Deutsche Untertitel können dabei zu Rate gezogen werden.

Glücklicherweise drehte Allen die Nachfolgerfilme von „Whatever Works“ wieder in Europa. „You Will meet a Tall Dark Stranger“ wurde in London produziert und erscheint am 2. Dezember 2010 in Deutschland im Kino. Mit Carla Bruni drehte der Filmemacher im Frühjahr „Midnight in Paris“ und bezog dafür auch Quartier in der französischen Hauptstadt. Der Film erscheint im nächsten Jahr im Kino. Und wenn Allens Interviewantwort auf der DVD stimmt, kann sich der Regisseur auch einen Dreh in Deutschland vorstellen. Zwei Bedingungen formuliert er dabei: Die Filmfinanzierung muss stehen und die jeweilige Stadt sollte für drei Monate lebenswert sein. Wenn Allen jetzt auch noch ein neues Drehbuch schreibt, ist er herzlich willkommen. Zwar wird der Film von einigen Rezensenten als klassisches und damit auch sehenswertes Werk des Regisseurs bezeichnet, doch mit einer verstaubten Arbeit aus seiner Schreibtischschublade braucht er die Zuschauer meiner Ansicht nach zukünftig nicht mehr unnötig zu behelligen.

Filmdaten:

Titel: Whatever Works – Liebe sich wer kann (englischer Originaltitel: Whatever Works)

USA 2009, 88 Minuten

Regie: Woody Allen

Darsteller: Larry David, Evan Rachel Wood, Patricia Clarkson, Ed Begley, Jr., Conleth Hill, Michael McKean

Deutscher Kinostart: 3.12.2009

DVD- und Blu-Ray-Disc-Verkaufsstart: 24.09.2010

DVD-Bonusmaterial: Interview mit Regisseur Woody Allen (15 Minuten), deutscher Kinotrailer und vier weitere Trailer aus dem Hause Senator Home Entertainment (A Single Man, Che, Mitte Ende August und Nine)

Bild: Central Film/Senator Film